Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 29 R 6368/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 17 R 985/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juni 2010 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob es sich bei dem Gerichtsbescheid vom15. Juni 2010 um ein Scheinurteil handelt, hilfsweise wendet sich der Kläger gegen die Aufhebung vorgemerkter An-rechnungszeiten wegen Schulausbildung.
Der 1953 geborene Kläger war bis zum 31. Dezember 1991 pflichtversichert in der gesetzlichen Rentenversicherung. Vom 01. Januar 1992 bis zum 31. März 2005 ent-richtete er freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung. In den vorliegenden Beschei-den vom 15. Februar 1993 und 21. Januar 2005 gemäß § 149 Abs. 5 Sozialgesetz-buch Sechstes Buch (SGB VI), denen jeweils ein Versicherungsverlauf beigefügt war, war die Zeit vom 23. Mai 1969 bis zum 31. August 1969 als Zeit der Schulausbildung vorgemerkt. Mit Bescheid vom 11. Juni 2008 erließ die Beklagte einen weiteren Bescheid nach § 149 Abs. 5 SGB VI. Sie hob außerdem den Vormerkungsbescheid vom 10. Sep-tember 1992 gemäß § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI insoweit mit Wirkung für die Zukunft auf, als die Zeit vom 23. Mai 1969 bis zum 31. August 1969 wegen einer Rechtsände-rung nicht mehr als Ausbildungszeit berücksichtigt werden könne, weil sie vor der Vollendung des 17. Lebensjahres liege. Den dagegen eingelegten Widerspruch be-gründete der Kläger damit, Rechtsänderungen dürften nicht willkürlich vorgenommen werden, denn dann bestehe keine Rechtssicherheit mehr. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. September 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Dagegen richtet sich die von dem Kläger bei dem Sozialgericht Berlin erhobene Kla-ge, mit der er sich weiterhin gegen die Aufhebung der vorgemerkten Anrechnungszeit vom 23. Mai bis zum 31. August 1969 gewandt hat. Er hat darin einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz (GG) gesehen.
Mit Gerichtsbescheid vom 15. Juni 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die für die Entscheidung nach § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI erforderliche Änderung der dem ursprünglichen Feststellungsbescheid zugrundeliegenden Vorschriften bestehe hier darin, dass § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI durch Art. 1 Nr. 11 a) aa) des Gesetzes zur Umsetzung der Programme für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen Rentenversicherung und Ar-beitsförderung (WFG) mit Wirkung zum 01. Januar 1997 vorsehe, als Anrechnungs-zeiten die Zeiten der Ausbildung an Schulen, Fachschulen oder Hochschulen nur noch die Ausbildungszeiten nach dem 17. Lebensjahr zu berücksichtigen. In der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung seien Anrechnungszeiten nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI Zeiten gewesen, in denen Versicherte nach dem vollendeten 16. Lebensjahr eine Schule, Fach- oder Hochschule besucht und abgeschlossen hät-ten. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten entspreche geltendem Recht. Die Kammer sei von einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG nicht überzeugt. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, Rasse, Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politi-schen Anschauungen benachteiligt werde.
Der Gerichtsbescheid enthält nach der Rechtsmittelbelehrung einen Schriftzug. Die von dem Justizangestellten K am 15. Juni 2010 erteilte Ausfertigung des Gerichtsbe-scheids ist dem Kläger mittels Postzustellungsurkunde am 17. Juni 2010 durch per-sönliche Übergabe zugestellt worden.
Am 22. Juni 2010 hat sich der Kläger wegen der seiner Meinung nach nichtamtlichen Zustellung durch eine Privatperson und der nicht ordnungsgemäßen Ausfertigung er-neut an das Sozialgericht gewandt. Eine Ausfertigung habe durch einen Urkundsbe-amten zu erfolgen. Außerdem sei das Urteil durch den Richter zu unterschreiben. Der Kläger ist daraufhin mit den gerichtlichen Schreiben vom 02. Juli 2010 und 14. Juli 2010 über die Rechtslage belehrt worden. Nach Einsicht in die Gerichtsakte am 28. September 2010 hat der Kläger behauptet, auch nach Akteneinsicht keine Unterschrift unter den Gerichtsbescheid erkennen zu können. Es liege ein Scheinurteil vor, das nicht wirksam zugestellt werden könne.
Am 25. Oktober 2010 hat der Kläger eine "Beschwerde" an das Landessozialgericht gerichtet. Ihm sei der Entwurf eines Beschlusses in Form einer nicht amtlichen Zustel-lung zugesendet worden. Eine Ausfertigung habe er auch nicht bestellt. Durch die Verweigerung der Herausgabe eines rechtswirksamen Urteils habe er kein Rechtsmit-tel einlegen können. Der in der Akte enthaltene Gerichtsbescheid weise unter der Rechtsmittelbelehrung zwar Schmierereien auf, aber da habe wohl jemand seinen Kugelschreiber ausprobieren wollen, mehr nicht. Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass es sich bei dem als Gerichtsbescheid bezeichneten Schrift-stück des Sozialgerichts Berlin – S 29 R 6368/08 - vom 15. Juni 2010 nicht um einen Gerichtsbescheid im Sinne von § 105 Sozialgerichtsgesetz handelt, hilfsweise, den Gerichtsbescheid vom 15. Juni 2010 aufzuheben und den Be-scheid vom 11. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. September 2008 insoweit aufzuheben, als mit diesem die Vormerkung einer An-rechnungszeit wegen schulischer Ausbildung in der Zeit vom 23. Mai 1969 bis zum 31. August 1969 aufgehoben worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 29. Dezember 2010 ist die Berufung der Berichterstatterin übertragen worden, § 153 Abs. 5 i. V. m. § 105 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genom-men.
Entscheidungsgründe:
Über die Berufung kann die Berichterstatterin zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden, denn diese Befugnis ist ihr mit dem Beschluss des Senats vom 29. Dezember 2010 gemäß § 153 Abs. 5 SGG übertragen worden.
Zwar liegt kein ausdrücklich vom Kläger als Berufung bezeichneter Schriftsatz vor, es ist seinen Schreiben, die sich auf die Rechtsprechung und gesetzlichen Vorschriften zur Zustellung und Unterschrift von Urteilen beziehen, jedoch mit hinreichender Si-cherheit zu entnehmen, dass er ein unterschriebenes Urteil verlangt. Dieses Ziel ist nur zu erreichen mit der Feststellung, dass es sich bei dem als Gerichtsbescheid be-zeichneten Schriftstück des Sozialgerichts Berlin – S 29 R 6368/08 - vom 15. Juni 2010 eben nicht um einen Gerichtsbescheid im Sinne des § 105 SGG handelt. Da sich dieses Ansinnen bereits seinem an das Sozialgericht gerichteten Schreiben vom 22. Juni 2010 entnehmen lässt, ist dieses bereits als Berufung anzusehen, die er bei dem Sozialgericht fristwahrend eingelegt hat (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG).
Die insoweit form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegrün-det. Bei dem als Gerichtsbescheid bezeichneten Schriftstück handelt es sich um einen Gerichtsbescheid im Sinne des § 105 SGG vor.
Gemäß dem für Urteile geltenden § 134 Abs. 1 SGG, der gemäß § 105 Abs. 1 Satz 3 SGG auf Gerichtsbescheide entsprechend anwendbar ist, ist der Gerichtsbescheid vom Vorsitzenden zu unterschreiben. Die Unterschriften der Richter sollen u. a. dafür bürgen, dass die Formel des schriftlichen Urteils mit der getroffenen Entscheidung übereinstimmt. Deshalb ist es für die Beteiligten nicht nur wichtig zu wissen, wer das Urteil unterzeichnet hat, sondern auch, ob es überhaupt unterzeichnet ist (vgl. Bun-dessozialgericht (BSG) in SozR 1500 § 151 Nr. 9). Das Urteil muss zur ausreichen-den Kennzeichnung der Identität deshalb den individuellen, d. h. handschriftlichen, sich als Namensunterschrift darstellenden Schriftzug des Vorsitzenden enthalten (vgl. BSG in SozR 1500 § 151 Nr. 3). Die Unterschrift muss nicht lesbar sei, der individuelle Bezug reicht vielmehr aus.
Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, denn der in den Akten befindliche Gerichtsbe-scheid vom 15. Juni 2010 trägt die Unterschrift des im Rubrum angegebenen Rich-ters. Der Senat hat keine Zweifel, dass es sich bei dem Schriftzug unter der Rechts-mittelbelehrung nicht um ein Gekritzel zum Ausprobieren des Kugelschreibers, son-dern um die individuelle Unterschrift des Vorsitzenden handelt. Dies ergibt sich auch aus dem Vergleich dieses Schriftzugs mit den weiteren, in den Akten enthaltenen Un-terschriften des Richters. Es fehlt daher nicht an der auf die Setzung eines Rechtsakts gerichteten Willensäußerung des Richters, wie es bei einem Scheinurteil bzw. dem Entwurf eines Urteils der Fall ist (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 17. Januar 1985 – 2 BvR 498/84 – in NJW 1985, S. 788 f.; s. a. OLG Frankfurt, Beschluss vom 26. November 2009 – 1 UF 307/09 – in FamRZ 2010, S. 907 f., m. w. N.). Die Zustellung einer Ausfertigung des Gerichtsbescheids an den Kläger entspricht ebenfalls den gesetzlichen Anforderungen. Gemäß § 137 SGG sind die Ausfertigun-gen des Urteils von dem Urkundsbeamten der Geschäftstelle zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen. Dies ist hier erfolgt. Der Urkundsbeamte kann, wie das Sozialgericht den Kläger zutreffend darauf hingewiesen hat, sowohl Beamter als auch Angestellter sein. In der Regel ist derUrkundsbeamte der Geschäftsstelle ein Beamter des mittleren Dienstes, teilweise auch ein Justiz- oder Verwaltungsfachangestellter. Dem Beamten wird die Tätigkeit als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle anvertraut, wobei diese Betrauung keiner besonderen Form bedarf. Auch derjenige, der nach seinem Wissens- und Leistungsstand einem Beamten des mittleren Dienstes gleichsteht, kann Urkundsbeamter sein. Seine Ausbildung ist nur für die ordentliche Gerichtsbarkeit geregelt (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. A. 2008, § 4 RdNr. 3, 4).
Letztlich ist die Zustellung selbst nicht zu beanstanden. Die Vorgaben des § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG i. V. m. § 176 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung sind erfüllt.
Der Hilfsantrag hat ebenfalls keinen Erfolg, denn die Beklagte war berechtigt, gemäß § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI den Vormerkungsbescheid vom 10. September 1992 in-soweit aufzuheben, als mit diesem eine Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung in der Zeit vom 23. Mai 1969 bis zum 31. August 1969 vorgemerkt worden ist. Denn nach der ab dem 01. Januar 1997 geltenden Fassung des § 58 SGB VI sind Ausbildungsanrechnungszeiten nur noch die Zeiten nach Vollendung des 17. Lebensjahres. Dieses vollendete der am 23. Mai 1953 geborene Kläger erst am 22. Mai 1970.
Die Neuregelung des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI durch das WFG, wonach - im Gegensatz zum früheren Recht - nur solche Zeiten einer Ausbildung rentenrechtlich erhebliche Ausbildungszeiten darstellen, die nach dem vollendeten 17. Lebensjahr stattgefunden haben, ist auch verfassungsgemäß (vgl. BSG vom 13. November 2008 – B 13 R 77/07 R -, zitiert nach juris, im Anschluss an das Urteil des BVerfG vom 27. Februar 2002 – 1 BvL 10/00 in SozR 6 – in SozR 4 - 2600 § 58 Nr. 7). Die Verschie-bung des Beginns der Anrechnungszeit wegen Schulausbildung auf die Vollendung des 17. Lebensjahres dient danach einem Gemeinwohlzweck und ist verhältnismäßig. Zu beachten ist dabei, dass die Anwartschaft, soweit ihr die Zurücklegung einer schu-lischen Ausbildung zugrunde liegt, nicht auf einer Beitragsleistung beruht. Die Verfas-sungsbeschwerde gegen das o. g. Urteil des BSG wurde nicht zur Entscheidung an-genommen (BVerfG 1. Senat 3. Kammer vom 7.4.2010 - 1 BvR 718/09 -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist, ob es sich bei dem Gerichtsbescheid vom15. Juni 2010 um ein Scheinurteil handelt, hilfsweise wendet sich der Kläger gegen die Aufhebung vorgemerkter An-rechnungszeiten wegen Schulausbildung.
Der 1953 geborene Kläger war bis zum 31. Dezember 1991 pflichtversichert in der gesetzlichen Rentenversicherung. Vom 01. Januar 1992 bis zum 31. März 2005 ent-richtete er freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung. In den vorliegenden Beschei-den vom 15. Februar 1993 und 21. Januar 2005 gemäß § 149 Abs. 5 Sozialgesetz-buch Sechstes Buch (SGB VI), denen jeweils ein Versicherungsverlauf beigefügt war, war die Zeit vom 23. Mai 1969 bis zum 31. August 1969 als Zeit der Schulausbildung vorgemerkt. Mit Bescheid vom 11. Juni 2008 erließ die Beklagte einen weiteren Bescheid nach § 149 Abs. 5 SGB VI. Sie hob außerdem den Vormerkungsbescheid vom 10. Sep-tember 1992 gemäß § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI insoweit mit Wirkung für die Zukunft auf, als die Zeit vom 23. Mai 1969 bis zum 31. August 1969 wegen einer Rechtsände-rung nicht mehr als Ausbildungszeit berücksichtigt werden könne, weil sie vor der Vollendung des 17. Lebensjahres liege. Den dagegen eingelegten Widerspruch be-gründete der Kläger damit, Rechtsänderungen dürften nicht willkürlich vorgenommen werden, denn dann bestehe keine Rechtssicherheit mehr. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. September 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Dagegen richtet sich die von dem Kläger bei dem Sozialgericht Berlin erhobene Kla-ge, mit der er sich weiterhin gegen die Aufhebung der vorgemerkten Anrechnungszeit vom 23. Mai bis zum 31. August 1969 gewandt hat. Er hat darin einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz (GG) gesehen.
Mit Gerichtsbescheid vom 15. Juni 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die für die Entscheidung nach § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI erforderliche Änderung der dem ursprünglichen Feststellungsbescheid zugrundeliegenden Vorschriften bestehe hier darin, dass § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI durch Art. 1 Nr. 11 a) aa) des Gesetzes zur Umsetzung der Programme für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen Rentenversicherung und Ar-beitsförderung (WFG) mit Wirkung zum 01. Januar 1997 vorsehe, als Anrechnungs-zeiten die Zeiten der Ausbildung an Schulen, Fachschulen oder Hochschulen nur noch die Ausbildungszeiten nach dem 17. Lebensjahr zu berücksichtigen. In der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung seien Anrechnungszeiten nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI Zeiten gewesen, in denen Versicherte nach dem vollendeten 16. Lebensjahr eine Schule, Fach- oder Hochschule besucht und abgeschlossen hät-ten. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten entspreche geltendem Recht. Die Kammer sei von einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG nicht überzeugt. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, Rasse, Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politi-schen Anschauungen benachteiligt werde.
Der Gerichtsbescheid enthält nach der Rechtsmittelbelehrung einen Schriftzug. Die von dem Justizangestellten K am 15. Juni 2010 erteilte Ausfertigung des Gerichtsbe-scheids ist dem Kläger mittels Postzustellungsurkunde am 17. Juni 2010 durch per-sönliche Übergabe zugestellt worden.
Am 22. Juni 2010 hat sich der Kläger wegen der seiner Meinung nach nichtamtlichen Zustellung durch eine Privatperson und der nicht ordnungsgemäßen Ausfertigung er-neut an das Sozialgericht gewandt. Eine Ausfertigung habe durch einen Urkundsbe-amten zu erfolgen. Außerdem sei das Urteil durch den Richter zu unterschreiben. Der Kläger ist daraufhin mit den gerichtlichen Schreiben vom 02. Juli 2010 und 14. Juli 2010 über die Rechtslage belehrt worden. Nach Einsicht in die Gerichtsakte am 28. September 2010 hat der Kläger behauptet, auch nach Akteneinsicht keine Unterschrift unter den Gerichtsbescheid erkennen zu können. Es liege ein Scheinurteil vor, das nicht wirksam zugestellt werden könne.
Am 25. Oktober 2010 hat der Kläger eine "Beschwerde" an das Landessozialgericht gerichtet. Ihm sei der Entwurf eines Beschlusses in Form einer nicht amtlichen Zustel-lung zugesendet worden. Eine Ausfertigung habe er auch nicht bestellt. Durch die Verweigerung der Herausgabe eines rechtswirksamen Urteils habe er kein Rechtsmit-tel einlegen können. Der in der Akte enthaltene Gerichtsbescheid weise unter der Rechtsmittelbelehrung zwar Schmierereien auf, aber da habe wohl jemand seinen Kugelschreiber ausprobieren wollen, mehr nicht. Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass es sich bei dem als Gerichtsbescheid bezeichneten Schrift-stück des Sozialgerichts Berlin – S 29 R 6368/08 - vom 15. Juni 2010 nicht um einen Gerichtsbescheid im Sinne von § 105 Sozialgerichtsgesetz handelt, hilfsweise, den Gerichtsbescheid vom 15. Juni 2010 aufzuheben und den Be-scheid vom 11. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. September 2008 insoweit aufzuheben, als mit diesem die Vormerkung einer An-rechnungszeit wegen schulischer Ausbildung in der Zeit vom 23. Mai 1969 bis zum 31. August 1969 aufgehoben worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 29. Dezember 2010 ist die Berufung der Berichterstatterin übertragen worden, § 153 Abs. 5 i. V. m. § 105 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genom-men.
Entscheidungsgründe:
Über die Berufung kann die Berichterstatterin zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden, denn diese Befugnis ist ihr mit dem Beschluss des Senats vom 29. Dezember 2010 gemäß § 153 Abs. 5 SGG übertragen worden.
Zwar liegt kein ausdrücklich vom Kläger als Berufung bezeichneter Schriftsatz vor, es ist seinen Schreiben, die sich auf die Rechtsprechung und gesetzlichen Vorschriften zur Zustellung und Unterschrift von Urteilen beziehen, jedoch mit hinreichender Si-cherheit zu entnehmen, dass er ein unterschriebenes Urteil verlangt. Dieses Ziel ist nur zu erreichen mit der Feststellung, dass es sich bei dem als Gerichtsbescheid be-zeichneten Schriftstück des Sozialgerichts Berlin – S 29 R 6368/08 - vom 15. Juni 2010 eben nicht um einen Gerichtsbescheid im Sinne des § 105 SGG handelt. Da sich dieses Ansinnen bereits seinem an das Sozialgericht gerichteten Schreiben vom 22. Juni 2010 entnehmen lässt, ist dieses bereits als Berufung anzusehen, die er bei dem Sozialgericht fristwahrend eingelegt hat (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG).
Die insoweit form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegrün-det. Bei dem als Gerichtsbescheid bezeichneten Schriftstück handelt es sich um einen Gerichtsbescheid im Sinne des § 105 SGG vor.
Gemäß dem für Urteile geltenden § 134 Abs. 1 SGG, der gemäß § 105 Abs. 1 Satz 3 SGG auf Gerichtsbescheide entsprechend anwendbar ist, ist der Gerichtsbescheid vom Vorsitzenden zu unterschreiben. Die Unterschriften der Richter sollen u. a. dafür bürgen, dass die Formel des schriftlichen Urteils mit der getroffenen Entscheidung übereinstimmt. Deshalb ist es für die Beteiligten nicht nur wichtig zu wissen, wer das Urteil unterzeichnet hat, sondern auch, ob es überhaupt unterzeichnet ist (vgl. Bun-dessozialgericht (BSG) in SozR 1500 § 151 Nr. 9). Das Urteil muss zur ausreichen-den Kennzeichnung der Identität deshalb den individuellen, d. h. handschriftlichen, sich als Namensunterschrift darstellenden Schriftzug des Vorsitzenden enthalten (vgl. BSG in SozR 1500 § 151 Nr. 3). Die Unterschrift muss nicht lesbar sei, der individuelle Bezug reicht vielmehr aus.
Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, denn der in den Akten befindliche Gerichtsbe-scheid vom 15. Juni 2010 trägt die Unterschrift des im Rubrum angegebenen Rich-ters. Der Senat hat keine Zweifel, dass es sich bei dem Schriftzug unter der Rechts-mittelbelehrung nicht um ein Gekritzel zum Ausprobieren des Kugelschreibers, son-dern um die individuelle Unterschrift des Vorsitzenden handelt. Dies ergibt sich auch aus dem Vergleich dieses Schriftzugs mit den weiteren, in den Akten enthaltenen Un-terschriften des Richters. Es fehlt daher nicht an der auf die Setzung eines Rechtsakts gerichteten Willensäußerung des Richters, wie es bei einem Scheinurteil bzw. dem Entwurf eines Urteils der Fall ist (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 17. Januar 1985 – 2 BvR 498/84 – in NJW 1985, S. 788 f.; s. a. OLG Frankfurt, Beschluss vom 26. November 2009 – 1 UF 307/09 – in FamRZ 2010, S. 907 f., m. w. N.). Die Zustellung einer Ausfertigung des Gerichtsbescheids an den Kläger entspricht ebenfalls den gesetzlichen Anforderungen. Gemäß § 137 SGG sind die Ausfertigun-gen des Urteils von dem Urkundsbeamten der Geschäftstelle zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen. Dies ist hier erfolgt. Der Urkundsbeamte kann, wie das Sozialgericht den Kläger zutreffend darauf hingewiesen hat, sowohl Beamter als auch Angestellter sein. In der Regel ist derUrkundsbeamte der Geschäftsstelle ein Beamter des mittleren Dienstes, teilweise auch ein Justiz- oder Verwaltungsfachangestellter. Dem Beamten wird die Tätigkeit als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle anvertraut, wobei diese Betrauung keiner besonderen Form bedarf. Auch derjenige, der nach seinem Wissens- und Leistungsstand einem Beamten des mittleren Dienstes gleichsteht, kann Urkundsbeamter sein. Seine Ausbildung ist nur für die ordentliche Gerichtsbarkeit geregelt (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. A. 2008, § 4 RdNr. 3, 4).
Letztlich ist die Zustellung selbst nicht zu beanstanden. Die Vorgaben des § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG i. V. m. § 176 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung sind erfüllt.
Der Hilfsantrag hat ebenfalls keinen Erfolg, denn die Beklagte war berechtigt, gemäß § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI den Vormerkungsbescheid vom 10. September 1992 in-soweit aufzuheben, als mit diesem eine Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung in der Zeit vom 23. Mai 1969 bis zum 31. August 1969 vorgemerkt worden ist. Denn nach der ab dem 01. Januar 1997 geltenden Fassung des § 58 SGB VI sind Ausbildungsanrechnungszeiten nur noch die Zeiten nach Vollendung des 17. Lebensjahres. Dieses vollendete der am 23. Mai 1953 geborene Kläger erst am 22. Mai 1970.
Die Neuregelung des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI durch das WFG, wonach - im Gegensatz zum früheren Recht - nur solche Zeiten einer Ausbildung rentenrechtlich erhebliche Ausbildungszeiten darstellen, die nach dem vollendeten 17. Lebensjahr stattgefunden haben, ist auch verfassungsgemäß (vgl. BSG vom 13. November 2008 – B 13 R 77/07 R -, zitiert nach juris, im Anschluss an das Urteil des BVerfG vom 27. Februar 2002 – 1 BvL 10/00 in SozR 6 – in SozR 4 - 2600 § 58 Nr. 7). Die Verschie-bung des Beginns der Anrechnungszeit wegen Schulausbildung auf die Vollendung des 17. Lebensjahres dient danach einem Gemeinwohlzweck und ist verhältnismäßig. Zu beachten ist dabei, dass die Anwartschaft, soweit ihr die Zurücklegung einer schu-lischen Ausbildung zugrunde liegt, nicht auf einer Beitragsleistung beruht. Die Verfas-sungsbeschwerde gegen das o. g. Urteil des BSG wurde nicht zur Entscheidung an-genommen (BVerfG 1. Senat 3. Kammer vom 7.4.2010 - 1 BvR 718/09 -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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