L 19 AS 1563/10 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 29 AS 1353/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 1563/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.08.2010 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Klägerin, die mit ihrem am 00.00.2008 geborenen, schwerbehinderten (GdB 100%, Merkzeichen G, H, RF) Sohn - Kläger zu 2) - zusammenlebt und seit dem 01.01.2010 für sich allein Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) bezieht, beantragte im Februar 2010 die Zustimmung der Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagter) zur Anmietung einer größeren, im Gegensatz zu ihrer bisherigen im Erdgeschoss liegenden Wohnung. Der Beklagte lehnte die Zustimmung ab, weil die Wohnung nicht angemessen sei (Bescheid vom 04.02.2010).

Die Klägerin zu 1) legte hiergegen Widerspruch ein und unterschrieb am 06.03.2010 den Mietvertrag für die neue Wohnung.

Der Beklagte, der der Klägerin mit Bescheid vom 09.03.2010 Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.04. bis 30.09.2010 weiterbewilligte, wies den Widerspruch als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 10.03.2010).

Das hiergegen angerufene Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat mit Beschluss vom 19.08.2010 Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil der Beklagte die Zusicherung im Hinblick auf die Unangemessenheit der Wohnung zu Recht abgelehnt habe.

Die dagegen gerichtete Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Es hat allerdings verkannt, dass sich das Zusicherungsbegehren der Kläger infolge des Einzugs in die neue Wohnung zum 01.04.2010 erledigt hat.

Die Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II, die als Verwaltungsakt ergeht (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl., § 22 Rn 83), ist anders als die Zustimmung nach § 22 Abs. 3 bezüglich der Umzugskosten (vgl. dazu BSG Urt. 06.05.2010 - B 14 AS 7/09 R - = www. juris.de Rn 13) nicht Voraussetzung für den Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II (BSG Urt. v. 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rn 27; Berlit a.a.O. § 22 Rn 79; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 22 Rn 66 jeweils m.w.N.). Das Zusicherungsverfahren hat vielmehr allein eine Aufklärungs- und Warnfunktion, um zu verhindern, dass Leistungsbezieher ohne zureichenden Grund umziehen und/ oder unangemessenen Wohnraum anmieten (Berlit a.a.O.). Ist der Umzug aber bereits vollzogen, entfällt das Bedürfnis für die Zusicherung jedenfalls dann, wenn wie hier der Leistungsträger über die Kosten der (neuen) Unterkunft bereits eine Entscheidung getroffen hat.

Für die in solchen Fällen allein statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage auf Ausspruch des Gerichts über die Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes fehlt den Klägern das berechtigte Interesse im Sinne des § 131 Abs. 1 S. 3 SGG. Dieses kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art sein und wird für den Fall einer Wiederholungsgefahr, eines Rehabilitationsbedürfnisses, der Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs oder bei Präjudizialität des Verfahrens angenommen (vgl. BSG Urt. v. 28.08.2007 - B 7/7a AL 16/06 R = SozR 4-1500 § 131 Nr. 3 m.w.N.). Dem Kläger zu 2) fehlt ein Interesse schon deshalb, weil er nicht im Leistungsbezug nach dem SGB II steht. Aber auch bei der Klägerin liegt keiner der genannten Fälle vor.

Die Annahme einer Wiederholungsgefahr setzt die konkret absehbare Möglichkeit voraus, dass innerhalb der nahen Zukunft eine gleiche oder gleichartige Entscheidung oder Maßnahme zu Lasten der Klägerin zu erwarten ist (BVerwG Beschl. v. 29.04.2008 - 1 WB 11/07 = Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 31 m.w.N.). Es muss die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr bestehen, dass sich unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Sachverhalt wiederholt oder dass trotz veränderter Verhältnisse zumindest eine auf gleichartigen Erwägungen beruhende Entscheidung zu erwarten ist, weil die Behörde eine entsprechende Absicht zu erkennen gegeben hat (vgl. BSG Urt. v. 16.05.2007 - B 7b AS 40/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 4 Rn 7). Da die Kläger die neue Wohnung bezogen und nicht geltend gemacht haben, einen erneuten Umzug zu beabsichtigen, ist derzeit nicht ersichtlich, dass ein weiteres Zusicherungsverfahren im Sinne des § 22 Abs. 2 SGB II zu erwarten ist,und, falls doch, unter welchen Umständen.

Die Klägerin kann ein Feststellungsinteresse auch nicht daraus ableiten, dass mit der Zusicherung der Beklagte zur Übernahme der - ggf. überhöhten - Mietkosten zumindest für den Zeitraum des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II (sechs Monate) verpflichtet wäre. Der Beklagte hat nämlich bereits mit bestandskräftigem Bescheid vom 09.03.2010 die Leistungen für Unterkunft und Heizung ab dem 01.04.2010 - Zeitpunkt des Einzugs in die neue Wohnung - festgesetzt. Bei Bekanntgabe dieses Bescheides unterlag die Klägerin zu 1) aber schon einer höheren Mietzahlungsverpflichtung, weil sie bereits am 06.03.2010 den Mietvertrag für die neue Wohnung unterzeichnet hatte. Zur Durchsetzung höherer Kosten für Unterkunft und Heizung ist die Klägerin zu 1) daher ohnehin auf ein Überprüfungsverfahren nachh § 44 SGB X angewiesen, sodass in diesem ggf. die Notwendigkeit des Umzugs und die Angemessenheit der Mietkosten zu überprüfen sind.

Da die Klage demzufolge keine Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) bietet, ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Nichterstattungsfähigkeit der Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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