L 3 SB 582/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SB 1618/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 582/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 22. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Herabstufung des bei ihm festgestellten Grades der Behinderung (GdB) und die Aberkennung des Nachteilsausgleichs der erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen "G").

Bei dem am 30.10.1951 geborenen Kläger stellte das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis -Versorgungsamt - (VA) zuletzt wegen der Funktionsbeeinträchtigungen:

1. "degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom, Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, Mittelnervendruckschädigung (Karpaltunnelsyndrom)", 2. "chronische Magenschleimhautentzündung", 3. "chronische Nebenhöhlenentzündung, Allergie, Bronchialasthma", 4. "chronisches Ekzem", 5. "chronische Entzündung der Prostata, Prostatavergrößerung", 6. "Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, bei degenerativen Gelenkveränderungen, Funktionsbehinderung des linken Sprunggelenks, 7. "chronische Leberentzündung (Hepatitis)" und 8. " Hirndurchblutungsstörung, Depression, funktionelle Organbeschwerden, Schwindel"

einen GdB von 100 seit 22.03.2005 fest (Bescheid vom 14.06.2005). Hierbei brachte es für die Funktionsbeeinträchtigung zu 6 einen Einzel-GdB von 50, für die Funktionsbeeinträchtigungen zu 1 und zu 8 einen solchen von jeweils 40, für die Funktionsbeeinträchtigung zu 3 einen solchen von 20 und für die Funktionsbeeinträchtigungen zu 2, zu 4, zu 5 und zu 7 einen solchen von 10 in Ansatz. Das VA entschied ferner, dass das Merkzeichen G festgestellt bleibe. Dem lag eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. A. vom 08.06.2005 zu Grunde, in welcher vom VA zuvor angeforderte Befundberichte der behandelnden Ärzte versorgungsärztlich ausgewertet wurden. Dr. A. berücksichtigte u.a. den Rehabilitationsentlassungsbericht der vom 03. bis 24.12.2003 stationär in der B.-Klinik, C., durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme, aus welcher der Kläger mit den Diagnosen degeneratives Wirbelsäulensyndrom, Schwerpunkt HWS mit Cervicocephalgien und linksseitigen Cervicobrachialgien, Polyarthralgien, insb. der Kniegelenke, Trapeziusausfall links, asthmoide Bronchitis, derzeit exacerbiert, und chronische Gastritis entlassen wurde.

Der Nachteilsausgleich "G" war zuvor erstmals mit Bescheid vom 23.04.2002 festgestellt worden. Dem lag u.a. der Rehabilitationsentlassungsbericht der vom 30.05. - 20.06.2001 stationär in der B.-Klinik, C., durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme, aus welcher der Kläger mit den Diagnosen einer akuten Gonalgie links mit erheblich schmerzhaftem Funktionsdefizit bei init. Gonarthrose, V.a. villonoduläre Synovialitis, degenerativem Cervicalsyndrom, Trapeziusausfall li., vermutlich G.infektös, Z.n. Hepatitis A und B 1987 entlassen wurde, zu Grunde.

Mit Schreiben vom 07.12.2006 teilte die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (DRV) dem VA mit, der Kläger habe am 11.07.2006 einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gestellt. Im Rahmen der ärztlichen Untersuchung sei von den Ärzten dringend ein Überprüfungsverfahren angeregt worden, da eine Schwerbehinderung mit einem GdB von über 50 als wesentlich zu hoch erschienen sei. Auf Anforderung des VA wurde sodann von der DRV ein von Dr. D. - Fachärztin für Innere Medizin, Sozialmedizin, Rettungsmedizin - am 06.11.2006 erstelltes internistisches Gutachten vorgelegt. Darin führte Dr. D. aus, dass der Kläger anlässlich seiner persönlichen Untersuchung mitgeteilt habe, regelmäßige Spaziergänge mit dem Hund über ca. 45 Minuten zu unternehmen, wobei er im Wechsel zu Fuß oder mit dem Fahrrad Wegstrecken von vier bis fünf Kilometern zurücklege. Er führe auch Nordic-Walking durch und gehe mit den Kindern dreimal wöchentlich zum Fußball. Die Untersuchung des Klägers habe ergeben, dass die Wirbelsäulenbeweglichkeit in allen Richtungen frei und nicht schmerzhaft sei. Die Beweglichkeit der großen Gelenke der unteren Extremitäten sei frei, lediglich im linken Kniegelenk bestehe bei passiver Bewegung ein leichter Schmerz über der Gelenkspalte. Sie habe keine Schwellung oder Entzündung feststellen können.

In einer versorgungsärztlichen Überprüfung vom 03.08.2007 kam Dr. E.-F. zu der Einschätzung, dass eine wesentliche Besserung eingetreten sei. Das degenerative Wirbelsäulensyndrom gehe allenfalls mit leichten Bewegungseinschränkungen einher. Die Beweglichkeit in den großen Gelenken sei, bis auf eine eingeschränkte Abduktion im Bereich der linken Schulter und Anteflexion, frei. Ein Karpaltunnelsyndrom bzw. entsprechende Beschwerden seien im aktuellen Rentengutachten nicht beschrieben. Auch sei die Hüft- und Kniegelenksbeweglichkeit im Rentengutachten als frei beschrieben worden.

Mit Schreiben vom 15.08.2007 hörte das VA den Kläger gemäß § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) an. Es führte an, dass nach Auswertung der von der DRV beigezogenen medizinischen Unterlagen von einer Besserung des Gesundheitszustandes auszugehen sei. Die vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertigten einen GdB von 50, das Merkzeichen "G" stehe nicht mehr zu; es sei beabsichtigt, einen entsprechenden Neufeststellungsbescheid zu erteilen. Dem Kläger wurde Gelegenheit eingeräumt, sich hierzu zu äußern. Mit Schreiben vom 23.08.2007 brachte der Kläger hierzu vor, seine Beschwerden hätten sich keinesfalls gebessert, es sei vielmehr eine Verschlechterung eingetreten. Zusätzlich zu den bestehenden Erkrankungen seien noch eine Lebensmittelallergie und eine Störung der Magenklappe hinzugetreten.

Das VA forderte daraufhin beim behandelnden Facharzt für Allgemeinmedizin, Dr. G., Befundberichte an und veranlasste deren versorgungsärztliche Überprüfung. Diese ergab, dass nach den vorliegenden orthopädischen Befundberichten eine beginnende Coxarthrose mit Bewegungsschmerzen in beiden Hüftgelenken bestehe. Lediglich anlässlich einer orthopädischen Vorstellung im August 2007 sei eine leichtgradige Gonarthrose mit Reiben beim Durchbewegen des Kniegelenks, eine Kapselschwellung und ein Patellaranpressschmerz beschrieben. Eine Funktionsbehinderung des Sprunggelenks sei weder aus dem Rentengutachten noch den Befundberichten ersichtlich. Ein Einzel-GdB von mehr als 20 könne bei der im Rentengutachten beschriebenen freien Hüft- und Kniegelenksbeweglichkeit nicht mehr festgestellt werden. Die medizinischen Voraussetzungen für das Merkzeichen G seien nicht mehr feststellbar.

In einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 09.01.2008 empfahl Dr. E.-F., für eine "Hirndurchblutungsstörung, Depression, funktionelle Organbeschwerden, Schwindel" einen GdB von 40, für eine "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, verheilter Wirbelbruch, Schulter-Arm-Syndrom, Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks" einen GdB von 30, für eine "Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, bei degenerativen Gelenkveränderungen" und für eine "chronische Nebenhöhlenentzündung, Allergie, Bronchialasthma" jeweils einen GdB von 20 sowie für eine "chronische Magenschleimhautentzündung, chronische Leberentzündung", für ein "chronisches Ekzem" und für "Bluthochdruck" jeweils einen GdB von 10. Der Gesamt- GdB sei mit 70 festzustellen, die medizinischen Voraussetzungen des Merkzeichens "G" seien nicht mehr feststellbar.

Mit Bescheid vom 15.02.2008 hob das VA den Bescheid vom 14.06.2005 nach § 48 SGB X auf und stellte den GdB des Klägers ab 21.02.2008 mit 70 fest. Es entschied ferner, das Merkzeichen G zu entziehen, da die Voraussetzungen für dessen Feststellungen nicht mehr vorlägen. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das VA an, die ärztliche Prüfung der vorliegenden aktuellen medizinischen Unterlagen habe ergeben, dass eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes beim Kläger und der damit eingehergehenden Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem Gebiet eingetreten sei. Lediglich anlässlich einer fachorthopädischen Vorstellung im September 2006 sei eine beginnende Coxarthrose mit Bewegungsschmerzen beider Hüften beschrieben worden. Im August 2007 sei eine leichtgradige Gonarthrose mit Reiben beim Durchbewegen des Kniegelenks eine Kapselschwellung und ein Patellaransprechschmerz beschrieben worden. In dem ärztlichen Gutachten für die DRV sei ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit allenfalls leichten Bewegungseinschränkungen und eine freie Beweglichkeit in den großen Gelenken der oberen Gliedmaßen festgestellt worden. In den aktuellen orthopädischen Befundberichten seien anhaltende Lumboischialgien mit Druck- und Klopfschmerz sowie neu aufgetretene Restbeschwerden nach BWK 6-8 Kompressionsfrakturen bestätigt worden. Zusammenfassend sei festzustellen, dass die im Jahr 2003 bestehende erheblich eingeschränkte Beweglichkeit der Halswirbelsäule in den jetzt vorliegenden fachorthopädischen Befundberichten der Jahre 2006 und 2007 nicht mehr beschrieben sei. Die hiernach vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der unteren Gliedmaßen und der Lendenwirbelsäule wirkten sich nicht mehr in dem Maße auf die Gehfähigkeit aus, als dass hierdurch eine Einschränkung des Gehvermögens in dem geforderten Ausmaß bestehe.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch, zu dessen Begründung eine fachärztliche Bescheinigung von Dr. H. vorgelegt wurde, wies der Beklagte nach versorgungsärztlicher Überprüfung durch Dr. Stevanovic vom 08.04.2008 mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2008 zurück. Zur Begründung seiner Entscheidung führt der Beklagte an, die beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen seien mit einem GdB von 70 vollständig erfasst und sachgerecht bewertet. Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sei nur dann als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestünden, die für sich allein einen GdB von wenigstens 50 bedingten. Dies sei beim Kläger nicht mehr der Fall. Auch seien die bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen der unteren Gliedmaßen mit denen einer Versteifung des Hüftgelenks, der Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung nicht vergleichbar.

Hiergegen hat der Kläger am 14.05.2008 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat er vorgebracht, dass die ihn behandelnden Orthopäden nicht von einer Besserung seines Gesundheitszustandes ausgingen. Überdies sei eine Osteoporose hinzugetreten. Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten.

Zur Aufklärung des Sachverhalts hat das SG medizinische Sachverständigengutachten, die in dem beim SG geführten Verfahren - S 9 R 2818/07 - des Klägers gegen die DRV wegen der Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit eingeholt wurden, beigezogen. In seinem Gutachten vom 14.05.2008 hat Dr. L. - Internist - beim Kläger eine Osteoporose mit BWK-Frakturen, degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit HWS-Syndrom, LWS-Syndrom, ein chronisches Schulter-Arm-Syndrom, Musculus Trapeziusatrophie links, eine beginnende Coxarthrose und Gonarthrose links mit Chondromalazie, arterielle Hypertonie, leichtgradige Mitralklappeninsuffizienz, ventrikuläre Extrasystolie, Pollinosis (Heuschnupfen), asthmoide Bronchitis (saisonales Asthma bronchiale), chronische Sinusitis, chronische Gastritis, V.a. Refluxerkrankung, eine Prostatahyperplasie, Restharnbildung, eine depressive Verstimmung mit Somatisierung, chronische Schmerzkrankheit und nebenbefundlich einen Z.n. Hepatitis A und B, Hämorrhoidal- und Enddarmleiden sowie einen Z.n. Sprunggelenksdistorsion links diagnostiziert. Dr. L. hat u.a. angegeben, der Gang des Klägers sei gleichmäßig und unauffällig und es bestehe eine endgradige Einschränkung der Hüftgelenksbeweglichkeit. Dr. K. - Arzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie - hat in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 26.09.2008 auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet ein deprimiertes Syndrom mit Somatisierungstendenzen bei psychosozialen Belastungsfaktoren und eine Parese des Nervus accessorius linksseitig diagnostiziert. Er hat ferner ausgeführt, der Kläger habe ihm gegenüber angegeben, im Rahmen seines Tagesablaufes täglich mit dem Fahrrad zwei km zurückzulegen. Dr. K. hat ferner mitgeteilt, dass er keine Einschränkung der Wegefähigkeit sehe.

Nach Eingang der Gutachten hat das SG die beiden Gutachter schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Dr. L. hat hierzu unter dem 10.11.2008 u.a. angegeben, die von ihm eruierte Hüftgelenksbeweglichkeit habe bis zu einer Streckung und Beugung von 115° bzw. 120° geführt. Die Kniegelenksbeweglichkeit sei anlässlich seiner Untersuchung nicht eingeschränkt gewesen. Dr. K. hat unter dem 12.11.2008 mitgeteilt, der Kläger sei in der Lage, Wegstrecken im Ortsverkehr bis zu 2 km ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahren für sich oder andere zurückzulegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 22.01.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG angeführt, im Gesundheitszustand des Klägers auf orthopädischem Gebiet sei eine Besserung eingetreten, die es nicht mehr rechtfertige, die Wirbelsäulenerkrankung mit einem Einzel-GdB von 40 und die Hüfterkrankung mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten. Im Bereich der Wirbelsäule bestünden allenfalls leichte bis mittelgradige Einschränkungen in zwei Abschnitten, die einen Einzel-GdB von 30 rechtfertigten, im Bereich der Hüfte bestünden nur geringgradige Einschränkungen, die allenfalls einen Einzel-GdB von 20 rechtfertigten. In Zusammenschau der vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen sei der GdB des Klägers mit 70 zutreffend festgestellt worden. Die medizinischen Voraussetzungen des Merkzeichens G lägen hiermit nicht mehr vor. Der Kläger sei in der Lage, eine Wegstrecke im Ortsverkehr von 2 km ohne erhebliche Schwierigkeiten zurückzulegen.

Gegen den am 26.01.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 04.02.2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung seines Rechtsmittels bringt der Kläger vor, die Beweiswürdigung und rechtliche Bewertung des SG seien nicht nachvollziehbar. Im Besonderen seine orthopädischen Erkrankungen seien nicht angemessen berücksichtigt worden. Der Kläger hat hierzu ärztliche Stellungnahmen und Befundberichte der ihn behandelnden Ärzte vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 22. Januar 2009 sowie den Bescheid vom 15. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2008 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung seines Antrags bringt der Beklagte vor, die Besserung im Gesundheitszustand des Klägers ergebe sich aus den vorliegenden Unterlagen und verweist hierzu auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid. Ergänzend hat er versorgungsärztliche Stellungnahmen von Dr. Wolf vom 24.06.2009 sowie Dr. M. vom 13.01.2010, 12.07.2010 und 13.01.2011 vorgelegt.

Zur Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat die behandelnde Fachärztin für Orthopädie, Dr. N., schriftlich als sachverständige Zeugin einvernommen. In ihrer Stellungnahme vom 15.07.2009 hat Dr. N. u.a. mitgeteilt, dass aufgrund der anhaltenden Beschwerden an den Knie- und Hüftgelenken die Gehstrecke die vom Kläger zurückgelegt werden könne, eingeschränkt sei.

Der Senat hat ferner ein von Dr. O. -Ärztin für Allgemeinmedizin- und dem Arzt für Innere Medizin und Sozialmedizin P. für die DRV erstelltes sozialmedizinisches Gutachten vom 01.09.2009 zum Verfahren beigezogen. Die Gutachter haben beim Kläger schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der HWS bei Osteochondrose C5 bis C7 mit degenerativen Veränderungen und Einengung des Spinalkanals, Schmerzen im Bereich der Brustwirbelsäule bei Z.n. BWK 6 und BWK 5 Fraktur bei Osteoporose und beim multiplen Bandscheibenprotrusionen, schmerzhafte Bewegungseinschränkung der LWS bei Bandscheibenverlagerungen in den Segmenten L4 bis S1 ohne neurologische Begleitsymptomatik, eine chronische Periarthritis humeroscapularis links bei Musculus-trapezius-Atrophie links - derzeit ohne Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk -, schmerzhafte Bewegungseinschränkungen des linken Kniegelenks bei radiologisch nachgewiesener Gonarthrose beidseitig, rezidivierenden Schwindel bei Herzrhythmusstörungen im Sinne einer ventrikulären Extrasystolie Lown IVa und chronisch rezidivierende Gastritiden diagnostiziert. Sie haben angegeben, dass sich im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates des Klägers ein athletischer Körperbau gezeigt habe. Die Hüftgelenke seien frei beweglich. Das linke Kniegelenk habe bei Gegenspannung nur bis 80° gebeugt werden können und sei im Vergleich zum rechten Kniegelenk ohne Entzündungszeichen leicht umfangsvermehrt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die Akte des Verfahrens beim SG - S 9 R 2818/07 - sowie die beim Beklagten für den Kläger geführte Schwerbehindertenakte (2 Bände), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 23.03.2011 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung 23.03.2011 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage gegen den Bescheid vom 15.02.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2008 zu Recht abgewiesen. Dieser ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Im Gesundheitszustand des Klägers ist gegenüber dem, der dem Bescheid vom 14.06.2005 zu Grunde lag, insofern eine wesentliche Besserung eingetreten, als die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht mehr mit einem höheren GdB als 70 bewertet werden können und die medizinischen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G" nicht mehr vorliegen.

Die Herabstufung des beim Kläger festgestellten GdB von 100 auf 70 und die Aberkennung des Nachteilsausgleichs "G" finden ihre Rechtsgrundlage in § 48 SGB X. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung ist im gegebenen Zusammenhang im Hinblick auf die Feststellung des GdB anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung des Behinderungszustandes eine Herabsetzung oder Erhöhung des festgestellten (Gesamt-) GdB um wenigstens 10 ergibt bzw. die gesundheitlichen Voraussetzungen eines Nachteilausgleichs nicht mehr vorliegen (u.a. Bundessozialgericht, [BSG] Urteil vom 22.10.1986 - 9a RVs 55/85 - zit. nach juris). Die Änderung der Bezeichnung der Funktionsbeeinträchtigungen oder das Hinzutreten weiterer Funktionsbeeinträchtigungen ohne Auswirkung auf den GdB stellen hingegen keine wesentliche Änderung in diesem Sinne dar (BSG, Urteil vom 24.06.1998 - B 9 SB 18/97 R- zit. nach juris). Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich der gegenwärtigen Verhältnisse mit denen, die bei Erlass des zuletzt bindend gewordenen Bescheides vorgelegen haben, die die in ihm enthaltene Regelung objektiv gerechtfertigt haben, zu beurteilen. Sind die Behinderungen geringer geworden, geht es dem Behinderten also heute besser als damals, ist der GdB herabzusetzen (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 09.08.1995 - 9 RVs 14/94 - zit. nach juris).

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest, für den die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend gelten (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX). Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsaus-gleichen, so treffen die zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach Absatz 1 (§ 69 Abs. 4 SGB IX).

Bei der konkreten Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen sind die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP) herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung in der jeweils gültigen Fassung (zuletzt 2008) heranzuziehen. In den AHP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderung wiedergegeben. Die AHP ermöglichen somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB. Auch das BSG betont die Bedeutung der AHP und beschreibt sie als "einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge" (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R – zit. nach juris). Sie sind für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zwar nicht rechtsverbindlich, sie tragen als "antizipierte Sachverständigengutachten" jedoch der Notwendigkeit Rechnung, Gesundheitsstörungen gleichmäßig zu bewerten. Angesichts dieser Bedeutung, wie aus Gründen der Gleichbehandlung aller behinderten Menschen folgt der Senat den Bewertungsvorgaben der AHP. Dies gilt insb. auch, als über die jeweiligen Neuauflagen der AHP die jeweils neuesten Erkenntnisse und Fortschritte in der medizinischen Wissenschaft über die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen in die AHP eingeflossen sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16.09.2003 - B 9 SB 3/02 R – zit. nach juris). Für die Zeit ab dem 01.01.2009 ist der Teil B der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) an die Stelle der AHP getreten. Hiermit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Wird jedoch ein Aufhebungsbescheid gemäß § 48 Abs. 1 SGB X gerichtlich angefochten, so beurteilt sich seine Rechtmäßigkeit nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (BSG, Urteil vom 20.04.1993 - 2 RU 52/92 – zit. nach juris). Nachdem die letzte Behördenentscheidung, der Widerspruchsbescheid vom 18.04.2008 vor dem 01.01.2009 erlassen wurde, sind die konkreten Bewertungen der beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen anhand der AHP vorzunehmen, wobei darauf hingewiesen wird, dass die VG - jedenfalls soweit vorliegend relevant - die Bewertungsmaßstäbe der AHP übernommen haben, mithin eine abweichende Bewertung der Funktionsbeeinträchtigungen anhand der VG nicht bedingt wäre.

In Anwendung dieser Maßstäbe ist der Senat aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme der Überzeugung, dass im Gesundheitszustand des Klägers und der vorliegenden Funktionsbeein-trächtigungen im April 2008 gegenüber dem Gesundheitszustand, der dem Bescheid vom 14.06.2005 zu Grunde lag, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Der Gesundheitszustand hat sich insoweit verbessert, dass die bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht mehr mit einem höheren GdB als 70 bewertet werden können und die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "G" nicht mehr vorliegen.

Im Bescheid vom 14.06.2005 hat das VA für eine Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke, eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke bei degenerativen Gelenksveränderungen sowie eine Funktionsbehinderung des linken Sprunggelenks einen Einzel-GdB von 50 berücksichtigt. Zum damaligen Zeitpunkt war die Hüftgelenksbeweglichkeit ausweislich der ärztlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 24.03.2003 noch beidseitig schmerzhaft eingeschränkt. Einhergehend bestand beim Kläger ein Rotations- und Abduktionsschmerz. Im April 2008 waren die Hüftgelenke des Klägers, bei einer beginnenden Coxarthrose, nach den von Dr. N. in ihrer Stellungnahme vom 15.07.2009 gegenüber dem Senat mitgeteilten Befunden in den Dimensionen Streckung/Beugung bis zu 0-0-120° beweglich. Es zeigte sich lediglich Einschränkungen in den Dimensionen Innen/Außenrotation und Ad/Abduktion in geringfügigem Umfang. Hierzu korrespondierend haben Dr. R.er und Hr. P. in ihrem Gutachten vom 01.09.2009 von einer freien aktiven und passiven Beweglichkeit der Hüftgelenke berichtet. Die GdB-Bewertung der Funktionsbeeinträchtigung ist nach Ziffer 26.18 (S. 124) der AHP entsprechend der Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke vorzunehmen. Bewegungseinschränkungen geringen Grades (z.B. Streckung/Beugung bis zu 0-10-90° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) sind bei einseitigem Vorliegen mit einem Einzel-GdB von 10 bis 20, bei beidseitigem Vorliegen mit einem solchen von 20 bis 30 zu berücksichtigen. Solche mittleren Grades (z.B. Streckung/Beugung bis zu 0-30-90 mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) sind bei einseitigem Vorliegen mit einem Einzel-GdB von 30, bei beidseitigem Vorliegen mit einem solchen von 50 zu berücksichtigen und solche stärkeren Grades bei einseitigem Vorliegen mit einem Einzel-GdB von 40, bei beidseitigem Vorliegen mit einem solchen von 60 bis 100 zu berücksichtigen. Hiernach war für die Funktionseinschränkung der Hüftgelenke im April 2008 ein Einzel-GdB von max. 10 gerechtfertigt.

Die Beweglichkeit des Kniegelenks des Klägers war ausweislich der ärztlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 24.03.2003 bei Erlass des Bescheides vom 14.06.2005 noch schmerzhaft eingeschränkt. Ferner bestand eine deutliche Kapselschwellung des linken Kniegelenks. Ausweislich des Rehabilitationsentlassungsberichts vom 05.01.2004 bestanden belastungsabhängige Schmerzen in beiden Kniegelenken, eine Degeneration des Außenmeniskus und retropatellare Knorpelschäden (Grad II). Hingegen waren die Kniegelenke des Klägers nach der Stellungnahme von Frau Dr. N. vom 15.07.2009 im April 2008 in der Dimension Streckung/Beugung im Umfang von 0-0-120° beweglich. Dr. Schönberger und Hr. P. haben in ihrem Gutachten vom 01.09.2009 lediglich davon berichtet, dass das linke Kniegelenk bei Gegenspannung nur bis zu 80 ° gebeugt werden konnte, wobei im Rahmen einer Fahrradergometrie eine Beugung bis zu 100 ° möglich war. Das linke Kniegelenk war im Vergleich zum rechten Kniegelenk leicht umfangsvermehrt. Ferner wurde von den Gutachtern ein stabiler Bandapparat ohne positives Meniskuszeichen befundet. Die Bewertung von Kniegelenkserkrankungen wie der beidseitigen Gonarthrose des Klägers erfolgt nach Ziffer 26.18 (S. 126) der AHP anhand der bestehenden Bewegungseinschränkungen im Kniegelenk. Solche geringeren Grades (z.B. Streckung/Beugung bis 0-0-90°) sind bei einseitigen Vorliegen mit einem Einzel-GdB von 0-10, bei beidseitigem Vorliegen mit einem solchen von 10 bis 20 zu berücksichtigen, solche mittleren Grades (z.B. Streckung/Beugung 0-10-90°) bei einseitigem Vorliegen mit einem Einzel-GdB von 20, bei beidseitigem Vorliegen mit einem solchen von 40 zu berücksichtigen. Ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke (z.B. Chondromalacia patellae Stadium II - IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen sind bei einseitigem Vorliegen ohne Bewegungseinschränkungen mit einem Einzel-GdB von 10 - 30, mit Bewegungseinschränkungen mit einem solchen von 20 - 40 zu berücksichtigen. Hiernach war für die Funktionseinschränkung der Kniegelenke im April 2008 ein Einzel-GdB von max. 10 gerechtfertigt. Hingegen haben die Befunde, die bei Erlass des Bescheides vom 14.06.2005 vorgelegen haben noch einen Einzel-GdB von 30 gerechtfertigt.

Eine Funktionsbehinderung des linken Sprunggelenks vermag der Senat nicht (mehr) zu erkennen. Dr. R.er und Hr. P. haben in ihrem Gutachten vom 01.09.2009 angeführt, dass die Sprunggelenke des Klägers aktiv und passiv frei beweglich seien. Eine GdB- pflichtige Funktionsbeeinträchtigung (vgl. Ziffer 26.18 [S.127] der AHP) liegt daher, anders als noch zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 14.06.2005, nicht (mehr) vor. Zum damaligen Zeitpunkt bestanden beim Kläger ausweislich der Stellungnahme von Dr. H. vom 24.03.2003 noch statische Beschwerden im linken Sprunggelenk. In Zusammenschau der beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen am Funktionssystem Hüfte/Knie/Sprunggelenk, wie es vom Beklagten zusammengefasst wurde, ist hiernach eine wesentliche Besserung gegenüber den Befunden eingetreten, die bei Erlass des Bescheides vom 14.06.2005 vorgelegen haben. Die Funktionsbeeinträchtigung kann nunmehr nur noch mit einem Einzel-GdB von 20 und nicht mehr, wie noch im Bescheid vom 14.06.2005 mit einem solchen von 50, bewertet werden.

Für die Funktionsbeeinträchtigungen am Funktionssystem Wirbelsäule, für die im Bescheid vom 14.06.2005 ein Einzel-GdB von 40 angesetzt wurde, ist infolge einer wesentlichen Besserung nunmehr ein Einzel-GdB von 30 zu berücksichtigen. Der Bewertung im Bescheid vom 14.06.2005 lag zu Grunde, dass eine HWS-Bewegung, wie aus dem Rehabilitationsentlassungsberichts vom 05.01.2004 ersichtlich ist, nur angedeutet möglich war. Es bestanden ferner haltungs- und belastungsabhängige Schmerzen im HWS-Bereich mit Ausstrahlung in den Hinterkopf, in den linken Arm, die Finger der linken Hand sowie gelegentlich auch in die linke Gesichtshälfte. Hingegen bestanden beim Kläger im April 2008 nach den vorliegenden Befunden allenfalls mittelgradige funktionelle Auswirkungen. Im Bereich der Halswirbelsäule war die Beweglichkeit in den Dimensionen Seitneigung und Drehen eingeschränkt. Im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule war die Fähigkeit der Rechts- bzw. Linksneigung gleichfalls eingeschränkt. Jedoch geben weder die von Dr. Schönberger und Hr. P. in ihrem Gutachten vom 01.09.2009 mitgeteilten Bewegungsmaße, noch anderweitige Befunde Anhalt dafür, dass gravierende Bewegungseinschränkungen bestehen. Gleichfalls ist die Entfaltbarkeit der Wirbelsäule nicht eingeschränkt. Es wurden keine Befunde mitgeteilt, die die Annahme einer radikulären Beteiligung oder einer Instabilität des Achsenorgans belegen. Die Bewertung der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bestimmt sich nach Ziff. 26.18 (S.116) der AHP in erster Linie aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, selten und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) bedingen danach einen GdB von 10. Bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) wird ein GdB von 20 erreicht. Bei Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein GdB von 30 gerechtfertigt. Liegen Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vor, kann ein GdB von 30 bis 40 festgestellt werden. Bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst; schwere Skoliose - ab ca. 70 Grad nach Cobb -) wird ein GdB von 50-70 festgestellt. Bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit kann ein GdB von 80-100 gerechtfertigt sein. die die Annahme einer radikulären Beteiligung oder einer Instabilität des Achsenorgans belegen. Die beim Kläger im April 2008 bestehenden funktionellen Einschränkungen der Wirbelsäule sind als Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten einzustufen, für die ein Einzel-GdB von 30 bis 40 in Ansatz zu bringen ist. Da indes lediglich mäßiggradige Einschränkungen bestehen, kann für die Funktionseinschränkung im April 2008 allenfalls ein Einzel-GdB von 30 berücksichtigt werden.

Anhaltspunkte dafür, dass die vom Beklagten im angefochtenen Bescheid ferner berücksichtigten Funktionsbeeinträchtigungen "Hirndurchblutungsstörung, depressive Verstimmung, funktionelle Organbeschwerden, Schwindel" (Einzel-GdB 40), "chronische Nebenhöhlenentzündung, Allergie, Bronchialasthma" (Einzel-GdB 20), "chronische Entzündung der Prostata, Prostatavergrößerung" (Einzel-GdB 10) "chronische Magenschleimhautentzündung, chronische Leberentzündung (Hepatitis)" (Einzel-GdB 10), "chronische Ekzem" (Einzel-GdB 10) sowie "Bluthochdruck" (Einzel-GdB 10) eine wesentliche Änderung erfahren haben, bestehen für den Senat nicht.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist, bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Grade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen sind unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind (vgl. Ziffer 19 [S. 24 f] der AHP). Die beim Kläger im April 2008 bestehenden funktionellen Einschränkungen waren mit denen, die bspw. beim Verlust beider Arme oder Hände oder dem Verlust eines Armes und eines Beines bestehen, die jeweils einen GdB von 100 rechtfertigen nicht ansatzweise vergleichbar. In Zusammenschau der gegenseitigen Auswirkungen ist den Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers, wie vom Beklagten entschieden, mit einem GdB von 70 ausreichend und angemessen - an der Grenze zur Großzügigkeit - Rechnung getragen. Gegenüber den im Bescheid vom 14.06.2005 getroffenen Feststellungen ist insoweit eine wesentliche Besserung eingetreten, die eine Aufhebung des Bescheides nach § 48 SGB X rechtfertigt.

Auch im Hinblick auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "G" ist eine wesentliche Änderung eingetreten. Der Bescheid, mit dem diesbezüglich der Vergleich im oben beschriebenen Sinn anzustellen ist, ist derjenige, in dem über die Voraussetzungen, hinsichtlich derer eine wesentliche Änderung eingetreten sein soll, letztmals entschieden wurde (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 23.02.2010 - L 15 SB 124/07 – zit. nach juris), vorliegend der vom 14.06.2005, in dem auch entschieden wurde, dass der Nachteilsausgleich "G" weiter festgestellt bleibt.

Nach § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechenden gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist gemäß § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Nach Nr. 30 Abs. 3 der AHP sind die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung der Gehvermögens als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der LWS bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenkes in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Die Frage, ob die Regelungen der VersMedV zum Nachteilsausgleich "G" rechtswirksam erlassen worden sind (vgl. hierzu verneinend: Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2010 - L 8 SB 6013/09 -), kann, nachdem vorliegend einzig die Regelungen der AHP heranzuziehen sind, offen bleiben.

Bei der Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen an die Gehfähigkeit erfüllt sind, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - d.h. altersunabhängig von nichtbehinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (BSG, Urteil vom 10. Dezember 1987 - 9a RVs 11/87 – zit. nach juris). Allerdings ist es für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G" nicht ausreichend, dass diese Wegstrecke nicht in dem genannten Zeitraum bewältigt werden kann. Denn Nr. 30 Abs. 3 bis 5 der AHP geben an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, um annehmen zu können, dass ein behinderter Mensch infolge einer Einschränkung des Gehvermögens in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Gehvermögen des Menschen von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird, zu denen neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also dem Körperbau und etwaigen Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, gehören. Von all diesen Faktoren filtern die AHP diejenigen heraus, die außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des behinderten Menschen nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen.

Beim Kläger bestanden im April 2008, anders als noch zum Zeitpunkt des Erlassens des Bescheides vom 14.06.2005, keine Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der LWS, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Die Funktionsbeeinträchtigung am Funktionssystem Hüfte/Knie war lediglich mit einen Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Die mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewertende Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule wird maßgeblich durch Erkrankungen der oberen Teile der Wirbelsäule bestimmt. Die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind auch im Übrigen mit den oben benannten nicht zu vergleichen. Zur Überzeugung des Senats war der Kläger vielmehr im April 2008 in seiner Gehfähigkeit nicht mehr maßgeblich eingeschränkt. Dr.K. hat in seinem Gutachten angeführt, dass keine Einschränkung der Wegefähigkeit bestehe. Der Kläger selbst hat gegenüber den Gutachtern O. und P. angegeben, mit dem Hund spazieren zu gehen. Probleme träten, so der Kläger gegenüber den Gutachtern, lediglich nach kleineren Fahrradtouren beim Treppensteigen auf. Dr. R. und Hr. P. haben schließlich in ihrem Gutachten angeführt, dass beim Kläger ein flüssiges Gangbild beobachtet werden konnte und der Seiltänzergang durchführbar war. Demgegenüber bestand zur Zeit des Erlasses des Bescheides vom 14.06.2005 noch eine Behinderung der unteren Gliedmaßen, die für sich einen Einzel-GdB von 50 bedingt und die sich auf die Gehfähigkeit des Klägers ausgewirkt haben. Hiernach ist auch im Hinblick auf das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "G" eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen eingetreten, die bei der letztmaligen Feststellungen der Voraussetzungen im Bescheid vom 14.06.2005 vorgelegen haben.

Mithin ist im Gesundheitszustand des Klägers, wie er zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 18.04.2008 bestanden hat, gegenüber dem, der bei Erlass des Bescheides vom 14.06.2005 vorgelegen hat, eine wesentliche Besserung eingetreten, die es rechtfertigt, den Bescheid vom 14.06.2005 nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X aufzuheben.

Der Beklagte hat im angefochtenen Bescheid vom 15.02.2008 den Bescheid vom 14.06.2005 ab dem 21.02.2008, d.h. ausschließlich für die Zukunft aufgehoben. Hierfür bedarf es, anders als für die Aufhebung auch für die Vergangenheit, keiner Ermessensausübung. Die Beklagte hat schließlich die gemäß §§ 48 Abs. 4, 45 Abs. 4 SGB X einzuhaltenden Fristen beachtet.

Mithin ist der Bescheid vom 15.02.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2008 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen; die Berufung ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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