S 42 SO 70/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
42
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 42 SO 70/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 05.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2009 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Klägers zum Kostenersatz für zu Unrecht erbrachte Leistungen nach § 104 bzw. § 103 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII).

Von Oktober 1997 bis Mai 2004 bezog die heutige Ehefrau des Klägers, I T-L, ununterbrochen (bis auf die Monate Dezember 2003 und Januar 2004) Sozialhilfe von der Beklagten. Mit ihr im Leistungsbezug standen durchgängig ihre Töchter O (geb. 00.00.1997) und nachfolgend auch N (geb. 00.00.2000), deren Vater der Kläger ist. Am 25.06.2004 heiratete der Kläger seine heutige Ehefrau. Ab Juni 2004 wurden keine Sozialhilfeleistungen mehr erbracht, da der Kläger über übersteigendes Erwerbseinkommen verfügte, so dass seine heutige Ehefrau und Kinder damit nicht mehr hilfebedürftig waren.

Mit Bescheid vom 01.02.2007 nahm die Beklagte gegenüber O, gesetzlich vertreten durch die heutige Ehefrau des Klägers, die in der Anlage aufgeführten Entscheidungen über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 13.10.1998 bis 31.05.20004 an O insoweit zurück, soweit es die Berücksichtigung 1. des Klägers, seines Einkommens, den geänderten Regelsatz, den Mietanteil, den Heizbedarf, die Weihnachtsbeihilfen, die Überschussanteile etc., 2. die Unterhaltsvorschussleistungen im Juli und August 2003 und 3. die Einkünfte der heutigen Ehefrau des Klägers aus deren Erwerbstätigkeit und die damit verbundenen Änderungen betrifft und hierdurch Überzahlungen entstanden seien. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass das Erwerbseinkommen des Klägers bei der Hilfe zum Lebensunterhalt hätte berücksichtigt werden müssen, weil der Kläger und seine heutige Ehefrau eine eheähnliche Lebensgemeinschaft geführt hätten. Außerdem seien Unterhaltsvorschussleistungen bewilligt worden, die bei der Berechnung der Hilfe zum Lebensunterhalt im Juli und August 2003 nicht berücksichtigt worden seien. Des Weiteren hätte die heutige Ehefrau des Klägers für den Zeitraum September bis Oktober 2003 Erwerbseinkommen erzielt, das ebenfalls bei der Hilfegewährung nicht berücksichtigt worden sei. Es liege daher ein Fall des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) vor. Zwar treffe O kein Verschulden hinsichtlich der unrichtigen bzw. unvollständigen Angabe maßgeblicher Tatsachen; jedoch erfolge die Rücknahme des Bewilligungsbescheides, um im Anschluss den in § 104 SGB XII verankerten Anspruch gegenüber dem eigentlichen Verursacher der zu Unrecht gewährten Hilfe, nämlich vorliegend der heutigen Ehefrau des Klägers als gesetzlicher Vertreterin von O, geltend machen zu können. Mit Bescheid vom 02.07.2007 erließ die Beklagte einen parallelen Rücknahmebescheid gegenüber N, gesetzlich vertreten durch die heutige Ehefrau des Klägers. Mit Bescheid vom 05.02.2007 nahm die Beklagte zudem gegenüber der heutigen Ehefrau des Klägers die in der Anlage aufgeführten Entscheidungen über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für den Zeitraum vom 13.10.1998 bis 30.11.2003 und vom 01.02.2004 bis 31.05.2004 insoweit zurück, soweit es die Berücksichtigung 1. des Klägers, seines Einkommens, den geänderten Regelsatz, den Mietanteil, den Heizbedarf, die Weihnachtsbeihilfen, die Überschussanteile etc. und 2. die Einkünfte aus der Erwerbstätigkeit der heutigen Ehefrau des Klägers und die damit verbundenen Änderungen betrifft und hierdurch Überzahlungen entstanden sind. Gleichzeitig wurde die heutige Ehefrau des Klägers aufgefordert, die zu Unrecht erhaltene Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 24.160,32 EUR zu erstatten. Mit Schreiben vom 06.02.2007 erstattete die Beklagte zudem Strafanzeige und stellte Strafantrag gegen die heutige Ehefrau des Klägers.

Gegen die Bescheide vom 01.02.2007, 02.02.2007 und 05.02.2007 erhob die heutige Ehefrau des Klägers jeweils Widerspruch. Die Widersprüche wurden mit drei Widerspruchsbescheiden vom 09.04.2008 zurückgewiesen. Dagegen erhob die Klägerin Klage (SG Düsseldorf S 23 SO 39/08). Nachdem die heutige Ehefrau des Klägers mit Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 14.10.2008 rechtskräftig wegen Sozialhilfebetruges verurteilt worden war, nahm sie die Klage am 09.12.2008 zurück.

Mit Bescheid vom 05.03.2009 setzte die Beklagte die für den Zeitraum vom 13.10.1998 bis zum 31.05.2004 für die Tochter O zu Unrecht gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 50 Abs. 3 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) in Höhe von 10.759,91 EUR und die für den Zeitraum vom 01.07.2000 bis zum 31.05.2004 für die Tochter N zu Unrecht gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 5.679,26 EUR fest. Gleichzeitig forderte die Beklagte den Kläger auf, diese Beträge (insgesamt 16.439,17 EUR) im Rahmen des Kostenersatzes nach § 104 SGB XII (entsprechend § 92 a Abs. 4 Bundessozialhilfegesetz - BSHG - in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung) zu erstatten. Der Kläger habe die Gewährung von Sozialhilfeleistungen durch zumindest grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt, so dass er nach § 104 SGB XII zum Kostenersatz für die an seine Töchter geleistete Sozialhilfe verpflichtet sei. Hinsichtlich des Sachverhalts und der grob fahrlässigen Herbeiführung zu Unrecht bezogener Sozialleistungen zitierte die Beklagte aus dem Widerspruchsbescheid vom 09.04.2009 an die heutige Ehefrau des Klägers als gesetzliche Vertreterin ihrer Tochter O. Dabei wurde nach Sachverhalt I (eheähnliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner heutigen Ehefrau), Sachverhalt II (Sozialhilfezahlungen für die Monate Juli und August 2003 ohne Anrechnung von Unterhaltsvorschussleistungen) und Sachverhalt III (Nichtberücksichtigung des Erwerbseinkommens der heutigen Ehefrau des Klägers in den Monaten September und Oktober 2003) unterschieden. In der rechtlichen Begründung wird sodann ausgeführt, dass angesichts des Gesamtbildes der aufgezählten Kriterien (wie zeitgleiches Wohnen des Klägers und seiner heutigen Ehefrau unter derselben Anschrift, Zeugenaussagen über ein tatsächlich gemeinsames Zusammenleben, gemeinsame Kinder und spätere Heirat, gemeinsames Konto) von einer eheähnlichen Gemeinschaft im Sinne des § 122 BSHG bzw. § 20 SGB XII auszugehen sei. Dadurch dass der Kläger nicht mitgeteilt habe, dass er mit seiner heutigen Ehefrau zum damaligen Zeitpunkt als seine Lebensgefährtin zusammengelebt habe, sei die Sozialhilfeleistung für seine Kinder zu Unrecht gezahlt worden. Die Bewilligung der Sozialhilfe gegenüber O und N mit Bescheid vom 01.02.2007 bzw. Bescheid vom 02.02.2007 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 09.04.2008 sei mittlerweile bestandskräftig aufgehoben geworden. Nunmehr werde gemäß § 50 Abs. 3 SGB X die zu erstattende Leistung in dem Umfang festgesetzt, wie mit den Bescheiden vom 01.02.2007 bzw. 02.07.2007 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 09.04.2008 eine Rücknahme ausgesprochen worden sei. Es seien schließlich auch keine Gründe vorgetragen oder sonst ersichtlich, die geeignet seien, von einer Heranziehung des Klägers zum Kostenersatz abzusehen, weil dies für ihn eine Härte bedeuten würde. Unter dem 04.03.2009 erfolgte ein gleichlautender Bescheid über Kostenersatz gegenüber der heutigen Ehefrau des Klägers. Dieser Bescheid ist bestandskräftig.

Gegen den Bescheid vom 05.03.2009 erhob der Kläger mit Schreiben vom 30.03.2009 Widerspruch. Er habe sich weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verhalten. Er sei nicht in das Antragsverfahren für die Gewährung von Sozialhilfe an seine beiden Töchter eingebunden gewesen. Er habe keine Erklärungen abgegeben. Bis zum Ablauf der Leistungsgewährung im Juni 2004 sei keine irgendwie geartete Tätigkeit des Klägers im Rahmen des Antragsverfahren auf Leistungen an seine heutige Ehefrau und die Kinder gegeben gewesen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2009 zurück. Gemäß § 103 Abs. 1 S. 2 bzw. § 104 SGB XII werde von dem Kläger für die an seine Töchter O und N gewährte Sozialhilfe Kostenersatz in Höhe von - nur noch - insgesamt 15.472,60 EUR gefordert. Im Nachhinein lediglich die heutige Ehefrau des Klägers als verantwortlich für die rechtswidrige Sozialhilfegewährung an die gemeinsamen Töchter darzustellen, greife zu kurz. Es möge sein, dass der Kläger in Bezug auf die Sozialhilfe gegenüber der Behörde selbst nicht in Erscheinung getreten sei, keine Anträge gestellt oder Erklärung abgegeben habe. Dies könne ihn jedoch nicht entlasten. Denn entsprechende Aktivitäten hätten geradezu in Widerspruch zu der offensichtlich von Beginn an vorhandenen Betrugsabsicht gestanden. Nach den Umständen des Einzelfalls - so wie sie auch in den Strafverfahren vor dem Amtsgericht und Landgericht gegen die heutige Ehefrau des Klägers zu Sprache gekommen seien - sei davon auszugehen, dass der Kläger zusammen mit seiner heutigen Ehefrau von Beginn an gemeinsam geplant habe, in betrügerischer Absicht Sozialhilfemittel zu erlangen. Durch sein konkludentes Verhalten habe der Kläger ebenso wie seine heutige Ehefrau die rechtswidrige Sozialhilfegewährung herbeigeführt. Die Voraussetzungen für eine Kostenersatzpflicht gemäß § 104 SGB XII seien demzufolge erfüllt. Der Kläger habe sich auch sozialwidrig verhalten. Im Übrigen seien auch die Voraussetzungen für eine Ersatzpflicht nach § 103 Abs. 1 S. 2 SGB XII gegeben, denn der Kläger habe nach aller Lebenserfahrung und nach allen bekannten Umständen von Beginn an von der Sozialhilfegewährung und auch der Rechtswidrigkeit der gewährten Leistungen Kenntnis gehabt.

Der Kläger hat am 21.07.2009 Klage erhoben. Es gebe insgesamt keine Mitwirkungshandlung des Klägers bezogen auf die Leistungen des Beklagten an seine Töchter.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

den Bescheid vom 05.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie hält den angegriffenen Bescheid für rechtmäßig und will den Kläger gesamtschuldnerisch - neben seiner heutigen Ehefrau - in Anspruch nehmen.

Das Gericht hat einen Erörterungstermin durchgeführt. Auf die Sitzungsniederschrift vom 07.09.2010 wird Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte S 23 SO 39/08 Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid vom 05.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2009 ist rechtswidrig und beschwert den Kläger in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Kostenersatzforderung gegenüber dem Kläger für zu Unrecht erbrachte Sozialhilfeleistungen an seine Töchter ist rechtswidrig. Die Voraussetzungen für den Kostenersatz sind weder nach § 104 S. 1 SGB XII (dazu unter 1.) noch nach § 103 Abs. 1 S. 2 SGB XII (dazu unter 2.) erfüllt.

1. Nach § 104 S. 1 SGB XII (vormals § 92 a Abs. 4 S. 1 BSHG) ist zum Ersatz der Kosten für zu Unrecht erbrachte Leistungen der Sozialhilfe in entsprechender Anwendung des § 103 SGB XII verpflichtet, wer die Leistungen durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt hat.

Der Ersatzanspruch nach § 104 S. 1 SGB XII erfordert in tatbestandlicher Hinsicht zunächst, dass der Sozialhilfeträger den bzw. die Bescheide, mit denen rechtswidrig Sozialhilfe bewilligt worden ist, aufgehoben hat. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Rücknahmebescheide vom 01.02.2007 und 02.02.2007 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 09.04.2008 sind bestandskräftig.

Zum Ersatz der Kosten ist jedoch nur verpflichtet, wer die Leistungen - an sich selbst oder an einen Dritten - durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt hat. Darüber hinaus ist als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal in objektiver Hinsicht nach der Rechtsprechung weiter erforderlich, dass das Verhalten, durch das die Voraussetzungen für die Leistungen der Sozialhilfe herbeigeführt worden ist, sozialwidrig ist. Die grob fahrlässige bzw. vorsätzliche Handlung muss also auch einem Unwerturteil unterworfen werden kann, d.h. die Handlung muss aus Sicht der Solidargemeinschaft zu missbilligen sein (vgl. Grube/Wahrendorf, SGB XII 3. Aufl., § 104 Rn. 6 in Verbindung mit § 103 Rn. 9). Die Kammer geht davon aus, dass der Kläger die Sozialhilfegewährung an seine Töchter nicht herbeigeführt hat. Eine entsprechende konkrete Handlung - Tun oder pflichtwidriges Unterlassen - ist für die Kammer nicht nachgewiesen.

Der Kläger ist im Rahmen der Sozialhilfegewährung gegenüber der Beklagten nicht aktiv aufgetreten. Davon geht auch die Beklagte aus. Der Kläger hat während des Sozialhilfebezuges keinen Antrag gestellt oder sonstige Erklärungen zur Gewährung von Sozialhilfe an seine Töchter abgegeben. Es ist zwar richtig, dass dieses Verhalten aus Sicht der Beklagten Teil der Täuschung gegenüber dem Sozialhilfeträger war, gleichwohl ist eine bestimmte zweckgerichtete Handlung des Klägers gegenüber der Beklagten zur Gewährung von Sozialhilfe nicht nachgewiesen.

Auch ein Herbeiführen durch Unterlassen liegt nach Ansicht des Gerichts nicht vor. Zwar kommt ein Herbeiführen der Sozialhilfegewährung nicht nur durch ein aktives Tun (Angabe falscher Tatsachen), sondern grundsätzlich auch durch ein Verschweigen wesentlicher Tatsachen nach § 60 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Erste Buch (SGB I) - hier die Führung einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit dem Arbeitseinkommen erzielenden Kläger - in Betracht. Denn nach § 60 Abs. 1 S. 1 SGB I hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, u.a. alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und unverzüglich Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, mitzuteilen. Die Verpflichtung trifft jedoch ausdrücklich nur denjenigen, der Sozialleistungen beantragt oder erhält. Der Kläger hat jedoch weder Sozialleistungen für seine Töchter beantragt noch hat er - in Vertretung für seine minderjährigen Töchter - Sozialleistungen erhalten. Allein sorgeberechtigt war die heutige Ehefrau des Klägers, auf deren Konto die Sozialhilfeleistungen für die Töchter eingegangen sind. Vor diesem Hintergrund ist von der Beklagten offenbar auch keine Straftat des Klägers (wegen Beihilfe oder Mittäterschaft) zur Anzeige gebracht worden oder sonst - im Rahmen des Strafverfahrens gegen die heutige Ehefrau des Klägers - von den Strafverfolgungsbehörden selbst eingeleitet worden.

Ein Verursachungsbeitrag durch aktives Herbeiführen der Sozialhilfegewährung oder durch pflichtwidrige Verletzung von ihn treffenden Mitwirkungspflichten ist vor diesem Hintergrund nicht gegeben. Geht man von einer eheähnlichen Gemeinschaft des Klägers mit seiner heutigen Ehefrau im Sinne des § 122 BSHG bzw. § 20 SGB XII aus, hat der Kläger zwar mittelbar von der Sozialhilfegewährung profitiert; "herbeigeführt" im Sinne des § 104 S. 1 SGB XII hat er die Sozialhilfegewährung an seine Töchter in eigener Person jedoch nicht. Davon geht die Beklagte in ihren Rücknahmebescheid vom 01.02.2007 bzw. 02.02.2007 offenbar auch selbst aus. Darin heißt es, dass die Rücknahme gegenüber O bzw. N lediglich erfolge, "um im Anschluss den in § 104 SGB XII verankerten Kostenersatzanspruch gegenüber dem eigentlichen Verursacher der zu Unrecht gewährten Hilfe, nämlich vorliegend der Mutter als gesetzlicher Vertreter, geltend machen zu können". Von dem Kläger als Vater ist hingegen nicht die Rede.

Darüber hinaus liegt erst recht kein Herbeiführen der Sozialhilfegewährung durch den Kläger bezüglich der im angegriffenen Bescheid vom 05.03.2009 als Sachverhalt II (Sozialhilfezahlungen für die Monate Juli und August 2003 ohne Anrechnung von Unterhaltsvorschussleistungen) bezeichneten Überzahlung vor. Denn schon nach den Angaben der Beklagten im Bescheid vom 05.03.2009 hat allein die heutige Ehefrau des Klägers die Beklagte nicht über die Nach- und Weiterzahlung der Unterhaltsvorschussleistungen unterrichtet. Ein Tun oder pflichtwidriges Unterlassen des Klägers wird insoweit nicht geltend gemacht und ist unter Berücksichtigung der obigen Ausführung auch sonst nicht ersichtlich. Dasselbe gilt für den Sachverhalt III (Nichtberücksichtigung des Erwerbseinkommens der heutigen Ehefrau des Klägers in den Monaten September und Oktober 2003).

Darüber hinaus ist die Härtefallregelung in § 103 Abs. 1 S. 3 SGB XII im Rahmen des § 104 S. 1 SGB XII entsprechend anzuwenden (vgl. Grube/Wahrendorf, a.a.O., § 104 Rn. 8). Danach kann von der Heranziehung zum Kostenersatz abgesehen werden, soweit sie eine Härte bedeuten würde. Der Begriff der Härte als unbestimmter Rechtsbegriff unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Erforderlich ist eine Atypik, die es rechtfertigt, von der grundsätzlichen Verpflichtung zum Kostenersatz abzuweichen (vgl. SG Karlsruhe Urt. v. 28.05.2009 - S 4 SO 3352/98, abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de; Grube/Wahrendorf, a.a.O., § 103 Rn. 42). Anhaltspunkte für die Beurteilung einer Härte sind dabei auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betroffenen, wobei bloße ungünstige wirtschaftliche Verhältnisse des Ersatzpflichtigen noch nicht genügen. Eine Härte kann aber darin liegen, dass im Hinblick auf die voraussichtlich dauerhafte wirtschaftliche Schwäche des Verpflichteten sich die Rückzahlung als ein Auftürmen eines Schuldenberges darstellen würde, weil von den Einkünften unter Berücksichtigung des Sozialhilfebedarfs eine Rückzahlung kaum oder nur in einem langen Zeitraum möglich ist (vgl. OVG NRW Urt. v. 22.05.2000 - 16 A 5805/96, juris). Mit Blick darauf, dass der Kläger nach seinen Angaben im Erörterungstermin weiterhin Alleinverdiener ist, mittlerweile vier minderjährige Kinder zur Familie gehören und ein Kostenersatz in Höhe von 15.472,60 EUR geltend gemacht wird, hält das Gericht eine Härte - das Gesetz verlangt "nur" eine Härte, hingegen keine unzumutbare Härte - jedenfalls nicht für ausgeschlossen, so dass ein vollständiges, teilweises oder zeitweises Absehen von der Heranziehung zum Kostenersatz möglich wäre (vgl. § 103 Abs. 1 S. 3 SGB XII: "soweit"). Da jedoch der Kläger die Sozialhilfegewährung an seine Töchter schon nicht herbeigeführt hat, bedarf es dazu keiner abschließenden Entscheidung.

2. Nach § 103 Abs. 1 S. 2 SGB XII ist zum Kostenersatz auch verpflichtet, wer als leistungsberechtigte Person oder als deren Vertreter die Rechtswidrigkeit des der Leistung zu Grunde liegenden Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Der Kläger hat keine Sozialhilfe bezogen; er war damit nicht die leistungsberechtigte Person. Er war aber auch nicht Vertreter der leistungsberechtigten Person(en) - hier der Töchter. Eine rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnis lag insoweit nicht vor und es bestand auch keine gesetzliche Vertretungsmacht. Denn nicht der Kläger, sondern allein seine heutige Ehefrau war bis zur Eheschließung sorgeberechtigt für die minderjährigen Töchter (vgl. § 1629 Abs. 1 S. 3 BGB). Soweit sich die Beklagte auf § 1687a BGB beruft, regelt diese Norm zwar einzelne Entscheidungsbefugnisse des nicht sorgeberechtigten Elternteils; diese hat der Kläger - der im vorliegenden Fall gegenüber der Beklagten gerade überhaupt nicht in Erscheinung getreten ist - jedoch nicht wahrgenommen. Im Übrigen lagen die dazu erforderlichen Voraussetzungen (Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung, Gefahr im Verzug) auch gar nicht vor.

Die Kammer folgt insoweit dem "tatsächlichen Vertreterbegriff" der Beklagten nicht. Der Wortlaut der Norm spricht ausdrücklich von einem "Vertreter" - und nicht von einem "Dritten". Gerade aus dem Zusammenspiel der Vorschriften bei Kostenersatz für rechtswidrig erbrachte Leistungen - nämlich § 104 S. 1 SGB XII und § 103 Abs. 1 S. 2 SGB XII - ergibt sich, dass der der sich nur auf gesetzlich oder vertraglich bevollmächtigte Vertreter beziehende § 103 Abs. 1 S. 2 SGB XII enger ist als der von § 104 S. 1 SGB XII erfasste Personenkreis (vgl. Weber, Kostenerstattung und Kostenersatz bei rechtswidrig oder zu Unrecht gewährter Sozialhilfe nach dem SGB XII, DVP 2010, 278, 279). Diese Differenzierung zwischen einem Vertreter im Sinne eines ausschließlich rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Vertreters einerseits und eines Dritten andererseits erscheint im Hinblick auf die sonstigen Voraussetzungen für einen Kostenersatz nach § 103 Abs. 1 S. 2 SGB XII bzw. § 104 S. 1 SGB XII auch sachgerecht: während der Dritte nach § 104 SGB XII nur haftet, wenn er die Hilfegewährung vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, reicht bei einem Vertreter - und eben nur bei einem Vertreter, der für den Hilfeempfänger rechtlich bindend auftreten kann - schon die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit der der Leistung zu Grunde liegenden Verwaltungsaktes. Bei gemeinsam sorgeberechtigten Eltern, von denen einer einen Antrag auf Sozialhilfe für die Kinder stellt, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen, haftet deshalb der Antrag stellende Elternteil (auch) nach § 104 S. 1 SGB XII, während der andere nur nach § 103 Abs. 1 S. 2 SGB XII zum Kostenersatz herangezogen werden kann (vgl. dazu Weber, Kostenerstattung und Kostenersatz bei rechtswidrig oder zu Unrecht gewährter Sozialhilfe nach dem SGB XII, DVP 2010, 278, 279 mit weiteren Beispielen). Dies gilt jedoch eben nur bei gemeinsam sorgeberechtigten Eltern. Ist nur der eine Elternteil sorgeberechtigt und tritt für die Kinder gegenüber dem Sozialamt in Erscheinung, kann - wie hier - der andere Elternteil nicht zum Kostenersatz herangezogen werden. Dies mag die Beklagte als unbillig empfinden, angesichts der gesetzlichen Vorgaben ist nach Ansicht der Kammer ein anderes Ergebnis jedoch nicht zu rechtfertigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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