L 12 SO 654/10 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
12
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 3 (15) AS 233/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 SO 654/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 17.03.2010 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Klägerin vom 24.03.2010 gegen den am 23.03.2010 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 17.03.2010 hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu entsprechen. Denn dem klägerischen Begehren fehlt es am Erfordernis hinreichender Erfolgsaussicht i.S.d. § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO). Eine Beschwer der Klägerin i.S.d. § 54 Abs. 2 SGG ist nicht gegeben, da sich der Bescheid des Beklagten vom 01.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2009 als rechtmäßig erweist. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Kostenerstattung gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X).

Der Senat nimmt zur Begründung gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG zunächst Bezug auf die für zutreffend erachteten Gründe der angefochtenen Entscheidung, die er sich ausdrücklich zu Eigen macht.

Auch das Vorbringen der Klägerin zur Beschwerde vermag nach Auffassung des Senats eine abweichende Entscheidung nicht zu rechtfertigen.

Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn der Widerspruch der Klägerin vom 18.05.2009 gegen den Bescheid der Stadt M vom 30.04.2009, mit dem der Antrag der Klägerin auf Übernahme von Mietschulden nach § 34 des Sozialgesetzbuches - Sozialhilfe - (SGB XII) abgelehnt wurde, war nicht erfolgreich. Es besteht auch keine Kostentragungspflicht des Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Kausalität des Rechtsbehelfs für die Erledigung des Widerspruchsverfahrens sowie aufgrund des sog. Veranlassungsprinzips.

Ein Widerspruch ist erfolgreich i.S.d. § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wenn auf diesen ein förmlicher Abhilfe- (§ 81 Abs. 1 SGG) oder Widerspruchsbescheid (§ 85 Abs. 2 SGG) ergangen ist und hiermit der ursprüngliche Verwaltungsakt (VA) völlig oder teilweise aufgehoben wird (vgl. nur BSG 18.12.2001 - B 12 KR 42/00 R - Juris; Roos, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 63 Rdnr. 18). Dies ist hier nicht der Fall, da auf den Widerspruch der Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid vom 30.04.2009 weder ein Abhilfe- noch ein Widerspruchsbescheid erging, aufgrund dessen dieser Bescheid ganz oder teilweise aufgehoben worden ist. Vielmehr hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 15.06.2009 ihren Widerspruch für erledigt erklärt, nachdem ihr zwischenzeitlich Ausbildungsförderungsleistungen nach § 36 BAföG von dem Beklagten bewilligt und ausgezahlt worden sind. Wird aber der Widerspruch zurückgenommen - die einseitige Erledigungserklärung steht (wie im sozialgerichtlichen Klageverfahren) einer Rücknahme gleich - so war er nicht erfolgreich (KassKomm/Krasney, § 63 SGB X Rdnr. 8).

Ein Erfolg des Widerspruchs der Klägerin gegen den Bescheid der Stadt M vom 30.04.2009 liegt auch nicht deswegen vor, weil der Beklagte ihr während des laufenden Widerspruchsverfahrens Leistungen nach § 36 BAföG bewilligt hat. Der Widerspruch ist nicht schon dann erfolgreich, wenn zwischenzeitlich nach der Einlegung des Rechtsbehelfs eine dem Widerspruchsführer begünstigende Entscheidung ergeht; es ist auch erforderlich, dass zwischen der Einlegung des Rechtsbehelfs und der begünstigenden Entscheidung der Behörde eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne besteht (vgl. BSG SozR 4-1300 § 63 Nr. 5 - Rdnr. 15; BSG SozR 4-1300 § 63 Nr. 4 - Rdnr 11; BSG SozR 3-1500 § 144 Nr. 13 S. 34; BSG SozR 3-1300 § 63 Nr. 3 S. 13; zuletzt BSG 13.10.2010 - B 6 KA 29/09 R - Rdnr. 16 [Juris]).

Eine solche kausale Verknüpfung im Rechtsinne fehlt hier. Denn die Bewilligung der Leistung gemäß § 36 BAföG durch den Beklagten beruhte nicht auf dem Widerspruch der Klägerin gegen die Ablehnung der Schuldenübernahme nach § 34 Abs. 1 SGB XII seitens der Stadt M. Es handelte sich vielmehr um unterschiedliche Verwaltungsverfahren mit unterschiedlichen Voraussetzungen für die jeweils eigenständig beantragten Sozialleistungen. Dass auch mit der Gewährung von Leistungen nach § 36 BAföG der von der Klägerin mit ihrem Widerspruch vom 18.05.2009 verfolgte Zweck, ihre Wohnung zu sichern, eingetreten ist, ändert an der fehlenden Kausalität des Widerspruchs gegen die Ablehnung von Leistungen nach § 34 Abs. 1 SGB XII und der begünstigenden Entscheidung im Rechtssinne nichts.

Ferner kommt eine Kostentragungspflicht des Beklagten auch nicht nach dem sog. Veranlassungsprinzip in Betracht. Danach sind Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten, wenn diese dem Widerspruchsführer durch eine von der Behörde "provozierte" und unnötige Widerspruchseinlegung entstanden sind (BSG 18.12.2001 - B 12 KR 42/00 R -; LSG Baden-Württemberg 01.07.2003 - L 11 RJ 514/03 -). Diese Ausnahme vom formalen Erfolgsprinzip des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X kommt jedoch nur in solchen Konstellationen in Betracht, bei denen durch ein objektives Fehlverhalten der Verwaltung die Wahrnehmung von Verfahrensrechten des Betroffenen fehlgeleitet worden ist, insbesondere durch eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung (vgl. LSG Baden-Württemberg 01.07.2003 - a.a.O.; Roos, in: von Wulffen, a.a.O., § 63 Rdnr. 22). Eine derartige Fallgestaltung liegt hier aber ersichtlich nicht vor.

Entgegen der Auffassung der Beteiligten hat der Senat im Anwendungsbereich des § 63 Abs. 1 SGB X auch nicht zu prüfen, ob der Widerspruch ohne das erledigende Ereignis Erfolg gehabt hätte und deswegen ein Kostenerstattungsanspruch zuzubilligen wäre. Denn hierauf kommt es bei § 63 SGB X gerade nicht an, weil dort allein darauf abgestellt wird, ob der Widerspruch erfolgreich ist und nicht, ob er erfolgreich gewesen wäre. Dies erklärt auch, warum es sich bei Kostenentscheidungen im Rahmen des § 63 SGB X um gebundene Entscheidungen handelt, während bei Kostenentscheidungen nach § 193 SGG eine Ermessensentscheidung getroffen wird. Denn die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides soll nicht nach Abschluss des Verfahrens im anschließenden Kostenverfahren überprüft werden müssen (so überzeugend BSG 13.10.2010 - B 6 KA 29/09 R - Rdnr. 20 [Juris] unter Hinweis auf die Gesetzgebungsmaterialien zur Parallelvorschrift des § 80 VwVfG). Soweit das HessLSG (Urteil vom 26.09.2007 - L 4 KA 15/07 - Rdnr. 15 [Juris]) die gegenteilige Position vertritt, vermag der Senat dem aufgrund des insoweit eindeutigen Wortlauts des § 63 Abs. 1 Satz SGB X sowie der dargestellten Gesetzgebungsgeschichte im Anschluss an die Ausführungen des 6. Senats des BSG nicht zu folgen. So geht im Übrigen auch die Berufung des HessLSG auf die Kommentierung von Roos (in: von Wulffen, a.a.O., § 63 Rdnr. 21) fehl, weil dieser sich für eine Inzidentprüfung der Erfolgsaussichten des Widerspruchs bei der Kostengrundentscheidung nur für den Fall ausspricht, dass der Widerspruchsführer verstirbt und sich das Widerspruchsverfahren nur deshalb erledigt. Für eine solche Ausnahmekonstellation mag dies nachvollziehbar sein, bestätigt aber eher den Regelfall, dass eine solche Prüfung eben nicht stattfindet.

Der Senat kann es daher offen lassen, ob die Klägerin überhaupt zum Personenkreis des SGB XII gehört und sie einen Anspruch auf Schuldenübernahme gemäß § 34 Abs. 1 SGB XII gehabt hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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