L 6 AS 406/11 B ER RG und L 6 AS 409/11 B RG

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AS 134/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 406/11 B ER RG und L 6 AS 409/11 B RG
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Anhörungsrüge des Antragstellers (ASt) gegen den Beschluss des Senats vom 03.03.2011 - Az L 6 AS 279/11 B ER und L 6 AS 280/11 B - wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Durch Beschluss vom 01.02.2011 hat das Sozialgericht Detmold den Antrag des ASt auf Verpflichtung des Antragsgegners (AG) nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Gewährung von höheren Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt.

Gegen den am 05.02.2011 zugestellten Beschluss hat der ASt mit Schreiben vom 07.02.2011, eingegangen am 08.02.2011, gegen die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung Beschwerde, ersatzweise Anhörungsrüge, und gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe Beschwerde eingelegt und diese begründet.

Mit Schreiben vom 22.02.2011, eingegangen bei Gericht am 24.02.2011, hat der AG auf die Beschwerdeschrift erwidert. Die Beschwerdeerwiderung wurde mit einfachem Brief an den ASt am 25.02.2011 zur Kenntnis abgesandt.

Durch Beschluss vom 03.03.2011 hat der Senat die Beschwerden als unzulässig verworfen. Auf die Gründe wird Bezug genommen. Der Beschluss wurde dem Antragsteller am 05.03.2011 zugestellt.

Mit Schreiben vom 03.03.2011, das am 04.03.2011 einging, hat der ASt sein Vorbringen im wesentlichen wiederholt und vertieft.

Gegen den Beschluss vom 03.03.2011 hat der ASt am 08.03.2011 Anhörungsrüge erhoben und geltend gemacht, das Landessozialgericht (LSG) habe eigenständige Verletzungen des Verfahrensgrundrechts des Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) begangen. Das LSG habe die Antragserwiderung des Antragsgegners vom 22.02.2011 dem Antragsteller lediglich zur Kenntnisnahme übersandt. Er habe dazu mit Schriftsatz vom 03.03.2011 Stellung genommen. Diese Stellungnahme sei nicht abgewartet worden. Zudem habe das LSG das Verfahrensgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG, die grundrechtliche Rechtsschutzgarantie, den Artikel 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot, den § 17 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), den § 17 a Abs. 2 GVG sowie die Verfasssungsgrundsätze der Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG verletzt.

Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozessakten und der beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Die Anhörungsrüge ist nach § 178a Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, denn der ASt hat sich innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis der angeblichen Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 178a Abs. 2 S. 1 SGG) schriftlich (§ 178a Abs. 2 S. 4 SGG) gegen den Beschluss des Senats vom 03.03.2011 gewandt, gegen den ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gemäß § 177 SGG nicht gegeben ist (§ 178a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG). Er hat die angegriffene Entscheidung bezeichnet und sowohl geltend gemacht, dass eine Verletzung rechtlichen Gehörs vorliege als auch, dass diese Verletzung entscheidungserheblich sei (§ 178a Abs. 2 S. 6 SGG). Soweit der ASt über den Gehörsverstoß hinaus weitere Verstöße gegen das GG bzw das GVG rügt, ist dies kein zulässiges Vorbringen im Rahmen der Anhörungsrüge nach § 178a SGG.

Die Anhörungsrüge ist im Übrigen unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 178a Abs. 4 S. 2 SGG).

Der Senat hat das rechtliche Gehör des ASt mit seinem Beschluss vom 03.03.2011 nicht entscheidungserheblich verletzt.

Das Gebot rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz, §§ 62, 128 Abs. 2 SGG) erfordert es, dass das entscheidende Gericht die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Bundessozialgerichts (BSG) ist durch den Anspruch auf rechtliches Gehör zu gewährleisten, dass die Beteiligten nicht durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf (in das Verfahren eingebrachten) Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten und sicher zu stellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen einbezogen wird (BSG Beschluss vom 08.11.2006 - B 2 U 5/06 C - juris Rn 4 - SozR 4-1500 § 178a Nr. 6 mwN; BVerfG Beschluss vom 29.05.1991 - 1 BvR 1383/90 - juris Rn 7 - BVerfGE 84, 188). Dabei ist das Gericht nicht verpflichtet, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene bestimmte Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (BSG - Beschluss vom 05.03.2007 - B 4 RS 58/06 B Rn 9). Ebenso wenig verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG das Gericht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten zu folgen. Soweit die zur Begründung der vermeintlichen Gehörsverletzung gemachten Ausführungen ausschließlich darauf abzielen, die Richtigkeit einer angegriffenen Entscheidung zu beanstanden, ist dies nicht Sinn und Zweck der Anhörungsrüge. Denn das Recht auf rechtliches Gehör gibt keine Gewährleistung dafür, dass Anträge oder Anregungen eines Verfahrensbeteiligten befolgt werden (BSG Beschluss vom 09.09.2010 - B 11 AL 4/10 C Rn 13 mwN). Im Rahmen seiner Verpflichtung, den Vortrag der Beteiligten zu erwägen, ist das Gericht nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen in seinen Entscheidungsgründen zu befassen (BSG Beschluss vom 08.11.2006 - B 2 U 5/06 C Rn 4 - SozR 4-1500 § 178a Nr. 6). Es muss nur auf das für das Verfahren wesentliche und nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserhebliche Vorbringen eingehen. Je umfangreicher ein Vorbringen ist, desto stärker besteht die Notwendigkeit, im Rahmen der Entscheidungsbegründung nur die wesentlichen Fragen abzuhandeln und auf die ausdrückliche Auseinandersetzung mit weniger wichtigen oder gar abwegigen Fragen zu verzichten (BSG Beschluss vom 28.09.2006 - B 3 P 1/06 C Rn 7 mwN - SozR 4-1500 § 178a Nr. 5 mwN; LSG NRW Beschluss vom 21.03.2011 - L 19 AS 308/11 B RG - juris Rn 3).

Liegt eine Verletzung rechtlichen Gehörs vor, ist weitere Voraussetzung für den Erfolg der Anhörungsrüge, dass die angegriffene Entscheidung auf dem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG beruht. Von einem Beruhen kann dann ausgegangen werden, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass bei Unterbleiben des Verstoßes eine günstigere Entscheidung ergangen wäre (BVerfG Beschluss vom 03.10.1961 - 2 BVR 4/60 - BVerfGE 13, 132; LSG NRW Beschluss vom 08.02.2010 - L 19 B 381/09 AS ER RG; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 178a Rn 5b mwN).

Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ist nach den o.g. Grundsätzen nicht festzustellen. Die mit der Anhörungsrüge angegriffenen Entscheidungen des LSG beruhen nicht darauf, dass der ASt keine Gelegenheit gehabt hat, ausreichend Stellung zu nehmen. Vielmehr ist für die Zurückweisung der Beschwerden allein die von Amts wegen zu prüfende Unzulässigkeit der Rechtsmittel ausschlaggebend gewesen, so dass es für die Entscheidung weder auf die Stellungnahme des AG noch auf die des ASt ankam.

Über die gegen den Beschluss des Sozialgerichts "ersatzweise" erhobene Anhörungsrüge wird das Sozialgericht nach Abschluss dieses Verfahrens in eigener Zuständigkeit entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG analog.

Dieser Beschluss ist nach § 178a Abs. 4 S. 3 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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