Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 6 R 169/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 175/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 25. März 2009 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Klägerin als Selbständige in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungs- und beitragspflichtig ist.
Die 1961 geborene Klägerin stellte am 16. Oktober 2006 bei der Beklagten einen Antrag auf Kontenklärung. Daraus ergab sich, dass sie seit dem 15. Juli 1991 einen Blumenladen betreibt. Daraufhin erließ die Beklagte zwei Bescheide vom 19. April 2007, mit denen sie die Versicherungspflicht der Klägerin gemäß § 229a Abs. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) ab 1. Januar 1992 feststellte. Mit dem einen Bescheid erklärte sie, dass die Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 30. November 2002 verjährt seien. Mit dem anderen Bescheid forderte sie Pflichtbeiträge für die Zeit vom 1. Dezember 2002 bis zum 30. April 2007 in Höhe von 10.269,02 Euro. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und gab an, 1993 einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Rentenversicherung bei der damaligen Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt (jetzt Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland) gestellt zu haben. Sie fügte eine Kopie des Antrages unter dem Datum 1. Februar 1993 bei. Eine Übersendung des Befreiungsbescheides aus dem Jahre 1993 sei aber nicht mehr möglich. Alle eingegangenen Schriftstücke seien an das damalige Steuerbüro M. in Bodenteich zur Ablage weiter gereicht worden. Zum 30. November 1999 sei sie zu ihrem jetzigen Steuerberater gewechselt. Das Steuerbüro M. habe im Zuge dieses Wechsels jedoch den Befreiungsbescheid nicht mit ausgehändigt. Nachdem die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland der Beklagten auf eine entsprechende Anfrage mit Schreiben vom 7. Juni 2007 mitgeteilt hatte, dass ein Befreiungsbescheid für die Klägerin nicht vorliege, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. August 2007 mit der Begründung zurück, die Stellung eines Befreiungsantrages sei nicht nachgewiesen.
Dagegen hat die Klägerin am 6. September 2007 Klage beim Sozialgericht Stendal (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, ein Anspruch der Beklagten wäre verwirkt. Da die Beklagte nach dem 1. März 1993 für die Dauer von über 14 Jahren keine Beitragsforderungen gegen sie erhoben habe, habe sie davon ausgehen dürfen bzw. sei davon ausgegangen, dass der Antrag vom 1. Februar 1993 der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt zugegangen sei. Sie habe sich darauf eingerichtet, dass eine Versicherungspflicht nicht bestehe. Die Beitragsforderung stelle einen unzumutbaren Nachteil für sie dar.
Auf Nachfrage des SG haben die Steuerberater M. mitgeteilt, dass sich in ihren Unterlagen kein Befreiungsbescheid der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt aus dem Jahre 1993 befinde. Mit Beendigung des Mandats seien am 28. März 2000 alle Unterlagen an die Klägerin ausgehändigt worden. Sie könnten auch aus der Erinnerung heraus keine Angaben zu einem Befreiungsbescheid machen.
Mit Urteil vom 25. März 2009 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Zugang eines Befreiungsantrages bei der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt sei nicht nachgewiesen, was zu Lasten der Klägerin gehe. Ein Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht ergebe sich auch nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Es fehle bereits an einer Pflichtverletzung der Beklagten. Ein eventuell schuldhaftes Verhalten des Steuerberaters der Klägerin sei der Beklagten nicht zuzurechnen, weil die Aufgabenbereiche der Beklagten und des Steuerberaters nicht in der erforderlichen Weise miteinander verzahnt seien. Schließlich sei die Beitragsforderung der Beklagten auch nicht verwirkt. Denn sowohl die Beklagte als auch die Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt hätten keinen Vertrauenstatbestand gesetzt. Der bloße Zeitablauf reiche für die Annahme einer Verwirkung nicht aus.
Gegen das ihr am 30. April 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 2. Juni 2009 (Dienstag nach Pfingsten) Berufung eingelegt. Entgegen der Ansicht des SG greife zu ihren Gunsten ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ein. Zudem sei Verwirkung eingetreten. Es könne davon ausgegangen werden, dass die Beklagte mit ihrem Vorgang bereits seit dem Jahre 1991 befasst gewesen sei. Denn aufgrund der Übermittlung der Daten aus der Gewerbeanmeldung durch das Gewerbeamt gemäß § 14 Abs. 5 Nr. 7 der Gewerbeordnung (GewO) zum Zwecke des Einzugs der Sozialversicherungsbeiträge sei sie bei den Versicherungsträgern bekannt gewesen. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass sie im Jahre 1992 freiwillige Beiträge zur Gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 1.865,76 DM gezahlt habe. Auch der Ablauf der Aufbewahrungsfrist des § 157 des Handelsgesetzbuches (HGB), die 6 bzw. 10 Jahre betrage, sei ein für die Verwirkung sprechender Umstand. Denn der Ablauf dieser Frist führe regelmäßig zu dem Verlust von Beweismitteln. Schließlich sei bei wiederkehrenden Leistungen bzw. Forderungen auch zu berücksichtigen, dass der Schuldner durch eine Nachforderung in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerate, während er bei rechtzeitiger Geltendmachung des – vermeintlichen – Anspruchs seine Lebensführung entsprechend angepasst hätte.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 25. März 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. August 2007 aufzuheben und festzustellen, dass sie in ihrer selbständigen Tätigkeit als Betreiberin eines Blumenladens ab 1. Januar 1992 nicht der Versicherungspflicht unterliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 25. März 2009 zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die gemäß § 143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten und das ihn bestätigende Urteil des SG sind nicht zu beanstanden, so dass die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert ist.
Nach § 229a Abs. 1 SGB VI bleiben Personen weiterhin versicherungspflichtig in der Gesetzlichen Rentenversicherung, die am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig gewesen sind, nicht ab dem 1. Januar 1992 nach den §§ 1 bis 3 SGB VI versicherungspflichtig geworden sind und nicht bis zum 31. Dezember 1994 beantragt haben, dass die Versicherungspflicht enden soll. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen bei der Klägerin vor.
Die Klägerin war am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig in der Gesetzlichen Rentenversicherung. Gemäß § 1 Buchstabe f) der Verordnung über die Sozialversicherung bei der Staatlichen Versicherung der DDR vom 9. Dezember 1977 (GBl. I 1978 Nr. 1 S. 1) war die Klägerin als selbständig Tätige vom Geltungsbereich der Sozialversicherung erfasst. Nach § 10 Gesetzes über die Sozialversicherung der DDR vom 28. Juni 1990 (GBl. I Nr. 38 S. 486) galt dies auch für die Zeit bis zum 31. Dezember 1991. In ihrer Tätigkeit als Betreiberin eines Blumenladens ist die Klägerin auch nicht ab dem 1. Januar 1992 nach den §§ 1 bis 3 SGB VI versicherungspflichtig geworden.
Es steht auch nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin bis zum 31. Dezember 1994 wirksam beantragt hat, dass ihre Versicherungspflicht enden soll. Nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Eine Tatsache ist dann im Sinne des Vollbeweises bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (Keller in: M.-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 128 Rdnr. 3b m.w.N.).
Zunächst ist festzustellen, dass weder in den Unterlagen der Beklagten noch in denen der früheren Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt ein entsprechender Befreiungsantrag der Klägerin vorliegt oder vermerkt ist. Bezüglich der Landesversicherungsanstalt, bei der die Klägerin den Antrag eingereicht haben will, ist eine entsprechende Anfrage im Widerspruchsverfahren an deren Rechtsnachfolgerin ergebnislos geblieben. Dass die Beklagte in ihrer schriftlichen Anfrage an die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland als Antragsdatum den "01.02.4993" genannt hat, macht entgegen der Anregung der Klägerin keine erneute Anfrage erforderlich. Denn insoweit handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler, den auch die Mitarbeiterin der Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland als solchen erkannt haben dürfte. Überdies hat sie in ihrer Antwort ohne Beschränkung auf ein bestimmtes Antragsdatum erklärt hat, ein Befreiungsbescheid liege nicht vor. Der Zugang des Befreiungsantrages ist damit nicht im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen, was nach allgemeinen Beweislastregeln zu Lasten der Klägerin geht.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch oder auf Verwirkung berufen. Insoweit verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Begründung des SG. Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung geltend macht, aufgrund der Übermittlung der Daten aus der Gewerbeanmeldung durch das Gewerbeamt gemäß § 14 Abs. 5 Nr. 7 GewO zum Zwecke des Einzugs der Sozialversicherungsbeiträge sei sie bei den Versicherungsträgern bekannt gewesen, kann dem nicht gefolgt werden. Denn es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte bzw. die Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt seinerzeit entsprechende Mitteilungen vom Gewerbeamt und dadurch Kenntnis von der selbständigen Tätigkeit der Klägerin erhalten hätten. Abgesehen davon enthält weder § 14 GewO in der aktuellen Fassung noch in der im Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung geltenden Fassung eine Übermittlungsbefugnis an die Träger der Gesetzlichen Rentenversicherung.
Die von der Klägerin behaupteten freiwilligen Beiträge zur Gesetzlichen Rentenversicherung im Jahre 1992 in Höhe von 1.865,76 DM sind nicht nachgewiesen. Diese müssten in ihrem Versicherungskonto gespeichert sein, was nicht der Fall ist. Im Übrigen rechtfertigen es getroffene Vermögensdispositionen oder wirtschaftliche Schwierigkeiten aufgrund einer Nachforderung nicht, von der Feststellung der Rechtmäßigkeit der Beitragsforderung abzusehen. Erst nachdem das Bestehen der Forderung rechtskräftig festgestellt ist, kann die Beklagte wirtschaftlichen Schwierigkeiten z.B. durch die Einräumung einer Ratenzahlungsmöglichkeit Rechnung tragen. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist auch der Ablauf einer Aufbewahrungsfrist kein für die Verwirkung sprechender Umstand. Denn der Ablauf dieser Frist bedeutet nicht, dass bestimmte Unterlagen vernichtet werden müssen, sondern nur dürfen. Wenn der Betroffene sie vernichtet, muss er daraus ggf. resultierende Beweisschwierigkeiten in Kauf nehmen.
Die geltend gemachten Beiträge für die Zeit ab Dezember 2002 sind auch noch nicht verjährt. Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind, sind in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist; ein verbleibender Restbeitrag wird zum drittletzten Bankarbeitstag des Folgemonats fällig (§ 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Da vorliegend noch keine Beiträge gezahlt sind, handelt es sich insgesamt um "Restbeiträge", die zum drittletzten Bankarbeitstag des Folgemonats fällig sind. Der Beitrag für November 2002 war damit im Dezember 2002 fällig und demnach mit Ablauf des Jahres 2006 – und damit im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 19. April 2007 – verjährt. Der Beitrag für Dezember 2002 war dementsprechend erst im Januar 2003 fällig und unterfiel somit im April 2007 noch nicht der vierjährigen Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Die später fällig gewordenen Beiträge sind im April 2007 naturgemäß ebenfalls noch nicht verjährt.
Es bestehen schließlich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beitragshöhe fehlerhaft wäre, was im Übrigen von der Klägerin auch gar nicht geltend gemacht wurde. Die Beklagte ist von einkommensgerechter Beitragszahlung im Sinne des § 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ausgegangen. Im Vergleich zur Beitragsbemessung auf der Grundlage der Bezugsgröße (§ 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in Verbindung mit § 18 SGB IV) bedeutet dies eine geringere Beitragshöhe, weil das Einkommen der Klägerin im festgestellten Zeitraum durchgehend unter der Bezugsgröße lag. Eine Beschränkung auf einen Beitrag auf der Grundlage der Hälfte der Bezugsgröße gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB VI konnte die Klägerin nicht beanspruchen, weil dies nur bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit möglich ist. Die Klägerin hat ihre selbständige Tätigkeit bereits am 15. Juli 1991 aufgenommen. Hier geht es jedoch um Beiträge erst für die Zeit ab 1. Dezember 2002, weil die Beiträge für die davor liegende Zeit bereits verjährt sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Klägerin als Selbständige in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungs- und beitragspflichtig ist.
Die 1961 geborene Klägerin stellte am 16. Oktober 2006 bei der Beklagten einen Antrag auf Kontenklärung. Daraus ergab sich, dass sie seit dem 15. Juli 1991 einen Blumenladen betreibt. Daraufhin erließ die Beklagte zwei Bescheide vom 19. April 2007, mit denen sie die Versicherungspflicht der Klägerin gemäß § 229a Abs. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) ab 1. Januar 1992 feststellte. Mit dem einen Bescheid erklärte sie, dass die Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 30. November 2002 verjährt seien. Mit dem anderen Bescheid forderte sie Pflichtbeiträge für die Zeit vom 1. Dezember 2002 bis zum 30. April 2007 in Höhe von 10.269,02 Euro. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und gab an, 1993 einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Rentenversicherung bei der damaligen Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt (jetzt Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland) gestellt zu haben. Sie fügte eine Kopie des Antrages unter dem Datum 1. Februar 1993 bei. Eine Übersendung des Befreiungsbescheides aus dem Jahre 1993 sei aber nicht mehr möglich. Alle eingegangenen Schriftstücke seien an das damalige Steuerbüro M. in Bodenteich zur Ablage weiter gereicht worden. Zum 30. November 1999 sei sie zu ihrem jetzigen Steuerberater gewechselt. Das Steuerbüro M. habe im Zuge dieses Wechsels jedoch den Befreiungsbescheid nicht mit ausgehändigt. Nachdem die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland der Beklagten auf eine entsprechende Anfrage mit Schreiben vom 7. Juni 2007 mitgeteilt hatte, dass ein Befreiungsbescheid für die Klägerin nicht vorliege, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. August 2007 mit der Begründung zurück, die Stellung eines Befreiungsantrages sei nicht nachgewiesen.
Dagegen hat die Klägerin am 6. September 2007 Klage beim Sozialgericht Stendal (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, ein Anspruch der Beklagten wäre verwirkt. Da die Beklagte nach dem 1. März 1993 für die Dauer von über 14 Jahren keine Beitragsforderungen gegen sie erhoben habe, habe sie davon ausgehen dürfen bzw. sei davon ausgegangen, dass der Antrag vom 1. Februar 1993 der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt zugegangen sei. Sie habe sich darauf eingerichtet, dass eine Versicherungspflicht nicht bestehe. Die Beitragsforderung stelle einen unzumutbaren Nachteil für sie dar.
Auf Nachfrage des SG haben die Steuerberater M. mitgeteilt, dass sich in ihren Unterlagen kein Befreiungsbescheid der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt aus dem Jahre 1993 befinde. Mit Beendigung des Mandats seien am 28. März 2000 alle Unterlagen an die Klägerin ausgehändigt worden. Sie könnten auch aus der Erinnerung heraus keine Angaben zu einem Befreiungsbescheid machen.
Mit Urteil vom 25. März 2009 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Zugang eines Befreiungsantrages bei der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt sei nicht nachgewiesen, was zu Lasten der Klägerin gehe. Ein Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht ergebe sich auch nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Es fehle bereits an einer Pflichtverletzung der Beklagten. Ein eventuell schuldhaftes Verhalten des Steuerberaters der Klägerin sei der Beklagten nicht zuzurechnen, weil die Aufgabenbereiche der Beklagten und des Steuerberaters nicht in der erforderlichen Weise miteinander verzahnt seien. Schließlich sei die Beitragsforderung der Beklagten auch nicht verwirkt. Denn sowohl die Beklagte als auch die Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt hätten keinen Vertrauenstatbestand gesetzt. Der bloße Zeitablauf reiche für die Annahme einer Verwirkung nicht aus.
Gegen das ihr am 30. April 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 2. Juni 2009 (Dienstag nach Pfingsten) Berufung eingelegt. Entgegen der Ansicht des SG greife zu ihren Gunsten ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ein. Zudem sei Verwirkung eingetreten. Es könne davon ausgegangen werden, dass die Beklagte mit ihrem Vorgang bereits seit dem Jahre 1991 befasst gewesen sei. Denn aufgrund der Übermittlung der Daten aus der Gewerbeanmeldung durch das Gewerbeamt gemäß § 14 Abs. 5 Nr. 7 der Gewerbeordnung (GewO) zum Zwecke des Einzugs der Sozialversicherungsbeiträge sei sie bei den Versicherungsträgern bekannt gewesen. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass sie im Jahre 1992 freiwillige Beiträge zur Gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 1.865,76 DM gezahlt habe. Auch der Ablauf der Aufbewahrungsfrist des § 157 des Handelsgesetzbuches (HGB), die 6 bzw. 10 Jahre betrage, sei ein für die Verwirkung sprechender Umstand. Denn der Ablauf dieser Frist führe regelmäßig zu dem Verlust von Beweismitteln. Schließlich sei bei wiederkehrenden Leistungen bzw. Forderungen auch zu berücksichtigen, dass der Schuldner durch eine Nachforderung in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerate, während er bei rechtzeitiger Geltendmachung des – vermeintlichen – Anspruchs seine Lebensführung entsprechend angepasst hätte.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 25. März 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. August 2007 aufzuheben und festzustellen, dass sie in ihrer selbständigen Tätigkeit als Betreiberin eines Blumenladens ab 1. Januar 1992 nicht der Versicherungspflicht unterliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 25. März 2009 zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die gemäß § 143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten und das ihn bestätigende Urteil des SG sind nicht zu beanstanden, so dass die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert ist.
Nach § 229a Abs. 1 SGB VI bleiben Personen weiterhin versicherungspflichtig in der Gesetzlichen Rentenversicherung, die am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig gewesen sind, nicht ab dem 1. Januar 1992 nach den §§ 1 bis 3 SGB VI versicherungspflichtig geworden sind und nicht bis zum 31. Dezember 1994 beantragt haben, dass die Versicherungspflicht enden soll. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen bei der Klägerin vor.
Die Klägerin war am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig in der Gesetzlichen Rentenversicherung. Gemäß § 1 Buchstabe f) der Verordnung über die Sozialversicherung bei der Staatlichen Versicherung der DDR vom 9. Dezember 1977 (GBl. I 1978 Nr. 1 S. 1) war die Klägerin als selbständig Tätige vom Geltungsbereich der Sozialversicherung erfasst. Nach § 10 Gesetzes über die Sozialversicherung der DDR vom 28. Juni 1990 (GBl. I Nr. 38 S. 486) galt dies auch für die Zeit bis zum 31. Dezember 1991. In ihrer Tätigkeit als Betreiberin eines Blumenladens ist die Klägerin auch nicht ab dem 1. Januar 1992 nach den §§ 1 bis 3 SGB VI versicherungspflichtig geworden.
Es steht auch nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin bis zum 31. Dezember 1994 wirksam beantragt hat, dass ihre Versicherungspflicht enden soll. Nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Eine Tatsache ist dann im Sinne des Vollbeweises bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (Keller in: M.-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 128 Rdnr. 3b m.w.N.).
Zunächst ist festzustellen, dass weder in den Unterlagen der Beklagten noch in denen der früheren Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt ein entsprechender Befreiungsantrag der Klägerin vorliegt oder vermerkt ist. Bezüglich der Landesversicherungsanstalt, bei der die Klägerin den Antrag eingereicht haben will, ist eine entsprechende Anfrage im Widerspruchsverfahren an deren Rechtsnachfolgerin ergebnislos geblieben. Dass die Beklagte in ihrer schriftlichen Anfrage an die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland als Antragsdatum den "01.02.4993" genannt hat, macht entgegen der Anregung der Klägerin keine erneute Anfrage erforderlich. Denn insoweit handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler, den auch die Mitarbeiterin der Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland als solchen erkannt haben dürfte. Überdies hat sie in ihrer Antwort ohne Beschränkung auf ein bestimmtes Antragsdatum erklärt hat, ein Befreiungsbescheid liege nicht vor. Der Zugang des Befreiungsantrages ist damit nicht im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen, was nach allgemeinen Beweislastregeln zu Lasten der Klägerin geht.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch oder auf Verwirkung berufen. Insoweit verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Begründung des SG. Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung geltend macht, aufgrund der Übermittlung der Daten aus der Gewerbeanmeldung durch das Gewerbeamt gemäß § 14 Abs. 5 Nr. 7 GewO zum Zwecke des Einzugs der Sozialversicherungsbeiträge sei sie bei den Versicherungsträgern bekannt gewesen, kann dem nicht gefolgt werden. Denn es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte bzw. die Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt seinerzeit entsprechende Mitteilungen vom Gewerbeamt und dadurch Kenntnis von der selbständigen Tätigkeit der Klägerin erhalten hätten. Abgesehen davon enthält weder § 14 GewO in der aktuellen Fassung noch in der im Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung geltenden Fassung eine Übermittlungsbefugnis an die Träger der Gesetzlichen Rentenversicherung.
Die von der Klägerin behaupteten freiwilligen Beiträge zur Gesetzlichen Rentenversicherung im Jahre 1992 in Höhe von 1.865,76 DM sind nicht nachgewiesen. Diese müssten in ihrem Versicherungskonto gespeichert sein, was nicht der Fall ist. Im Übrigen rechtfertigen es getroffene Vermögensdispositionen oder wirtschaftliche Schwierigkeiten aufgrund einer Nachforderung nicht, von der Feststellung der Rechtmäßigkeit der Beitragsforderung abzusehen. Erst nachdem das Bestehen der Forderung rechtskräftig festgestellt ist, kann die Beklagte wirtschaftlichen Schwierigkeiten z.B. durch die Einräumung einer Ratenzahlungsmöglichkeit Rechnung tragen. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist auch der Ablauf einer Aufbewahrungsfrist kein für die Verwirkung sprechender Umstand. Denn der Ablauf dieser Frist bedeutet nicht, dass bestimmte Unterlagen vernichtet werden müssen, sondern nur dürfen. Wenn der Betroffene sie vernichtet, muss er daraus ggf. resultierende Beweisschwierigkeiten in Kauf nehmen.
Die geltend gemachten Beiträge für die Zeit ab Dezember 2002 sind auch noch nicht verjährt. Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind, sind in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist; ein verbleibender Restbeitrag wird zum drittletzten Bankarbeitstag des Folgemonats fällig (§ 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Da vorliegend noch keine Beiträge gezahlt sind, handelt es sich insgesamt um "Restbeiträge", die zum drittletzten Bankarbeitstag des Folgemonats fällig sind. Der Beitrag für November 2002 war damit im Dezember 2002 fällig und demnach mit Ablauf des Jahres 2006 – und damit im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 19. April 2007 – verjährt. Der Beitrag für Dezember 2002 war dementsprechend erst im Januar 2003 fällig und unterfiel somit im April 2007 noch nicht der vierjährigen Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Die später fällig gewordenen Beiträge sind im April 2007 naturgemäß ebenfalls noch nicht verjährt.
Es bestehen schließlich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beitragshöhe fehlerhaft wäre, was im Übrigen von der Klägerin auch gar nicht geltend gemacht wurde. Die Beklagte ist von einkommensgerechter Beitragszahlung im Sinne des § 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ausgegangen. Im Vergleich zur Beitragsbemessung auf der Grundlage der Bezugsgröße (§ 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in Verbindung mit § 18 SGB IV) bedeutet dies eine geringere Beitragshöhe, weil das Einkommen der Klägerin im festgestellten Zeitraum durchgehend unter der Bezugsgröße lag. Eine Beschränkung auf einen Beitrag auf der Grundlage der Hälfte der Bezugsgröße gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB VI konnte die Klägerin nicht beanspruchen, weil dies nur bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit möglich ist. Die Klägerin hat ihre selbständige Tätigkeit bereits am 15. Juli 1991 aufgenommen. Hier geht es jedoch um Beiträge erst für die Zeit ab 1. Dezember 2002, weil die Beiträge für die davor liegende Zeit bereits verjährt sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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