L 1 U 1831/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 421/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 1831/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 02.03.2010 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten sind die Gewährung einer Verletztenrente und die Feststellung weiterer Unfallfolgen im Streit.

Der 1964 geborene Kläger verletzte sich am 07.04.2006 an der Hand, als er beim Betreten eines Bauwagens vor dessen Treppe ausrutschte und bei dem Versuch, seinen Sturz abzufangen, mit der linken Hand zwischen die Stufen geriet. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt als Gemeindearbeiter beim Bürgermeisteramt der Stadt H. beschäftigt.

Im Durchgangsarztbericht des Dr. B. vom 08.04.2006 wurde eine deutliche Schwellung des 2. und 5. Fingers der linken Hand mit Hämatomverfärbung festgestellt. Die Beweglichkeit sei in allen Gelenken des 2. und 5. Fingers schmerzbedingt deutlich eingeschränkt gewesen; der 3. und 4. Finger seien unauffällig gewesen. Als Erstdiagnose wurde eine Distorsion des 2. und 5. Fingers links mitgeteilt. In einem Nachschaubericht vom 02.11.2006 teilte der Chirurg Dr. L. nach einer Röntgenuntersuchung der beiden verletzten Finger mit, dass ein kleiner knöcherner Ausriss der palmaren Faserknorpelplatte an der Basis des Kleinfinger-Mittelglieds mit geringgradiger Dislokation nach palmar und ein noch kleinerer knöcherner Ausriss der palmaren Faserknorpelplatte vermutlich an der Basis des Zeigefinger-Mittelgliedes mit einer intraartikulären Position des Fragmentes vorlägen. Der Kläger sei weiterhin uneingeschränkt arbeitsfähig. Nach einem Bericht des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 09.05.2007 habe beim Kläger ein persistierendes Schmerzsyndrom des Klein- und Zeigefingers links aufgrund des Unfalls vom 07.04.2006 vorgelegen. Eine periphereres Nervenkompressionssystem von Seiten des Nervus ulnaris oder des Nervus medianus habe nicht festgestellt werden können, auch sei der übrige neurologische Befund regelrecht gewesen.

In einem Zwischenbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen (Prof. Dr. Sch., Dr. Z. und Dr. K.) vom 04.03.2008 wurde ein regelrechter neurologischer Befund der linken Hand mitgeteilt. Die passive Beweglichkeit des betroffenen Zeige- und Kleinfingers sei völlig frei gewesen. Auch seien die Beuge- und Strecksehnen sowie die Durchblutung intakt gewesen. Aufgrund einer starken aktiven Gegenspannung werde vermutet, dass die Ursache der Problematik auf psychosomatischen Fachgebiet liege.

Nach einem für die Victoria-Versicherungen in Düsseldorf bestellten Untersuchungsbefund des Chirurgen Dr. B. vom 10.04.2008 bestanden erhebliche Zweifel bezüglich des Zusammenhanges der beklagten Beschwerden und der Bewegungseinschränkung mit dem Unfall vom 07.04.2006. Auch das Vorliegen eines Sudeck-Syndroms mit vegetativer Dystrophie sei im Zusammenhang mit allen Röntgenbefunden und dem erstellten Untersuchungsbefund sehr unwahrscheinlich.

Mit Bescheid vom 23.06.2008 anerkannte die Beklagte das Ereignis vom 07.04.2006 als Arbeitsunfall. Der Kläger habe sich hierbei eine Prellung/Stauchung des linken Zeige- und Kleinfingers zugezogen. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) im messbaren Grade liege nicht vor, weswegen die Gewährung einer Verletztenrente ausscheide. Die noch bestehenden Störungen würden ärztlicherseits als psychosomatische Störungen interpretiert, die keinesfalls im ursächlichen Zusammenhang mit der relativ harmlosen Verletzung vom 07.04.2006 stünden.

Der Kläger begründete seinen Widerspruch vom 28.06.2008 damit, dass eine gesicherte Diagnose noch nicht gestellt sei. Es sei nicht normal, dass er nach so langer Zeit nach dem Unfall noch Beschwerden habe. Er beantrage daher eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme zur Abklärung seiner bestehenden Beschwerden.

Im Widerspruchsverfahren zog die Beklagte das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers bei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da die aufgrund des Unfalls vom 07.04.2006 eingetretene Prellung/Stauchung des linken Zeige- und Kleinfingers als relativ harmlose Verletzung nach wenigen Wochen vollständig ausgeheilt sei. Die noch feststellbare eingeschränkte passive Beweglichkeit der beiden betroffenen Finger beruhe auf einer Fehlinnervation oder einer Problematik auf psychosomatischen Fachgebiet. Eine gegebenenfalls bestehende psychosomatische Problematik könne jedoch nicht auf die relativ harmlose Verletzung vom 07.04.2006 zurückgeführt werden.

Der Kläger hat über Herrn M. J. am 16.01.2009 bei der Beklagten Klage erhoben. Das zur Abklärung der fortbestehenden Beschwerden erforderliche Gutachten sei nicht eingeholt worden. Er sei durch die massive Unfallfolgen an der linken Hand schwer beeinträchtigt. Er müsse täglich Schmerzmittel einnehmen.

Das zuständige Sozialgericht Freiburg (SG) hat sachverständige Zeugenauskünfte bei den behandelnden Ärzte des Klägers eingeholt. Der Orthopäde Dr. K. hat am 30.04.2009 mitgeteilt, dass der Kläger bei ihm lediglich wegen Kreuzschmerzen in Behandlung gewesen sei. Auf eine an seinen Fingern bestehende Problematik habe der Kläger nicht hingewiesen. Der Neurologe und Psychiater Dr. S. hat am 29.04.2009 mitgeteilt, den Kläger lediglich einmal am 08.05.2007 neurologisch untersucht zu haben. Hierbei sei eine neurologische Schädigung nicht feststellbar gewesen. Über dem Nervus medianus und ulnaris links habe ein unauffälliger neurographischer Befund vorgelegen. Der Psychosomatiker und Psychotherapeut Dr. L. hat am 12.06.2009 erklärt, den Kläger lediglich zu einer einzigen diagnostischen Sitzung am 06.11.2007 gesehen zu haben. Seine Einschätzung müsse daher spekulativ bleiben. Es werde eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F 45.4 nach ICD-10-GM 2007) vermutet, die sich in einem andauernden und quälenden Schmerz äußere. Durch die erfolgte Prellung/Stauchung sei diese jedoch nicht vollständig erklärbar. In welchem Umfang hierbei emotionale Konflikte oder psychosoziale Belastungen eine Rolle spielten, könne aufgrund der abgebrochenen Diagnostik nicht gesagt werden. Der Anästhesist Dr. E. hat am 06.07.2009 mitgeteilt, dass der Kläger seit dem 16.04.2007 in seiner laufenden Behandlung sei. Beim Kläger sei ein chronisches Schmerzsyndrom in der linken Hand festgestellt worden. Im Laufe der Behandlung seien die Beschwerden weniger geworden und er habe die Arbeit wieder aufnehmen können; allerdings zeigten sich wieder belastungsabhängige Zunahmen der Beschwerden. Für die Beurteilung der Kausalitätsfrage sei er nicht ausgebildet.

Der Kläger hat vom 14.07.2009 bis 25.08.2009 ein stationäres Rehabilitationsverfahren der Deutschen Rentenversicherung (DRV) in St. B. durchlaufen. In dem Entlassungsbericht vom 01.09.2009 werden als Diagnosen ein Verdacht auf ein CRPS (chronisches regionales Schmerzsyndrom) der linken Hand nach Trauma, ein LWS-Syndrom, ein vegetatives Erschöpfungssyndrom, eine Substanzabhängigkeit bei beständigem Gebrauch von Opioidanalgetika sowie ein HWS-Syndrom angegeben. Der Kläger sei aus der Reha-Maßnahme regulär arbeitsfähig entlassen worden.

Im Auftrag des SG ist durch den Unfall- und Handchirurgen Prof. Dr. R. nach Durchführung einer radiologischen und einer kernspintomographischen Untersuchung am 06.12.2009 ein unfallchirurgisches Fachgutachten erstellt worden. Durch den Unfall vom 07.04.2006 sei ein Abriss der palmaren Platte des proximalen Interphalangealgelenkes des Kleinfingers sowie des Zeigefingers verursacht worden. Diese Verletzung werde zwar im Durchgangsarztbericht nicht beschrieben, sei jedoch in einer Röntgenverlaufsuntersuchung durch den Chirurgen Dr. L. eindeutig festgestellt worden und habe sich auch in der aktuellen Bildgebung bestätigen lassen. Aufgrund der bildgebenden Darstellung müsse davon ausgegangen werden, dass die Verletzungen unkompliziert ausgeheilt seien. Es finde sich kein Hinweis dafür, dass es aufgrund der Verletzung zu einer die Gelenkfunktion verursachenden Störung, z. B. einer Interposition von Gewebeanteilen in den Gelenkspalt, gekommen sei. Die zum aktuellen Zeitpunkt noch vorliegende Beugeunfähigkeit des Zeige- und Kleinfingers sei aufgrund der Verletzung der palmaren Platte nicht zu erklären. Typische Folgezustände einer derartigen Verletzung seien Defizite in der vollständigen Streckung der Gelenke, welche jedoch an beiden Fingern nicht feststellbar seien. Ob die verbliebenen Bewegungseinschränkungen aufgrund der Entstehung einer sympathischen Reflexdystrophie (Morbus Sudeck) entstanden seien, sei zum aktuellen Zeitpunkt nicht eindeutig zu klären. Ein Morbus Sudeck sei in der Vergangenheit festgestellt und behandelt worden, bei der aktuellen Untersuchung hätten sich jedoch nur wenige typische Symptome gefunden. Diese seien jedoch nicht objektivierbar gewesen. Da die aktuelle Untersuchung keine seitendifferenten Befunde im Hinblick auf die Weichteilsituation der Hände ergeben habe, sei es unwahrscheinlich, dass die Erkrankung von einem Initialstadium in ein höhergradiges Stadium übergegangen sei. Es fänden sich aktuell keinerlei Hautverfärbungen oder Störungen des Ernährungszustandes der Weichteile bzw. Störungen der vegetativen Versorgung. Die knöchernen Verhältnisse seien regelgerecht, auch habe die kernspintomographische Untersuchung keine dystrophen oder atrophen Weichteilverhältnisse gezeigt. Beim Morbus Sudeck sei es außerdem sehr untypisch, dass lediglich zwei Finger betroffen seien.

Aufgrund der Gesamtbefunde sei davon auszugehen, dass spätestens am 16.10.2007 bei der Untersuchung in der Praxis Dr. L. der zuvor diagnostizierte Morbus Sudeck ausgeheilt gewesen sei, was durch den Befund durch die Untersuchung in Tübingen bestätigt werden. Letztendlich sei es zum aktuellen Zeitpunkt unklar, warum die aktive Beweglichkeit des Zeige- und Kleinfingers der linken Hand in der Beugung derart eingeschränkt sei. Unwahrscheinlich sei es, das hierfür die beim Arbeitsunfall erlittenen Verletzungen die Ursachen seien. Aufgrund der vorliegenden Aktenunterlagen könne auch die Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens durch das Unfallereignis ausgeschlossen werden. Vom 01.05.2006 (Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit laut Dokumentation der Krankenkasse) bis zum 15.10.2007 (Ausschluss eines Morbus Sudeck durch Dr. L.) solle die MdE mit 10 vom Hundert (v. H.) angenommen werden, danach mit 0 bis zum aktuellen Zeitpunkt.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.03.2010 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG sich auf das seines Erachtens schlüssige und widerspruchsfreie Gutachten des Prof. Dr. R. gestützt. Hinzu komme, dass keiner der den Kläger behandelnden Ärzte eine dezidiert gegenteilige Auffassung vertreten habe. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. habe dargelegt, dass beim Kläger keine unfallbedingten neurologischen Gesundheitsschäden vorlägen. Der Psychotherapeut Dr. L., der den Kläger lediglich einmal untersucht habe, habe auch keine schlüssige Erklärung für die von dem Kläger angegebenen Schmerzen geben können. Der Gerichtsbescheid ist Herrn M. J. am 08.03.2010 zugestellt worden.

Herr M. J. hat am 08.04.2010 für den Kläger beim SG Berufung eingelegt. Der Kläger habe nach wie vor massive Probleme mit seiner linken Hand, die auf den Unfall zurückzuführen seien. Der Kläger hat im Berufungsverfahren weiter vorgetragen, dass er in dem Rechtsstreit mit seiner verunfallten linken Hand medizinisch noch nicht weitergekommen sei, da die Ärzte noch keine gesicherte Diagnose hätten feststellen können.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 02.03.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 23.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2008 zu verurteilen, weitere Folgen seines Arbeitsunfalls anzuerkennen und ihm aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend

Mit Beschluss vom 20.12.2010 ist der mit der Vertretung des Klägers beauftragte M. J. als Prozessbevollmächtigter zurückgewiesen worden, da er nicht zu dem Personenkreis der zugelassenen Prozessbevollmächtigten gehört (§ 73 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Zum 1. Januar 2011 ist das Verfahren in die Zuständigkeit des 1. Senats unter dem nunmehrigen Aktenzeichen L 1 U 1831/10 übergegangen.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts (LSG) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 f. und 151 SGG statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet. Die von Herrn M. J. vorgenommene Berufungseinlegung bleibt auch nach dessen Zurückweisung als Bevollmächtigter wirksam, § 73 Abs. 3 Satz 2 SGG.

Die Beklagte hat zu Recht die Feststellung weiterer Unfallfolgen und die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt.

Gem. § 26 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf Entschädigungsleistungen u. a. in Form von Heilbehandlung (§ 27 SGB VII) oder Geldleistungen (Verletztengeld § 45 SGB VII und Rente § 56 SGB VII ). Insbesondere nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 SGB VII).

Erforderlich ist, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden besteht. Diese so genannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R - , SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22).

Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26.06.1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19.12.2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Folgen des Arbeitsunfalls beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22.08.1989 - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.

Das SG hat nach diesen Grundsätzen zutreffend entschieden, dass eine Verletztenrente nicht zu gewähren ist und weitere Unfallfolgen nicht festzustellen sind. Wie das SG stützt sich der Senat insoweit auf das schlüssige und überzeugende Gutachten des Prof. Dr. R. vom 17.12.2009. Aufgrund einer umfangreichen bildgebenden Diagnostik hat dieser festgestellt, dass durch den Unfall nachweisbar lediglich ein Abriss der palmaren Platte des proximalen Interphalangealgelenkes des Kleinfingers sowie des Zeigefingers verursacht wurden, und dass diese Verletzungen keine wesentlichen funktionellen Einschränkungen nach sich ziehen, die zu einer messbaren MdE führen. Sofern aktuell noch eine Beugeunfähigkeit des Zeige- und Kleinfingers vorliegt, muss diese schon deshalb eine andere Ursache als die Verletzungen aufgrund des anerkannten Arbeitsunfalles haben, weil eine Verletzung der palmaren Platte nicht zu solchen Funktionseinschränkungen führt. Typische Folgezustände einer derartigen Verletzung sind Defizite in der vollständigen Streckung der Gelenke, welche jedoch an beiden Fingern nicht feststellbar waren. Auch die alternative Erklärungsmöglichkeit einer sympathischen Reflexdystrophie (Morbus Sudeck) hat der Gutachter ausgeschlossen. Der Gutachter hat auch zwischen der linken Hand und der rechten Hand keine Unterschiede in der Weichteilsituation erkennen können, welche ein Nachweis eines geringen Gebrauchs oder einer geringeren Gebrauchsfähigkeit der verletzten Hand sein könnten. Hautverfärbungen, Störungen des Ernährungszustandes der Weichteile bzw. Störungen der vegetativen Versorgung waren nicht feststellbar. Die knöchernen Verhältnisse waren ebenfalls regelgerecht. Die kernspintomographische Untersuchung hat ebenfalls keinen abweichenden Befund ergeben.

Das SG hat zudem zu Recht darauf hingewiesen, dass auch keiner der vier den Kläger behandelnden Ärzte weitere Unfallfolgen als nachgewiesen bezeichnen konnte.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Gewährung einer Verletztenrente nach den o. g. Vorschriften nur beim Vorliegen von wesentlichen Funktionseinschränkungen in Betracht kommt. Ein Beugedefizit des 2. und 5. Fingers einer Hand ist nach der einschlägigen unfallmedizinischen Literatur grundsätzlich nicht geeignet, eine MdE um wenigstens 20 v. H., welche für die Gewährung einer Verletztenrente erforderlich wäre, zu begründen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 566 ff.).

Zudem ist die von dem Kläger angeführte Beugebeeinträchtigung der beiden betroffenen Finger auch nicht nachgewiesen, da sich in der Begutachtung bei Prof. Dr. R. bei der Kraftmessung der linken Hand eine deutliche aktive Beugebewegung der Finger 2 und 5 gezeigt hat, wohingegen bei der Aufforderung zur aktiven Beugung bzw. dem Versuch einer passiven Beugung durch den Gutachter das Fehlen jeglicher Beweglichkeit bzw. Schmerzen, die jegliche Beweglichkeit verhinderten, behauptet wurden (vgl. Bl. 16 f. des Gutachtens). Insoweit wird auch auf den Zwischenbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen (Prof. Dr. Sch., Dr. Z. und Dr. K.) vom 04.03.2008 hingewiesen, nach welchem neben einem regelgerechten neurologischen Befund der linken Hand auch die passive Beweglichkeit des betroffenen Zeige- und Kleinfingers völlig frei gewesen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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