L 11 KR 5428/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 14 KR 137/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 5428/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 25. August 2010 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Kostenübernahme für eine podologische Komplexbehandlung (medizinische Fußpflege), die Herausgabe von Kopien des Personalausweises des Klägers und die Verpflichtung der Beklagten zur individuellen Beratung streitig.

Der 1951 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten. Mit Schreiben vom 12. Februar 2007, bei der Beklagten eingegangen am 14. Februar 2007, beantragte die Mutter des Klägers, Frau M. B., unter Vorlage der Heilmittelverordnung des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. P. vom 8. Februar 2007 für ihren Sohn (dem Kläger) die Kostenübernahme von dreimal Fußpflege. Zur Vermeidung von weiteren Verschlechterungen, insbesondere der Anpassung von individuell gefertigtem Schuhwerk, sei die Verordnung der podologischen Therapie unabdingbar. Dr. P. gab in der Heilmittelverordnung an, die podologische Komplexbehandlung habe "analog zu einem diabetischen Fuß, Hyperkeratose und Deformierung mit Gefahr der Ulceration, Schmerzabbau und Ulcusprophylaxe" zu erfolgen. Die Beklagte holte daraufhin die Stellungnahme des Dr. G. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 21. Februar 2007 ein, der ausführte, die medizinischen Voraussetzungen der gewünschten Leistungen seien nach den Heilmittel-Richtlinien nicht erfüllt. Mit Schreiben vom 27. Februar 2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, aufgrund der Stellungnahme des MDK sei beabsichtigt, die Kostenübernahme für Fußpflege abzulehnen. Nach den Heilmittel-Richtlinien sei die podologische Behandlung lediglich bei diabetischem Fußsyndrom verordnungsfähig. Der Kläger erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 19. März 2007. Das Anhörungsschreiben wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 1. März 2007 zugestellt. Nachdem eine Äußerung des Klägers bei der Beklagten nicht eingegangen war, lehnte sie mit Bescheid vom 20. März 2007 die Kostenübernahme für Fußpflege ab. Dieser Bescheid wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 21. März 2007 zugestellt.

Hiergegen erhob die Mutter des Klägers am 21. April 2007 Widerspruch und gab hierbei an, dass eine Begründung aufgrund des verweigerten rechtlichen Gehörs nicht abgegeben werden könne. Diesbezüglich nahm sie auf ihr Schreiben vom 6. März 2007, das bislang jedoch nicht zur Akte der Beklagten gelangt war, Bezug. Darin hatte sie im Hinblick auf das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 27. Februar 2007 gerügt, dass ihr die Stellungnahme des MDK nicht mitübersandt worden sei. Diese benötige sie jedoch, damit sie adäquat vortragen könne. Zugleich hatte sie darauf hingewiesen, dass sie keine weitere Möglichkeit sehe, weiterhin für ihren Sohn Schreiben zu beantworten bzw Anträge zu stellen oder zu begründen. Sie hatte deshalb um "Zwischenschaltung" des Sozialen Dienstes der Beklagten gebeten.

Mit Schreiben vom 25. April 2007 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass der Widerspruch nur von ihm selbst oder von einer von ihm bevollmächtigten Person erhoben werden könne. Insoweit sei es erforderlich, dass er gegebenenfalls seine Mutter beauftrage und eine schriftliche Vollmacht vorlege. Hierfür wurde ihm eine Frist bis zum 18. Mai 2007 gewährt. Anderenfalls werde der Widerspruchsausschuss nicht in der Sache, sondern nur formal entscheiden können. Das Schreiben wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 26. April 2007 zugestellt. Nachdem der Kläger hierauf nicht reagiert hatte, wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2007). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Leistungsantrag sei bereits deshalb abzulehnen, da die Voraussetzungen für die Kostenübernahme entsprechend der Stellungnahme des MDK nicht vorlägen. Das rechtliche Gehör des Klägers sei nicht verletzt worden. Dem Schreiben vom 6. März 2007 könne entnommen werden, dass der Kläger über sein Recht zur Anhörung informiert gewesen sei. Insoweit habe er dafür Sorge zu tragen und sei letztlich dafür verantwortlich, dass seine entsprechenden Äußerungen beim Empfänger eingingen. Schließlich habe der Kläger auch keine schriftliche Vertretungsvollmacht vorgelegt. Insoweit sei der Widerspruch aus materiellen (fehlende medizinische Voraussetzungen) als auch aus formalen Gründen (fehlende Aktivlegitimation) zurückzuweisen. Denn es könne weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht werden, dass der Kläger nicht in der Lage sei, sich selbst zu äußern bzw eine entsprechende Vollmacht zu erteilen. Bereits in der Vergangenheit sei festgestellt worden, dass sich der Kläger der Unterschriftsleistung unberechtigterweise entziehe. Insoweit werde auf den in Kopie vorhandenen Personalausweis verwiesen, auf dem eine persönliche Unterschrift vorhanden sei.

Hiergegen hat der Kläger am 7. Januar 2008 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben (Az: S 14 KR 71/08). In seinem Klageschriftsatz vom 24. Dezember 2007 hat der Kläger darauf hingewiesen, dass dem Gericht bekannt sei, dass er aufgrund seiner Erkrankung bzw aufgrund der hieraus resultierenden Behinderung nur mit Hilfe einer schreibfähigen Person in der Lage sei, schriftsätzlich zu antworten. Zur Wahrung der "grundgesetzlich geschützten Verfahrensgerechtigkeit" benötige er daher einen Sprach- oder Schreibcomputer oder Ähnliches. Außerdem sei ihm ein Verfahrenspfleger oder Rechtsanwalt beizuordnen. Er hatte deshalb auch die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Der Klageschriftsatz endet mit einer Unterschrift des Klägers mit dem Zusatz "Faksimile, gez. E. B. zur Unterschriftsleistung derzeit nicht in der Lage".

Nachdem der Kläger trotz wiederholter Aufforderung durch das SG die angeforderte Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht sowie die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht übersandt hatte, hat das SG mit Schreiben vom 1. September 2008 den Kläger aufgefordert, bis spätestens 30. Oktober 2008 hinsichtlich der streitbefangenen Kosten für die ärztlich verordnete podologische Behandlung eine Klagebegründung vorzulegen bzw die Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung er sich durch den angefochtenen Widerspruchsbescheid beschwert fühle, konkret anzugeben und diejenigen Tatsachen und Beweismittel zu bezeichnen, auf die er das Klagebegehren stützen wolle. Insbesondere sei auch die Vorlage der Rechnungen, deren Erstattung begehrt werde, nebst den Zahlungsnachweisen erforderlich, ebenso die Rückgabe der vollständig ausgefüllten und unterschriebenen Entbindungserklärung. Das SG hat den Kläger in diesem Schreiben auch auf § 106a Abs 3 und § 102 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen und ausgeführt, dass die Klage als zurückgenommen gelte, sollte er nicht binnen drei Monaten nach Zugang dieses Schreibens eine Klagebegründung nebst der Entbindungserklärung dem SG vorlegen. Mit Schreiben vom 26. Januar 2009 hat das SG dem Kläger mitgeteilt, dass die Klage gemäß § 102 Abs 2 Satz 1 SGG als zurückgenommen gelte, da er nicht auf das Schreiben vom 1. September 2008 reagiert habe.

Am 31. Dezember 2009 hat die Mutter des Klägers gegenüber dem SG darauf hingewiesen, dass das gerichtliche Schreiben vom 1. September 2008 beim Kläger nicht eingegangen sei, sodass die Klage auch nicht als zurückgenommen gelten könne. Rein fürsorglich werde gerügt, dass das rechtliche Gehör des Klägers verletzt worden sei. Daraufhin hat das SG den Rechtsstreit unter dem Aktenzeichen S 14 KR 137/10 fortgeführt und die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Des Weiteren hat es mit Beschluss vom 21. April 2010 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, da der Kläger seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist glaubhaft gemacht habe.

Mit Gerichtsbescheid vom 25. August 2010 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klagerücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 SGG greife vorliegend nicht, da der Zugang des gerichtlichen Schreibens vom 1. September 2008 beim Kläger nicht nachgewiesen werden könne. Soweit der Kläger die Herausgabe von Kopien seinen Personalausweises wünsche, sei die Klage unzulässig, da er sich nicht vorab an die Beklagte gewandt habe. Diese habe hierüber jedenfalls keine förmliche Entscheidung getroffen, die vom Gericht überprüft werden könne. Selbst wenn eine Berechtigung zur Erhebung einer unmittelbaren Leistungsklage bestehe, sei die Klage unbegründet, da keine Zweifel bestünden, dass die Beklagte berechtigt gewesen sei, vom Personalausweis des Klägers Kopien anzufertigen. Die Klage sei auch insofern unzulässig, als der Kläger eine individuelle Beratung im Rahmen des gesetzlich garantierten "persönlichen Budgets" fordere. Zwar habe er gemäß § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch. Für die vom Kläger gewünschte Feststellung sei es jedoch notwendig, dass er den Beratungsbedarf näher umschreibe und insbesondere nachweise, dass gerade bezüglich dieses Beratungsbedarfs eine Verweigerungshaltung der Beklagten vorliege. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, soweit er die Kostenübernahme einer podologischen Behandlung begehre. Denn die Beklagte habe dies zu Recht abgelehnt. Nach den überzeugenden Ausführungen des MDK hätten die medizinischen Voraussetzungen nach den Heilmittel-Richtlinien zum damaligen Zeitpunkt nicht vorgelegen. Danach könnten podologische Behandlungen nur bei einem diabetischen Fußsyndrom gewährt werden. Ein solches liege beim Kläger nicht vor. Dies ergebe sich aus der Verordnung des Dr. P ... Soweit der Kläger begehre, künftig die ärztlich verordnete podologische Behandlung zu erhalten bzw die Kosten erstattet zu bekommen, sei die Klage unzulässig, da es an einer konkreten Regelung bzw an einem Feststellungsbedürfnis fehle.

Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger durch Einwurf in den zu seiner Wohnung gehörenden Briefkasten am 26. August 2010 zugestellt worden (Postzustellungsurkunde vom 26. August 2010, Bl 39a der SG-Akte S 14 KR 137/10).

Am 24. November 2010 ist beim Landessozialgericht (LSG) ein Schriftsatz eingegangen, wonach es sich um das "Rechtsmittel des E. B." gegen die Gerichtsentscheidungen "Az: S 3 R 34/10 zugestellt 10.11.2010, Az: S 14 KR 1371/10 zugestellt 24.3.2010, zugestellt am 23.4.2010, zugestellt 17.6.2010, Az: S 14 KR 71/08 zugestellt 26.8.2010" handle. Die "5 zugestellten Briefe" seien dem Kläger am 20. Oktober 2010 ungeöffnet übergeben worden. Dieser sei aus Gründen seiner derzeitigen Medikation (ua starke Opiattherapie) und der zugrunde liegenden Behinderungen nicht in der Lage, die Briefe eigenständig zu öffnen bzw zu beantworten. Das LSG habe dem Kläger mitgeteilt, dass er - wenn er behinderungsbedingt nicht schreiben könne - sein Begehren auf Band diktieren könne und dieses bei der Geschäftsstelle des LSG einsenden solle. Dies habe der Kläger in der Vergangenheit mehrfach versucht. Allerdings habe er den Stoppknopf seines Kassettenrekorders bzw seines Diktaphons nicht bedienen können, weshalb es jeweils zu längeren Sprechpausen gekommen sei. Der Kläger erhalte nun zu Weihnachten ein Diktiersystem, welches diesen Fehler "offensichtlich auszumerzen" helfe. Der Kläger beantrage daher zur Begründung und weiteren Antragstellung eine verlängerte Frist bzw gleichfalls vorab die entsprechende Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Bestätigung bzw Feststellung, dass die "Entscheidungen, wie genannt, allesamt ungeöffnet sind" solle durch das hiesige Vormundschaftsgericht vollzogen werden. Das nicht unterschriebene Schreiben enthielt folgende Abschlusszeile "Gez. E. B., derzeit zur Unterschriftsleistung nicht in der Lage".

Mit Schreiben vom 11. Februar 2011 hat der Senat den Kläger darauf aufmerksam gemacht, dass die Berufungsfrist nicht eingehalten worden sei, da ihm laut Postzustellungsurkunde der Gerichtsbescheid vom 25. August 2010 am 26. August 2010 zugestellt worden sei. Die Berufung sei jedoch erst am 24. November 2010 und damit verfristet eingegangen. Zugleich hat der Senat darauf hingewiesen, dass Gründe für eine Wiedereinsetzung bislang nicht glaubhaft gemacht worden seien. Der Kläger erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 3. März 2011. Das Schreiben ist dem Kläger durch Einwurf in den zu seiner Wohnung gehörenden Briefkasten am 12. Februar 2011 zugestellt worden (Postzustellungsurkunde vom 12. Februar 2011, Bl 18 der LSG-Akte).

Mit Schreiben vom 22. und 25. Februar 2011 hat der Kläger den Eingang des Schreibens vom 11. Februar 2011 bestätigt und darauf hingewiesen, dass ihm "4 zugestellte Briefe" am 20. Oktober 2010 ungeöffnet übergeben worden seien. Die gerichtlichen Entscheidungen seien unter Verstoß des rechtlichen Gehörs ergangen. Eine Begründung hierzu werde mit separater Post übersandt. Die bisherige gewillkürte Rechtsprechung beschneide den Kläger unverhältnismäßig in seinen Rechten. Obwohl er im Rollstuhl sitze, sei ihm von der Beklagten mitgeteilt worden, er könne seine Akten auf der Geschäftsstelle einsehen. Er verlange deshalb die Beiordnung eines Verfahrenspflegers bzw die Gewährung eines Rechtsanwaltes, weshalb er fürsorglich einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stelle. Er beantrage zudem "gleichfalls vorab die entsprechende Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand". Die Schreiben enden mit einer Unterschrift des Klägers, wobei der Zusatz "Faksimile" beigefügt ist, sowie mit dem Hinweis "Gez. E. B., zur persönlichen Unterschriftsleistung nicht in der Lage".

Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 11. März 2011 den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren abgelehnt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte den Rechtsstreit mündlich verhandeln und in der Sache entscheiden, obwohl der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung am 5. April 2011 nicht anwesend war, weil der Kläger mit der Terminsmitteilung vom 18. Februar 2011, die ihm am 22. Februar 2011 mit Postzustellungsurkunde (Einwurf in den zu seiner Wohnung gehörenden Briefkasten am 22. Februar 2011) zugestellt wurde, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (vgl §§ 124 Abs 1, 126 SGG). Es stand auch im Ermessen des Senats, den Rechtsstreit unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter zu entscheiden und nicht von der Befugnis nach § 158 Satz 2 SGG Gebrauch zu machen.

Die Berufung ist unzulässig und daher zu verwerfen. Denn die Berufung wurde nicht fristgerecht eingelegt.

Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt gemäß § 151 Abs 1, Abs 2 Satz 1 SGG einen Monat nach Zustellung des Urteils bzw des Gerichtsbescheids (vgl § 105 Abs 2, 3 Halbs 1 SGG). Der Gerichtsbescheid des SG vom 25. August 2010 wurde dem Kläger am 26. August 2010 zugestellt. Dies entnimmt der Senat der Postzustellungsurkunde vom 26. August 2010, wonach der Gerichtsbescheid in den zur Wohnung des Klägers gehörenden Briefkasten eingelegt wurde (Bl 39a der SG-Akte S 14 KR 137/10). Etwas Gegenteiliges wird vom Kläger auch nicht behauptet. Im Berufungsschriftsatz vom 24. November 2010 wird vielmehr angegeben, dass unter dem (früheren) Aktenzeichen S 14 KR 71/08 die Entscheidung am 26. August 2010 zugestellt worden sei. Die einmonatige Berufungsfrist lief daher am 27. September 2010, einem Montag, ab. Die am 24. November 2010 beim LSG eingelegte Berufung ist somit offenkundig verfristet.

Soweit im Berufungsschriftsatz vom 24. November 2010 vorgetragen wird, dem Kläger sei die Entscheidung des Gerichtsbescheids vom 25. August 2010 am 20. Oktober 2010 ungeöffnet übergeben worden, ergibt sich hieraus nichts anderes. Selbst wenn auf diesen Zeitpunkt abzustellen wäre (was nicht der Fall ist), wäre die Berufungsfrist nicht eingehalten worden.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist dem Kläger nicht zu gewähren. Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm gemäß § 153 Abs 1, 67 Abs 1 SGG auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist gemäß § 67 Abs 2 Satz 1 SGG binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen gemäß § 67 Abs 2 Satz 2 SGG glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist gemäß § 67 Abs 2 Satz 3 SGG die Vornahme der Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung gemäß § 67 Abs 2 Satz 4 SGG auch ohne Antrag gewährt werden.

Der Kläger hat die gesetzliche Berufungsfrist nicht ohne Verschulden versäumt. Dies setzt voraus, dass der Beteiligte diejenige Sorgfalt angewendet hat, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung zuzumuten ist (BSG, Urteil vom 31. März 1993 - 13 RJ 9/92 = SozR 3-1500 § 67 Nr 7). Diesen Sorgfaltsanforderungen ist der Kläger nicht gerecht geworden. Selbst wenn unterstellt wird, dass der Kläger nicht in der Lage ist, Poststücke zu öffnen, trifft ihn die Obliegenheit, eine ordnungsgemäße Kenntniserlangung von gerichtlichen Schriftstücken sicherzustellen. Denn wer einen Prozess führt, muss nicht nur Vorkehrungen treffen, dass eine ordnungsgemäße Zustellung seiner Post sichergestellt wird (vgl hierzu ausführlich Senatsurteil vom 26. Oktober 2010 - L 11 KR 4730/09), sondern muss auch entsprechende Vorkehrungen treffen, dass ihm der Inhalt von gerichtlichen Schreiben bzw Entscheidungen bekannt wird. Soweit er nicht in der Lage ist, eigenhändig Poststücke zu öffnen, wäre der Kläger daher verpflichtet gewesen, entweder einen Empfangsbevollmächtigten (etwa seine Mutter, die im gleichen Haus wohnt) zu benennen oder jemanden zu bitten, ihm die Poststücke zu öffnen und die Schreiben bzw Entscheidungen vorzulesen. Hierbei handelt es sich auch nicht um unzumutbare Anforderungen an einen Prozessbeteiligten. Dies ergibt sich schon daraus, dass dem Kläger offensichtlich eine Person zur Seite steht, die ihm die gerichtlichen Schreiben übergibt. Dies folgt bereits aus dem Vortrag im Berufungsschriftsatz vom 24. November 2010. Danach sind dem Kläger am 20. Oktober 2010 mehrere Briefe (darunter auch der Gerichtsbescheid vom 25. August 2010) ungeöffnet übergeben worden. Der Kläger hätte jedoch denjenigen, der ihm diese Briefe übergeben hat, bitten können, diese zu öffnen und ihm den Inhalt vorzulesen. Schließlich hat der Kläger auch jemanden gefunden, der den Berufungsschriftsatz vom 24. November 2010 sowie die Schreiben vom 22. und 25. Februar 2011 für ihn verfasst hat. Aus alledem ergibt sich, dass ihm Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist nicht zu gewähren ist.

Vor diesem Hintergrund musste der Senat nicht entscheiden, ob die Berufung auch deshalb unzulässig ist, weil gegebenenfalls nicht hinreichend genau erkennbar ist, wer das Rechtsmittel eingelegt hat und ob für die Durchführung des Berufungsverfahrens ein Rechtschutzinteresse besteht, wenn ein Beteiligter ein Rechtsmittel einlegt, ohne den Inhalt der angefochtenen Entscheidung zu kennen (vgl hierzu ausführlich LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. März 2011 - L 13 R 5429/10).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved