Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
49
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 49 SO 1232/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 SO 133/10 B ER
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Der am 7. Juni 2010 bei Gericht eingegangene Antrag der 1953 geborenen, bei einem Versicherungsunternehmen "privat" kranken- und pflegeversicherten, dauerhaft voll erwerbsgeminderten Antragstellerin,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr über den 31. Mai 2010 hinaus Leistungen nach dem SGB XII in der bisherigen Höhe zu bewilligen und auszuzahlen,
mit der Begründung, sie sei vor Erlass des Bewilligungsbescheids vom 4. Juni 2010 nicht darüber informiert worden, dass vom Antragsgegner nunmehr nur noch die Leistungen für ihre private Krankenversicherung in Höhe des Basistarifs gezahlt würden, weshalb sie jetzt nicht mehr in der Lage sei, ihre Miete zu zahlen, so dass ihr die Kündigung drohe, hat keinen Erfolg.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt danach voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Wesentliche Nachteile drohen, wenn entweder die Gefahr der Rechtsvereitelung oder jedenfalls einer wesentlichen Erschwerung der Rechtsverwirklichung besteht. Eine solche Gefahr besteht grundsätzlich dann, wenn eine Unterschreitung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums droht, weil daraus folgende Beeinträchtigungen nicht mehr nachträglich behoben werden könnten, selbst wenn die Leistungen im Hauptsacheverfahren erstritten und rückwirkend gewährt würden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – Juris).
Die Antragstellerin, die insbesondere unter Multipler Sklerose sowie chronischer Depression leidet, hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund mit der für dieses Verfahren erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Zwar ist sie gemäß § 41 Abs. 1 des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch – SGB XII – dem Grunde nach grundsicherungsberechtigt, welches zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. Über ihren Folgeantrag auf Weiterbewilligung von Leistungen der Grundsicherung vom 25. Mai 2010 hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 4. Juni 2010 entschieden und zahlt seither die dort ausgewiesenen, monatlichen Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII gemäß §§ 41 ff. SGB XII an die Antragstellerin aus. Einen Anspruch auf höhere Leistungen hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Gemäß § 42 Satz 1 SGB XII umfassen die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung unter anderem den für den Leistungsberechtigten maßgebenden Regelsatz (vgl. Ziffer 1), die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (Ziffer 2) und die Mehrbedarfe (Ziffer 3). Diese Leistungen werden der Antragstellerin unter Anrechnung ihrer Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von monatlich 462,82 Euro ausweislich des vorgenannten Bescheides gewährt. Die reinen Grundsicherungsleistungen betragen danach 871,97 Euro, zu denen Leistungen für eine Haushalshilfe in Höhe von 104 Euro hinzutreten.
Soweit die Antragstellerin rügt, dass die Kosten für ihre private Krankenversicherung (und Pflegeversicherung) gemäß § 42 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 32 Abs. 5 SGB XII nicht mehr in der dem früheren Bewilligungsabschnitt entsprechenden Höhe von 772,20 Euro im Monat übernommen werden, sondern nur noch in Höhe des Basistarifs von 320,63 Euro, ist dies nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Ein Anspruch auf höhere Versicherungsleistungen besteht vorläufig nicht.
Gemäß § 32 Abs. 5 Satz 1 SGB XII werden die Krankenversicherungsbeiträge eines Versicherungsunternehmens übernommen, soweit sie angemessen sind und die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 SGB XII erfüllt sind. In diesem Fall werden auch die Aufwendungen für die Pflegeversicherung übernommen (§ 32 Abs. 5 Satz 4 SGB XII). Dass die – bisher vom Antragsgegner übernommenen – Versicherungsbeiträge in Höhe von 772,20 Euro angemessen wären, hat die Antragstellerin schon nicht vorgetragen geschweige denn glaubhaft gemacht. Hierfür bestehen auch keine, den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegebenenfalls rechtfertigenden Anhaltspunkte. Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 5 Satz 2 SGB XII, wonach zur Aufrechterhaltung einer Krankenversicherung bei einem Versicherungsunternehmen auch höhere Aufwendungen übernommen werden können, wenn die Leistungsberechtigung voraussichtlich nur für kurze Dauer ist, sind bei der Antragstellerin von vornherein nicht gegeben, da ihre Grundsicherungsberechtigung prognostisch dauerhaft sein wird. Auf eine einstweilige Übernahme von Aufwendungen gemäß § 32 Abs. 5 Satz 1 und 4 SGB XII, die über die in § 12 Abs. 1c Satz 6 HS 2 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen – Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) in der seit dem 1. September 2009 geltenden Fassung (BGBl. I 1993, 2) genannten Beiträge hinausgehen, hat die Antragstellerin keinen Anspruch. Bei dem im Gesetz genannten Begriff der Angemessenheit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der vom Gericht voll überprüfbar ist; Ermessen des Leistungsträgers ist nicht eröffnet.
Grundsätzlich angemessen im Sinne des § 32 Abs. 5 SGB XII sind Aufwendungen in Höhe des sogenannten Basistarif, welcher hinsichtlich des Leistungsniveaus dem der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht und nur in dieser Höhe mit dem existenzsichernden Charakter der Sozialhilfeleistungen in Einklang steht, ohne dass hierdurch gegen Verfassungsrecht verstoßen würde (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 14. Dezember 2009 – L 7 SO 165/09 B – Juris Rn. 55 ff.). Dem Basistarif entspricht der vom Versicherungsunternehmen der Antragstellerin ausweislich dessen Schreibens vom 19. Juni 2007 angebotene Standardtarif STN mit zugesichertem Versicherungsschutz auf dem Niveau der gesetzlichen Krankenkassen. Gemäß § 12 Abs. 1a VAG haben Inlandsversicherungsunternehmen einen branchenweit einheitlichen Basistarif anzubieten, dessen Vertragsleistungen mit denen der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar sind. Die Höhe des Beitrags im Basistarif der privaten Krankenversicherung regelt § 12 Abs. 1c VAG. Danach darf der Beitrag im Basistarif ohne Selbstbehalt und in allen Selbstbehaltsstufen den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übersteigen (Satz 1). Entsteht allein durch die Zahlung dieses Beitrags Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder SGB XII, vermindert sich der Beitrag für die Dauer der Hilfebedürftigkeit um die Hälfte (Satz 4); selbiges gilt, wenn – wie im Falle der Antragstellerin – unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit besteht (Satz 6).
Dahinstehen kann, ob der höchstmögliche Basistarif im Jahr 2010 oberhalb dessen liegt, welches vom Antragsgegner ausweislich des Bescheides vom 4. Juni 2010 zugrundegelegt worden ist. Für das Jahr 2010 liegt der Höchstbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung bei 581,25 Euro (Beitragsbemessungsgrenze 3.750 x 15,5 % allgemeiner Beitragssatz), welches einen hälftigen Beitrag im Basistarif von 290,63 Euro ergibt, zu dem 36,57 Euro an Aufwendungen für die Pflegeversicherung (3.750 x 1,95 % gemäß § 55 Abs. 1 SGB XI) hinzutreten, so dass der Höchstsatz bei insgesamt 327,20 Euro statt 320,63 Euro liegen dürfte. Denn der Versicherer der Antragstellerin hatte mit Schreiben vom 19. Juni 2007 einen Gesamtbeitrag für langjährige Versicherungsnehmer von seinerzeit lediglich 274,74 Euro im Standardtarif errechnet, welcher weit unter den vom Antragsgegner anerkannten Aufwendungen liegt. Höhere Beiträge im Basis- bzw. Standardtarif hat die Antragstellerin, die einen entsprechenden Wechsel ablehnt, nicht geltend gemacht.
Dafür dass die gegenwärtigen Aufwendungen der Antragstellerin für ihre Kranken- und Pflegepflichtversicherung angemessen wären, bestehen hingegen keine, den Erlass einer einstweiligen Anordnung hinreichend rechtfertigenden Anhaltspunkte. Die Antragstellerin ist ausweislich des Schreibens des Versicherungsunternehmens vom 19. Juni 2007 im Rahmen einer Krankheitskostenvollversicherung im dortigen H-Tarif einschließlich der Pflege-Pflichtversicherung zuzüglich einer Krankenhaustagegeldversicherung zu einem Gesamtbetrag in Höhe von 785,76 Euro versichert. Ihre versicherten Tarife AH 100/4, ZHN 100 und KH 100/1 bieten derzeit Versicherungsschutz auf höchstmöglichem Leistungsniveau. Dass allein diese Tarife im konkreten Einzelfall (vgl. § 9 Abs. 1 SGB XII) angemessen wären, etwa weil ihr ein entsprechender Wechsel unmöglich oder unzumutbar wäre, kann nicht festgestellt werden. Die Antragstellerin hat dies mit dem vorliegenden Antrag auch weder plausibel behauptet noch glaubhaft gemacht. Insoweit wird jedoch angesichts der schwerwiegenden Erkrankung der Antragstellerin und in Anbetracht einer im Verwaltungsverfahren eingereichten fachärztlichen Stellungnahme vom 21. Mai 2007, der eine weitere vom 2. Dezember 2009 weitgehend entspricht, vorsorglich darauf hingewiesen, dass eine verfassungsgemäße Auslegung der maßgebenden, die gesetzliche Krankenversicherung betreffenden Vorschriften des Krankenversicherungsrechts den Staat ohnehin verpflichtet, die grundrechtlich durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte und erforderliche Versorgung Versicherter insbesondere in Ansehung lebensbedrohlicher Erkrankungen zu gewährleisten. So schließt das Bundessozialgericht etwa einen Off-Label-Use im System der gesetzlichen Krankenversicherung nicht grundsätzlich aus. Soweit die hierfür aufgestellten Voraussetzungen hingegen verneint werden (vgl. BSG, Urteil vom 27. März 2007 – B 1 KR 17/06 R – Juris), ist dies vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet worden (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30. Juni 2008 – 1 BvR 1665/07 – Juris Rn. 10). Hieran ist auch die Auslegung des Begriffs der "Angemessenheit" in § 32 Abs. 5 Satz 1 SGB XII zu messen. Zwar soll der Träger der Sozialhilfe gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII auch Wünschen des Hilfeempfängers entsprechen, deren Erfüllung nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre. Letzteres allerdings wäre hier selbst dann anzunehmen, wenn der Regelbedarf der Antragstellerin gemäß § 42 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII etwa aufgrund laufend erforderlicher, nicht verschreibungspflichtiger Medikamente (vgl. § 34 Abs. 1 SGB V) gegebenenfalls fortan zu erhöhen wäre, wofür allerdings – mangels entsprechenden Vortrags – ebenso wenig Anhaltspunkte bestehen. Im Hinblick darauf ist auch bei einem auf Dauer angelegten Wechsel in den Standardtarif nicht anzunehmen, dass der Antragstellerin bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren schwere Beeinträchtigungen, etwa ihres Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz), drohen, welche später nicht mehr rückgängig zu machen wären. Denn, wie ausgeführt, ist sie – entsprechend dem Versicherungsschutz für gesetzlich Versicherte – in jedem Fall in grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklicher und zumutbarer Weise gegen die Risiken der Krankheit und Pflegebedürftigkeit geschützt.
Soweit die Antragstellerin rügt, sie sei vor einer "Kürzung" der Leistung nicht vom Antragsgegner angehört worden, begründet dies keinen Anspruch auf höhere Leistungen. Denn abgesehen davon, dass § 32 Abs. 5 SGB XII ein mit § 29 Absatz 1 Satz 3 SGB XII vergleichbares Kostensenkungsverfahren nach Übernahme der zunächst tatsächlichen Kosten im Rahmen eines neunen Bewilligungsabschnitts nicht voraussetzt, ist der Antragstellerin jedenfalls seit März 2007 aufgrund entsprechenden Schriftverkehrs bekannt, dass der Antragsgegner ihre gegenwärtigen Versicherungsaufwendungen nicht für angemessen hält. Überdies hatte eine, der Prüfung der Angemessenheit dienende Zusatzbegutachtung durch den sozialpsychiatrischen Dienst im September 2009 – wie ihren Verfahrensbevollmächtigten mitgeteilt worden ist – zu dem Ergebnis geführt, dass die Versicherung im Basistarif auch nach Auffassung des Amtsarztes ausreichend sei. Aufgrund dessen hat der Antragsgegner – wie den Verfahrensbevollmächtigten zugleich mit Schreiben vom 16. November 2009 mitgeteilt worden ist – keinen Spielraum mehr für die weitere Übernahme der aus seiner Sicht unangemessenen Versicherungsbeiträge gesehen, die Antragstellerin vielmehr ausdrücklich aufgefordert, umgehend eine Versicherung im Basistarif zu beantragen und nachzuweisen.
Soweit die Antragstellerin geltend macht, eine einstweilige Regelung sei dringend erforderlich, weil ihre Miete gegenwärtig nicht gedeckt sei, fehlt es an einem entsprechenden Anordnungsanspruch. Denn die dargelegten Kosten für ihre Unterkunft werden vom Antragsgegner vollständig berücksichtigt.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Gründe:
Der am 7. Juni 2010 bei Gericht eingegangene Antrag der 1953 geborenen, bei einem Versicherungsunternehmen "privat" kranken- und pflegeversicherten, dauerhaft voll erwerbsgeminderten Antragstellerin,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr über den 31. Mai 2010 hinaus Leistungen nach dem SGB XII in der bisherigen Höhe zu bewilligen und auszuzahlen,
mit der Begründung, sie sei vor Erlass des Bewilligungsbescheids vom 4. Juni 2010 nicht darüber informiert worden, dass vom Antragsgegner nunmehr nur noch die Leistungen für ihre private Krankenversicherung in Höhe des Basistarifs gezahlt würden, weshalb sie jetzt nicht mehr in der Lage sei, ihre Miete zu zahlen, so dass ihr die Kündigung drohe, hat keinen Erfolg.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt danach voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Wesentliche Nachteile drohen, wenn entweder die Gefahr der Rechtsvereitelung oder jedenfalls einer wesentlichen Erschwerung der Rechtsverwirklichung besteht. Eine solche Gefahr besteht grundsätzlich dann, wenn eine Unterschreitung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums droht, weil daraus folgende Beeinträchtigungen nicht mehr nachträglich behoben werden könnten, selbst wenn die Leistungen im Hauptsacheverfahren erstritten und rückwirkend gewährt würden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – Juris).
Die Antragstellerin, die insbesondere unter Multipler Sklerose sowie chronischer Depression leidet, hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund mit der für dieses Verfahren erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Zwar ist sie gemäß § 41 Abs. 1 des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch – SGB XII – dem Grunde nach grundsicherungsberechtigt, welches zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. Über ihren Folgeantrag auf Weiterbewilligung von Leistungen der Grundsicherung vom 25. Mai 2010 hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 4. Juni 2010 entschieden und zahlt seither die dort ausgewiesenen, monatlichen Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII gemäß §§ 41 ff. SGB XII an die Antragstellerin aus. Einen Anspruch auf höhere Leistungen hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Gemäß § 42 Satz 1 SGB XII umfassen die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung unter anderem den für den Leistungsberechtigten maßgebenden Regelsatz (vgl. Ziffer 1), die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (Ziffer 2) und die Mehrbedarfe (Ziffer 3). Diese Leistungen werden der Antragstellerin unter Anrechnung ihrer Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von monatlich 462,82 Euro ausweislich des vorgenannten Bescheides gewährt. Die reinen Grundsicherungsleistungen betragen danach 871,97 Euro, zu denen Leistungen für eine Haushalshilfe in Höhe von 104 Euro hinzutreten.
Soweit die Antragstellerin rügt, dass die Kosten für ihre private Krankenversicherung (und Pflegeversicherung) gemäß § 42 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 32 Abs. 5 SGB XII nicht mehr in der dem früheren Bewilligungsabschnitt entsprechenden Höhe von 772,20 Euro im Monat übernommen werden, sondern nur noch in Höhe des Basistarifs von 320,63 Euro, ist dies nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Ein Anspruch auf höhere Versicherungsleistungen besteht vorläufig nicht.
Gemäß § 32 Abs. 5 Satz 1 SGB XII werden die Krankenversicherungsbeiträge eines Versicherungsunternehmens übernommen, soweit sie angemessen sind und die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 SGB XII erfüllt sind. In diesem Fall werden auch die Aufwendungen für die Pflegeversicherung übernommen (§ 32 Abs. 5 Satz 4 SGB XII). Dass die – bisher vom Antragsgegner übernommenen – Versicherungsbeiträge in Höhe von 772,20 Euro angemessen wären, hat die Antragstellerin schon nicht vorgetragen geschweige denn glaubhaft gemacht. Hierfür bestehen auch keine, den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegebenenfalls rechtfertigenden Anhaltspunkte. Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 5 Satz 2 SGB XII, wonach zur Aufrechterhaltung einer Krankenversicherung bei einem Versicherungsunternehmen auch höhere Aufwendungen übernommen werden können, wenn die Leistungsberechtigung voraussichtlich nur für kurze Dauer ist, sind bei der Antragstellerin von vornherein nicht gegeben, da ihre Grundsicherungsberechtigung prognostisch dauerhaft sein wird. Auf eine einstweilige Übernahme von Aufwendungen gemäß § 32 Abs. 5 Satz 1 und 4 SGB XII, die über die in § 12 Abs. 1c Satz 6 HS 2 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen – Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) in der seit dem 1. September 2009 geltenden Fassung (BGBl. I 1993, 2) genannten Beiträge hinausgehen, hat die Antragstellerin keinen Anspruch. Bei dem im Gesetz genannten Begriff der Angemessenheit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der vom Gericht voll überprüfbar ist; Ermessen des Leistungsträgers ist nicht eröffnet.
Grundsätzlich angemessen im Sinne des § 32 Abs. 5 SGB XII sind Aufwendungen in Höhe des sogenannten Basistarif, welcher hinsichtlich des Leistungsniveaus dem der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht und nur in dieser Höhe mit dem existenzsichernden Charakter der Sozialhilfeleistungen in Einklang steht, ohne dass hierdurch gegen Verfassungsrecht verstoßen würde (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 14. Dezember 2009 – L 7 SO 165/09 B – Juris Rn. 55 ff.). Dem Basistarif entspricht der vom Versicherungsunternehmen der Antragstellerin ausweislich dessen Schreibens vom 19. Juni 2007 angebotene Standardtarif STN mit zugesichertem Versicherungsschutz auf dem Niveau der gesetzlichen Krankenkassen. Gemäß § 12 Abs. 1a VAG haben Inlandsversicherungsunternehmen einen branchenweit einheitlichen Basistarif anzubieten, dessen Vertragsleistungen mit denen der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar sind. Die Höhe des Beitrags im Basistarif der privaten Krankenversicherung regelt § 12 Abs. 1c VAG. Danach darf der Beitrag im Basistarif ohne Selbstbehalt und in allen Selbstbehaltsstufen den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übersteigen (Satz 1). Entsteht allein durch die Zahlung dieses Beitrags Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder SGB XII, vermindert sich der Beitrag für die Dauer der Hilfebedürftigkeit um die Hälfte (Satz 4); selbiges gilt, wenn – wie im Falle der Antragstellerin – unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit besteht (Satz 6).
Dahinstehen kann, ob der höchstmögliche Basistarif im Jahr 2010 oberhalb dessen liegt, welches vom Antragsgegner ausweislich des Bescheides vom 4. Juni 2010 zugrundegelegt worden ist. Für das Jahr 2010 liegt der Höchstbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung bei 581,25 Euro (Beitragsbemessungsgrenze 3.750 x 15,5 % allgemeiner Beitragssatz), welches einen hälftigen Beitrag im Basistarif von 290,63 Euro ergibt, zu dem 36,57 Euro an Aufwendungen für die Pflegeversicherung (3.750 x 1,95 % gemäß § 55 Abs. 1 SGB XI) hinzutreten, so dass der Höchstsatz bei insgesamt 327,20 Euro statt 320,63 Euro liegen dürfte. Denn der Versicherer der Antragstellerin hatte mit Schreiben vom 19. Juni 2007 einen Gesamtbeitrag für langjährige Versicherungsnehmer von seinerzeit lediglich 274,74 Euro im Standardtarif errechnet, welcher weit unter den vom Antragsgegner anerkannten Aufwendungen liegt. Höhere Beiträge im Basis- bzw. Standardtarif hat die Antragstellerin, die einen entsprechenden Wechsel ablehnt, nicht geltend gemacht.
Dafür dass die gegenwärtigen Aufwendungen der Antragstellerin für ihre Kranken- und Pflegepflichtversicherung angemessen wären, bestehen hingegen keine, den Erlass einer einstweiligen Anordnung hinreichend rechtfertigenden Anhaltspunkte. Die Antragstellerin ist ausweislich des Schreibens des Versicherungsunternehmens vom 19. Juni 2007 im Rahmen einer Krankheitskostenvollversicherung im dortigen H-Tarif einschließlich der Pflege-Pflichtversicherung zuzüglich einer Krankenhaustagegeldversicherung zu einem Gesamtbetrag in Höhe von 785,76 Euro versichert. Ihre versicherten Tarife AH 100/4, ZHN 100 und KH 100/1 bieten derzeit Versicherungsschutz auf höchstmöglichem Leistungsniveau. Dass allein diese Tarife im konkreten Einzelfall (vgl. § 9 Abs. 1 SGB XII) angemessen wären, etwa weil ihr ein entsprechender Wechsel unmöglich oder unzumutbar wäre, kann nicht festgestellt werden. Die Antragstellerin hat dies mit dem vorliegenden Antrag auch weder plausibel behauptet noch glaubhaft gemacht. Insoweit wird jedoch angesichts der schwerwiegenden Erkrankung der Antragstellerin und in Anbetracht einer im Verwaltungsverfahren eingereichten fachärztlichen Stellungnahme vom 21. Mai 2007, der eine weitere vom 2. Dezember 2009 weitgehend entspricht, vorsorglich darauf hingewiesen, dass eine verfassungsgemäße Auslegung der maßgebenden, die gesetzliche Krankenversicherung betreffenden Vorschriften des Krankenversicherungsrechts den Staat ohnehin verpflichtet, die grundrechtlich durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte und erforderliche Versorgung Versicherter insbesondere in Ansehung lebensbedrohlicher Erkrankungen zu gewährleisten. So schließt das Bundessozialgericht etwa einen Off-Label-Use im System der gesetzlichen Krankenversicherung nicht grundsätzlich aus. Soweit die hierfür aufgestellten Voraussetzungen hingegen verneint werden (vgl. BSG, Urteil vom 27. März 2007 – B 1 KR 17/06 R – Juris), ist dies vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet worden (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30. Juni 2008 – 1 BvR 1665/07 – Juris Rn. 10). Hieran ist auch die Auslegung des Begriffs der "Angemessenheit" in § 32 Abs. 5 Satz 1 SGB XII zu messen. Zwar soll der Träger der Sozialhilfe gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII auch Wünschen des Hilfeempfängers entsprechen, deren Erfüllung nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre. Letzteres allerdings wäre hier selbst dann anzunehmen, wenn der Regelbedarf der Antragstellerin gemäß § 42 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII etwa aufgrund laufend erforderlicher, nicht verschreibungspflichtiger Medikamente (vgl. § 34 Abs. 1 SGB V) gegebenenfalls fortan zu erhöhen wäre, wofür allerdings – mangels entsprechenden Vortrags – ebenso wenig Anhaltspunkte bestehen. Im Hinblick darauf ist auch bei einem auf Dauer angelegten Wechsel in den Standardtarif nicht anzunehmen, dass der Antragstellerin bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren schwere Beeinträchtigungen, etwa ihres Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz), drohen, welche später nicht mehr rückgängig zu machen wären. Denn, wie ausgeführt, ist sie – entsprechend dem Versicherungsschutz für gesetzlich Versicherte – in jedem Fall in grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklicher und zumutbarer Weise gegen die Risiken der Krankheit und Pflegebedürftigkeit geschützt.
Soweit die Antragstellerin rügt, sie sei vor einer "Kürzung" der Leistung nicht vom Antragsgegner angehört worden, begründet dies keinen Anspruch auf höhere Leistungen. Denn abgesehen davon, dass § 32 Abs. 5 SGB XII ein mit § 29 Absatz 1 Satz 3 SGB XII vergleichbares Kostensenkungsverfahren nach Übernahme der zunächst tatsächlichen Kosten im Rahmen eines neunen Bewilligungsabschnitts nicht voraussetzt, ist der Antragstellerin jedenfalls seit März 2007 aufgrund entsprechenden Schriftverkehrs bekannt, dass der Antragsgegner ihre gegenwärtigen Versicherungsaufwendungen nicht für angemessen hält. Überdies hatte eine, der Prüfung der Angemessenheit dienende Zusatzbegutachtung durch den sozialpsychiatrischen Dienst im September 2009 – wie ihren Verfahrensbevollmächtigten mitgeteilt worden ist – zu dem Ergebnis geführt, dass die Versicherung im Basistarif auch nach Auffassung des Amtsarztes ausreichend sei. Aufgrund dessen hat der Antragsgegner – wie den Verfahrensbevollmächtigten zugleich mit Schreiben vom 16. November 2009 mitgeteilt worden ist – keinen Spielraum mehr für die weitere Übernahme der aus seiner Sicht unangemessenen Versicherungsbeiträge gesehen, die Antragstellerin vielmehr ausdrücklich aufgefordert, umgehend eine Versicherung im Basistarif zu beantragen und nachzuweisen.
Soweit die Antragstellerin geltend macht, eine einstweilige Regelung sei dringend erforderlich, weil ihre Miete gegenwärtig nicht gedeckt sei, fehlt es an einem entsprechenden Anordnungsanspruch. Denn die dargelegten Kosten für ihre Unterkunft werden vom Antragsgegner vollständig berücksichtigt.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved