L 10 R 5883/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2254/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 5883/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 17.11.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht, ob bei der Altersrente des Kläger ein Abschlag für einen 1993 durchgeführten Versorgungsausgleich zu berücksichtigen ist.

Die Ehe des am 1945 geborenen Klägers wurde mit - ab dem 26.06.1993 - rechtskräftigem Urteil vom 11.05.1993 geschieden. Dabei wurden zu Lasten des Versicherungskontos des Klägers für die Ehezeit vom 01.09.1964 bis 31.10.1991 Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 529,79 DM auf den ausgleichsberechtigten, am 19.11.1946 geborenen Ehegatten übertragen.

Im Januar 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Altersrente unter Angabe, es sei ein Versorgungsausgleich durchgeführt worden. Er sei dem früheren Ehegatten nicht zum Unterhalt verpflichtet. Er bitte darum, seine Rente bis zum Beginn der Rente seiner geschiedenen Ehefrau ohne Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs zu zahlen.

Mit Bescheid vom 10.03.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 01.04.2008 in Höhe von brutto 809,78 EUR bzw. netto 733,66 EUR monatlich. Dabei berücksichtigte sie den Versorgungsausgleich (Abschlag von 12,7845 Punkten bei den für die Ermittlung des Monatsbetrages der Rente zu berücksichtigenden Entgeltpunkten). Hinsichtlich der Berechnung im Einzelnen wird auf den Bescheid Bezug genommen.

Den Widerspruch des Klägers vom 19.03.2008 unter Hinweis darauf, dass seine geschiedene Ehefrau noch keine Rente beziehe und er vier Jahre nach der Trennung noch die Hypothekenraten in Höhe von monatlich 900,- DM des in ihrem Alleineigentum stehenden Hauses abbezahlt habe, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.06.2008 zurück.

Die hiergegen vom Kläger am 08.07.2008 erhobene Klage, zu deren Begründung er zusätzlich vorgetragen hat, er habe mit seiner geschiedenen, am 19.11.1946 geborenen Ehefrau einen Verzicht auf Unterhaltszahlungen vereinbart, aber der Tochter Unterhalt geleistet, hat das Sozialgericht Mannheim mit Gerichtsbescheid vom 17.11.2008 abgewiesen. In den Gründen hat es ausgeführt, die Rentenberechnung der Beklagten sei nicht zu beanstanden. Grundsätzlich sei wegen des durchgeführten Versorgungsausgleichs beim Kläger nach § 76 Abs. 1, 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) auch dann ein Abschlag an Entgeltpunkten vorzunehmen, wenn die geschiedene Ehefrau noch keine Rente beziehe. Der Beginn des Rentenbezuges durch den Versorgungsausgleichsberechtigten spiele nach § 101 Abs. 3 Satz 1 SGB VI nur dann eine Rolle, wenn die Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich zu Lasten des Versicherten (Versorgungs¬ausgleichs¬pflichtigen) erst nach Beginn einer bereits gewährten Rente wirksam werde. Dies sei beim Kläger nicht der Fall. Eine Aussetzung der Durchführung des Versorgungsausgleichs komme auch nicht nach § 5 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) in Betracht.

Der Kläger hat am 17.12.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, das Sozialgericht habe richtig erkannt, dass § 101 Abs. 3 Satz 1 SGB VI in seinem Fall nicht greife. Die Regelung führe jedoch dazu, dass der Abschlag vor Beginn der Rente des Versicherten davon abhänge, wann der Versorgungsausgleich durchgeführt werde. Das sei im Ergebnis willkürlich. Die Vorschrift sei daher so auszulegen, dass sie besonderen Härten vorbeuge. Eine besondere Härte liege in seinem Fall vor, weil wegen des Abschlags seine Rente nur noch 733,66 EUR monatlich betrage.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 17.11.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 10.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2008 zu verurteilen, ihm vom 01.04.2008 bis zum Beginn einer Rente seiner geschiedenen Ehefrau aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Altersrente ohne Abschlag von Entgeltpunkten für den durchgeführten Versorgungsausgleich zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für richtig.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Rentenbescheid vom 10.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2008 ist rechtmäßig. Wegen des durchgeführten Versorgungsausgleichs ist bei der Altersrente des Klägers bereits ab 01.04.2008 ein Abschlag von 12,7845 Entgeltpunkten vorzunehmen.

Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für den hier vom Kläger beanstandeten Abschlag (§ 76 Abs. 1, 3, 4 SGB VI) dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Voraussetzungen des sog. Rentnerprivilegs nach § 101 Abs. 3 Satz 1 SGB VI im Fall des Klägers nicht vorliegen, weil die Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich bei Beginn seiner Rente bereits rechtskräftig war. Dies wird vom Kläger auch nicht angegriffen.

Der Kläger kann sich allerdings auch nicht mit Erfolg auf das Vorliegen einer besonderen Härte berufen. Gemäß § 5 VAHRG wird die Versorgung des Ausgleichsverpflichteten nicht auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt, solange der Ausgleichsberechtigte aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine Rente erhalten kann und er gegen den Verpflichteten einen Anspruch auf Unterhalt hat oder nur deshalb nicht hat, weil der Verpflichtete zur Unterhaltsleistung wegen der auf dem Versorgungsausgleich beruhenden Kürzung seiner Versorgung außer Stande ist. Diese Vorschrift ist mit dem Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs vom 03.04.2009 durch das zum 01.09.2009 in Kraft getretene Gesetz über den Versorgungsausgleich (- VersAusglG -, BGBl I 2009, 700) ersetzt worden. Nach § 49 VersAusglG ist das bis dahin geltende Recht für Verfahren nach den §§ 4 bis 10 VAHRG, in denen der Antrag beim Versorgungsträger vor dem 01.09.2009 eingegangen ist, weiterhin anzuwenden. Damit ist das alte Recht für den Kläger nach wie vor maßgeblich, denn ein Antrag auf eine Versichertenrente umfasst auch einen Antrag auf Gewährung einer ungekürzten Rente nach § 5 Abs. 1 VAHRG (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 23.06.1994, 4 RA 4/93 in SozR 3-5795 § 5 Nr. 2). Er hat darüber hinaus noch im laufenden Verwaltungsverfahren ausdrücklich die Nichtberücksichtigung des Versorgungs¬aus¬gleichs beantragt.

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Kürzung nach § 5 VAHRG liegen beim Kläger bereits im Hinblick auf den mit der geschiedenen Ehefrau vereinbarten Unterhaltsverzicht nicht vor. Denn wegen des vollumfänglichen Unterhaltsverzichts hat ein gesetzlicher Unterhalts-anspruch - nur dieser ist im Rahmen des § 5 VAHRG maßgeblich (BSG, Urteil vom 23.06.1994, a.a.O.) - des Ehegatten des Klägers mindestens seit Beginn der Altersrente des Klägers nicht bestanden. Daran ändert auch nichts, dass der Kläger nach seinen Angaben nach der Scheidung vier Jahre lang Ratenzahlungen auf die Hypothek leistete, die auf dem im Alleineigentum der geschiedenen Ehefrau stehenden Haus lastete. Die Gewährung von Unterhalt kann im Einvernehmen der (geschiedenen) Ehegatten (siehe § 1585c Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) zwar in anderer Form als der in § 1585 Abs. 1 BGB gesetzlich vorgesehenen Geldrente erfolgen. Aber nach - bereits Jahre vor Rentenbeginn eingetretenem - Ende der vierjährigen Zahlung war und ist kein Unterhalt vom Kläger mehr zu leisten.

Es entspricht Sinn und Zweck der Härteregelung, dass stets dann, wenn ein Unterhaltsanspruch nicht besteht, weil die Ehegatten im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit einen vollständigen Unterhaltsverzicht vereinbart haben, nicht auf die gesetzliche Unterhaltslage abzustellen ist. Bei einem derartigen Verzicht kann die auch, für die Einführung des § 5 VAHRG maßgebliche, Härte im Sinne eines verfassungswidrigen Zustandes nicht eintreten, weil eine durch die Scheidungsfolgen bedingte rechnerische - nicht gesetzliche - Doppelbelastung des Ausgleichspflichtigen wegen Zahlung von Unterhalt bei gleichzeitiger Kürzung der Rente um die wegen des Vorsorgeunterhalts gekürzten Anrechte nicht in Betracht kommt (BSG, Urteil vom 23.06.1994, a.a.O.). Anlass für die Aussetzung der Kürzung in diesen Fällen ist unter anderem die Unterhaltspflicht des Ausgleichsverpflichteten gegenüber dem Ausgleichsberechtigten, und zwar - zur Vereinfachung des Verwaltungsaufwandes - unabhängig von der Höhe des tatsächlich geleisteten Unterhalts. Das Bundesverfassungsgericht hatte zur Vermeidung ungerechtfertigter Härten unter anderem für den Fall eine ergänzende Regelung für notwendig erachtet, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte, dem die übertragenen Werteinheiten mangels Vorliegens eines Versicherungsfalls noch nicht zugutekommen, auf Unterhaltsleistungen des Verpflichteten angewiesen ist (BVerfG, Urteil vom 28.02.1980, 1 BvL 17/77 u.a. in BVerfGE 53, 257 ff = SozR 7610 § 1587 Nr. 1).

Die Unterhaltszahlungen an die Tochter kann der Kläger ebenfalls nicht mit Erfolg im Rahmen des § 5 VAHRG geltend machen. Denn diese Ausnahmevorschrift greift nur bei einem Unterhaltsanspruch des Versorgungsausgleichsberechtigten, nicht aber bei Unterhaltsansprüchen Dritter (vgl. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15.11.2004, L 4 RA 166/03).

Eine weitere Rechtsgrundlage für die Berücksichtigung der vom Kläger behaupteten Härte im Hinblick auf die Höhe der ihm nach Kürzung verbleibenden Altersrente besteht nicht. Sie kann auch nicht im Wege der ergänzenden Lückenfüllung entsprechend einem Gesamtplan des Gesetzgebers oder im Wege der verfassungskonformen Auslegung geschaffen werden (BSG, Urteil vom 08.12.1988, 1 RA 35/86 in SozR 2200 § 1204a Nr. 15). Ein Plan des Gesetzgebers, für alle denkbaren Fallgestaltungen nach Durchführung des Versorgungsausgleichs durch Übertragung von Rentenanwartschaften eine Kürzung der dem Ausgleichsverpflichteten zu gewährenden Rente solange auszuschließen, wie der Ausgleichsberechtigte noch nicht einen Rentenanspruch hat oder eine Rente bezieht, ist nicht zu erkennen. Dass ein Betroffener weder auf Grund des Rentnerprivilegs noch auf Grund des § 5 VAHRG von einer Kürzung seines Altersruhegelds bis zur Gewährung einer Rente an den geschiedenen Ehegatten verschont bleibt, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BSG, a.a.O).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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