Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AS 195/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 625/11
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob der Beklagte von der Klägerin Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 6.115,93 EUR zurückfordern kann.
Die am 00.00.1973 geborene Klägerin beantragte am 16.10.2006 mit Wirkung zum 01.11.2006 die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II bei dem Beklagten. Sie zog zum 01.11.2006 aus H nach C in den Zuständigkeitsbereich des Be¬klagten; zuvor stand sie bei der ARGE Landkreis Kassel im Leistungsbezug. Bezüglich des vorhandenen Vermögens gab sie an, dass sie über ein Griokonto mit einem Saldo vom 204,81 EUR bei der L Bank und ein Sparkonto bei der L Bank mit ei¬nem Guthaben von 256,34 EUR verfüge. Zudem gab sie an, über eine Lebensversiche¬rung bei der S Versicherung zu verfügen, die über einen Rückkaufwert nicht verfügte.
Mit Bescheid vom 17.11.2006 bewilligte der Beklagte ihr sodann Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.11.2006 bis 30.04.2007. Auf die Fortzahlungsanträge vom 03.04.2007 und 12.10.2007 bewilligte er mit Bescheid vom 26.04.2007 Leistungen für den Zeitraum vom 01.05.2007 bis 31.10.2007 und mit Bescheid vom 12.10.2007 für den Zeit¬raum vom 01.11.2007 bis 30.04.2008.
Im Rahmen eines Datenabgleiches beim Bundeszentralamt für Steuern am 28.01.2008 er¬fuhr der Beklagte, dass die Klägerin im Jahr 2005 bei der L Sparkasse einen Kapi-talertrag in Höhe von 405,00 EUR erzielt hatte. Der Beklagte zog zur weiteren Sachaufklä¬rung Kontoauszüge von der L Sparkasse bei. Diese übersandte einen Kontoaus¬zug des Kontos 0000000000 für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis 13.11.2007, worauf am 23.08.2007 eine Überweisung über 10.000,00 EUR verbucht war, die am 24.08.2007 stor¬niert wurde. Auf die Anhörung des Beklagten vom 28.01.2008 teilte die Klägerin hierzu mit, dass ihr Vater im April 2003 verstorben sei, der ihr einen Sparbrief über 10.000,00 EUR vererbt habe, der am 23.08.2007 fällig gewesen sei. Aufgrund eines privaten Darlehens habe sie das Guthaben an den Herrn K überschrieben. Nach Fälligkeit im August habe sie diesem das Guthaben ausgezahlt. Die Klägerin legte zudem eine Stellungnahme des Herrn K vor, worin dieser ausführt, dass die Klägerin ihm den Sparkassenbrief zur Absicherung eines Privatdarlehens übertragen habe. Zum Zeitpunkt der Übertragung sei eine Inanspruchnahme des Darlehens bedingt durch eine Kautionshinterlegung und Nebenkostennachzahlung in Höhe von 2.340,00 EUR absehbar gewesen. Zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Sparbriefes habe die Höhe des Darlehens 5.660,00 EUR betragen. Das verbleibende Guthaben stehe nunmehr ihm als zinsloses Darlehen zur Verfügung. Am 30.01.2008 betrüge das Guthaben noch 2.282,10 EUR. Aufgrund eines Fehlers der Sparkasse sei das Guthaben am Fälligkeitstag versehentlich auf das Konto der Klägerin gebucht worden. Die Klägerin legte eine Verfügung über den Sparkassenbrief vom 23.10.2006 vor, worin sie die Rechte aus dem Sparkassenbrief dem Herrn K über¬trug. Die Erklärung wurde gegenüber der Sparkasse abgegeben. Sie legte zudem ein Schreiben der Sparkasse vom 01.02.2008 vor, worin diese mitteilt, dass die Gutschrift im August versehentlich auf ihr Sparbuch erfolgt sei.
Mit drei Bescheiden vom 05.03.2008 hob der Beklagte sodann die Bewilligungsbescheide vom 17.11.2006, 27.04.2007 und 12.10.2007 für den Zeitraum vom 01.11.2006 bis 30.04.2008 auf und forderte Leistungen in Höhe von insgesamt 12.998,80 EUR ein¬schließlich Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung von der Klägerin zurück. Zur Begründung führte er aus: Der Sparkassenbrief sei als berücksichtigungsfähiges Vermö¬gen vorhanden gewesen. Diesen habe sie bei der Antragstellung nicht angegeben. Der Sparkassenbrief sei auch verwertbar gewesen und hätte unter Inkaufnahme von Zinsver¬lusten veräußert werden können. Das private Darlehen könne nicht vermögensmindernd berücksichtigt werden. Die Darlehensgegenstände hätten nach dem SGB II als Darlehen oder sogar als Zuschuss übernommen werden können.
Hiergegen legte die Klägerin am 18.03.2008 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus: Sie habe den Sparkassenbrief im Rahmen der Antragstellung beim Landkreis Kassel angegeben. Trotzdem habe sie Leistungen erhalten. Sie habe nicht erkennen können, dass ein Leistungsanspruch nicht bestünde. Bezüglich der Umzugskosten könne sie nicht darauf verwiesen werden, dass diese vom Leistungsträger hätten übernommen werden können. Sie habe entsprechende Anträge gestellt und im Original zurückbekommen mit der Mitteilung, dass es entsprechende Leistungen nicht gäbe. Am 30.04.2007 sei das Ver¬mögen zudem fiktiv verbraucht gewesen. Ab dem 01.04.2008 sei es gar nicht mehr vor¬handen gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.07.2008 reduzierte der Beklagte den Rückforderungs-betrag sodann auf 6.115,93 EUR. Der Betrag ergebe sich aus dem zum Zeitpunkt der An-tragstellung den Vermögensfreibetrag übersteigenden Teil des Vermögens. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Mit der hiergegen am 22.07.2008 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren wei¬ter. Sie führt aus: Der Beklagte müsse zunächst noch im Einzelnen darlegen, für welche Zeiträume er abgeholfen habe. Zudem habe der Beklagte die Kosten des Widerspruchs¬verfahrens zur Hälfte zu übernehmen. Darüber hinaus sei der Umzug durch den Landkreis Kassel veranlasst gewesen, so dass die Klägerin Anspruch auf Übernahme der Umzugs¬kosten gehabt habe. Die Klägerin reicht eine Aufstellung des Herrn K über die Zahlungen an die Klägerin zu den Akten, auf die wegen der Einzelheiten Bezug ge¬nommen wird.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide des Beklagten vom 05.03.2008 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 03.07.2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt er Bezug auf Bescheid und Widerspruchsbescheid. Er stellt weiter klar, dass sich die Teilabhilfe hinsichtlich der Rückforderung auf den Zeitraum September 2007 bis März 2008 beziehen soll.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes die Klägerin in einem Termin zur Erörte¬rung des Sachverhaltes am 15.06.2010 persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf das Sitzungsprotokoll vom 15.06.2010 Bezug genommen. Das Gericht hat zur weite¬ren Aufklärung des Sachverhaltes die ARGE Landkreis Kassel um Mitteilung gebeten, ob dort der Sparbrief angegeben war. Dieser hat mit Schreiben vom 16.09.2010 mitgeteilt, dass der Sparbrief dort bekannt gewesen sei, aber als unverwertbares Vermögen angesehen worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Ge¬richtsakte sowie der Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Ver¬handlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin ist durch die Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide des Beklagten vom 05.03.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2008 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG. Der Beklagte fordert zu Recht Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 6.115,93 EUR einschließlich Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen von der Klägerin zurück.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligungsbescheide ist § 45 Abs. 1, 2 Nr. 2 SGB X, der gem. § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II modifiziert durch § 330 SGB III im SGB II An-wendung findet. Gem. § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwal-tungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Abs. 2 – 4 der Vorschrift ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Ver-gangenheit zurückgekommen werden. Nach Abs. 2 S. 1 der Vorschrift darf ein rechtswidri¬ger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstig¬te auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist gem. § 45 Abs. 2 S. 2 SGB X in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte gem. § 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB X jedoch nicht berufen, wenn der Verwaltungsakte auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt dabei dann vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwe¬rem Maße verletzt hat. § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III ordnet für das SGB II hierbei bei vorliegenden der Voraussetzungen eine zwingende Aufhebung der Leistungsbewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit an.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Bei den aufgehobenen Bescheiden vom 17.11.2006, 26.04.2007 und 12.10.2007 handelt es sich zunächst um begünstigende Verwaltungsakte, da diese mit der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II einen rechtlich erheblichen Vorteil für die Klägerin begrün-den.
Die Bescheide waren auch rechtswidrig. Denn die Klägerin hatte im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Sie war nicht hilfebedürftig im Sinne der §§ 7, 9 SGB II. Gem. § 7 Abs. 2 S. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürf¬tige Leistungen nach dem SGB II. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Le¬bensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräf¬ten und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermö¬gen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehö¬rigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Die Klägerin konnte im streitgegenständlichen Zeitraum ihren Lebensunterhalt aus dem vorhandenen Vermögen sichern. Gem. § 12 Abs. 1 SGB II sind als Vermögen alle verwert¬baren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Hier verfügte die Klägerin über einen Vermögenswert von 10.000,00 EUR, zunächst in Form des Sparkassenbriefes mit dem entsprechenden Guthaben und nach der Übertragung des Sparkassenbriefes in Form ei¬nes Auszahlungsanspruches über 10.000,00 EUR gegenüber dem Herrn K. Denn durch die Übertragung des Sparkassenbriefes an den Herrn K hat die Klägerin nicht etwa ihr Vermögen verloren. Vielmehr hat sie das Vermögen verwertet, indem sie den Sparkassenbrief an den Herrn K übertragen hat. Im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes hat die Klägerin hierzu erklärt, dass es möglich gewesen wäre, bis zu 10.000,00 EUR von dem Herrn K zu erhalten. Aus der Auszahlungsübersicht des Herrn K ist auch ersichtlich, dass dieser nach und nach verschiedene Beträge an die Klägerin ausgezahlt hat. So sind in der Auszahlungsübersicht sowohl Barzahlungen als auch Überweisungen, auch an Dritte, zu erkennen. Beispielsweise wurden im Oktober 2006 150,00 EUR und 100,00 EUR bar ausgezahlt, 160,00 EUR, 81,00 EUR und 100,00 EUR überwiesen sowie 14,00 EUR an Amazon und 28,50 EUR an Maggi gezahlt. Hieraus ist für die Kammer erkennbar, dass der Herr K der Klägerin ausreichende Geldmittel zur Sicherung ihres monatlichen Bedarfes zur Verfügung hätte stellen können und auch zur Verfügung gestellt hat, die die Klägerin vorrangig zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes hätte einsetzen müssen.
Dem Vermögen stand gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1, 4 SGB II ein Freibetrag in Höhe von 5.700,00 EUR bis zum 26.09.2007 und ein Freibetrag von 5.850,00 EUR ab dem 27.09.2007 gegenüber, so dass das Vermögen die zu berücksichtigenden Freibeträge überstieg.
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass für sie nicht erkennbar gewesen sei, dass sie den Geldbetrag habe angeben müssen, da er bei der ARGE Landkreis Kas-sel nicht berücksichtigt worden sei. Die Klägerin hat vielmehr grob fahrlässig verkannt, dass sie das Sparguthaben bzw. die Vereinbarung mit Herrn K dem Beklagten hätte bekannt geben müssen, welchem dann die Entscheidung darüber oblegen hätte, ob es sich hierbei um verwertbares Vermögen gehandelt habe oder nicht. Im Rahmen der An-tragstellung wurden das Vorhandensein von Vermögenswerten detailliert abgefragt. Insbe¬sondere wird ausdrücklich nach vorhandenem Sparvermögen gefragt. Soweit die Klägerin den ausgefüllten Antragsvordruck erst nach Übertragung des Sparbriefes bei dem Beklag¬ten wieder abgegeben hat, so hätte es nach Auffassung der Kammer dennoch nahegele¬gen, die zwischen Aushändigung der Antragsvordrucke am 16.10.2006 und Abgabe der Antragsvordrucke erfolgte Transaktion offen zu legen, damit der Beklagte selbst die Leis¬tungsrelevanz des Sachverhaltes beurteilen kann.
Die weiteren Voraussetzungen des § 45 SGB X liegen ebenfalls vor. Ermessen war gem. § 40 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 SGB III nicht auszuüben. Die Jahresfrist gem. § 45 Abs. 4 SGB X ist gewahrt.
Da die Aufhebungsentscheidungen rechtmäßig sind, ist auch die Rückforderung gem. § 50 SGB X nicht zu beanstanden.
Auch die Entscheidung des Beklagten über die Erstattung der Kranken- und Pflegeversi-cherungsbeiträge ist nicht zu beanstanden. Gem. § 40 Abs. 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 335 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 SGB II hat der Leistungsbezieher die vom Träger gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu ersetzen, soweit die Entscheidung über die Leistung rückwirkend aufgehoben und die Leistung zurückgefordert wird. Hier hat der Beklagte die Entscheidung über die Leistungsgewährung nach dem SGB II vollständig auf¬gehoben. Die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sind damit ebenfalls von der Klä¬gerin zu erstatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob der Beklagte von der Klägerin Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 6.115,93 EUR zurückfordern kann.
Die am 00.00.1973 geborene Klägerin beantragte am 16.10.2006 mit Wirkung zum 01.11.2006 die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II bei dem Beklagten. Sie zog zum 01.11.2006 aus H nach C in den Zuständigkeitsbereich des Be¬klagten; zuvor stand sie bei der ARGE Landkreis Kassel im Leistungsbezug. Bezüglich des vorhandenen Vermögens gab sie an, dass sie über ein Griokonto mit einem Saldo vom 204,81 EUR bei der L Bank und ein Sparkonto bei der L Bank mit ei¬nem Guthaben von 256,34 EUR verfüge. Zudem gab sie an, über eine Lebensversiche¬rung bei der S Versicherung zu verfügen, die über einen Rückkaufwert nicht verfügte.
Mit Bescheid vom 17.11.2006 bewilligte der Beklagte ihr sodann Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.11.2006 bis 30.04.2007. Auf die Fortzahlungsanträge vom 03.04.2007 und 12.10.2007 bewilligte er mit Bescheid vom 26.04.2007 Leistungen für den Zeitraum vom 01.05.2007 bis 31.10.2007 und mit Bescheid vom 12.10.2007 für den Zeit¬raum vom 01.11.2007 bis 30.04.2008.
Im Rahmen eines Datenabgleiches beim Bundeszentralamt für Steuern am 28.01.2008 er¬fuhr der Beklagte, dass die Klägerin im Jahr 2005 bei der L Sparkasse einen Kapi-talertrag in Höhe von 405,00 EUR erzielt hatte. Der Beklagte zog zur weiteren Sachaufklä¬rung Kontoauszüge von der L Sparkasse bei. Diese übersandte einen Kontoaus¬zug des Kontos 0000000000 für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis 13.11.2007, worauf am 23.08.2007 eine Überweisung über 10.000,00 EUR verbucht war, die am 24.08.2007 stor¬niert wurde. Auf die Anhörung des Beklagten vom 28.01.2008 teilte die Klägerin hierzu mit, dass ihr Vater im April 2003 verstorben sei, der ihr einen Sparbrief über 10.000,00 EUR vererbt habe, der am 23.08.2007 fällig gewesen sei. Aufgrund eines privaten Darlehens habe sie das Guthaben an den Herrn K überschrieben. Nach Fälligkeit im August habe sie diesem das Guthaben ausgezahlt. Die Klägerin legte zudem eine Stellungnahme des Herrn K vor, worin dieser ausführt, dass die Klägerin ihm den Sparkassenbrief zur Absicherung eines Privatdarlehens übertragen habe. Zum Zeitpunkt der Übertragung sei eine Inanspruchnahme des Darlehens bedingt durch eine Kautionshinterlegung und Nebenkostennachzahlung in Höhe von 2.340,00 EUR absehbar gewesen. Zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Sparbriefes habe die Höhe des Darlehens 5.660,00 EUR betragen. Das verbleibende Guthaben stehe nunmehr ihm als zinsloses Darlehen zur Verfügung. Am 30.01.2008 betrüge das Guthaben noch 2.282,10 EUR. Aufgrund eines Fehlers der Sparkasse sei das Guthaben am Fälligkeitstag versehentlich auf das Konto der Klägerin gebucht worden. Die Klägerin legte eine Verfügung über den Sparkassenbrief vom 23.10.2006 vor, worin sie die Rechte aus dem Sparkassenbrief dem Herrn K über¬trug. Die Erklärung wurde gegenüber der Sparkasse abgegeben. Sie legte zudem ein Schreiben der Sparkasse vom 01.02.2008 vor, worin diese mitteilt, dass die Gutschrift im August versehentlich auf ihr Sparbuch erfolgt sei.
Mit drei Bescheiden vom 05.03.2008 hob der Beklagte sodann die Bewilligungsbescheide vom 17.11.2006, 27.04.2007 und 12.10.2007 für den Zeitraum vom 01.11.2006 bis 30.04.2008 auf und forderte Leistungen in Höhe von insgesamt 12.998,80 EUR ein¬schließlich Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung von der Klägerin zurück. Zur Begründung führte er aus: Der Sparkassenbrief sei als berücksichtigungsfähiges Vermö¬gen vorhanden gewesen. Diesen habe sie bei der Antragstellung nicht angegeben. Der Sparkassenbrief sei auch verwertbar gewesen und hätte unter Inkaufnahme von Zinsver¬lusten veräußert werden können. Das private Darlehen könne nicht vermögensmindernd berücksichtigt werden. Die Darlehensgegenstände hätten nach dem SGB II als Darlehen oder sogar als Zuschuss übernommen werden können.
Hiergegen legte die Klägerin am 18.03.2008 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus: Sie habe den Sparkassenbrief im Rahmen der Antragstellung beim Landkreis Kassel angegeben. Trotzdem habe sie Leistungen erhalten. Sie habe nicht erkennen können, dass ein Leistungsanspruch nicht bestünde. Bezüglich der Umzugskosten könne sie nicht darauf verwiesen werden, dass diese vom Leistungsträger hätten übernommen werden können. Sie habe entsprechende Anträge gestellt und im Original zurückbekommen mit der Mitteilung, dass es entsprechende Leistungen nicht gäbe. Am 30.04.2007 sei das Ver¬mögen zudem fiktiv verbraucht gewesen. Ab dem 01.04.2008 sei es gar nicht mehr vor¬handen gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.07.2008 reduzierte der Beklagte den Rückforderungs-betrag sodann auf 6.115,93 EUR. Der Betrag ergebe sich aus dem zum Zeitpunkt der An-tragstellung den Vermögensfreibetrag übersteigenden Teil des Vermögens. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Mit der hiergegen am 22.07.2008 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren wei¬ter. Sie führt aus: Der Beklagte müsse zunächst noch im Einzelnen darlegen, für welche Zeiträume er abgeholfen habe. Zudem habe der Beklagte die Kosten des Widerspruchs¬verfahrens zur Hälfte zu übernehmen. Darüber hinaus sei der Umzug durch den Landkreis Kassel veranlasst gewesen, so dass die Klägerin Anspruch auf Übernahme der Umzugs¬kosten gehabt habe. Die Klägerin reicht eine Aufstellung des Herrn K über die Zahlungen an die Klägerin zu den Akten, auf die wegen der Einzelheiten Bezug ge¬nommen wird.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide des Beklagten vom 05.03.2008 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 03.07.2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt er Bezug auf Bescheid und Widerspruchsbescheid. Er stellt weiter klar, dass sich die Teilabhilfe hinsichtlich der Rückforderung auf den Zeitraum September 2007 bis März 2008 beziehen soll.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes die Klägerin in einem Termin zur Erörte¬rung des Sachverhaltes am 15.06.2010 persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf das Sitzungsprotokoll vom 15.06.2010 Bezug genommen. Das Gericht hat zur weite¬ren Aufklärung des Sachverhaltes die ARGE Landkreis Kassel um Mitteilung gebeten, ob dort der Sparbrief angegeben war. Dieser hat mit Schreiben vom 16.09.2010 mitgeteilt, dass der Sparbrief dort bekannt gewesen sei, aber als unverwertbares Vermögen angesehen worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Ge¬richtsakte sowie der Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Ver¬handlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin ist durch die Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide des Beklagten vom 05.03.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2008 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG. Der Beklagte fordert zu Recht Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 6.115,93 EUR einschließlich Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen von der Klägerin zurück.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligungsbescheide ist § 45 Abs. 1, 2 Nr. 2 SGB X, der gem. § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II modifiziert durch § 330 SGB III im SGB II An-wendung findet. Gem. § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwal-tungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Abs. 2 – 4 der Vorschrift ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Ver-gangenheit zurückgekommen werden. Nach Abs. 2 S. 1 der Vorschrift darf ein rechtswidri¬ger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstig¬te auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist gem. § 45 Abs. 2 S. 2 SGB X in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte gem. § 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB X jedoch nicht berufen, wenn der Verwaltungsakte auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt dabei dann vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwe¬rem Maße verletzt hat. § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III ordnet für das SGB II hierbei bei vorliegenden der Voraussetzungen eine zwingende Aufhebung der Leistungsbewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit an.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Bei den aufgehobenen Bescheiden vom 17.11.2006, 26.04.2007 und 12.10.2007 handelt es sich zunächst um begünstigende Verwaltungsakte, da diese mit der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II einen rechtlich erheblichen Vorteil für die Klägerin begrün-den.
Die Bescheide waren auch rechtswidrig. Denn die Klägerin hatte im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Sie war nicht hilfebedürftig im Sinne der §§ 7, 9 SGB II. Gem. § 7 Abs. 2 S. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürf¬tige Leistungen nach dem SGB II. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Le¬bensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräf¬ten und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermö¬gen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehö¬rigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Die Klägerin konnte im streitgegenständlichen Zeitraum ihren Lebensunterhalt aus dem vorhandenen Vermögen sichern. Gem. § 12 Abs. 1 SGB II sind als Vermögen alle verwert¬baren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Hier verfügte die Klägerin über einen Vermögenswert von 10.000,00 EUR, zunächst in Form des Sparkassenbriefes mit dem entsprechenden Guthaben und nach der Übertragung des Sparkassenbriefes in Form ei¬nes Auszahlungsanspruches über 10.000,00 EUR gegenüber dem Herrn K. Denn durch die Übertragung des Sparkassenbriefes an den Herrn K hat die Klägerin nicht etwa ihr Vermögen verloren. Vielmehr hat sie das Vermögen verwertet, indem sie den Sparkassenbrief an den Herrn K übertragen hat. Im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes hat die Klägerin hierzu erklärt, dass es möglich gewesen wäre, bis zu 10.000,00 EUR von dem Herrn K zu erhalten. Aus der Auszahlungsübersicht des Herrn K ist auch ersichtlich, dass dieser nach und nach verschiedene Beträge an die Klägerin ausgezahlt hat. So sind in der Auszahlungsübersicht sowohl Barzahlungen als auch Überweisungen, auch an Dritte, zu erkennen. Beispielsweise wurden im Oktober 2006 150,00 EUR und 100,00 EUR bar ausgezahlt, 160,00 EUR, 81,00 EUR und 100,00 EUR überwiesen sowie 14,00 EUR an Amazon und 28,50 EUR an Maggi gezahlt. Hieraus ist für die Kammer erkennbar, dass der Herr K der Klägerin ausreichende Geldmittel zur Sicherung ihres monatlichen Bedarfes zur Verfügung hätte stellen können und auch zur Verfügung gestellt hat, die die Klägerin vorrangig zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes hätte einsetzen müssen.
Dem Vermögen stand gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1, 4 SGB II ein Freibetrag in Höhe von 5.700,00 EUR bis zum 26.09.2007 und ein Freibetrag von 5.850,00 EUR ab dem 27.09.2007 gegenüber, so dass das Vermögen die zu berücksichtigenden Freibeträge überstieg.
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass für sie nicht erkennbar gewesen sei, dass sie den Geldbetrag habe angeben müssen, da er bei der ARGE Landkreis Kas-sel nicht berücksichtigt worden sei. Die Klägerin hat vielmehr grob fahrlässig verkannt, dass sie das Sparguthaben bzw. die Vereinbarung mit Herrn K dem Beklagten hätte bekannt geben müssen, welchem dann die Entscheidung darüber oblegen hätte, ob es sich hierbei um verwertbares Vermögen gehandelt habe oder nicht. Im Rahmen der An-tragstellung wurden das Vorhandensein von Vermögenswerten detailliert abgefragt. Insbe¬sondere wird ausdrücklich nach vorhandenem Sparvermögen gefragt. Soweit die Klägerin den ausgefüllten Antragsvordruck erst nach Übertragung des Sparbriefes bei dem Beklag¬ten wieder abgegeben hat, so hätte es nach Auffassung der Kammer dennoch nahegele¬gen, die zwischen Aushändigung der Antragsvordrucke am 16.10.2006 und Abgabe der Antragsvordrucke erfolgte Transaktion offen zu legen, damit der Beklagte selbst die Leis¬tungsrelevanz des Sachverhaltes beurteilen kann.
Die weiteren Voraussetzungen des § 45 SGB X liegen ebenfalls vor. Ermessen war gem. § 40 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 SGB III nicht auszuüben. Die Jahresfrist gem. § 45 Abs. 4 SGB X ist gewahrt.
Da die Aufhebungsentscheidungen rechtmäßig sind, ist auch die Rückforderung gem. § 50 SGB X nicht zu beanstanden.
Auch die Entscheidung des Beklagten über die Erstattung der Kranken- und Pflegeversi-cherungsbeiträge ist nicht zu beanstanden. Gem. § 40 Abs. 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 335 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 SGB II hat der Leistungsbezieher die vom Träger gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu ersetzen, soweit die Entscheidung über die Leistung rückwirkend aufgehoben und die Leistung zurückgefordert wird. Hier hat der Beklagte die Entscheidung über die Leistungsgewährung nach dem SGB II vollständig auf¬gehoben. Die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sind damit ebenfalls von der Klä¬gerin zu erstatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
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