Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 3106/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 5850/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Verjährung von Ansprüchen auf Sozialleistungen
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. November 2010 wird zurückgewiesen.
2.Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung der Nichtigkeit eines Bescheids.
Der Kläger bezog bis zum 24.09.2004 Arbeitslosengeld. Am 07.10.2004 beantragte er Arbeitslosenhilfe. Er legte Kontoauszüge, Bankbescheinigungen und Versicherungsunterlagen über sein Vermögen vor. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 26.10.2004 ab. Sie führte aus, der Kläger verfüge über verwertbares Vermögen mit einem Wert von EUR 12.379,55. Dieses übersteige den Freibetrag von EUR 5.600,00 um EUR 6779,55. Es fehle daher an der Bedürftigkeit.
Mit Schreiben vom 23.01.2009, bei der Beklagten am 09.02.2009 eingegangen, beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheids vom 26.10.2004. Er trug vor, insbesondere die Verwertung des Bausparvertrags sei unwirtschaftlich gewesen. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 07.04.2009, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 28.04.2009, ab. Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Karlsruhe (SG) mit Gerichtsbescheid vom 02.10.2009 ab (S 5 AL 1982/09). Die Berufung gegen diesen Gerichtsbescheid wies das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Urteil vom 25.06.2010 zurück (L 8 AL 4639/09). Es führte aus, der Überprüfungsantrag des Klägers habe zu Recht wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses abgelehnt werden dürfen. Bei Stellung des Überprüfungsantrags sei die Vier-Jahres-Frist des § 44 Abs. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bereits abgelaufen gewesen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer solchen Ausschlussfrist scheide aus.
Zwei Wochen später, am 09.07.2010, beantragte der Kläger per e-mail bei der Beklagten die Feststellung der Nichtigkeit des Bescheids vom 26.10.2004. Er führte aus, der Bescheid leide an einem besonders schwerwiegenden Fehler. Die Beklagte habe bei seinem Erlass wesentliche Vorschriften über das Verfahren nicht beachtet, insbesondere § 16 Abs. 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) und §§ 8, 20 und 21 SGB X. Deshalb habe sie zu Unrecht Sozialleistungen nicht erbracht. Mit Schreiben vom 19.07.2010 verwies die Beklagte auf das Urteil des LSG vom "01.07.2010" (gemeint: 25.06.2010) und führte aus, sie werde nichts Weiteres veranlassen.
Am 26.07.2010 hat der Kläger Klage zum SG erhoben (S 5 AL 3106/10). Er hat beantragt, die Nichtigkeit des Bescheids vom 26.10.2004 festzustellen. Der Bescheid verstoße insbesondere gegen die guten Sitten. Der Kläger hat erneut vorgetragen, die Verwertung des damaligen Vermögens sei unwirtschaftlich bzw. unzumutbar gewesen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat ausgeführt, der angegriffene Bescheid sei nicht nichtig. Selbst wenn er nichtig wäre, so hätte er aber das damalige Verwaltungsverfahren beendet und damit die Verjährung etwaiger Leistungsansprüche wieder beginnen lassen. Ansprüche des Klägers aus dem Jahre 2004 seien daher inzwischen verjährt. Insofern stelle sich auch die Frage nach einem besonderen Feststellungsinteresse des Klägers.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.11.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Sie sei unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26.10.2004 sei nicht nichtig. Ein Verstoß gegen die guten Sitten liege nicht vor. Die vom Kläger behaupteten Verfahrensverstöße hätten keine Sitten-, sondern allenfalls Rechtswidrigkeit begründet. Auch leide der Bescheid nicht an einem besonders schwerwiegenden Fehler. Die Ablehnung eines Antrags auf Arbeitslosenhilfe mit der Begründung, das anzurechnende Vermögen übersteige die Freibetragsgrenze, sei ohne Weiteres mit der damaligen gesetzlichen Regelung in § 193 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und erst recht mit wesentlichen Wertvorstellungen der Rechtsordnung zu vereinbaren. Der Kläger trage hierzu ersichtlich nur vor, die Beklagte habe den Sachverhalt seinerzeit unzureichend aufgeklärt. Das Ausmaß der erforderlichen Ermittlungen sei indes abhängig von den Umständen des Einzelfalls. Stütze sich eine Behörde wie hier die Beklagte ausschließlich auf die vom Antragsteller selbst vorgelegten Unterlagen, so könne dies als Entscheidungsgrundlage durchaus genügen. Selbst wenn eine Behörde im Einzelfall erforderliche weitere Ermittlungen unterlasse, ergebe sich daraus nicht die Nichtigkeit ihrer Entscheidung.
Gegen diesen Gerichtsbescheid, der ihm am 20.11.2010 zugestellt wurde, hat der Kläger am 20.12.2010 Berufung zum LSG eingelegt. Er trägt vor, er verfüge über ein besonderes Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit des Bescheids. Die Beklagte könne sich nach Treu und Glauben nicht auf Verjährung berufen. Weiterhin seien von ihm erbetene Auskünfte durch die Beklagte nach wie vor nicht erteilt worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. November 2010 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2004 nichtig ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Hierbei geht der Senat davon aus, dass die Arbeitslosenhilfe, die der Kläger im Nachgang zu einer Feststellung der Nichtigkeit des Bescheids vom 26.10.2004 verlangen will, insgesamt mehr als EUR 750,00 beträgt, sodass die Zulassungsschranke des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht eingreift.
2. Die Berufung ist aber nicht begründet.
a) Allerdings hat das SG die Klage zu Recht für zulässig gehalten. Insbesondere kommt dem Kläger das nach § 55 Abs. 1 Halbsatz 2 SGG nötige besondere Interesse an der baldigen Feststellung der Nichtigkeit des Bescheids zu.
aa) Dem Kläger fehlte ein solches Interesse nicht deshalb, weil er nicht zuvor ein Antrags- und Widerspruchsverfahren bei der Beklagten durchgeführt hat, um eine behördliche Feststellung der Nichtigkeit nach § 40 Abs. 5 SGB X zu erreichen. Ein solches Verfahren ist keine Prozessvor-aussetzung für eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 4 SGG (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 55 Rn. 14).
bb) Im Übrigen setzt § 55 Abs. 1 Halbsatz 2 SGG voraus, dass dem Antragsteller bei verständiger Würdigung ein als schutzwürdig anzuerkennendes Interesse wirtschaftlicher oder ideeller Art an der Nichtigkeitsfeststellung zukommt (Keller, a.a.O., Rn. 15a m.w.N.).
Bei dem Kläger liegt ein ausreichendes wirtschaftliches Interesse vor. Es ist zwar richtig, dass bei nichtigen Ablehnungsbescheiden die allgemeinen Verjährungsvorschriften anwendbar sind, da hier die vierjährige Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X nicht eingreift (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 16.05.1995, 9 RV 16/94, Juris Rn. 23). Entgegen der Ansicht der Beklagten wären jedoch etwaige Ansprüche des Klägers auf Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum ab Antragstellung (07.10.2004) bis zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe am 31.12.2004 noch nicht verjährt.
Ansprüche auf Sozialleistungen verjähren nach § 45 Abs. 1 SGB I in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind. Die Verjährung wird nach § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB I durch schriftlichen Antrag auf die Sozialleistung gehemmt, diese Hemmung endet jedoch sechs Monate nach Bekanntgabe der Entscheidung über den Antrag (§ 45 Abs. 3 Satz 2 SGB I). Ferner wird die Verjährung eines Sozialleistungsanspruchs nach § 45 Abs. 2 SGB I i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) durch die Erhebung einer Klage auf die Leistung gehemmt. Diese Hemmung endet nach § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Diese Vorschriften des § 45 Abs. 2 und 3 SGB I gelten in der jetzigen Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung vom 21.06.2002 (BGBl I S. 2167) seit dem 01.01.2002 und sind daher bereits anwendbar. Eine Entscheidung der Behörde im Sinne von § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB I ist auch ein nichtiger Verwaltungsakt, denn er beendet das Verwaltungsverfahren aus der Sicht der Behörde (vgl. von Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 18 Rn. 9 mit Hinweis auf § 8 SGB X). Anders als § 45 Abs. 2 i.V.m. § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB ist hier keine "rechtskräftige" bzw. bestandskräftige Entscheidung der Behörde verlangt.
Die Verjährung etwaiger Ansprüche des Klägers auf Arbeitslosenhilfe für das Jahr 2004 begann am 01.01.2005 und hätte regulär am 31.12.2008 geendet. Erstmals war die Verjährung jedoch für die Zeit vom 01.01.2005 direkt an bis zum 29.04.2005 gehemmt. Der Antrag des Klägers vom 07.10.2004 hatte diese Hemmung ausgelöst. Diese Hemmung endete sechs Monate nach Bekanntgabe der Entscheidung über diesen Antrag mit dem Bescheid vom 26.10.2004. Diese Bekanntgabe ist nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X mit dem 29.10.2004 anzunehmen. Die Verjährung begann daher - nicht nur erneut, sondern sogar erstmals - mit dem 30.04.2005. Diese Verjährung wäre sodann vier Jahre später, also mit Ablauf des 29.04.2009, vollendet gewesen. Jedoch löste der Überprüfungsantrag des Klägers vom 09.02.2009, der noch in unverjährter Zeit gestellt wurde, erneut eine Hemmung aus, denn auch er war ein "Antrag auf die Leistung" im Sinne von § 45 Abs. 3 SGB I. Als er bei der Beklagten erhoben wurde, waren noch genau 80 Tage Verjährungsfrist offen. Diese Hemmung endete dann - zunächst über § 45 Abs. 3 SGB I wegen des Antrags und anschließend nach § 45 Abs. 2 SGB I i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB wegen des anschließenden Klagverfahrens - sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung in dem Klagverfahren. Da das Urteil des LSG vom 25.06.2010 am 01.07.2010 ausgefertigt und abgesandt wurde, ist es dem Kläger am 02. oder 03.07.2010 zugestellt worden. Rechtskraft trat, da keine Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt wurde, einen Monat später, also am 03.08.2010, ein. Sechs Monate später, also am 04.02.2011, begann dann der 80-tägige Rest der Verjährungsfrist zu laufen. Das jetzt anhängige Verfahren auf Feststellung der Nichtigkeit des Bescheids vom 26.10.2004 konnte die Verjährung nicht wieder hemmen, da es kein Antrag bzw. keine Klage "auf die Leistung" ist. Ausgehend vom 04.02.2011 sind heute, am 13.04.2011, erst 69 Tage der restlichen Verjährungsfrist verstrichen. Die Verjährung etwaiger Ansprüche des Klägers auf Alhi aus dem Jahre 2004 wird daher erst am Osterdienstag, dem 26.04.2011, enden.
b) Das SG hat die Nichtigkeitsfeststellungsklage auch zu Recht für unbegründet gehalten und abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 26.10.2004 ist nicht nichtig. Zur Begründung hierfür verweist der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des SG, die er sich nach eigener Überprüfung zu eigen macht. Das SG hat zu Recht ausgeführt, dass etwaige Verfahrensfehler der Beklagten allenfalls zur Rechtswidrigkeit des Bescheids hätten führen können, nicht aber zur Sittenwidrigkeit im Sinne von § 40 Abs. 2 Nr. 5 SGB X und auch nicht zu einem besonders schwerwiegenden, offenkundigen Fehler nach § 40 Abs. 1 SGB X.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
4. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
2.Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung der Nichtigkeit eines Bescheids.
Der Kläger bezog bis zum 24.09.2004 Arbeitslosengeld. Am 07.10.2004 beantragte er Arbeitslosenhilfe. Er legte Kontoauszüge, Bankbescheinigungen und Versicherungsunterlagen über sein Vermögen vor. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 26.10.2004 ab. Sie führte aus, der Kläger verfüge über verwertbares Vermögen mit einem Wert von EUR 12.379,55. Dieses übersteige den Freibetrag von EUR 5.600,00 um EUR 6779,55. Es fehle daher an der Bedürftigkeit.
Mit Schreiben vom 23.01.2009, bei der Beklagten am 09.02.2009 eingegangen, beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheids vom 26.10.2004. Er trug vor, insbesondere die Verwertung des Bausparvertrags sei unwirtschaftlich gewesen. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 07.04.2009, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 28.04.2009, ab. Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Karlsruhe (SG) mit Gerichtsbescheid vom 02.10.2009 ab (S 5 AL 1982/09). Die Berufung gegen diesen Gerichtsbescheid wies das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Urteil vom 25.06.2010 zurück (L 8 AL 4639/09). Es führte aus, der Überprüfungsantrag des Klägers habe zu Recht wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses abgelehnt werden dürfen. Bei Stellung des Überprüfungsantrags sei die Vier-Jahres-Frist des § 44 Abs. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bereits abgelaufen gewesen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer solchen Ausschlussfrist scheide aus.
Zwei Wochen später, am 09.07.2010, beantragte der Kläger per e-mail bei der Beklagten die Feststellung der Nichtigkeit des Bescheids vom 26.10.2004. Er führte aus, der Bescheid leide an einem besonders schwerwiegenden Fehler. Die Beklagte habe bei seinem Erlass wesentliche Vorschriften über das Verfahren nicht beachtet, insbesondere § 16 Abs. 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) und §§ 8, 20 und 21 SGB X. Deshalb habe sie zu Unrecht Sozialleistungen nicht erbracht. Mit Schreiben vom 19.07.2010 verwies die Beklagte auf das Urteil des LSG vom "01.07.2010" (gemeint: 25.06.2010) und führte aus, sie werde nichts Weiteres veranlassen.
Am 26.07.2010 hat der Kläger Klage zum SG erhoben (S 5 AL 3106/10). Er hat beantragt, die Nichtigkeit des Bescheids vom 26.10.2004 festzustellen. Der Bescheid verstoße insbesondere gegen die guten Sitten. Der Kläger hat erneut vorgetragen, die Verwertung des damaligen Vermögens sei unwirtschaftlich bzw. unzumutbar gewesen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat ausgeführt, der angegriffene Bescheid sei nicht nichtig. Selbst wenn er nichtig wäre, so hätte er aber das damalige Verwaltungsverfahren beendet und damit die Verjährung etwaiger Leistungsansprüche wieder beginnen lassen. Ansprüche des Klägers aus dem Jahre 2004 seien daher inzwischen verjährt. Insofern stelle sich auch die Frage nach einem besonderen Feststellungsinteresse des Klägers.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.11.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Sie sei unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26.10.2004 sei nicht nichtig. Ein Verstoß gegen die guten Sitten liege nicht vor. Die vom Kläger behaupteten Verfahrensverstöße hätten keine Sitten-, sondern allenfalls Rechtswidrigkeit begründet. Auch leide der Bescheid nicht an einem besonders schwerwiegenden Fehler. Die Ablehnung eines Antrags auf Arbeitslosenhilfe mit der Begründung, das anzurechnende Vermögen übersteige die Freibetragsgrenze, sei ohne Weiteres mit der damaligen gesetzlichen Regelung in § 193 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und erst recht mit wesentlichen Wertvorstellungen der Rechtsordnung zu vereinbaren. Der Kläger trage hierzu ersichtlich nur vor, die Beklagte habe den Sachverhalt seinerzeit unzureichend aufgeklärt. Das Ausmaß der erforderlichen Ermittlungen sei indes abhängig von den Umständen des Einzelfalls. Stütze sich eine Behörde wie hier die Beklagte ausschließlich auf die vom Antragsteller selbst vorgelegten Unterlagen, so könne dies als Entscheidungsgrundlage durchaus genügen. Selbst wenn eine Behörde im Einzelfall erforderliche weitere Ermittlungen unterlasse, ergebe sich daraus nicht die Nichtigkeit ihrer Entscheidung.
Gegen diesen Gerichtsbescheid, der ihm am 20.11.2010 zugestellt wurde, hat der Kläger am 20.12.2010 Berufung zum LSG eingelegt. Er trägt vor, er verfüge über ein besonderes Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit des Bescheids. Die Beklagte könne sich nach Treu und Glauben nicht auf Verjährung berufen. Weiterhin seien von ihm erbetene Auskünfte durch die Beklagte nach wie vor nicht erteilt worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. November 2010 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2004 nichtig ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Hierbei geht der Senat davon aus, dass die Arbeitslosenhilfe, die der Kläger im Nachgang zu einer Feststellung der Nichtigkeit des Bescheids vom 26.10.2004 verlangen will, insgesamt mehr als EUR 750,00 beträgt, sodass die Zulassungsschranke des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht eingreift.
2. Die Berufung ist aber nicht begründet.
a) Allerdings hat das SG die Klage zu Recht für zulässig gehalten. Insbesondere kommt dem Kläger das nach § 55 Abs. 1 Halbsatz 2 SGG nötige besondere Interesse an der baldigen Feststellung der Nichtigkeit des Bescheids zu.
aa) Dem Kläger fehlte ein solches Interesse nicht deshalb, weil er nicht zuvor ein Antrags- und Widerspruchsverfahren bei der Beklagten durchgeführt hat, um eine behördliche Feststellung der Nichtigkeit nach § 40 Abs. 5 SGB X zu erreichen. Ein solches Verfahren ist keine Prozessvor-aussetzung für eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 4 SGG (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 55 Rn. 14).
bb) Im Übrigen setzt § 55 Abs. 1 Halbsatz 2 SGG voraus, dass dem Antragsteller bei verständiger Würdigung ein als schutzwürdig anzuerkennendes Interesse wirtschaftlicher oder ideeller Art an der Nichtigkeitsfeststellung zukommt (Keller, a.a.O., Rn. 15a m.w.N.).
Bei dem Kläger liegt ein ausreichendes wirtschaftliches Interesse vor. Es ist zwar richtig, dass bei nichtigen Ablehnungsbescheiden die allgemeinen Verjährungsvorschriften anwendbar sind, da hier die vierjährige Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X nicht eingreift (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 16.05.1995, 9 RV 16/94, Juris Rn. 23). Entgegen der Ansicht der Beklagten wären jedoch etwaige Ansprüche des Klägers auf Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum ab Antragstellung (07.10.2004) bis zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe am 31.12.2004 noch nicht verjährt.
Ansprüche auf Sozialleistungen verjähren nach § 45 Abs. 1 SGB I in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind. Die Verjährung wird nach § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB I durch schriftlichen Antrag auf die Sozialleistung gehemmt, diese Hemmung endet jedoch sechs Monate nach Bekanntgabe der Entscheidung über den Antrag (§ 45 Abs. 3 Satz 2 SGB I). Ferner wird die Verjährung eines Sozialleistungsanspruchs nach § 45 Abs. 2 SGB I i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) durch die Erhebung einer Klage auf die Leistung gehemmt. Diese Hemmung endet nach § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Diese Vorschriften des § 45 Abs. 2 und 3 SGB I gelten in der jetzigen Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung vom 21.06.2002 (BGBl I S. 2167) seit dem 01.01.2002 und sind daher bereits anwendbar. Eine Entscheidung der Behörde im Sinne von § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB I ist auch ein nichtiger Verwaltungsakt, denn er beendet das Verwaltungsverfahren aus der Sicht der Behörde (vgl. von Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 18 Rn. 9 mit Hinweis auf § 8 SGB X). Anders als § 45 Abs. 2 i.V.m. § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB ist hier keine "rechtskräftige" bzw. bestandskräftige Entscheidung der Behörde verlangt.
Die Verjährung etwaiger Ansprüche des Klägers auf Arbeitslosenhilfe für das Jahr 2004 begann am 01.01.2005 und hätte regulär am 31.12.2008 geendet. Erstmals war die Verjährung jedoch für die Zeit vom 01.01.2005 direkt an bis zum 29.04.2005 gehemmt. Der Antrag des Klägers vom 07.10.2004 hatte diese Hemmung ausgelöst. Diese Hemmung endete sechs Monate nach Bekanntgabe der Entscheidung über diesen Antrag mit dem Bescheid vom 26.10.2004. Diese Bekanntgabe ist nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X mit dem 29.10.2004 anzunehmen. Die Verjährung begann daher - nicht nur erneut, sondern sogar erstmals - mit dem 30.04.2005. Diese Verjährung wäre sodann vier Jahre später, also mit Ablauf des 29.04.2009, vollendet gewesen. Jedoch löste der Überprüfungsantrag des Klägers vom 09.02.2009, der noch in unverjährter Zeit gestellt wurde, erneut eine Hemmung aus, denn auch er war ein "Antrag auf die Leistung" im Sinne von § 45 Abs. 3 SGB I. Als er bei der Beklagten erhoben wurde, waren noch genau 80 Tage Verjährungsfrist offen. Diese Hemmung endete dann - zunächst über § 45 Abs. 3 SGB I wegen des Antrags und anschließend nach § 45 Abs. 2 SGB I i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB wegen des anschließenden Klagverfahrens - sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung in dem Klagverfahren. Da das Urteil des LSG vom 25.06.2010 am 01.07.2010 ausgefertigt und abgesandt wurde, ist es dem Kläger am 02. oder 03.07.2010 zugestellt worden. Rechtskraft trat, da keine Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt wurde, einen Monat später, also am 03.08.2010, ein. Sechs Monate später, also am 04.02.2011, begann dann der 80-tägige Rest der Verjährungsfrist zu laufen. Das jetzt anhängige Verfahren auf Feststellung der Nichtigkeit des Bescheids vom 26.10.2004 konnte die Verjährung nicht wieder hemmen, da es kein Antrag bzw. keine Klage "auf die Leistung" ist. Ausgehend vom 04.02.2011 sind heute, am 13.04.2011, erst 69 Tage der restlichen Verjährungsfrist verstrichen. Die Verjährung etwaiger Ansprüche des Klägers auf Alhi aus dem Jahre 2004 wird daher erst am Osterdienstag, dem 26.04.2011, enden.
b) Das SG hat die Nichtigkeitsfeststellungsklage auch zu Recht für unbegründet gehalten und abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 26.10.2004 ist nicht nichtig. Zur Begründung hierfür verweist der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des SG, die er sich nach eigener Überprüfung zu eigen macht. Das SG hat zu Recht ausgeführt, dass etwaige Verfahrensfehler der Beklagten allenfalls zur Rechtswidrigkeit des Bescheids hätten führen können, nicht aber zur Sittenwidrigkeit im Sinne von § 40 Abs. 2 Nr. 5 SGB X und auch nicht zu einem besonders schwerwiegenden, offenkundigen Fehler nach § 40 Abs. 1 SGB X.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
4. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
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