L 1 AS 1133/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 557/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 1133/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17.02.2011 wegen der Versagung einstweiligen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen.

2. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag 1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, 2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, 3. in den Fällen des § 86 a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.

Soweit ein Fall des Abs. 1 der Vorschrift nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift sieht vor, dass einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig sind, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Vorliegend kommt nur der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht. Eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus. Der Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn bei der im Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, wobei auch wegen der mit der einstweiligen Regelung verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache ein strenger Maßstab anzulegen ist (Bundesverwaltungsgericht, Buchholz 310 § 123 Nr. 15). Denn grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG -), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69 , 74 m.w.N.).

Ein Anordnungsanspruch ist vorliegend zu verneinen, wozu zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in dem angegriffenen Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17.02.2011 und die Ausführungen des Beschwerdegegners in dem Widerspruchsbescheid vom 12.01.2011 Bezug genommen wird. Ein Erfolg des Hauptsacheverfahrens erscheint unwahrscheinlich, weil die Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer sich tatsächlich nicht an der von ihm angegebenen Wohnanschrift F.str ... in K. aufhält, deutlich überwiegen.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind Leistungen nach dem SGB II an einen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland geknüpft. § 7 Abs. 4a SGB II bestimmt, dass erwerbsfähige Leistungsberechtigte keine Leistungen erhalten, wenn sie sich ohne Zustimmung des zuständigen Trägers nach diesem Buch außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufhalten und deshalb nicht für die Eingliederung in Arbeit zur Verfügung stehen.

Die Verfügbarkeit des Beschwerdeführers an der von ihm angegebenen Anschrift ist aufgrund mehrerer Anhaltspunkte fraglich, weswegen von ungeklärten Wohn- und Bedarfsverhältnissen auszugehen ist. Hierbei hat die Beschwerdegegnerin sich zu Recht nicht auf die anonyme Anzeige gestützt, sondern objektive Indizien herangezogen, die nahelegen, dass der Beschwerdeführer sich nicht regelmäßig in der Wohnung F.str ... in K. aufhält. Nach dem Vermerk vom 11.11.2010 rief der Beschwerdeführer aus der Wohnung von Frau C. an, obwohl er angab, sich in der gemeldeten Wohnung aufzuhalten. Dass der Beschwerdeführer bei diesem Anruf nicht den Namen der Straße wusste, die er dem Beschwerdegegner gegenüber angegeben hatte, lässt auf Unkenntnis in Bezug auf diese Wohnung schließen. Sowohl beim ersten Ortstermin am 18.11.2010 als auch beim zweiten Termin am 01.12.2010 stapelten sich mehrere Schriftstücke vor der Wohnung des Beschwerdeführers. Bezeichnend ist hierbei, dass die am 18.11.2010 vorgefundenen Schreiben des Beschwerdegegners vom 11.11.2010 und vom 12.11.2010 auch noch am 01.12.2010 vor der Wohnungstür des Beschwerdeführers lagen, und auch ein weiteres Schreiben des Beschwerdegegners vom 24.11.2010 ungelesen vor der Wohnung lag. Insoweit erscheinen die nachfolgenden Einlassungen des Beschwerdeführers, er schlafe lediglich nachts dort und sei nur bis vormittags in der Wohnung als Schutzbehauptungen, weil er in diesem Fall die vor seiner Wohnung liegenden Schriftstücke hätte zur Kenntnis nehmen können. Außerdem hat sich bei beiden Ortsterminen der Eigentümer der angeblichen Wohnung des Beschwerdeführers deutlich zu dessen seltener Anwesenheit geäußert. Dass der Eigentümer der Wohnung nachträglich seine Aussagen relativiert - wenngleich nicht vollständig zurückgezogen - hat, ist noch kein ausreichender Beleg für die regelmäßige Anwesenheit des Beschwerdeführers in der Wohnung. Denn dies kann noch nicht die vor der Wohnung liegenden und vom Beschwerdeführer ignorierten Schriftstücke erklären. Auch ist die Aussage des Eigentümers, der Beschwerdeführer halte sich "regelmäßig und auch für längere Zeiträume" in der Wohnung auf, so vage, dass hieraus nicht auf einen regelmäßigen Aufenthalt in der Wohnung im Sinne eines Lebensmittelpunkts ausgegangen werden kann.

Unabhängig von den voranstehenden Ausführungen hat der Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren auch seine Bedürftigkeit nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Der Beschwerdeführer hat ausweislich der Verwaltungsakten Frau C. mehrfach als seine "Lebensgefährtin" oder "Freundin" bezeichnet. Dies legt den Schluss nahe, dass der Beschwerdeführer von Frau C. angesichts seiner derzeitigen Mittellosigkeit unterstützt wird. Der Beschwerdeführer hat regelmäßige Aufenthalte bei Frau C., insbesondere am Wochenende, ausdrücklich eingeräumt. Insofern wäre im Falle des Vorliegens einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft im Sinne einer Einstandsgemeinschaft nach §§ 7 Abs. 3 und 3a, 9 Abs. 2 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14 AS 23/07 R -, info also 2008, 277) eine Anrechnung des Vermögens und Einkommens der Frau C. auf den Bedarf des Beschwerdeführers erforderlich.

Auch ohne das Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zwischen dem Beschwerdeführer und Frau C. müssten von Frau C. gewährte Unterstützungsleistungen auf den Bedarf des Beschwerdeführers angerechnet werden. Der Beschwerdeführer ist vom Gericht aufgefordert worden, seine Kontoauszüge der letzten Monate vorzulegen. Hierauf hat er lediglich mitgeteilt, kein Konto führen zu können, weswegen zuletzt sein Alg II auf das Konto von Herrn M. C. überwiesen worden sei. Die Namensgleichheit des Herrn M. C. mit Frau C., mit der der Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren lediglich gut befreundet sein will, ist ein weiteres Indiz für die enge Verbindung mit Frau C ... Auch die vom Gericht verlangte Darlegung der Vermögensverhältnisse von Frau C. ist nicht erfolgt, obwohl bereits das Sozialgericht Karlsruhe diese als erforderlich bezeichnet hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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