Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 7299/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1437/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. März 2011 abgeändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2010 wird mit der Maßgabe angeordnet, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin zur Sicherung ihrer Beitragsnachforderung in Höhe von 298.341,39 Euro eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts bestellt.
Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 149.170,69 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage vom 18. November 2010 gegen die Beitragsnachforderung der Antragsgegnerin für den Zeitraum vom 1. Dezember 2003 bis 31. Dezember 2007 in Höhe von insgesamt 298.341,39 EUR, wobei in der Nachforderung Säumniszuschläge in Höhe von 82.465,50 EUR enthalten sind (Bescheid vom 16. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Oktober 2010).
Der Antragsteller war bis Frühjahr 2009 Inhaber der Firma F. Limousine und Chauffeur Service e.K. mit Sitz auf der A. 1 A in S ... Gegenstand der Unternehmung, die der Antragsteller im Frühjahr des Jahres 2009 an den Geschäftsführer B. T. übergeben hat (jetzt: F. GmbH), waren ua die Vermittlung von Limousinen mit Chauffeur und die Vermittlung von Fahrpersonal. Hierfür beschäftigte der Antragsteller eine Vielzahl von Arbeitnehmern, die nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart zumindest in den Jahren 2003 bis 2008 nicht ordnungsgemäß oder überhaupt nicht zur Sozialversicherung gemeldet wurden und für die auch keine Beiträge entsprechend dem Arbeitseinkommen der Beschäftigten an die zuständigen Einzugsstellen abgeführt wurde. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat deshalb am 23. Juni 2010 Anklage gegen den Antragsteller beim Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt erhoben (Az: 183 Js 36841/07; vgl Anklageschrift, Blatt 36 der V-Akte).
Nach Durchführung des Anhörungsverfahrens stellte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Februar 2010 in Auswertung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsergebnisse fest, dass der Antragsteller Arbeitnehmer versicherungspflichtig beschäftigt habe, ohne die Sozialversicherungsbeiträge abzuführen bzw Arbeitnehmer als geringfügig Beschäftigte angemeldet habe, obwohl diese die Grenze der Geringfügigkeit überschritten hätten. Die personenbezogenen Daten, welche sich in den vorgelegten Beweismitteln befänden, reichten zum Teil nicht aus, um eine Sozialversicherungsnummer zu ermitteln; in diesen Fällen würden die Beiträge an die Einzugsstelle im Rahmen eines Summenbeitragsbescheides zugewiesen. Die Nachforderung zur Sozialversicherung betrage insgesamt 298.341,39 EUR, wobei in der Nachforderung Säumniszuschläge in Höhe von 82.465,50 EUR enthalten seien. Zu erstatten seien dem Antragsteller zu viel gezahlte Beiträge in Höhe von insgesamt 8.620,40 EUR. Dem Beitragsbescheid waren die Beitragsnachweise und die Berechnung der Säumniszuschläge in Anlagen beigefügt.
Hiergegen erhob der Antragsteller am 12. März 2010 Widerspruch und beantragte zugleich, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Er bezog sich hierbei auf seine Ausführungen im Anhörungsverfahren. Mit Schreiben vom 16. März 2010 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gesondert entschieden werde. Mit Bescheid vom 17. März 2010 gab die Antragstellerin dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 16. Februar 2010 hinsichtlich der Forderung für Frau H. statt. Im Übrigen lehnte sie den Antrag mit der Begründung ab, nach vorläufiger Prüfung ergäben sich keine Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides. Man werte jedoch den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als Antrag auf Stundung und werde diesen an die zuständigen Einzugstellen weiterleiten.
Am 23. März 2010 bemängelte der Antragsteller, dass die Antragsgegnerin nicht auf seine Antwort im Anhörungsverfahren eingegangen und der angegriffene Bescheid eine wortwörtliche Wiederholung des Anhörungsbogens vom 11. August 2009 sei. Am 4. Mai 2010 begründete der Antragsteller ausführlich seinen Widerspruch (Blatt 25 der V-Akte) und ging hierbei nach allgemeinen Ausführungen auch auf konkrete Arbeitnehmer ein. Zur weiteren Begründung berief er sich auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Mai 2008 (Az: B 12 KR 13/07 R).
Am 27. Mai 2010 beantragte der Antragsteller (erneut) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den angefochtenen Bescheid "herzustellen". Zur Begründung bezog er sich auf die Widerspruchsbegründung und trug ergänzend vor, eine Vollstreckung zum jetzigen Zeitpunkt stelle einen Härtefall dar, da er unwiederbringliche Sachwerte unter Wert veräußern müsse. Er sei Rentner und beziehe entsprechende Leistungen. Hiermit bestreite er seinen Lebensunterhalt und die monatlichen Raten, die er auf seine Immobilien leisten müsse. Er habe eine Immobilie in der A.-Straße 1 A in S. und ein Haus in der W.-Straße. Das Haus in der A.-Straße habe einen Wert von 1 Million Euro. Hierauf seien noch Hypothekenbelastungen, so dass er monatlich 2.500,- EUR auf die Annuität zahle. Der Wert für das Gebäude in der W.-Straße belaufe sich auf 800.000,- EUR, wobei noch 380.000,- EUR zu tilgen seien. Die Mieteinnahmen aus diesen Gebäuden deckten die Ratenzahlung für die Annuität sowie die Nebenkosten. Seine Beiträge zur Krankenversicherung beliefen sich auf 800,- EUR pro Monat. Er sei verheiratet, so dass er auch gegenüber seiner Frau Unterhalt leisten müsse. Es bestehe jedoch die berechtigte Aussicht, dass die nachgeforderte Beitragssumme erheblich reduziert oder gar auf null gesetzt werde, so dass es zum jetzigen Zeitpunkt unzumutbar sei, sein Schonvermögen aufzugeben. Mit Schriftsatz vom 28. Mai 2010 teilte die Antragsgegnerin mit, man habe mit Schreiben vom 17. März 2010 bereits mitgeteilt, dass die Voraussetzungen einer Aussetzung der Vollziehung nicht vorlägen. Seinem Antrag sei lediglich hinsichtlich der Forderung in Höhe von ca 17.000,- EUR betreffend Frau H. stattgegeben worden. Er könne sich jedoch an das Sozialgericht Stuttgart (SG) wenden.
Der Antragsteller hat deswegen am 21. Juni 2010 beim SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Zur Begründung hat er sich im Wesentlichen auf den Inhalt der Widerspruchsbegründung gestützt und ergänzend vorgetragen, das Haus in der A.-Straße habe lediglich einen Wert von 920.000,- EUR. Er zahle monatlich 3.500,- EUR auf die Annuität. Das Gebäude in der W.-Straße habe einen Wert von 750.000,- EUR, wobei er noch 380.000,- EUR zu tilgen habe (monatliche Tilgung 3.850,- EUR). Die Krankenversicherung belaufe sich auf 500,- EUR pro Monat. Auch müsse er seiner Frau noch Unterhalt leisten. Um die geforderten Beträge zu begleichen, müsse er diese Immobilien in Höhe von 600.000,- EUR veräußern, da zusätzliche Kredite auf die einzelnen Gebäude nicht möglich seien oder nur zu einem extrem hohen Zinssatz. Es sei ihm derzeit nicht zumutbar, dass er sein Schonvermögen aufgebe, so dass von einem Härtefall ausgegangen werden müsse. Er hat diesbezüglich die eidesstattliche Erklärung vom 8. Juni 2010 vorgelegt, in der er versicherte, die durch seinen Prozessbevollmächtigten vorgetragenen Tatsachen entsprächen der Wahrheit. Insbesondere sei eine jetzige Zwangsvollstreckung für ihn ein Härtefall, da er Vermögenswerte veräußern müsse, die unwiederbringlich seien. Des Weiteren hat der Kläger das Schreiben der K. Volksbank e.G. vom 15. Juli 2010 vorgelegt, wonach die Kapitaldienstfähigkeit unter Berücksichtigung der bei ihm bestehenden Darlehensverbindlichkeiten aus den vorhandenen Miet- und Renteneingängen darstellbar und tragbar sei. Bezüglich der Finanzierungsneuanfrage in Höhe von 300.000,- EUR und einer angenommenen Annuität von 6,00 % p.a. (18.000,- EUR p.a.) müsse man dem Antragsteller mitteilen, dass die Gesamtkapitaldienstfähigkeit laut den vorliegenden Unterlagen in dieser Höhe derzeit nicht darstellbar sei. Zudem hat der Kläger das Schreiben der BW-Bank vom 15. Juli 2010 vorgelegt, wonach eine Kreditgewährung ua von dem Ergebnis der Auswertung betriebswirtschaftlicher Unterlagen abhänge. Der Kläger hat diesbezüglich vorgetragen, dass sich aus den genannten Schreiben ergebe, dass er zum jetzigen Zeitpunkt keine Möglichkeiten habe, einen Kredit aufzunehmen. Zu berücksichtigen sei zudem die Entscheidung des BSG vom 28. Mai 2008, auf die bereits im Verwaltungsverfahren hingewiesen worden sei. Es könne auch nicht sein, dass sich die Antragsgegnerin, nachdem die Beitreibungen durchgeführt würden, Zeit lasse um über den Widerspruchsbescheid zu entscheiden.
Mit Beschluss vom 16. August 2010 hat das SG den Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung komme nur bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides in Betracht oder wenn die Vollziehung für den Pflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge habe. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids bestünden nach den vorliegenden Unterlagen nicht. Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde hob das Landessozialgericht (LSG) mit Beschluss vom 4. Oktober 2010 den Beschluss des SG auf und ordnete die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 16. Februar 2010 bis zur Entscheidung der Antragsgegnerin über den Widerspruch an (Az L 11 R 4443/10 ER-B).
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2010 hat der Widerspruchsausschuss der Antragsgegnerin den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Fahrer, für die Beitragsnachforderungen erhoben worden seien, seien gegenüber dem Antragsteller weisungsgebunden gewesen. Inhalt und Art der Arbeitsausführung hätten sich aus den einzelnen Fahraufträgen ergeben. In zeitlicher und örtlicher Hinsicht hätten keine Freiheiten bestanden, sodass sie in die Betriebsorganisation des Antragstellers eingegliedert gewesen seien. Schließlich hätten die eingesetzten Fahrzeuge auch nicht im Besitz der Fahrer gestanden, sondern seien vom Antragsteller zur Verfügung gestellt worden. Auch die Tätigkeit von Frau H. sei typisch für eine abhängige Beschäftigung. Gleiches gelte für die Tätigkeiten von Frau L. und die Herren Ö. und P ...
Der Antragsteller hat deswegen am 18. November 2010 beim SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt (Az S 15 R 7299/10 ER) und Klage gegen den Bescheid vom 16. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Oktober 2010 (Az S 15 R 7213/10) erhoben. Zur Begründung seines Antrags im einstweiligen Rechtsschutzverfahren hat der Antragsteller ausgeführt, dass weiterhin ein Härtefall bestehe und auf die Senatsentscheidung vom 4. Oktober 2010 Bezug genommen. Gleichzeitig hat der Kläger Schreiben mehrerer Betriebskrankenkassen vorgelegt, die überwiegend mit einer Stundung der Beitragsnachforderungen einverstanden sind (Bl 39/44 der SG-Akte).
Mit Beschluss vom 4. März 2011 hat das SG den Antrag mit der Begründung abgelehnt, das Vollzugsinteresse überwiege bei der gebotenen summarischen Überprüfung das Aussetzungsinteresse. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung der Antragsgegnerin bestünden nicht. Vielmehr habe diese den Antragsteller zu Recht zur Beitragszahlung herangezogen, da von einer unselbstständigen Beschäftigung der Fahrer auszugehen sei. Bei diesen habe insbesondere kein Unternehmerrisiko bestanden, zumal ihnen die Fahrzeuge zur Verfügung gestellt worden seien. Eine unbillige Härte liege nicht vor, da der Antragsteller sein gewerbliches Grundstück belasten könne.
Hiergegen richtet sich die am 5. April 2011 beim SG zum LSG eingelegte Beschwerde des Antragstellers (Az L 11 R 1437/11 ER-B). Zur Begründung trägt er vor, die Erfolgsaussicht der Klage sei zu bejahen, da er nicht seine eigenen Fahrzeuge, sondern die der Sponsoren bzw der WM-Organisation zur Verfügung gestellt habe. Auch sei zu berücksichtigen, dass das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt das Strafverfahren bis heute noch nicht zugelassen habe. Ein Eröffnungsbeschluss liege nicht vor. Weiterhin würde die Vollstreckung eine unbillige Härte darstellen. Auch die gewerbliche Immobilie könne nicht weiter belastet werden.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. März 2011 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Oktober 2010 anzuordnen.
Die Antragsgegenerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend, zumal auf die Widerspruchs- und Klagebegründung hinreichend eingegangen worden sei. Soweit Fahrzeuge des WM-Sponsors zum Einsatz gekommen seien, seien diese nicht den einzelnen Fahrern, sondern dem Antragsteller zur Verfügung gestellt worden. Dieser habe Verträge mit dem WM-Sponsor und - Organisator geschlossen. Die Fahrer hätten lediglich Fahrleistungen erbracht. Für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung sei es unerheblich, ob ein Strafverfahren eröffnet oder durchgeführt werde. Eine unbillige Härte sei insbesondere im Hinblick auf die nicht bestehende Erfolgswahrscheinlichkeit der Klage nicht gegeben. Allerdings komme die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht, wenn diese von der Hinterlegung einer Sicherheitsleistung (zB Bürgschaft) abhängig gemacht werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, auf die Akte L 11 R 4443/10 ER-B sowie auf die von der Antragsgegnerin vorgelegten sieben Aktenordner Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist nicht nach § 172 Abs 3 Nr 1 SGG in der seit 1. April 2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 29 Buchst. b des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl I, Seite 444) ausgeschlossen. Denn in der Hauptsache wäre die Berufung nicht unzulässig, da sich der Antragsteller gegen eine Beitragsnachforderung in Höhe von insgesamt 298.341,39 EUR wendet.
Auf die Beschwerde des Antragstellers war der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. März 2011 abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2010 mit der Maßgabe anzuordnen, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin zur Sicherung ihrer Beitragsnachforderung in Höhe von 298.341,39 Euro eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts bestellt.
Zutreffend ist das SG aber davon ausgegangen, dass der Widerspruch des Antragstellers nicht bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat. Insoweit wird - um Wiederholungen zu vermeiden - sowohl auf den Beschluss des SG vom 4. März 2001 als auch auf die Senatsentscheidung vom 4. Oktober 2010 Bezug genommen.
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage aufgrund von § 86b Abs 1 Nr 2 SGG ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dem öffentlichen Interesse einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber auch im Einzelfall zugunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsachverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (so auch Beschluss des Senats vom 6. Mai 2010, L 11 R 1806/10 ER-B). Dabei sind auch stets die Maßstäbe des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen. Demgemäß hat eine Aussetzung der Vollziehung zu erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Der Senat geht - wie den Beteiligten bereits durch den Senatsbeschluss vom 4. Oktober 2010 bekannt ist - in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass bei Beitragsstreitigkeiten ernstliche Zweifel im Sinne des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG nur dann vorliegen, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (vgl Beschluss vom 28. Juni 2010 - L 11 R 1903/10 ER-B). Nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 20. Oktober 2010, in dem sich der Widerspruchsausschuss der Antragsgegenerin hinreichend mit den Einwänden des Antragstellers auseinandergesetzt hat, geht der Senat mit dem SG zwar davon aus, dass ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache nicht wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen. Die letztendliche Klärung bleibt aber dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Insoweit sind die für und gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen. Interessengesichtspunkte für die Abwägungsentscheidung sind neben der Erfolgswahrscheinlichkeit die wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten, insbesondere eine unbillige Härte, eine Grundrechtsrelevanz und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (zB Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz). Die Abwägungskriterien des § 86b Abs 2 SGG können herangezogen werden (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl 2008, § 86b Rn 12g). In Anwendung dieser Gesichtspunkte gelangt der Senat zur Überzeugung, dass eine Aussetzung der sofortigen Vollziehung nur gegen Sicherheitsleistung in Betracht kommt. Der widerstreitenden Interessenlage (finanzielle Stabilität der Sozialversicherungsträger einerseits und hohe Beitragsnachforderung andererseits) ist mithin dadurch Rechnung zu tragen, dass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2010 mit der Maßgabe angeordnet wird, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin zur Sicherung ihrer Beitragsnachforderung in Höhe von 298.341,39 Euro eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts bestellt (vgl § 86b Abs 1 Satz 3 SGG, §§ 202 SGG, 108 Abs 1 Zivilprozessordnung [ZPO]). Denn hierdurch wird sichergestellt, dass die Sozialversicherungsträger bei einem Unterliegen des Antragstellers im Klageverfahren die geschuldeten Beiträge erhalten. Der Senat geht hierbei davon aus, dass der Antragsteller bei zumutbaren Anstrengungen in der Lage ist, die genannte Sicherheit zu bestellen (allg hierzu Keller, aaO, § 86a Rn 28 mwN). Denn der Antragsteller hat im Antrags- und Beschwerdeverfahren nicht glaubhaft gemacht, dass eine Beleihung der Grundstücke von den Kreditinstituten generell abgelehnt wird. Aus der Kostenakte des LSG in dem Verfahren L 11 R 4443/10 ER-B (Bl 12) folgt zudem, dass der Antragsteller offenbar eine weitere Firma, die "C. GmbH", mit gleichlautender Anschrift (Auf der A. 1A, 7 ... S.) betreibt. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass er hierdurch entweder Lohn oder sonstige Einkünfte erzielt.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 197a Abs 1 SGG iVm. § 155 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird nach § 197a SGG iVm §§ 63 Abs 1, 52 Abs 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG) auf die Hälfte der streitigen Beitragsnachforderung und der Säumniszuschläge (zu Letzterem vgl Urteil des Senats vom 20. April 2010 - L 11 R 5269/08) festgesetzt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 149.170,69 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage vom 18. November 2010 gegen die Beitragsnachforderung der Antragsgegnerin für den Zeitraum vom 1. Dezember 2003 bis 31. Dezember 2007 in Höhe von insgesamt 298.341,39 EUR, wobei in der Nachforderung Säumniszuschläge in Höhe von 82.465,50 EUR enthalten sind (Bescheid vom 16. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Oktober 2010).
Der Antragsteller war bis Frühjahr 2009 Inhaber der Firma F. Limousine und Chauffeur Service e.K. mit Sitz auf der A. 1 A in S ... Gegenstand der Unternehmung, die der Antragsteller im Frühjahr des Jahres 2009 an den Geschäftsführer B. T. übergeben hat (jetzt: F. GmbH), waren ua die Vermittlung von Limousinen mit Chauffeur und die Vermittlung von Fahrpersonal. Hierfür beschäftigte der Antragsteller eine Vielzahl von Arbeitnehmern, die nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart zumindest in den Jahren 2003 bis 2008 nicht ordnungsgemäß oder überhaupt nicht zur Sozialversicherung gemeldet wurden und für die auch keine Beiträge entsprechend dem Arbeitseinkommen der Beschäftigten an die zuständigen Einzugsstellen abgeführt wurde. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat deshalb am 23. Juni 2010 Anklage gegen den Antragsteller beim Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt erhoben (Az: 183 Js 36841/07; vgl Anklageschrift, Blatt 36 der V-Akte).
Nach Durchführung des Anhörungsverfahrens stellte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Februar 2010 in Auswertung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsergebnisse fest, dass der Antragsteller Arbeitnehmer versicherungspflichtig beschäftigt habe, ohne die Sozialversicherungsbeiträge abzuführen bzw Arbeitnehmer als geringfügig Beschäftigte angemeldet habe, obwohl diese die Grenze der Geringfügigkeit überschritten hätten. Die personenbezogenen Daten, welche sich in den vorgelegten Beweismitteln befänden, reichten zum Teil nicht aus, um eine Sozialversicherungsnummer zu ermitteln; in diesen Fällen würden die Beiträge an die Einzugsstelle im Rahmen eines Summenbeitragsbescheides zugewiesen. Die Nachforderung zur Sozialversicherung betrage insgesamt 298.341,39 EUR, wobei in der Nachforderung Säumniszuschläge in Höhe von 82.465,50 EUR enthalten seien. Zu erstatten seien dem Antragsteller zu viel gezahlte Beiträge in Höhe von insgesamt 8.620,40 EUR. Dem Beitragsbescheid waren die Beitragsnachweise und die Berechnung der Säumniszuschläge in Anlagen beigefügt.
Hiergegen erhob der Antragsteller am 12. März 2010 Widerspruch und beantragte zugleich, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Er bezog sich hierbei auf seine Ausführungen im Anhörungsverfahren. Mit Schreiben vom 16. März 2010 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gesondert entschieden werde. Mit Bescheid vom 17. März 2010 gab die Antragstellerin dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 16. Februar 2010 hinsichtlich der Forderung für Frau H. statt. Im Übrigen lehnte sie den Antrag mit der Begründung ab, nach vorläufiger Prüfung ergäben sich keine Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides. Man werte jedoch den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als Antrag auf Stundung und werde diesen an die zuständigen Einzugstellen weiterleiten.
Am 23. März 2010 bemängelte der Antragsteller, dass die Antragsgegnerin nicht auf seine Antwort im Anhörungsverfahren eingegangen und der angegriffene Bescheid eine wortwörtliche Wiederholung des Anhörungsbogens vom 11. August 2009 sei. Am 4. Mai 2010 begründete der Antragsteller ausführlich seinen Widerspruch (Blatt 25 der V-Akte) und ging hierbei nach allgemeinen Ausführungen auch auf konkrete Arbeitnehmer ein. Zur weiteren Begründung berief er sich auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Mai 2008 (Az: B 12 KR 13/07 R).
Am 27. Mai 2010 beantragte der Antragsteller (erneut) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den angefochtenen Bescheid "herzustellen". Zur Begründung bezog er sich auf die Widerspruchsbegründung und trug ergänzend vor, eine Vollstreckung zum jetzigen Zeitpunkt stelle einen Härtefall dar, da er unwiederbringliche Sachwerte unter Wert veräußern müsse. Er sei Rentner und beziehe entsprechende Leistungen. Hiermit bestreite er seinen Lebensunterhalt und die monatlichen Raten, die er auf seine Immobilien leisten müsse. Er habe eine Immobilie in der A.-Straße 1 A in S. und ein Haus in der W.-Straße. Das Haus in der A.-Straße habe einen Wert von 1 Million Euro. Hierauf seien noch Hypothekenbelastungen, so dass er monatlich 2.500,- EUR auf die Annuität zahle. Der Wert für das Gebäude in der W.-Straße belaufe sich auf 800.000,- EUR, wobei noch 380.000,- EUR zu tilgen seien. Die Mieteinnahmen aus diesen Gebäuden deckten die Ratenzahlung für die Annuität sowie die Nebenkosten. Seine Beiträge zur Krankenversicherung beliefen sich auf 800,- EUR pro Monat. Er sei verheiratet, so dass er auch gegenüber seiner Frau Unterhalt leisten müsse. Es bestehe jedoch die berechtigte Aussicht, dass die nachgeforderte Beitragssumme erheblich reduziert oder gar auf null gesetzt werde, so dass es zum jetzigen Zeitpunkt unzumutbar sei, sein Schonvermögen aufzugeben. Mit Schriftsatz vom 28. Mai 2010 teilte die Antragsgegnerin mit, man habe mit Schreiben vom 17. März 2010 bereits mitgeteilt, dass die Voraussetzungen einer Aussetzung der Vollziehung nicht vorlägen. Seinem Antrag sei lediglich hinsichtlich der Forderung in Höhe von ca 17.000,- EUR betreffend Frau H. stattgegeben worden. Er könne sich jedoch an das Sozialgericht Stuttgart (SG) wenden.
Der Antragsteller hat deswegen am 21. Juni 2010 beim SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Zur Begründung hat er sich im Wesentlichen auf den Inhalt der Widerspruchsbegründung gestützt und ergänzend vorgetragen, das Haus in der A.-Straße habe lediglich einen Wert von 920.000,- EUR. Er zahle monatlich 3.500,- EUR auf die Annuität. Das Gebäude in der W.-Straße habe einen Wert von 750.000,- EUR, wobei er noch 380.000,- EUR zu tilgen habe (monatliche Tilgung 3.850,- EUR). Die Krankenversicherung belaufe sich auf 500,- EUR pro Monat. Auch müsse er seiner Frau noch Unterhalt leisten. Um die geforderten Beträge zu begleichen, müsse er diese Immobilien in Höhe von 600.000,- EUR veräußern, da zusätzliche Kredite auf die einzelnen Gebäude nicht möglich seien oder nur zu einem extrem hohen Zinssatz. Es sei ihm derzeit nicht zumutbar, dass er sein Schonvermögen aufgebe, so dass von einem Härtefall ausgegangen werden müsse. Er hat diesbezüglich die eidesstattliche Erklärung vom 8. Juni 2010 vorgelegt, in der er versicherte, die durch seinen Prozessbevollmächtigten vorgetragenen Tatsachen entsprächen der Wahrheit. Insbesondere sei eine jetzige Zwangsvollstreckung für ihn ein Härtefall, da er Vermögenswerte veräußern müsse, die unwiederbringlich seien. Des Weiteren hat der Kläger das Schreiben der K. Volksbank e.G. vom 15. Juli 2010 vorgelegt, wonach die Kapitaldienstfähigkeit unter Berücksichtigung der bei ihm bestehenden Darlehensverbindlichkeiten aus den vorhandenen Miet- und Renteneingängen darstellbar und tragbar sei. Bezüglich der Finanzierungsneuanfrage in Höhe von 300.000,- EUR und einer angenommenen Annuität von 6,00 % p.a. (18.000,- EUR p.a.) müsse man dem Antragsteller mitteilen, dass die Gesamtkapitaldienstfähigkeit laut den vorliegenden Unterlagen in dieser Höhe derzeit nicht darstellbar sei. Zudem hat der Kläger das Schreiben der BW-Bank vom 15. Juli 2010 vorgelegt, wonach eine Kreditgewährung ua von dem Ergebnis der Auswertung betriebswirtschaftlicher Unterlagen abhänge. Der Kläger hat diesbezüglich vorgetragen, dass sich aus den genannten Schreiben ergebe, dass er zum jetzigen Zeitpunkt keine Möglichkeiten habe, einen Kredit aufzunehmen. Zu berücksichtigen sei zudem die Entscheidung des BSG vom 28. Mai 2008, auf die bereits im Verwaltungsverfahren hingewiesen worden sei. Es könne auch nicht sein, dass sich die Antragsgegnerin, nachdem die Beitreibungen durchgeführt würden, Zeit lasse um über den Widerspruchsbescheid zu entscheiden.
Mit Beschluss vom 16. August 2010 hat das SG den Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung komme nur bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides in Betracht oder wenn die Vollziehung für den Pflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge habe. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids bestünden nach den vorliegenden Unterlagen nicht. Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde hob das Landessozialgericht (LSG) mit Beschluss vom 4. Oktober 2010 den Beschluss des SG auf und ordnete die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 16. Februar 2010 bis zur Entscheidung der Antragsgegnerin über den Widerspruch an (Az L 11 R 4443/10 ER-B).
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2010 hat der Widerspruchsausschuss der Antragsgegnerin den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Fahrer, für die Beitragsnachforderungen erhoben worden seien, seien gegenüber dem Antragsteller weisungsgebunden gewesen. Inhalt und Art der Arbeitsausführung hätten sich aus den einzelnen Fahraufträgen ergeben. In zeitlicher und örtlicher Hinsicht hätten keine Freiheiten bestanden, sodass sie in die Betriebsorganisation des Antragstellers eingegliedert gewesen seien. Schließlich hätten die eingesetzten Fahrzeuge auch nicht im Besitz der Fahrer gestanden, sondern seien vom Antragsteller zur Verfügung gestellt worden. Auch die Tätigkeit von Frau H. sei typisch für eine abhängige Beschäftigung. Gleiches gelte für die Tätigkeiten von Frau L. und die Herren Ö. und P ...
Der Antragsteller hat deswegen am 18. November 2010 beim SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt (Az S 15 R 7299/10 ER) und Klage gegen den Bescheid vom 16. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Oktober 2010 (Az S 15 R 7213/10) erhoben. Zur Begründung seines Antrags im einstweiligen Rechtsschutzverfahren hat der Antragsteller ausgeführt, dass weiterhin ein Härtefall bestehe und auf die Senatsentscheidung vom 4. Oktober 2010 Bezug genommen. Gleichzeitig hat der Kläger Schreiben mehrerer Betriebskrankenkassen vorgelegt, die überwiegend mit einer Stundung der Beitragsnachforderungen einverstanden sind (Bl 39/44 der SG-Akte).
Mit Beschluss vom 4. März 2011 hat das SG den Antrag mit der Begründung abgelehnt, das Vollzugsinteresse überwiege bei der gebotenen summarischen Überprüfung das Aussetzungsinteresse. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung der Antragsgegnerin bestünden nicht. Vielmehr habe diese den Antragsteller zu Recht zur Beitragszahlung herangezogen, da von einer unselbstständigen Beschäftigung der Fahrer auszugehen sei. Bei diesen habe insbesondere kein Unternehmerrisiko bestanden, zumal ihnen die Fahrzeuge zur Verfügung gestellt worden seien. Eine unbillige Härte liege nicht vor, da der Antragsteller sein gewerbliches Grundstück belasten könne.
Hiergegen richtet sich die am 5. April 2011 beim SG zum LSG eingelegte Beschwerde des Antragstellers (Az L 11 R 1437/11 ER-B). Zur Begründung trägt er vor, die Erfolgsaussicht der Klage sei zu bejahen, da er nicht seine eigenen Fahrzeuge, sondern die der Sponsoren bzw der WM-Organisation zur Verfügung gestellt habe. Auch sei zu berücksichtigen, dass das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt das Strafverfahren bis heute noch nicht zugelassen habe. Ein Eröffnungsbeschluss liege nicht vor. Weiterhin würde die Vollstreckung eine unbillige Härte darstellen. Auch die gewerbliche Immobilie könne nicht weiter belastet werden.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. März 2011 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Oktober 2010 anzuordnen.
Die Antragsgegenerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend, zumal auf die Widerspruchs- und Klagebegründung hinreichend eingegangen worden sei. Soweit Fahrzeuge des WM-Sponsors zum Einsatz gekommen seien, seien diese nicht den einzelnen Fahrern, sondern dem Antragsteller zur Verfügung gestellt worden. Dieser habe Verträge mit dem WM-Sponsor und - Organisator geschlossen. Die Fahrer hätten lediglich Fahrleistungen erbracht. Für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung sei es unerheblich, ob ein Strafverfahren eröffnet oder durchgeführt werde. Eine unbillige Härte sei insbesondere im Hinblick auf die nicht bestehende Erfolgswahrscheinlichkeit der Klage nicht gegeben. Allerdings komme die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht, wenn diese von der Hinterlegung einer Sicherheitsleistung (zB Bürgschaft) abhängig gemacht werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, auf die Akte L 11 R 4443/10 ER-B sowie auf die von der Antragsgegnerin vorgelegten sieben Aktenordner Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist nicht nach § 172 Abs 3 Nr 1 SGG in der seit 1. April 2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 29 Buchst. b des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl I, Seite 444) ausgeschlossen. Denn in der Hauptsache wäre die Berufung nicht unzulässig, da sich der Antragsteller gegen eine Beitragsnachforderung in Höhe von insgesamt 298.341,39 EUR wendet.
Auf die Beschwerde des Antragstellers war der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. März 2011 abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2010 mit der Maßgabe anzuordnen, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin zur Sicherung ihrer Beitragsnachforderung in Höhe von 298.341,39 Euro eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts bestellt.
Zutreffend ist das SG aber davon ausgegangen, dass der Widerspruch des Antragstellers nicht bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat. Insoweit wird - um Wiederholungen zu vermeiden - sowohl auf den Beschluss des SG vom 4. März 2001 als auch auf die Senatsentscheidung vom 4. Oktober 2010 Bezug genommen.
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage aufgrund von § 86b Abs 1 Nr 2 SGG ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dem öffentlichen Interesse einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber auch im Einzelfall zugunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsachverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (so auch Beschluss des Senats vom 6. Mai 2010, L 11 R 1806/10 ER-B). Dabei sind auch stets die Maßstäbe des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen. Demgemäß hat eine Aussetzung der Vollziehung zu erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Der Senat geht - wie den Beteiligten bereits durch den Senatsbeschluss vom 4. Oktober 2010 bekannt ist - in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass bei Beitragsstreitigkeiten ernstliche Zweifel im Sinne des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG nur dann vorliegen, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (vgl Beschluss vom 28. Juni 2010 - L 11 R 1903/10 ER-B). Nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 20. Oktober 2010, in dem sich der Widerspruchsausschuss der Antragsgegenerin hinreichend mit den Einwänden des Antragstellers auseinandergesetzt hat, geht der Senat mit dem SG zwar davon aus, dass ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache nicht wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen. Die letztendliche Klärung bleibt aber dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Insoweit sind die für und gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen. Interessengesichtspunkte für die Abwägungsentscheidung sind neben der Erfolgswahrscheinlichkeit die wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten, insbesondere eine unbillige Härte, eine Grundrechtsrelevanz und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (zB Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz). Die Abwägungskriterien des § 86b Abs 2 SGG können herangezogen werden (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl 2008, § 86b Rn 12g). In Anwendung dieser Gesichtspunkte gelangt der Senat zur Überzeugung, dass eine Aussetzung der sofortigen Vollziehung nur gegen Sicherheitsleistung in Betracht kommt. Der widerstreitenden Interessenlage (finanzielle Stabilität der Sozialversicherungsträger einerseits und hohe Beitragsnachforderung andererseits) ist mithin dadurch Rechnung zu tragen, dass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2010 mit der Maßgabe angeordnet wird, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin zur Sicherung ihrer Beitragsnachforderung in Höhe von 298.341,39 Euro eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts bestellt (vgl § 86b Abs 1 Satz 3 SGG, §§ 202 SGG, 108 Abs 1 Zivilprozessordnung [ZPO]). Denn hierdurch wird sichergestellt, dass die Sozialversicherungsträger bei einem Unterliegen des Antragstellers im Klageverfahren die geschuldeten Beiträge erhalten. Der Senat geht hierbei davon aus, dass der Antragsteller bei zumutbaren Anstrengungen in der Lage ist, die genannte Sicherheit zu bestellen (allg hierzu Keller, aaO, § 86a Rn 28 mwN). Denn der Antragsteller hat im Antrags- und Beschwerdeverfahren nicht glaubhaft gemacht, dass eine Beleihung der Grundstücke von den Kreditinstituten generell abgelehnt wird. Aus der Kostenakte des LSG in dem Verfahren L 11 R 4443/10 ER-B (Bl 12) folgt zudem, dass der Antragsteller offenbar eine weitere Firma, die "C. GmbH", mit gleichlautender Anschrift (Auf der A. 1A, 7 ... S.) betreibt. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass er hierdurch entweder Lohn oder sonstige Einkünfte erzielt.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 197a Abs 1 SGG iVm. § 155 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird nach § 197a SGG iVm §§ 63 Abs 1, 52 Abs 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG) auf die Hälfte der streitigen Beitragsnachforderung und der Säumniszuschläge (zu Letzterem vgl Urteil des Senats vom 20. April 2010 - L 11 R 5269/08) festgesetzt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved