L 3 AS 4695/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 AS 122/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 4695/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Juni 2007 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Klage im Übrigen als unzulässig abgewiesen wird.

Der Beklagte trägt 1/3 der außergerichtlichen Kosten des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 01.07.2006 hat.

Der 1951 geborene Kläger ist ausgebildeter Metzger und Koch mit bestandener Meisterprüfung zum Küchenmeister. Er war zuletzt bis Oktober 1989 als Küchenchef im Restaurant Mövenpick am A.Platz in B. beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Vergleich vor dem Arbeitsgericht Stuttgart vom 12.12.1989 (Az. 17 Ca 7062/89) mit Ablauf des 31.10.1989 unter Zahlung einer Abfindung in Höhe von 4.000,- DM. Danach bezog der Kläger mit Unterbrechungen Leistungen wegen Arbeitslosigkeit und seit Ende 1996 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Ab dem 01.01.2005 bezog er Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 27.01.2006 bewilligte ihm der Beklagte Leistungen für die Zeit von Januar bis einschließlich Juni 2006.

Nachdem der Kläger einer Einladung zu einem Termin zur amtsärztlichen Begutachtung am 01.03.2006 nicht gefolgt war setzte der Beklagte mit Bescheid vom 17.03.2006 eine monatliche Absenkung der Regelleistung um 10 % für die Zeit vom 01.04.2006 bis 30.06.2006 fest.

Auch zu einem weiteren Termin am 03.04.2006 erschien der Kläger nicht. Daraufhin verfügte der Beklagte mit Bescheid vom 05.04.2006 eine weitere Absenkung der Leistungen für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.07.2006 um weitere 35 EUR monatlich.

Einer weiteren Einladung vom 05.05.2006 zum 10.04.2006 leistete der Kläger gleichfalls keine Folge. Mit Bescheid vom 11.04.2006 verfügte der Beklagte eine Absenkung um monatlich 35 EUR für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.07.2006. Weiteren Einladungen zum 24.05, 29.05., 02.06. und 07.06.2006 kam der Kläger gleichfalls nicht nach und legte jeweils Rechtsmittel gegen die Einladungen ein.

Im Widerspruch gegen die Einladung zum 29.05.2006 teilte er mit, dass er ab 13.11.1989 einer Tätigkeit als Manager bei der Firma Mövenpick Betriebsgesellschaft in einem zeitlichen Umfang von über 15 Stunden wöchentlich nachgehe und an der Vermittlung von Stellenangeboten nicht mehr interessiert sei. Er werde keinem Termin nachkommen. Gegen die mit Bescheid vom 24.05.2006 erfolgte weitere Absenkung um 35 EUR für den Zeitraum 01.06.2006 bis 31.08.2006 legte der Kläger gleichfalls Widerspruch ein.

Mit Schreiben vom 02.06.2006 wurde der Kläger aufgefordert, am 07.06.2006 um 10.30 Uhr bei der Beklagten zu erscheinen. Er wurde darauf hingewiesen, dass im Falle neuerlichen Nichterscheinens die Alg-II Leistungen vollständig eingestellt würden. Nachdem der Kläger zu diesem Termin wiederum nicht erschienen war, versagte der Beklagte mit Bescheid vom 08.06.2006 Leistungen nach dem SGB II über den 30.06.2006 hinaus (einschließlich Miet- und Krankenkassenzahlungen). Der Kläger habe mittlerweile 10 Einladungen zu ärztlichen Untersuchungen bzw. ins Jobcenter nicht Folge geleistet, so dass davon auszugehen sei, dass er weder bereit sei, seine Arbeitskraft im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB II zur Beschaffung seines Lebensunterhalts einzusetzen, noch an einer ärztlichen Untersuchung zur Prüfung seiner Arbeitsfähigkeit teilzunehmen. Aufgrund seiner Angaben, wieder als Manager bei der Firma Mövenpick zu arbeiten, werde davon ausgegangen, dass er nun genügend Einkommen aus seiner Erwerbstätigkeit beziehe und deshalb keine Alg II-Gewährung mehr benötige. Eine erneute Gewährung von Alg II werde nur unter der Bedingung erfolgen, dass er seiner Mitwirkungspflicht gegenüber dem Jobcenter nachkomme und sich in eine ärztliche Untersuchung begebe. Er könne jederzeit anrufen, um einen Termin beim Gesundheitsamt zu bekommen.

Hiergegen legte der Kläger am 09.06.2006 Widerspruch ein mit der Begründung, in dem Schreiben werde bestätigt, dass er aufgrund der vorliegenden Angaben wieder bei der Firma Mövenpick arbeite; dies sei nun unstrittig. Der Widerspruch beziehe sich darauf, weiterhin über den 30.06.2006 hinaus Alg II zu erhalten. Um in den Genuss der Leistung zu kommen, werde lediglich ein Anruf benötigt, um einen nicht begründeten Termin beim Gesundheitsamt zu erhalten. Dies sei ein Eingriff in seine persönliche Freiheit.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.06.2006, auf den Bezug genommen wird, wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 26.06.2006 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und gleichzeitig die Gewährung einstweiligen Rechtschutzes beantragt. Mit Beschluss vom 27.07.2006 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt (S 22 AS 4650/06 ER). Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 12.01.2007 (L 3 AS 4176/06 ER-B) den Beschluss des SG vom 27.07.2006 abgeändert und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger vorläufig befristet bis zum Abschluss des beim Sozialgericht Stuttgart in der Hauptsache anhängigen Klageverfahrens (S 22 AS 122/07) Arbeitslosengeld II in Höhe von 70 v.H. der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie Leistungen für Unterkunft und Heizung in voller Höhe zu gewähren; im Übrigen wurde die Beschwerde zurückgewiesen. Der Beklagte hat dem Kläger daraufhin mit Bescheiden vom 15.02.2007 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.07.2006 bis 31.07.2006 i.H.v. 411,26 EUR, vom 01.08.2006 bis 31.08.2006 i.H.v. 481,26 EUR und vom 01.09.2006 bis 28.02.2007 i.H.v. monatlich 516,26 EUR bewilligt.

Ein Formular für den Antrag auf Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II sandte der Kläger am 05.03.2007 an den Beklagten zurück. Am 19.02.2007 teilte er mit, einen Antrag werde es nicht geben. Die Entscheidung im Verfahren L 3 AS 4176/06 ER-B regle den Vorgang für beide Seiten verbindlich. Mit Bescheid vom 12.04.2007 versagte der Beklagte daraufhin die Bewilligung von Leistungen ab dem 01.03.2007.

Mit Urteil vom 20.06.2007 hat das SG den Bescheid vom 08.06.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2006 aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Versagung der Weitergewährung der Leistungen nach dem SG II habe nicht auf § 66 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) gestützt werden können. Gemäß § 66 Abs. 3 SGB I setze die Versagung oder Entziehung von Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung voraus, dass der Leistungsberechtigte auf diese Folge hingewiesen worden und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer im gesetzten angemessenen Frist nachgekommen sei. Vorliegend sei ein unmissverständlicher Hinweis auf die eintretenden Folgen nicht erfolgt. Zudem könne einer e-mail des Klägers vom 08.06.2006 an den Landtag Baden-Württemberg entnommen werden, dass er die Einladung vom 02.06.2006 erst am 07.06.2006 um 10.20 Uhr und damit ca. 10 Minuten vor dem Meldetermin erhalten habe. Diese Angabe halte das SG für plausibel. Damit stehe nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass dem Kläger zur Vornahme seiner Mitwirkungshandlung eine angemessene Frist gesetzt worden sei.

Der Kläger habe gleichwohl keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Die Gewährung von Leistungen setze grundsätzlich Erwerbsfähigkeit voraus. Nach der Legaldefinition des § 8 Abs. 1 SGB III sei erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Kammer habe sich vom Vorliegen von Erwerbsfähigkeit nicht überzeugen können. Die Art und Weise der Verfahrensführung durch den Kläger sowohl im vorliegenden wie auch in einer Reihe weiterer Verfahren, welche neben einem querulatorischen Gepräge durch absonderliche Anträge und Begründungen, widersprüchliche Vorträge und dem hartnäckigen Beharren auf der Fortdauer eines 1989 beendeten Arbeitsverhältnisses und der Vorstellung, hieraus vermeintlich resultierende Lohnansprüche gegenüber dem Beklagten bzw. dem Sozialamt der Stadt Stuttgart geltend machen zu können, gekennzeichnet seien, lege den Eindruck einer erheblichen Persönlichkeitsstörung nahe. Eine letztendliche Klärung, ob der Kläger die Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II bzw. dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) erfülle, sei angesichts der vollständigen Verweigerung des Klägers nicht möglich. Der Kläger habe sich trotz zahlreicher Sanktionen geweigert, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen. Auch seien weder behandelnde Ärzte bekannt noch ärztliche Befundberichte vorhanden. Eine Begutachtung nach Aktenlage habe der zuständige Sachverständige beim Gesundheitsamt der Stadt Stuttgart mit der nachvollziehbaren Begründung abgelehnt, ein psychiatrisches Gutachten könne nicht allein basierend auf Schriftsätzen des zu Begutachtenden erstellt werden.

Führe das sorgfältige Bemühen um Aufklärung letztlich zu keiner eindeutigen Feststellung, so beantworte sich mit einer solchen non-liquet-Situation die Frage, wer die Folgen der Nichtaufklärbarkeit zu tragen habe, nach den Regeln über die Beweislast. Die Nichtaufklärbarkeit anspruchsbegründender Tatsachen gehe dabei nach allgemeinen Regeln zu Lasten desjenigen, der einen Anspruch geltend mache, sofern nicht das materielle Recht eine abweichende Regelung bezüglich der Beweislastverteilung treffe. Eine abweichende Beweislastregelung finde sich insbesondere nicht in § 44 a SGB II. Danach stelle die Agentur für Arbeit fest, ob der Arbeitssuchende erwerbsfähig und hilfebedürftig sei. Sofern ein anderer Leistungsträger, der bei voller Erwerbsminderung zuständig wäre, der Feststellung widerspreche, entscheide die gemeinsame Einigungsstelle. Bis zur Entscheidung der Einigungsstelle erbrächten die Leistungsträger nach dem SGB II Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende. Diese materiell-rechtliche Fiktion bestehender Erwerbsfähigkeit setze aber einen - hier nicht vorliegenden - Zuständigkeitsstreit zwischen den in Betracht kommenden Leistungsträgern im Sinne des § 44 a SGB II voraus. In Folge der beharrlichen Weigerung des Klägers sei der Beklagte schon nicht im Stande, eine Feststellung zur Erwerbsfähigkeit zu treffen. Vielmehr müsse diese Frage ungeklärt bleiben, womit es schon an einer widerspruchstauglichen Feststellung des Beklagten fehle. Deshalb sei auch eine Beiladung des Leistungsträgers nach dem SGB XII nicht auszusprechen gewesen.

Gegen das am 12.09.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.09.2007 Berufung eingelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Juni 2007 aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen worden ist, und den Beklagten zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld II über den 30. Juni 2006 hinaus in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

In der mündlichen Verhandlung am 30.09.2009 in dem Verfahren L 2 SO 1152/09 haben sich die dortige Beklagte, die Landeshauptstadt Stuttgart, und der Beklagte, der in jenem Verfahren beigeladen war, dahingehend geeinigt, dass der Kläger ab dem 30.09.2009 auf Dauer voll erwerbsgemindert ist und sich die Landeshauptstadt Stuttgart ab dem folgenden Tag als sachlich zuständiger Leistungsträger betrachtet. Der Beklagte des vorliegenden Verfahrens hat sich bereit erklärt, dem Kläger vom 01.11.2008 bis 30.09.2009 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Es bestehen keine durchgreifenden Zweifel an der Prozessfähigkeit des Klägers (§ 71 Abs. 1 SGG). Soweit im gerichtlichen Schreiben vom 05.06.2008 an das Notariat des Amtsgerichts Stuttgart auf die Vielzahl der Verfahren Bezug genommen und ausgeführt worden ist, hauptsächlicher Auslöser für die Entstehung der meisten Rechtsstreitigkeiten sei die generelle und grundlose Weigerung des Klägers, mit den Leistungsträgern zusammen zu arbeiten, ist dies auf dem Hintergrund zu sehen, dass der Kläger die Auffassung vertritt, sein Arbeitsverhältnis als Küchenchef mit der Firma Mövenpick bestehe noch fort. Allein diese irrige Rechtsauffassung vermag die Zweifel an der Prozessfähigkeit nicht zu begründen. Für deren Vorliegen spricht auch, dass das Notariat des Amtsgerichts Stuttgart - Vormundschaftsgericht - mit Beschluss vom 03.06.2005 - I GR N Nr. 90/05 - die damalige Anregung des Amtes für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt Stuttgart, für den Kläger einen Betreuer zu bestellen, abschlägig beschieden hat mit der Begründung, es lägen keine Anhaltspunkte für eine Eigengefährdung vor. Soweit im angeführten Schreiben vom 05.06.2008 hierzu die Auffassung vertreten worden ist, hinsichtlich der Eigengefährdung sei eine Änderung der Sachlage eingetreten, indem der Kläger aufgrund seines Verhaltens abgesenkte oder gar keine Leistungen zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zur Verfügung habe, trifft dies zumindest für die Zeit ab dem 01.11.2008 nicht mehr zu, nachdem sich die Beklagte für die Zeit vom 01.11.2008 bis 30.09.2009 bereit erklärt hat, dem Kläger Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen und sich die Landeshauptstadt Stuttgart verpflichtet hat, dem Kläger für die Folgezeit ab dem 01.10.2009 Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SG XII) zu gewähren.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 08.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.06.2006 hat der Beklagte lediglich die Bewilligung von Leistungen wegen fehlender Mitwirkung versagt. Nach § 66 Abs. 1 SGB I kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, wenn derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird.

Es ist zwischen Entscheidungen, die mangels der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen den Anspruch auf eine Sozialleistung verneinen, und solchen, die wegen Verletzung von Mitwirkungspflichten eine Sozialleistung nach § 66 SGB I versagen, scharf zu unterscheiden. Denn beide Entscheidungen haben unterschiedliche Voraussetzungen und unterschiedliche Rechtsfolgen. Über die Voraussetzungen des Anspruchs auf Sozialleistungen wird durch die Versagung nach § 66 SGB I nicht entschieden, die Anwendung dieser Vorschrift setzt gerade voraus, dass wegen der fehlenden Mitwirkung eine sachgerechte Entscheidung über die Sozialleistung nicht getroffen werden kann (BSG, Urteil vom17.04.1986 - 7 RAr 91/94 - in juris).

Zwar könnte aufgrund der Ausführung im angefochtenen Bescheid, es werde davon ausgegangen, dass der Kläger aufgrund seiner Angaben, wieder als Manager bei der Firma Mövenpick zu arbeiten, nun genug Einkommen aus seiner Erwerbstätigkeit beziehe und somit keine Alg II-Gewährung mehr benötige, in Betracht kommen, den Bescheid als Ablehnungsbescheid auszulegen, mit dem der Beklagte die Bewilligung von Leistungen mangels der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen abgelehnt hat. Dagegen spricht jedoch, dass im Bescheid weiter ausgeführt wird, eine erneute Gewährung von Alg II könne nur erfolgen, wenn der Kläger seiner Mitwirkungspflicht nachkomme und sich in ärztliche Untersuchung begebe; er könne jederzeit anrufen, um einen Termin beim Gesundheitsamt zu erhalten. Eines solchen Zusatzes hätte es nicht bedurft, wenn der Leistungsantrag bereits wegen fehlender Bedürftigkeit aufgrund von Arbeitseinkommen abgelehnt worden wäre, weil es dann auf das Ergebnis der ärztlichen Untersuchung nicht mehr angekommen wäre. Gegen die Annahme, der Beklagte habe das Vorliegen der in § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II normierten Anspruchsvoraussetzung der Bedürftigkeit verneint, spricht zudem, dass keine Ermittlungen und keine konkreten Angaben zu den anrechenbaren Einkünften des Klägers erfolgt sind und dementsprechend auch keine Bedarfsberechnung durchgeführt worden ist. Schließlich spricht gegen das Vorliegen eines Ablehnungsbescheides, dass der Kläger vor Erlass des Bescheides keinen Antrag gestellt hat, der jedoch nach § 37 Abs. 1 SGB II Leistungsvoraussetzung ist. Ein Leistungsantrag kann erst in dem am 09.06.2006 beim Beklagten eingegangenen Widerspruchsschreiben des Klägers gesehen werden, in welchem dieser ausgeführt hat, das Widerspruchsrecht beziehe sich darauf, weiterhin über den 30.06.2006 hinaus Alg II zu erhalten. All dies spricht dafür, dass mit dem Bescheid eine Versagung wegen fehlender Mitwirkung erfolgt ist.

Auch durch den Widerspruchsbescheid vom 22.06.2006 ist die Rechtsgrundlage der durch den Bescheid vom 08.06.2006 getroffenen Versagungsentscheidung nicht ausgetauscht worden. Denn jedenfalls im Tenor des Widerspruchsbescheides ist lediglich der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen worden, und auch in der Begründung wird an die Ausführungen im Ausgangsbescheid angeknüpft (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 27.05.2010 - L 5 AL 26/08 - in juris).

Da lediglich der Kläger Berufung eingelegt und er durch die Aufhebung des Bescheides vom 08.06.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2006 nicht beschwert ist, kann es dahingestellt bleiben, ob die Begründung des angefochtenen Urteils, die Voraussetzung des § 66 SGB I hätten nicht vorgelegen, zutreffend ist, da die Aufhebung insoweit bestandskräftig geworden ist.

Auch soweit der Kläger im Klageverfahren einen Leistungsantrag gestellt hat, hat das SG die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Nicht zutreffend ist jedoch die Begründung des SG, der Kläger habe keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, da die gesetzlichen Leistungsvoraussetzungen nicht erfüllt seien. Die Leistungsklage war vielmehr bereits unzulässig. Eine isolierte Leistungsklage ist nicht zulässig, wenn - wie hier - der Erlass eines Verwaltungsaktes zur Bewilligung der Leistungen nach dem SGB II erforderlich ist. In Betracht käme allein eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG. Betrifft danach der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden. Der Beklagte hat mit der angefochtenen Entscheidung - wie ausgeführt - lediglich die Bewilligung wegen fehlender Mitwirkung versagt, nicht jedoch über den Anspruch selbst entschieden. Zwar ist dann, wenn lediglich das Vorverfahren nach § 78 SGG nicht durchgeführt worden ist, das gerichtliche Verfahren analog § 114 SGG auszusetzen und dem Kläger die Möglichkeit zu geben, das Vorverfahren nachzuholen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 78 Rn.3a m.w.N.). Vorliegend fehlt es jedoch bereits am Erlass eines Bescheides über die beantragte Leistung und damit an einem vorausgehenden Verwaltungsverfahren, so dass auch keine Aussetzung geboten war. Die Leistungsklage war deshalb als unzulässig abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Umstand, dass der Kläger in erster Instanz teilweise obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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