L 7 SO 4787/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 SO 2513/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 4787/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. September 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er in Oberndorf, Su.-R. und Fr. kein verwertbares Vermögen (Nießbrauchsrechte) habe.

Der am 1936 geborene, schwerbehinderte Kläger bezieht neben Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach Pflegestufe II eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, ab 1. Juli 2009 i.H.v. EUR 924,29 monatlich zzgl. Zuschuss zur Krankenversicherung i.H.v. EUR 64,70 monatlich. Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung fallen i.H.v. EUR 155,73 monatlich an (seit 1. Juli 2009). Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) erhält er nicht. Seine am 28. Februar 1956 geborene Ehefrau G. M. (im Folgenden GM) bezog bis Juli 2010 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Derzeit erhält sie keine Leistungen.

Zugunsten des Klägers und seiner Ehefrau ist seit dem 27. April 1999 im Grundbuch von R. (Grundbuchamt Su. am Neckar, Amtsgerichtsbezirk Oberndorf am Neckar) am Flurstück Nr. 1209/1 jeweils ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht eingetragen; das Recht des Klägers ist aufschiebend bedingt. Des Weiteren war GM ein lebenslängliches und unentgeltliches Nießbrauchsrecht am Flurstück auf der Gemarkung Fr. eingeräumt worden.

Anlässlich des im Jahre 2006 erfolgten Umzugs der Eheleute von R. nach Stuttgart (F.weg Weg ) gewährte die Beklagte dem Kläger eine einmalige Beihilfe für die Wohnungserstausstattung (Bescheid vom 17. August 2006). Einen Antrag auf Übernahme der für die Anmietung der neuen Wohnung erforderlichen Genossenschaftsanteile hatte der Sozialhilfeträger am bisherigen Wohnort wegen fehlenden laufenden Sozialhilfebezuges abgelehnt. Die dagegen angestrengte Klage blieb ebenso wie die weitere Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (L 2 SO 5395/07) erfolglos. Den erneuten Antrag auf Übernahme dieser Genossenschaftsanteile durch die Beklagte lehnte diese mit Bescheid vom 29. Juli 2008 und Widerspruchsbescheid vom 22. September 2009 ab, da sie örtlich nicht zuständig sei, es an einer vorherigen Zustimmung fehle und es sich bei dem mittlerweile durch die Schwiegermutter des Klägers gewährten Darlehen hierfür nicht um sozialhilferechtlich zu berücksichtigende Schulden handle. Der Kläger stellte daraufhin die bereits am 16. September 2009 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Anfechtungsklage (S 16 SO 6236/09) auf eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage um. Nach Bekanntwerden der Nießbrauchsrechte hatte die Beklagte in diesem Verfahren ergänzend geltend gemacht, diese stellten verwertbares, Hilfebedürftigkeit ausschließendes Vermögen dar. Dieses Verfahren ruht derzeit.

In einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (S 16 SO 1307/10 ER) hatte das SG das Begehren des Klägers auf Verpflichtung der Beklagten zur Zustimmung zu einem Umzug in eine behindertengerechte Wohnung (R.str ... St.) sowie zur hälftigen Übernahme der Mietkaution mangels laufenden Sozialhilfebezuges abgelehnt; des Weiteren bestehe auch wegen verwertbaren Vermögens in Form der Nießbrauchsrechte keine Hilfebedürftigkeit. Die Beschwerde wurde zurückgewiesen (Beschluss des LSG vom 12. April 2010 - L 2 SO 1247/10 ER-B). Einen erneuten Antrag des Klägers auf Übernahme von Mietkaution und Umzugskosten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11. Mai und Widerspruchsbescheid vom 23. September 2010 unter Bezugnahme auf die gerichtlichen Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ab; Klage wurde nicht erhoben.

Mit Bescheid vom 13. Juli 2010 nahm die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 17. August 2006 zurück und forderte Erstattung der erbrachten einmaligen Beihilfe, da der Kläger die Hilfebedürftigkeit ausschließendes Vermögen in Form der Nießbrauchsrechte nicht angegeben habe. Über den dagegen eingelegten Widerspruch ist noch nicht entschieden.

Bereits am 25. April 2010 hatte der Kläger mit dem ausdrücklichen Begehren Klage beim SG erhoben, festzustellen, dass er weder in Oberndorf, noch in Su.-R., noch in Fr. verwertbares Vermögen (Nießbrauchsrechte) habe. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Beklagte behaupte, er und GM hätten verwertbares Vermögen in Form der Nießbrauchsrechte. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) stellten diese jedoch kein verwertbares Vermögen dar. Das in Frage stehende Vermögen sei Teil einer Erbengemeinschaft, deren Zusammensetzung ungeklärt sei. Das Haus in Su. werde seine Ehefrau später selbst bewohnen. Das Haus in Fr. werde vermietet, wobei die zu erlösende Miete insgesamt für die Renovierung verwendet werden müsse.

Mit Gerichtsbescheid vom 15. September 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Diese sei mangels eines Rechtsverhältnisses zwischen den Beteiligten unzulässig, da der Kläger derzeit weder Leistungen von der Beklagten beziehe noch solche geltend mache. Des Weiteren fehle auch das nötige Feststellungsinteresse, da kein schutzwürdiges Bedürfnis des Klägers bestehe, über verwertbares Vermögen losgelöst von konkreten Ansprüchen nach dem SGB XII zu entscheiden.

Hiergegen hat der der Kläger am 11. Oktober 2010 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die Beklagte habe falsche Behauptungen und Anschuldigungen bis hin zu Strafanzeigen erhoben. Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wegen Betruges sei aber eingestellt worden. Man verweigere ihm allerdings jede Hilfe, z.B. den Bezug einer größeren Wohnung, obwohl hierauf ein Rechtsanspruch bestehe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. September 2010 aufzuheben und festzustellen, dass er in Oberndorf, Su.-R. und Fr. kein verwertbares Vermögen in Form von Nießbrauchsrechten hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Verfahrensakten des SG und des Senats sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. § 151 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft. Da das klägerische Begehren nicht auf eine konkrete Geld-, Dienst- oder Sachleistung gerichtet ist, unterliegt die Berufung nicht den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 144 Abs. 1 SGG. Sie ist jedoch in der Sache nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Kläger hat nach seinem ausdrücklichen Antrag und dem eindeutig erkennbaren Begehren (§ 123 SGG) eine Feststellungsklage i.S.d. § 55 SGG erhoben. Danach kann mit der Klage u.a. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG); die Tatbestände des § 55 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4, Abs. 2 SGG liegen ersichtlich nicht vor.

Der Zulässigkeit der erhobenen Klage steht bereits der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage (Rechtsgedanke des § 43 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung) entgegen, der auch im sozialgerichtlichen Verfahren gilt (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. SozR 4-2700 § 136 Nr. 3 m.w.N.; Castendiek in Hk-SGG, 3. Aufl., § 55 Rdnr. 13; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 55 Rdnr. 19). Dieser Grundsatz besagt, dass der Kläger eine gerichtliche Feststellung nicht verlangen kann, soweit er die Möglichkeit hat, seine Rechte mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage zu verfolgen. Ein Feststellungsinteresse ist regelmäßig zu verneinen, wenn bereits im Rahmen der genannten anderen Klagearten über die Sach- und Rechtsfragen zu entscheiden ist, die der begehrten Feststellung zugrunde liegen (BSG a.a.O.). Die Subsidiarität dient vor allem der Vermeidung überflüssiger Klagen, da das Feststellungsurteil nicht vollstreckbar ist und andere Klagearten daher bei typisierter Betrachtung effektiveren Rechtsschutz ermöglichen (Castendiek a.a.O.). Der Kläger hat daher seine möglichen Leistungs- und Abwehransprüche mit den dafür vorgesehenen Klagearten zu verfolgen, also der - auch bereits erhobenen - kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage bzgl. der Übernahme der Genossenschaftsanteile bzw. der isolierten Anfechtungsklage hinsichtlich des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 13. Juli 2010, sofern das Widerspruchsverfahren erfolglos bleibt. Hinsichtlich der Übernahme von Mietkaution und Umzugskosten fehlt es aufgrund der Bestandskraft des Bescheides vom 11. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2010 bereits an einem streitigen Rechtsverhältnis.

Eine Ausnahme vom Subsidiaritätsgrundsatz liegt nicht vor. Denn es ist nicht zu erwarten, dass sich mit der Entscheidung über die begehrte Feststellung weitere Rechtsstreite vermeiden oder bereits anhängige Verfahren erledigen lassen. Wenn auch die Beklagte im sozialgerichtlichen Verfahren S 16 SO 6236/09 mittlerweile die Nießbrauchsrechte als der Hilfebedürftigkeit entgegenstehendes Vermögen eingeführt hat, gründete die angefochtene Ablehnung auf anderen Umständen (fehlende Zuständigkeit, fehlende vorherige Zustimmung, Überholung durch Darlehensgewährung), an denen sie weiter festhält. Die Rechtmäßigkeit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 13. Juli 2010 hängt neben dem Vorhandensein verwertbaren Vermögens auch von den weiteren Rücknahmevoraussetzungen ab. Laufende Leistungen werden dem Kläger wegen übersteigenden Einkommens nicht gewährt; im Übrigen werden solche vom Kläger derzeit auch nicht geltend gemacht.

Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht weiter entgegen, dass sich die begehrte Feststellung nicht auf ein umfassendes Rechtsverhältnis oder hieraus resultierende einzelne Rechte oder Pflichten bezieht (vgl. hierzu Keller, a.a.O., Rdnr. 6), sondern auf ein einzelnes Element eines (Abwehr- oder Leistungs-)Rechts. Eine solche auf ein einzelnes Tatbestandsmerkmal oder eine von mehreren Anspruchsvoraussetzungen gerichtete Elementenfeststellungsklage ist unzulässig (vgl. Keller, a.a.O., Rdnr. 9 m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung des BSG). Der Senat kann offenlassen, ob ein solches einzelnes Element ausnahmsweise zulässiger Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann, wenn durch sie der Streit der Beteiligten im Ganzen bereinigt wird. Denn ein solcher Fall liegt hier, wie ausgeführt, nicht vor.

Unabhängig von den vorgenannten Zulässigkeitshindernissen fehlt es schließlich auch an einem Feststellungsinteresse. Ein solches ergibt sich insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt eines Rehabilitationsinteresses aus dem Vortrag des Klägers, die Beklagte habe falsche Behauptungen und Anschuldigungen bis hin zu Strafanzeigen erhoben. Nach dem vom Kläger selbst vorgelegten Mitteilungsschreiben der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 29. Dezember 2010 wurde das Ermittlungsverfahren wegen Betruges des Klägers gem. § 153 Abs. 1 der Strafprozessordnung eingestellt. Einer Entscheidung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bedarf es daher zu Rehabilitationszwecken nicht.

Mangels Zulässigkeit der Klage war eine Entscheidung über die begehrte Feststellung in der Sache daher nicht zu treffen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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