Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 2605/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 4886/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. September 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Rahmen einer Zugunstenentscheidung nach § 44 Sozialgesetzbuch (SGB) X die Feststellung von Unfallfolgen und die nachträgliche Gewährung von Leistungen wegen eines im Jahre 1988 erlittenen Arbeitsunfalls ihres verstorbenen Ehemannes.
Der 1932 geborene und am 29.05.2008 verstorbene Ehemann der Klägerin, der Versicherte, war am 16.05.1988 als Maurer auf einer Baustelle tätig, als ihm ein Kantholz in das Gesicht fiel (Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 18.05.1988). Der Durchgangsarzt Dr. R. diagnostizierte am Unfalltag eine Nasenbeinfraktur mit leichter Stufenbildung, sonst keinerlei Commotiozeichen. Die Sinnesorgane waren äußerlich und funktionell, mit Ausnahme einer Schürf-Prellwunde auf dem geschwollenen Nasenrücken, ohne Befund (Durchgangsarztbericht von Dr. R. vom 16.05.1988). Aufgrund der Untersuchung am 18.05.1988 beschrieb HNO-Arzt Dr. W. eine Schiefnase nach links mit Septumdeviation nach links, eine offene und behandelte Wunde am Nasenrücken, ein Brillenhämatom beidseits sowie eine instabile, deutlich kreptierende Nase (HNO-Arztbericht vom 30.05.1988). Am 01.06.1988 stellte sich der Versicherte dem Neurologen und Psychiater Dr. S. vor, der als Befund eine leichte Protrusio bulbi (Hervortreten des Augapfels) beidseits, leichte Anisokorie (seitendifferente Weite der Pupillen) zu Gunsten links, bei Augenbewegung nach oben Doppelbilder mit im übrigen regelrechten Hirnnervenfunktionen erhob. Der Versicherte habe angegeben, seit einigen Tagen Nackenschmerzen, ein Druckgefühl an der Nase, an der Stirn über den Augen zu haben, und allgemein an fehlendem Wohlbefinden zu leiden. Augenstörungen seien ihm, dem Versicherten, schon länger bekannt (Bericht von Dr. S. vom 01.06.1988). Die von Dr. S. bei Dr. G. veranlasste Computertomographie (CT) vom 07.06.1988 ergab keinen Hinweis für einen pathologischen Prozess der Orbita (Augenhöhle) beidseits oder für eine Einblutung in den retroorbitalen Trichter (Befundbericht von Dr. G. vom 08.06.1988). Ab 12.06.1988 war der Versicherte wieder arbeitsfähig (Mitteilung von Dr. W. vom 03.06.1988).
Der Versicherte wurde während der stationären Behandlung vom 12.07. bis 19.07.1988 am 13.07.1988 in der Augenklinik des Kreiskrankenhauses O. wegen einer dekompensierten Exophorie (latentes Schielen) operiert. Die Schieloperation verlief komplikationslos mit anschließendem unauffälligen Heilverlauf (Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses O. vom 05.08.1988). Der Leitende Arzt der Augenklinik Prof. Dr. F. sowie die behandelnde Augenärztin Dr. B. verneinten einen Zusammenhang der Augenstörung mit dem Unfall. Ursache der Doppelbildwahrnehmung sei die endokrine Orbitopathie (Autoimmunkrankheit der Augenmuskeln u. des orbitalen Bindegewebes bei Basedow-Krankheit, vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Stichwort: Orbitopathie, endokrine) des Versicherten (Bericht von Prof. Dr. F. vom 23.03.1989; Bericht von Dr. B. vom 21.03.1989). Mit Bescheid vom 25.04.1989 lehnte die S. Bau-Berufsgenossenschaft, eine Rechtsvorgängerin der Beklagten - im folgenden nur noch Beklagte -, die Gewährung einer Verletztenrente an den Versicherten ab. Im Rahmen des hiergegen eingeleiteten Widerspruchsverfahrens wurde das augenfachärztlichen Gutachten von Prof. Dr. R. vom 18.09.1989 eingeholt, in dem der Gutachter einen unfallbedingten Zusammenhang der dekompensierten Exophorie und dem jetzt vorliegenden Einwärtsschielen ausschloss. Eine Doppelbildwahrnehmung nach einem Unfall könne einerseits durch eine Verletzung der Orbita bzw. durch eine Hämatombildung entstehen. Die Doppelbildwahrnehmung träte sofort nach einem Unfall auf. Beim Versicherten seien jedoch erst 14 Tage nach dem Unfall Doppelbilder wahrgenommen worden. Widerspruch, Klage, Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde des Versicherten blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19.10.1989; Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.06.1990 - S 3 U 3584/89 -, Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10.07.1991 - L 2 U 1996/90 -; Beschluss des Bundessozialgerichts vom 30.10.1991 - 2 BU 172/91 -).
Der Versicherte bzw. seine Ehefrau beantragten in der Folge mehrfach die Gewährung einer Verletztenrente, was die Beklagte jeweils mit formlosen Schreiben unter Hinweis auf den bestandskräftigen Bescheid vom 25.04.1989 ablehnte. Zuletzt beantragte die Klägerin für ihren Ehemann am 12.11.2007 - per Mail - die nochmalige Überprüfung des Arbeitsunfalls ihres Ehemannes, der mittlerweile pflegebedürftig sei. Sie legte die ärztliche Bescheinigung von Dr. D. vom 17.07.1990 vor. Am Unfalltag habe er u.a. eine Schürfwunde im Gesicht und am Nasenrücken, Brillenhämatome beidseits und eine instabile Nase diagnostiziert. Der Versicherte sei wegen der Arbeitsunfallfolgen vom 16.05.1988 bis 05.06.1988 arbeitsunfähig gewesen sei. Mit Bescheid vom 21.01.2008 lehnte die Beklagte die Rücknahme ihres Bescheides vom 25.04.1989 sowie des Widerspruchsbescheids vom 19.10.1989, die Feststellung einer Augenerkrankung als Unfallfolge und die damit erforderliche Brillenversorgung ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2008 zurückgewiesen.
Die am 17.06.2008 beim Sozialgericht Karlsruhe von der Klägerin als Rechtsnachfolgerin erhobene Klage wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Versicherte falsch behandelt worden sei. Er sei in der Augenklinik O. einer falschen Operation unterzogen worden, weil Dr. D. den Arbeitsunfall keiner Klinik gemeldet habe. Dr. W. habe einen Augenschaden durch den Nasenbeinbruch festgestellt, aber habe sonst überhaupt nichts untersucht oder Dr. G. hiervon in Kenntnis gesetzt. Vorgelegt wurde der Entlassungsbericht der Klinik für geriatrische Rehabilitation G. vom 21.12.2006, wo der Versicherte vom 31.10.2006 bis 05.12.2006 in stationärer rehabilitativer Behandlung war (Diagnosen u.a.: verzögerte Rekonvaleszens mit Einschränkung von Mobilität und Selbsthilfefähigkeit bei Zustand nach intracerebraler Blutung unter Marcumar und hypertensiver Entgleisung im Thalamusbereich rechts mit beginnendem Hydrozephalus occlusivus bei Kompression des 3. Ventrikels, Zustand nach Arbeitsunfall mit Schädel-Hirn-Trauma 1988). Mit Gerichtsbescheid vom 15.09.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab.
Hiergegen hat die Klägerin mit am 11.10.2010 beim Sozialgericht eingegangenem Schreiben Berufung eingelegt und macht geltend, der Unfallzeuge A. S. sei nicht gehört worden. Ein CT vom 07.06.1988 sei ihr nicht bekannt. Das Gutachten von Prof. Dr. R. beinhalte falsche Schlussfolgerungen. Erneut hat die Klägerin auf den Entlassungsbericht der geriatrischen Klinik G. vom 21.12.2006 verwiesen, die nachträglich noch Folgen des Unfalls diagnostiziert habe.
Die Klägerin beantragt - sachdienlich gefasst -,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.09.2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.05.2008 und den Bescheid der Beklagten vom 25.04.1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.1989 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Sehstörung ihres Ehemannes als Folge des Arbeitsunfalls vom 16.05.1988 festzustellen, Verletztenrente zu gewähren und Kosten für eine Brillenversorgung in Höhe von 895,60 EUR und 63,15 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihr bisheriges Vorbringen und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides.
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Die Vorakten - S 3 U 3584/89 des Sozialgerichts und L 2 U 1996/90 des Landessozialgerichts - sind nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist vernichtet worden und konnten nicht beigezogen werden. Auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Unterlagen und die vor dem Senat angefallene Akte im Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat trotz Ausbleibens der Klägerin mündlich verhandeln und entscheiden können, da die Klägerin ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG). Das am 18.04.2011 - somit erst nach der Urteilsverkündung eingegangene - Attest der Ärztin B. hat der Senat nicht berücksichtigen können.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und insgesamt zulässig.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten 21.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.05.2008 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rücknahme des bestandskräftigen Bescheids vom 25.04.1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.1989 und auf die begehrte Feststellung von Unfallfolgen, Gewährung einer Verletztenrente für die Vergangenheit und auf Kostenersatz.
Die Klägerin ist als Sonderrechtsnachfolgerin (§ 56 Abs. 1 SGB I) und Erbin ihres verstorbenen Ehemannes auch nach dessen Tod befugt, den vom Versicherten gestellten Antrag nach § 44 SGB X und die von ihr erhobene Klage weiter zu verfolgen.
Richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Ziels ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG bzw. Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Einer zusätzlichen Verpflichtungsklage, mit der die Beklagte verpflichtet werden soll, ihren früheren, dem Anspruch entgegenstehenden Bescheid selbst aufzuheben, bedarf es in einem Gerichtsverfahren zur Überprüfung eines Verwaltungsakts nach § 44 SGB X nicht (vgl. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18). Zutreffend hat das Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid dagegen die Leistungsklage auf Kostenerstattung für die Brillenversorgung als unzulässig zurückgewiesen, da insoweit kein anfechtbarer Verwaltungsakt der Beklagten ergangen ist.
Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr 15; BSG SozR 2200 § 1268 Nr. 29). Auch wenn der Versicherte schon wiederholt Überprüfungsanträge nach § 44 SGB X gestellt hat, darf die Verwaltung einen erneuten Antrag nicht ohne Rücksicht auf die wirkliche Sach- und Rechtslage zurückweisen. Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss sie in eine erneute Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr. 15; BSG SozR 3-2600 § 243 Nr. 8 S 27 f; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 23 S 119 f). In § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind zwei Alternativen angeführt, weswegen ein Verwaltungsakt zurückzunehmen ist. Das Recht kann unrichtig angewandt oder es kann von einem Sachverhalt ausgegangen worden sein, der sich als unrichtig erweist. Nur für die zweite Alternative kann es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel und ein abgestuftes Verfahren, wie teilweise in vorangegangener Rechtsprechung angenommen (vgl. BSG vom 3. Februar 1988 - 9/9a RV 18/86 - BSGE 63, 33 = SozR 1300 § 44 Nr 33 und BSG vom 3. April 2004 - B 4 RA 22/00 R - BSGE 88, 75 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 20), ankommen. Bei der ersten Alternative handelt es sich um eine rein juristische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, zu der von Seiten des Versicherten zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss (vgl. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18).
Nach diesen Grundsätzen hat das Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin weder eine fehlerhafte Rechtsanwendung bei Erlass des Bescheides vom 25.04.1989 bzw. des Widerspruchsbescheids vom 19.10.1989 noch einen auf falschen Tatsachen beruhenden unrichtigen Sachverhalt, auf den die Bescheide gestützt sind, nachgewiesen hat. Der Senat verweist nach eigener Prüfung insoweit auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid vom 15.09.2010 (Seite 5 und 6) und sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Nach dem überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. R. vom 18.09.1989 kann die Augenstörung in Form einer Doppelbildwahrnehmung als Folge eines Traumas der Orbita oder einer Hämatombildung auftreten. Der Gutachter Prof. Dr. R. schloss aber nachvollziehbar eine traumatisch bedingte Augenstörung aus, weil die Sehstörung nicht unmittelbar nach dem Unfall, was bei einer Traumafolge zu erwarten ist, aufgetreten ist. Traumatisch bedingte Verletzungen der Orbita sind bei der körperlichen Untersuchung am Unfalltag durch den Durchgangsarzt Dr. R. und 2 Tage später am 18.05.1988 durch den HNO-Arzt Dr. W. - wie auch nach seinem Röntgenbefund vom 20.05.1988 - nicht erhoben worden. Ebenso schloss die CT-Aufnahme der Nasennebenhöhlen sowie der Orbita am 07.06.1988 einen pathologischen Prozess der Orbita beidseits aus. Lediglich ein Brillenhämatom beidseits war von Dr. D. am Unfalltag (laut Bescheinigung von 1990) und von Dr. W. am 18.05.1988 (vgl. sein Bericht vom 30.05.1988) diagnostiziert worden, entgegen des Berichtes des Durchgangsarztes, der am Unfalltag mit Ausnahme des Nasenrückens die Sinnesorgane des Versicherten äußerlich und funktionell "ohne Befund" beschrieben hatte (Durchgangsarztbericht von Dr. R.). Bestehen daher bereits Zweifel, ob die von Prof. Dr. R. genannten Verletzungen als Ausgangsbedingungen einer Doppelbildwahrnehmung am Unfalltag überhaupt vorlagen, ist jedenfalls auch zur Überzeugung des Senats durch die pauschale Behauptung der Klägerin nicht nachgewiesen, dass das Gutachten von Prof. Dr. R. sonst fehlerhaft gewesen wäre und deshalb der bestandskräftige Ablehnungsbescheid der Beklagten auf einem unrichtigen Sachverhalt beruht. Denn selbst wenn als Traumafolge ein Brillenhämatom unterstellt würde, ist die Doppelbildwahrnehmung des Versicherten nicht auf den Arbeitsunfall zurückzuführen, da sie nicht unmittelbar nach dem Unfall aufgetreten ist. Prof. Dr. R. stützt sich in seinem Gutachten auf die eigenen Angaben des Versicherten, wonach er ungefähr 14 Tage nach dem Unfall Doppelbildwahrnehmung hatte, die zunächst übereinander und später nebeneinander gewesen seien. Dies stimmt mit den auch anderweitig ärztlich dokumentierten Angaben des Versicherten überein. Bei der Untersuchung durch Dr. S. am 01.06.1988 hatte der Ehemann der Klägerin angegeben, seit einigen Tagen ein Druckgefühl an der Nase und an der Stirn über den Augen zu haben. Erstmals werden zum Zeitpunkt der Untersuchung bei Augenbewegungen nach oben Doppelbilder beschrieben (Befundbericht von Dr. S. vom 01.06.1988).
Einen Nachweis für einen anderen entscheidungsrelevanten Sachverhalt hat die Klägerin nicht geführt. Das CT vom 07.06.1988 liegt nicht mehr vor. Hinweise darauf, dass der aktenkundige Bericht des Radiologen Dr. G. vom 08.06.1988, den der Senat urkundenbeweislich verwertet, unrichtig ist, ergeben sich nicht. Solche hat auch die Klägerin nicht substantiiert dargelegt. Aus dem vorgelegten Rehabilitationsbericht der Klinik für geriatrische Rehabilitation G. vom 21.12.2006 ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin kein anderer Befund. Soweit unter den Diagnosen ein Zustand nach Arbeitsunfall mit Schädel-Hirn-Trauma 1988 erwähnt ist, enthält der Rehabilitationsbericht keine eigenen Befunde, welche diese Diagnose stützen. Es spricht vielmehr einiges dafür, dass es sich hierbei nur um eine anamnestisch wiedergegebene Diagnose handelt. Der Rehabilitationsbericht der Klinik ist jedenfalls nicht geeignet, die zeitnah zum Unfall erhobenen Befunde des Durchgangsarztes, der keinerlei Zeichen einer Gehirnerschütterung ("keinerlei Commotiozeichen"), geschweige denn einer substantiellen Hirngewebeverletzung oder sonstige hirnorganisch bedingte Ausfälle beschrieben hatte, zu widerlegen.
Ist die Sehstörung des Versicherten keine Unfallfolge, ist eine etwaige Falschbehandlung - wofür der Senat auch keinerlei Anhaltspunkte hat - im Zusammenhang mit der sonach nicht durch den Arbeitsunfall veranlassten Augenoperation nicht dem Arbeitsunfall zuzurechnen. Die angeregte Vernehmung des früheren Arbeitskollegen S. drängt sich bei dieser Sachlage nicht auf, zumal die Klägerin ein konkretes Beweisthema, zu dessen Aufklärung das bezeichnete Beweismittel dienen sollte, nicht dargelegt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Rahmen einer Zugunstenentscheidung nach § 44 Sozialgesetzbuch (SGB) X die Feststellung von Unfallfolgen und die nachträgliche Gewährung von Leistungen wegen eines im Jahre 1988 erlittenen Arbeitsunfalls ihres verstorbenen Ehemannes.
Der 1932 geborene und am 29.05.2008 verstorbene Ehemann der Klägerin, der Versicherte, war am 16.05.1988 als Maurer auf einer Baustelle tätig, als ihm ein Kantholz in das Gesicht fiel (Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 18.05.1988). Der Durchgangsarzt Dr. R. diagnostizierte am Unfalltag eine Nasenbeinfraktur mit leichter Stufenbildung, sonst keinerlei Commotiozeichen. Die Sinnesorgane waren äußerlich und funktionell, mit Ausnahme einer Schürf-Prellwunde auf dem geschwollenen Nasenrücken, ohne Befund (Durchgangsarztbericht von Dr. R. vom 16.05.1988). Aufgrund der Untersuchung am 18.05.1988 beschrieb HNO-Arzt Dr. W. eine Schiefnase nach links mit Septumdeviation nach links, eine offene und behandelte Wunde am Nasenrücken, ein Brillenhämatom beidseits sowie eine instabile, deutlich kreptierende Nase (HNO-Arztbericht vom 30.05.1988). Am 01.06.1988 stellte sich der Versicherte dem Neurologen und Psychiater Dr. S. vor, der als Befund eine leichte Protrusio bulbi (Hervortreten des Augapfels) beidseits, leichte Anisokorie (seitendifferente Weite der Pupillen) zu Gunsten links, bei Augenbewegung nach oben Doppelbilder mit im übrigen regelrechten Hirnnervenfunktionen erhob. Der Versicherte habe angegeben, seit einigen Tagen Nackenschmerzen, ein Druckgefühl an der Nase, an der Stirn über den Augen zu haben, und allgemein an fehlendem Wohlbefinden zu leiden. Augenstörungen seien ihm, dem Versicherten, schon länger bekannt (Bericht von Dr. S. vom 01.06.1988). Die von Dr. S. bei Dr. G. veranlasste Computertomographie (CT) vom 07.06.1988 ergab keinen Hinweis für einen pathologischen Prozess der Orbita (Augenhöhle) beidseits oder für eine Einblutung in den retroorbitalen Trichter (Befundbericht von Dr. G. vom 08.06.1988). Ab 12.06.1988 war der Versicherte wieder arbeitsfähig (Mitteilung von Dr. W. vom 03.06.1988).
Der Versicherte wurde während der stationären Behandlung vom 12.07. bis 19.07.1988 am 13.07.1988 in der Augenklinik des Kreiskrankenhauses O. wegen einer dekompensierten Exophorie (latentes Schielen) operiert. Die Schieloperation verlief komplikationslos mit anschließendem unauffälligen Heilverlauf (Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses O. vom 05.08.1988). Der Leitende Arzt der Augenklinik Prof. Dr. F. sowie die behandelnde Augenärztin Dr. B. verneinten einen Zusammenhang der Augenstörung mit dem Unfall. Ursache der Doppelbildwahrnehmung sei die endokrine Orbitopathie (Autoimmunkrankheit der Augenmuskeln u. des orbitalen Bindegewebes bei Basedow-Krankheit, vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Stichwort: Orbitopathie, endokrine) des Versicherten (Bericht von Prof. Dr. F. vom 23.03.1989; Bericht von Dr. B. vom 21.03.1989). Mit Bescheid vom 25.04.1989 lehnte die S. Bau-Berufsgenossenschaft, eine Rechtsvorgängerin der Beklagten - im folgenden nur noch Beklagte -, die Gewährung einer Verletztenrente an den Versicherten ab. Im Rahmen des hiergegen eingeleiteten Widerspruchsverfahrens wurde das augenfachärztlichen Gutachten von Prof. Dr. R. vom 18.09.1989 eingeholt, in dem der Gutachter einen unfallbedingten Zusammenhang der dekompensierten Exophorie und dem jetzt vorliegenden Einwärtsschielen ausschloss. Eine Doppelbildwahrnehmung nach einem Unfall könne einerseits durch eine Verletzung der Orbita bzw. durch eine Hämatombildung entstehen. Die Doppelbildwahrnehmung träte sofort nach einem Unfall auf. Beim Versicherten seien jedoch erst 14 Tage nach dem Unfall Doppelbilder wahrgenommen worden. Widerspruch, Klage, Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde des Versicherten blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19.10.1989; Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.06.1990 - S 3 U 3584/89 -, Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10.07.1991 - L 2 U 1996/90 -; Beschluss des Bundessozialgerichts vom 30.10.1991 - 2 BU 172/91 -).
Der Versicherte bzw. seine Ehefrau beantragten in der Folge mehrfach die Gewährung einer Verletztenrente, was die Beklagte jeweils mit formlosen Schreiben unter Hinweis auf den bestandskräftigen Bescheid vom 25.04.1989 ablehnte. Zuletzt beantragte die Klägerin für ihren Ehemann am 12.11.2007 - per Mail - die nochmalige Überprüfung des Arbeitsunfalls ihres Ehemannes, der mittlerweile pflegebedürftig sei. Sie legte die ärztliche Bescheinigung von Dr. D. vom 17.07.1990 vor. Am Unfalltag habe er u.a. eine Schürfwunde im Gesicht und am Nasenrücken, Brillenhämatome beidseits und eine instabile Nase diagnostiziert. Der Versicherte sei wegen der Arbeitsunfallfolgen vom 16.05.1988 bis 05.06.1988 arbeitsunfähig gewesen sei. Mit Bescheid vom 21.01.2008 lehnte die Beklagte die Rücknahme ihres Bescheides vom 25.04.1989 sowie des Widerspruchsbescheids vom 19.10.1989, die Feststellung einer Augenerkrankung als Unfallfolge und die damit erforderliche Brillenversorgung ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2008 zurückgewiesen.
Die am 17.06.2008 beim Sozialgericht Karlsruhe von der Klägerin als Rechtsnachfolgerin erhobene Klage wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Versicherte falsch behandelt worden sei. Er sei in der Augenklinik O. einer falschen Operation unterzogen worden, weil Dr. D. den Arbeitsunfall keiner Klinik gemeldet habe. Dr. W. habe einen Augenschaden durch den Nasenbeinbruch festgestellt, aber habe sonst überhaupt nichts untersucht oder Dr. G. hiervon in Kenntnis gesetzt. Vorgelegt wurde der Entlassungsbericht der Klinik für geriatrische Rehabilitation G. vom 21.12.2006, wo der Versicherte vom 31.10.2006 bis 05.12.2006 in stationärer rehabilitativer Behandlung war (Diagnosen u.a.: verzögerte Rekonvaleszens mit Einschränkung von Mobilität und Selbsthilfefähigkeit bei Zustand nach intracerebraler Blutung unter Marcumar und hypertensiver Entgleisung im Thalamusbereich rechts mit beginnendem Hydrozephalus occlusivus bei Kompression des 3. Ventrikels, Zustand nach Arbeitsunfall mit Schädel-Hirn-Trauma 1988). Mit Gerichtsbescheid vom 15.09.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab.
Hiergegen hat die Klägerin mit am 11.10.2010 beim Sozialgericht eingegangenem Schreiben Berufung eingelegt und macht geltend, der Unfallzeuge A. S. sei nicht gehört worden. Ein CT vom 07.06.1988 sei ihr nicht bekannt. Das Gutachten von Prof. Dr. R. beinhalte falsche Schlussfolgerungen. Erneut hat die Klägerin auf den Entlassungsbericht der geriatrischen Klinik G. vom 21.12.2006 verwiesen, die nachträglich noch Folgen des Unfalls diagnostiziert habe.
Die Klägerin beantragt - sachdienlich gefasst -,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.09.2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.05.2008 und den Bescheid der Beklagten vom 25.04.1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.1989 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Sehstörung ihres Ehemannes als Folge des Arbeitsunfalls vom 16.05.1988 festzustellen, Verletztenrente zu gewähren und Kosten für eine Brillenversorgung in Höhe von 895,60 EUR und 63,15 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihr bisheriges Vorbringen und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides.
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Die Vorakten - S 3 U 3584/89 des Sozialgerichts und L 2 U 1996/90 des Landessozialgerichts - sind nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist vernichtet worden und konnten nicht beigezogen werden. Auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Unterlagen und die vor dem Senat angefallene Akte im Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat trotz Ausbleibens der Klägerin mündlich verhandeln und entscheiden können, da die Klägerin ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG). Das am 18.04.2011 - somit erst nach der Urteilsverkündung eingegangene - Attest der Ärztin B. hat der Senat nicht berücksichtigen können.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und insgesamt zulässig.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten 21.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.05.2008 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rücknahme des bestandskräftigen Bescheids vom 25.04.1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.1989 und auf die begehrte Feststellung von Unfallfolgen, Gewährung einer Verletztenrente für die Vergangenheit und auf Kostenersatz.
Die Klägerin ist als Sonderrechtsnachfolgerin (§ 56 Abs. 1 SGB I) und Erbin ihres verstorbenen Ehemannes auch nach dessen Tod befugt, den vom Versicherten gestellten Antrag nach § 44 SGB X und die von ihr erhobene Klage weiter zu verfolgen.
Richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Ziels ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG bzw. Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Einer zusätzlichen Verpflichtungsklage, mit der die Beklagte verpflichtet werden soll, ihren früheren, dem Anspruch entgegenstehenden Bescheid selbst aufzuheben, bedarf es in einem Gerichtsverfahren zur Überprüfung eines Verwaltungsakts nach § 44 SGB X nicht (vgl. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18). Zutreffend hat das Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid dagegen die Leistungsklage auf Kostenerstattung für die Brillenversorgung als unzulässig zurückgewiesen, da insoweit kein anfechtbarer Verwaltungsakt der Beklagten ergangen ist.
Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr 15; BSG SozR 2200 § 1268 Nr. 29). Auch wenn der Versicherte schon wiederholt Überprüfungsanträge nach § 44 SGB X gestellt hat, darf die Verwaltung einen erneuten Antrag nicht ohne Rücksicht auf die wirkliche Sach- und Rechtslage zurückweisen. Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss sie in eine erneute Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr. 15; BSG SozR 3-2600 § 243 Nr. 8 S 27 f; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 23 S 119 f). In § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind zwei Alternativen angeführt, weswegen ein Verwaltungsakt zurückzunehmen ist. Das Recht kann unrichtig angewandt oder es kann von einem Sachverhalt ausgegangen worden sein, der sich als unrichtig erweist. Nur für die zweite Alternative kann es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel und ein abgestuftes Verfahren, wie teilweise in vorangegangener Rechtsprechung angenommen (vgl. BSG vom 3. Februar 1988 - 9/9a RV 18/86 - BSGE 63, 33 = SozR 1300 § 44 Nr 33 und BSG vom 3. April 2004 - B 4 RA 22/00 R - BSGE 88, 75 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 20), ankommen. Bei der ersten Alternative handelt es sich um eine rein juristische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, zu der von Seiten des Versicherten zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss (vgl. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18).
Nach diesen Grundsätzen hat das Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin weder eine fehlerhafte Rechtsanwendung bei Erlass des Bescheides vom 25.04.1989 bzw. des Widerspruchsbescheids vom 19.10.1989 noch einen auf falschen Tatsachen beruhenden unrichtigen Sachverhalt, auf den die Bescheide gestützt sind, nachgewiesen hat. Der Senat verweist nach eigener Prüfung insoweit auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid vom 15.09.2010 (Seite 5 und 6) und sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Nach dem überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. R. vom 18.09.1989 kann die Augenstörung in Form einer Doppelbildwahrnehmung als Folge eines Traumas der Orbita oder einer Hämatombildung auftreten. Der Gutachter Prof. Dr. R. schloss aber nachvollziehbar eine traumatisch bedingte Augenstörung aus, weil die Sehstörung nicht unmittelbar nach dem Unfall, was bei einer Traumafolge zu erwarten ist, aufgetreten ist. Traumatisch bedingte Verletzungen der Orbita sind bei der körperlichen Untersuchung am Unfalltag durch den Durchgangsarzt Dr. R. und 2 Tage später am 18.05.1988 durch den HNO-Arzt Dr. W. - wie auch nach seinem Röntgenbefund vom 20.05.1988 - nicht erhoben worden. Ebenso schloss die CT-Aufnahme der Nasennebenhöhlen sowie der Orbita am 07.06.1988 einen pathologischen Prozess der Orbita beidseits aus. Lediglich ein Brillenhämatom beidseits war von Dr. D. am Unfalltag (laut Bescheinigung von 1990) und von Dr. W. am 18.05.1988 (vgl. sein Bericht vom 30.05.1988) diagnostiziert worden, entgegen des Berichtes des Durchgangsarztes, der am Unfalltag mit Ausnahme des Nasenrückens die Sinnesorgane des Versicherten äußerlich und funktionell "ohne Befund" beschrieben hatte (Durchgangsarztbericht von Dr. R.). Bestehen daher bereits Zweifel, ob die von Prof. Dr. R. genannten Verletzungen als Ausgangsbedingungen einer Doppelbildwahrnehmung am Unfalltag überhaupt vorlagen, ist jedenfalls auch zur Überzeugung des Senats durch die pauschale Behauptung der Klägerin nicht nachgewiesen, dass das Gutachten von Prof. Dr. R. sonst fehlerhaft gewesen wäre und deshalb der bestandskräftige Ablehnungsbescheid der Beklagten auf einem unrichtigen Sachverhalt beruht. Denn selbst wenn als Traumafolge ein Brillenhämatom unterstellt würde, ist die Doppelbildwahrnehmung des Versicherten nicht auf den Arbeitsunfall zurückzuführen, da sie nicht unmittelbar nach dem Unfall aufgetreten ist. Prof. Dr. R. stützt sich in seinem Gutachten auf die eigenen Angaben des Versicherten, wonach er ungefähr 14 Tage nach dem Unfall Doppelbildwahrnehmung hatte, die zunächst übereinander und später nebeneinander gewesen seien. Dies stimmt mit den auch anderweitig ärztlich dokumentierten Angaben des Versicherten überein. Bei der Untersuchung durch Dr. S. am 01.06.1988 hatte der Ehemann der Klägerin angegeben, seit einigen Tagen ein Druckgefühl an der Nase und an der Stirn über den Augen zu haben. Erstmals werden zum Zeitpunkt der Untersuchung bei Augenbewegungen nach oben Doppelbilder beschrieben (Befundbericht von Dr. S. vom 01.06.1988).
Einen Nachweis für einen anderen entscheidungsrelevanten Sachverhalt hat die Klägerin nicht geführt. Das CT vom 07.06.1988 liegt nicht mehr vor. Hinweise darauf, dass der aktenkundige Bericht des Radiologen Dr. G. vom 08.06.1988, den der Senat urkundenbeweislich verwertet, unrichtig ist, ergeben sich nicht. Solche hat auch die Klägerin nicht substantiiert dargelegt. Aus dem vorgelegten Rehabilitationsbericht der Klinik für geriatrische Rehabilitation G. vom 21.12.2006 ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin kein anderer Befund. Soweit unter den Diagnosen ein Zustand nach Arbeitsunfall mit Schädel-Hirn-Trauma 1988 erwähnt ist, enthält der Rehabilitationsbericht keine eigenen Befunde, welche diese Diagnose stützen. Es spricht vielmehr einiges dafür, dass es sich hierbei nur um eine anamnestisch wiedergegebene Diagnose handelt. Der Rehabilitationsbericht der Klinik ist jedenfalls nicht geeignet, die zeitnah zum Unfall erhobenen Befunde des Durchgangsarztes, der keinerlei Zeichen einer Gehirnerschütterung ("keinerlei Commotiozeichen"), geschweige denn einer substantiellen Hirngewebeverletzung oder sonstige hirnorganisch bedingte Ausfälle beschrieben hatte, zu widerlegen.
Ist die Sehstörung des Versicherten keine Unfallfolge, ist eine etwaige Falschbehandlung - wofür der Senat auch keinerlei Anhaltspunkte hat - im Zusammenhang mit der sonach nicht durch den Arbeitsunfall veranlassten Augenoperation nicht dem Arbeitsunfall zuzurechnen. Die angeregte Vernehmung des früheren Arbeitskollegen S. drängt sich bei dieser Sachlage nicht auf, zumal die Klägerin ein konkretes Beweisthema, zu dessen Aufklärung das bezeichnete Beweismittel dienen sollte, nicht dargelegt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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