L 5 AS 397/10 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 128 AS 18211/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 AS 397/10 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 Satz 1 ZPO ist der Zeitpunkt der Entscheidungsreife maßgeblich. Auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kommt es insofern nicht an. Erkenntnisse, die sich nach dem Zeitpunkt der Entscheidungsreife und vor der gerichtlichen Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ergeben, sind für die Entscheidung zur Prozesskostenhilfe ohne Bedeutung. Die Entscheidungsreife tritt erst ein, wenn der vollständige Antrag auf Prozesskostenhilfe in der durch § 117 Abs. 1 ZPO vorgegebenen Form einschließlich der gemäß § 117 Abs. 2 ZPO erforderlichen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und der nötigen Belege eingegangen ist und das Gericht dem Prozessgegner gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO angemessene Zeit zur Stellungnahme und erforderlichenfalls den Beteiligten gemäß § 118 Abs. 2 ZPO die Gelegenheit gegeben hat, ihre tatsächlichen Behauptungen glaubhaft zu machen (Bayerisches Landessozialgericht, Be-schluss vom 19. März 2009, L 7 AS 64/09 B PKH).

Gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann nicht eingewandt werden, dass das Begehren lediglich in einem geringfügigen Umfang (hier 0,01 EUR) hinreichende Aussicht auf Erfolg habe, sofern es sich bei dem Streitgegenstand nicht insgesamt um einen Bagatellbetrag handelt.
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 5. Januar 2010 aufgehoben. Dem Kläger wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmungen unter Beiordnung von Rechtsanwalt C L bewilligt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe:

Die am 19. Februar 2010 eingegangene Beschwerde des Klägers gegen den ihm am 19. Januar 2010 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 5. Januar 2010, mit dem der Antrag auf Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt worden ist, hat Erfolg.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der hilfebedürftige Kläger hat aus § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit den §§ 114 Satz 1, 121 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) einen Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Rechtsanwalts, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erschein, wobei die Beiordnung als erforderlich angesehen wird.

Der Kläger begehrt mit seiner am 15. Juni 2009 beim Sozialgericht erhobenen Klage, den Beklagten unter Aufhebung des Überprüfungsbescheides vom 25. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2009 zu verpflichten, den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 2. Juli 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 5. Oktober 2009 zurückzunehmen. Dem Kläger und seiner mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Lebensgefährtin wurden mit Bescheid vom 6. September 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. Mai 2008 bewilligt. In den Monaten März und April 2008 erzielten die beiden Arbeitsentgelte aus einem jeweils am 21. März 2008 begonnenen Beschäftigungsverhältnis. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 2. Juli 2008 wurde die Leistungsbewilligung des Klägers für die Zeit vom 1. März 2008 bis zum 30. April 2008 teilweise aufgehoben und Leistungen in Höhe von 642,78 EUR von ihm zurückgefordert. Hiergegen legte der Kläger keinen Widerspruch ein. Am 7. Januar 2009 beantragte er jedoch die Überprüfung des genannten Bescheides. Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 25. Februar 2009 ab. Seinen am 5. März 2009 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger unter anderem damit, dass die ursprüngliche Leistungsbewilligung insoweit fehlerhaft gewesen sei, als der Beklagte die berücksichtigte Warmwasserpauschale zu hoch veranschlagt habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klage hat der Kläger damit begründet, dass es dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid an hinreichender Bestimmtheit fehle. Zudem verwies er nochmals auf die bei der ursprünglichen Leistungsbewilligung nach seiner Meinung zu hoch angesetzte Warmwasserpauschale und machte in diesem Zusammenhang auch höhere Regelleistungen geltend. Im Übrigen könne aus Gründen des Vertrauensschutzes keine Rückforderung von Leistungen erfolgen. Der Beklagte hat mit zwei Änderungsbescheiden vom 5. Oktober 2009 für die Zeit vom 1. März 2008 bis zum 30. April 2008 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung bewilligt und den Aufhebungs- und Rückforderungsbetrag auf 509,62 EUR verringert.

Die Klage hatte zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. November 2008, L 28 B 1978/08 AS PKH; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. März 2010, L 6 B 158/09 AS; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 2. Juli 2007, 19 C 07.1311; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Januar 2011, L 2 R 2984/10 B; Beschluss vom 2. Dezember 2004, 12 S 2793/04) hinreichende Erfolgsaussicht. Auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kommt es insofern nicht an. Erkenntnisse, die sich nach dem Zeitpunkt der Entscheidungsreife und vor der gerichtlichen Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ergeben, sind für die Entscheidung zur Prozesskostenhilfe ohne Bedeutung (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 19. März 2009, L 7 AS 64/09 B PKH; Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 21. Oktober 2010, L 7 SO 67/10 B). Die Entscheidungsreife tritt erst ein, wenn der vollständige Prozesskostenhilfeantrag in der durch § 117 Abs. 1 ZPO vorgegebenen Form einschließlich der gemäß § 117 Abs. 2 ZPO erforderlichen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und der nötigen Belege eingegangen ist und das Gericht dem Prozessgegner gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO angemessene Zeit zur Stellungnahme und erforderlichenfalls den Beteiligten gemäß § 118 Abs. 2 ZPO die Gelegenheit gegeben hat, ihre tatsächlichen Behauptungen glaubhaft zu machen (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 19. März 2009, L 7 AS 64/09 B PKH; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. April 2010, L 11 R 6027/09 B). Nach dieser Maßgabe ist die Entscheidungsreife des Antrages auf Prozesskostenhilfe hier am 25. August 2009 mit dem Eingang der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten, nachdem der Beklagte bereits am 31. Juli 2009 Stellung genommen hatte.

Demnach muss der durch den Änderungsbescheid vom 5. Oktober 2009, mit dem der Aufhebungs- und Erstattungsbetrag verringert worden ist, tatsächlich eingetretene Erfolg außer Betracht bleiben. Auch soweit der Kläger im Widerspruchsverfahren die nachträgliche Erbringung höherer Leistungen für den streitgegenständlichen Zeitraum geltend gemacht hat und darin ein weiterer Überprüfungsantrag zu sehen war, der zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife noch nicht beschieden gewesen ist, führt das nicht zu einer hinreichenden Erfolgsaussicht. Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist der Überprüfungsbescheid hinsichtlich des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 2. Juli 2008. Dagegen war der Bewilligungsbescheid vom 6. September 2007 zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrages auf Prozesskostenhilfe im Sinne des § 77 SGG bindend. Daran ändert auch die in § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) enthaltene Überprüfungsvorschrift nichts. Sie betrifft das Verwaltungsverfahren und regelt das Recht der Behörde zur Rücknahme eines bindend gewordenen Verwaltungsaktes und die Pflicht zu einer eventuellen Neufeststellung. Sie kann jedoch die prozessualen Befugnisse des Gerichts nicht erweitern (Bundessozialgericht, Urteil vom 4. Mai 1999, B 2 U 19/98 R; Urteil vom 31. Mai 1988, 2 RU 67/87, diese und die nachfolgend zitierten Entscheidungen sind bei der Datenbank Juris abrufbar).

Gleichwohl muss dem Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife ein Anspruch auf teilweise Rücknahme des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides in Höhe von 0,01 EUR zugestanden werden. Anspruchsgrundlage ist § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 44 Abs. 1 SGB X. Die dort vorausgesetzte unrichtige Rechtsanwendung liegt in dem genannten Umfang vor.

Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Die nach § 24 Abs. 1 SGB X erforderliche Anhörung wurde mit Schreiben vom 29. Mai 2008 durchgeführt. Soweit sich der Kläger auf eine fehlende Bestimmtheit beruft, ist dem entgegenzuhalten, dass ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid dem Bestimmtheitsgebot aus § 33 Abs. 1 SGB X dann genügt, wenn daraus eindeutig hervorgeht, wem gegenüber welche Bewilligung für welchen Zeitraum in welcher Höhe aufgehoben und welcher Betrag von wem zurückgefordert wird (vgl. zum Beispiel Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 15. Januar 2010, L 7 AS 564/09 NZB; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Oktober 2007, L 7 SO 2899/06), wobei das Bundessozialgericht es für ausreichend hält, dass sich die Höhe der Erstattungsforderung aus den im Aufhebungszeitraum gewährten Leistungen errechnen lässt (Urteil vom 18. Februar 2010, B 14 AS 76/08 R). Diesen Anforderungen wird der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid gerecht.

Der Bescheid ist jedoch materiell rechtswidrig, soweit die damalige Leistungsbewilligung im Umfang von mehr als 642,77 EUR aufgehoben und mehr als dieser Betrag zurückgefordert wird. Im Übrigen beruht er auf § 40 Abs. 1 Satz 1 sowie Satz 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X und § 330 Abs. 3 Satz 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Erlass des Verwaltungsakts Einkommen erzielt worden ist, das zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Hierbei gilt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X in Fällen, in denen Einkommen auf einen zurückliegenden Zeitraum anzurechnen ist, als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse der Beginn des Anrechnungszeitraums.

Das erzielte Einkommen des Klägers und seiner Lebensgefährtin führte im streitigen Zeitraum im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X zur Minderung des Anspruchs des Klägers, so dass die Bewilligung schon aus diesem Grunde teilweise aufzuheben war. Die Hilfebedürftigkeit des Klägers wurde durch das erzielte Einkommen vermindert. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht (1.) durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder (2.) aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen.

Von dem anerkannten Bedarf ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II das anzurechnende Einkommen abzuziehen. Dabei sind laufende Einnahmen gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V a. F.) vom 17. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2942) für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Das Arbeitsentgelt wurde dem Konto des Klägers und seiner Lebensgefährtin jeweils am Monatsende gutgeschrieben, so dass es in dem betreffenden Monat zu berücksichtigen war. Insgesamt ist hinsichtlich der streitgegenständlichen Monate von den folgenden Nettoarbeitsentgelten auszugehen, die den Abzug von Steuern und Beiträgen zur Sozialversicherung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 SGB II bereits berücksichtigen: Kläger Lebensgefährtin März 308,48 EUR (400,00 EUR brutto) 258,20 EUR (333,33 EUR brutto) April 770,93 EUR (1.000,- EUR brutto) 774,59 EUR (1.000,- EUR brutto)

Von den Nettoentgelten ist nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II ein Grundfreibetrag in Höhe von 100,- EUR abzusetzen. Die Absetzung eines höheren Grundfreibetrages kommt nicht in Betracht. Sie ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB II nur möglich, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige bei einem monatlichen Einkommen von mehr als 400,- EUR nachweist, dass die Summe der Absetzbeträge aus § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bis Nr. 5 SGB II den Grundfreibetrag von 100,- EUR übersteigt. Im März verdienten der Kläger und seine Lebensgefährtin ohnehin nicht mehr als 400,- EUR. Für beide Monate liegen aber auch keine Absetzbeträge in Höhe von mehr als 100,- EUR vor. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bis Nr. 5 SGB II sind vom Einkommen abzusetzen: Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind (Nr. 3); geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten (Nr. 4); die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben (Nr. 5). Im Rahmen des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II steht dem Kläger und seiner Lebensgefährtin gemäß § 3 Nr. 1 Alg II-V a. F. jeweils ein pauschaler monatlicher Absetzbetrag für Versicherungen in Höhe 30,- EUR zu. Diese Pauschale ist ohne jeden Nachweis abzuziehen (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. September 2009, B 14 AS 56/07 R; Urteil vom 13. Mai 2009, B 4 AS 39/08 R). Darüber hinaus können nur solche Beiträge für Versicherungen im Sinne des § 11 Abs. Satz 1 Nr. 3 SGB II abgesetzt werden, die mit der Versicherungspauschale nicht abgegolten sind und die durch konkrete Ausgaben nachgewiesen werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 21. Dezember 2009, B 14 AS 42/08 R). Hierfür bestehen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte. Zudem ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 Alg II-V a. F. von dem Einkommen Erwerbstätiger für die Beträge nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II bei Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit monatlich ein Sechzigstel der steuerrechtlichen Werbungskostenpauschale (§ 9a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes) als mit seiner Erzielung verbundene notwendige Ausgaben, zusätzlich bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für Wegstrecken zur Ausübung der Erwerbstätigkeit 0,06 EUR für jeden Entfernungskilometer der kürzesten Straßenverbindung, soweit der erwerbsfähige Hilfebedürftige nicht höhere notwendige Ausgaben nachweist. Da der Kläger und seine Lebensgefährtin kein Kraftfahrzeug zur Verfügung hatten, war hier lediglich ein weiterer Betrag in Höhe von 15,33 EUR (ein Sechzigstel der steuerrechtlichen Werbungskostenpauschale) abzusetzen. Weitere anzuerkennende Beträge sind weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich. Damit ergeben sich lediglich Absetzbeträge in Höhe von 45,33 EUR (30,- EUR + 15,33 EUR), so dass der Grundfreibetrag von 100,- EUR jeweils nicht überschritten wird.

Darüber hinaus sind gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SGB II in Verbindung mit § 30 SGB II von dem monatlichen Nettoeinkommen aus der Erwerbstätigkeit jeweils weitere Freibeträge abzusetzen, und zwar für den Teil des monatlichen Bruttoeinkommens, das 100,- EUR übersteigt und nicht mehr als 800,- EUR beträgt, ein Betrag von zwanzig Prozent und für den Teil des monatlichen Bruttoeinkommens, das 800,- EUR übersteigt und nicht mehr als 1.200,- EUR beträgt, ein Betrag von zehn Prozent. Insgesamt verbleiben danach folgende Beträge zur Anrechnung: Einkommen des Klägers Einkommen der Lebensgefährtin Gesamteinkommen März 148,48 EUR 111,53 EUR 260,01 EUR April 510,93 EUR 514,59 EUR 1.025,52 EUR

Die Hilfebedürftigkeit des Klägers richtet sich nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II. Ist danach in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig. Daraus folgt, dass zunächst der Bedarf jeder Person einzeln und hieraus der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft zu ermitteln ist. In einem weiteren Schritt wird dieser Gesamtbedarf dem Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft gegenübergestellt. Der danach nicht durch Einkommen gedeckte Gesamtbedarf wird dann im Verhältnis des jeweiligen Einzelbedarfs zum Gesamtbedarf der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aufgeteilt. Das gilt selbst in den Fällen, in denen das Einkommen einzelner Personen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft zur Deckung ihrer eigenen Bedarfe, nicht jedoch zur Deckung des Gesamtbedarfs der Bedarfsgemeinschaft genügt (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14 AS 55/07 R; Urteil vom 15. April 2008, B 14/7b AS 58/06 R; Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 8/06 R). Der persönliche Leistungsanspruch jedes Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft wird also berechnet, indem der persönliche Bedarf durch den Gesamtbedarf geteilt und mit dem ungedeckten Gesamtbedarf multipliziert wird (Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 9 Rn 39).

Der anerkannte persönliche Bedarf des Klägers betrug im streitgegenständlichen Zeitraum 528,13 EUR (312,- EUR Regelleistungen + 216,13 EUR Unterkunft und Heizung) und der seiner Lebensgefährtin 528,12 EUR (312,- EUR Regeleistungen + 216,12 EUR Unterkunft und Heizung). Der für die Berechnung der einzelnen Ansprüche maßgebliche Gesamtbedarf ist danach auf 1.056,25 EUR zu beziffern. Der ungedeckte Gesamtbedarf betrug für den Monat März 796,24 EUR (1.056,25 EUR – 260,01 EUR) und für April 30,73 EUR (1.056,25 EUR – 1.025,52 EUR).

Ausgehend von diesen Werten ist der jeweilige persönliche Anspruch des Klägers nach Maßgabe der oben genannten Berechnungsformel zu bestimmen. Auf die Berechnungen sind die allgemeinen Grundsätze aus § 338 SGB III anzuwenden (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. März 2008, B 11b AS 23/06 R; vgl. auch § 41 Abs. 2 SGB II in der ab dem 1. April 2011 geltenden Fassung [BGBl. I S. 453, 474]). Nach § 338 Abs. 1 SGB III werden Berechnungen auf zwei Dezimalstellen durchgeführt, wenn – wie hier – nichts Abweichendes bestimmt ist. Bei einer auf Dezimalstellen durchgeführten Berechnung wird gemäß § 338 Abs. 2 SGB II die letzte Dezimalstelle um 1 erhöht, wenn sich in der folgenden Dezimalstelle eine der Zahlen 5 bis 9 ergeben würde. Nach § 338 Abs. 4 SGB III wird eine Multiplikation vor einer Division durchgeführt. Die Rundungsvorschrift des § 41 Abs. 2 SGB II in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung findet dagegen keine Anwendung, da es hier wegen der in § 19 Satz 3 SGB II festgelegten Anrechnungsreihenfolge nur noch um Leistungen für Unterkunft und Heizung geht, für die gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II die tatsächlichen Aufwendungen maßgeblich sind. Die Berechnung der Einzelansprüche hat folgende Ergebnisse: Kläger Lebensgefährtin März 398,12 EUR 398,12 EUR April 15,37 EUR 15,36 EUR

Ausgehend von den monatlich gezahlten Leistungen, von denen auf den Kläger 528,13 EUR und auf die Lebensgefährtin 528,12 EUR entfielen, ergeben sich folgende Überzahlungen: Kläger Lebensgefährtin März 130,01 EUR 130,00 EUR April 512,76 EUR 512,76 EUR Gesamtbetrag 642,77 EUR 642,76 EUR

Der Teilaufhebung steht nicht die Jahresfrist des gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 48 Abs. 4 SGB X entsprechend anzuwendenden § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X entgegen. Danach muss die Behörde, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird, dieses innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme des Verwaltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen. Diese Frist hat der Beklagte eingehalten.

Die Rückforderung der Leistungen folgt aus § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 50 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 SGB X. Danach sind erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, wobei die Behörde die zu erstattende Leistung durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen hat. Die Ausnahmevorschrift des § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II, wonach abweichend von § 50 SGB X sechsundfünfzig Prozent der berücksichtigten Kosten für die Unterkunft, mit Ausnahme der Kosten für die Heizungs- und Warmwasserversorgung, nicht zu erstatten sind, ist gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 SGB II nicht anwendbar, da es sich hier um eine teilweise Aufhebung der Bewilligung handelt.

Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nicht eingewandt werden, dass die Erfolgsaussicht lediglich minimal sei. Zwar ist die Bewilligung dann zu versagen, wenn der Rechtsstreit eine wirtschaftliche Bedeutung nur im Bagatellbereich hat (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Juni 2010, L 5 AS 610/10 B ER; Beschluss vom 10. Februar 2009, L 5 B 1956/08 AS PKH; Beschluss vom 19. Mai 2008, L 10 B 184/08 AS PKH; Beschluss vom 14. Mai 2007, L 10 B 217/07 AS PKH; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Februar 2008, L 13 B 40/07 AS). So liegt der Fall hier jedoch nicht. Die Klage ist von Anfang an darauf gerichtet gewesen, den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid insgesamt zu beseitigen, so dass eine Rückforderung von 642,78 EUR im Streit stand und demnach von einem Bagatellbetrag nicht die Rede sein kann. Im Übrigen besteht in Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren für die anwaltliche Vertretung anfallen, ein Anspruch auf unbeschränkte Prozesskostenhilfe, selbst wenn eine Rechtsverfolgung nur teilweise Aussicht auf Erfolg hat (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. Februar 2010, L 15 AS 1081/09 B; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 26. August 2009, L 11 AS 362/09 B PKH; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 4. Mai 2009, L 3 AS 30/09 B).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Rechtskraft
Aus
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