S 10 KA 701/09

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 10 KA 701/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Mehraufwand in einem Bereich der ärztlichen Behandlung/Verordnung kann nur dann durch anderweitige Einsparungen als kompensiert angesehen werden, wenn belegt bzw. nachgewiesen ist, dass gerade durch den Mehraufwand die Einsparungen erzielt werden und dass diese Behandlungsart medizinisch gleichwertig sowie auch insgesamt kostensparend und damit wirtschaftlich ist (vgl. BSG, Urt. v. 28.01.1998 - B 6 KA 69/96 R - SozR 3-2500 § 106 Nr. 43 = NJW 1998, 3444 = USK 98124, juris Rdnr. 15 m. w. N.).
Ein Verzicht auf das Erfordernis des Nachweises eines kausalen Zusammenhanges oder die Einschränkung der Anforderungen an den Nachweis kann nicht etwa daraus abgeleitet werden, dass es letztlich nur auf eine Art Gesamtwirtschaftlichkeit ankomme und die ärztliche Tätigkeit als einheitlicher Kostenkomplex zu begreifen sei und Durchschnittsüberschreitungen in Teilbereichen ganz oder weitgehend hinzunehmen seien, wenn der Aufwand in anderen Bereichen unter dem Durchschnitt der Vergleichsgruppe liege (vgl. BSG, Urt. v. 05.11.1997 - 6 RKa 1/97 - SozR 3-2500 § 106 Nr. 42 = USK 97140, juris Rdnr. 22 – 25 m.w.N.).
Der Vortrag, eine sparsamere Verordnungsweise sei darauf zurückzuführen, dass besonders sorgfältige und differenzierte internistische Untersuchung der Patienten durchführt werden, ist nicht zum Nachweis kompensatorischer Einsparungen geeignet, da grundsätzlich davon auszugehen, dass auch die Internisten der Vergleichsgruppe sorgfältig die Patienten untersuchen.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise im Bereich der Leistungsgruppe 3 (Beratungs- und Betreuungsleistungen) in den vier Quartalen I bis IV/04 in Höhe von noch insgesamt 28.374,34 EUR unquotiert bzw. 3.899,14 EUR quotiert.

Der Kläger ist als Internist zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt seit 1976 zugelassen. Seit dem Jahr 2000 nimmt er an der hausärztlichen Versorgung teil.

In den streitbefangenen Quartalen entwickelten sich die Fallkosten des Klägers (Kl.) im Vergleich zu seiner Fachgruppe der hausärztlich tätigen Internisten (VG), gewichtet nach Rentneranteilen, wie folgt:

I/04 II/04 III/04 IV/04
Anzahl Praxen/Ärzte 499/573 493/566 488/562 490/564
Fallzahl Kl./VG 639/926 652/923 665/931 658/952
Rentneranteil in % Kl./VG 43/42 44/43 45/44 45/43
Fallkosten gesamt in EUR Kl./VG 85,81/64,10 76,00/61,64 83,96/60,58 80,54/62,12
Überschreitung in EUR 21,71 14,59 23,38 18,40
Überschreitung in % 34 24 39 30

Fallkosten LG 3 Kl./VG in Punkten 782,8/354,8 683,7/332,9 791,4/333,5 779,2/346,9 Überschreitung in Punkten 428,0 350,8 457,9 432,3 Überschreitung in % 121 105 137 125

Der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen führte von Amts wegen ein Prüfverfahren für die streitbefangenen Quartale unter Hinweis auf die Überschreitungswerte der Leistungsgruppe 3 durch.

Der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Hessen, Kammer ZZ., setzte mit Bescheid vom 14.11.2005 aufgrund der Sitzung am 19.10.2005 für die streitbefangenen Quartale eine Honorarabänderung in Höhe von 37.510,85 EUR unquotiert fest. Er kürzte die Bruttohonoraranforderung für die Leistungsgruppe 3 (Beratungs- und Betreuungsleistungen) auf die Fachgruppe + 40 %. Dies ergab für das Quartal I/04 eine Honorarkürzung von 182.805,1 Punkten, für das Quartal II/04 von 141.901,3 Punkten, für das Quartal III/04 von 215.792,5 Punkten und für das Quartal IV/04 von 193.149,3 Punkten. Zur Begründung führte er aus, die Überschreitungswerte stellten ein sogenanntes offensichtliches Missverhältnis dar. Er habe nur die Leistungsgruppe 3 beanstandet und hier insbesondere die Ziffern 10, 11, 18, 19 und 60; diese seien horrend übersetzt. Der Kläger habe eine Stellungnahme nicht abgegeben.

Hiergegen legte der Kläger am 14.12.2005 Widerspruch ein.

Der Beklagte holte einen Prüfbericht bei dem Internisten Dr. IQ. mit Datum vom 18.12.2008 ein, den er dem Kläger zur Stellungnahme vorlegte. Ferner lud er den Kläger zu einer Prüfsitzung am 29.04.2009, an der der Kläger persönlich teilnahm.

Zur Begründung seines Widerspruchs führte der Kläger aus, bei Durchsicht der vom Prüfreferenten herangezogenen 113 Fälle sei leicht zu erkennen, dass der Ansatz der beanstandeten Ziffern sehr leicht durch die vorliegenden Diagnosen begründet werden könne. Der Prüfer habe die Behauptung der unwirtschaftlichen Abrechnung anhand der Beispielsfälle und der vorliegenden Diagnosen nicht begründen können. Das Gutachten sei als Beweismittel unbrauchbar. Laut Statistik liege der Ansatz der Gesprächs- und Untersuchungsziffern über dem Durchschnitt der Fachgruppe. Dieser deutliche Mehraufwand an Zeit sei im Allgemeinen in einer fachärztlich geprägten Praxis erforderlich, um einen internistischen Qualitätsstandard in Diagnostik und Therapie zu erreichen. Aufgrund des Mehraufwandes an Zeit sinke die Fallzahl pro Quartal im Vergleich zum hausärztlichen bzw. allgemeinärztlichen Fachgruppendurchschnitt ab (hier um 20 bis 30 %) bzw. der Fallwert steige an (hier um ca. 30 %). Aufgrund der präziseren Diagnostik werde die medikamentöse Therapie deutlich wirtschaftlicher (hier ca. 33 % geringerer Kostenaufwand für Medikamente und ca. 60 % Einsparungen an Kosten für physikalische Therapie).

Der Beklagte half mit Bescheid vom 09.09.2009 aufgrund der Sitzung am 29.04.2009, dem Kläger am 10.09.2009 zugestellt, dem Widerspruch insoweit ab, als er ihm eine Restüberschreitung von 60 % über dem Fachgruppendurchschnitt beließ. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück. Er ging von einem statistischen Kostenvergleich aus und setzte die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei Überschreitungswerten im Vergleich zur Fachgruppe um ca. 40 bis 50 % oder mehr an. Die allgemeine Durchsicht der Behandlungsunterlagen durch den Fachreferenten zeige, dass die festgestellten hohen Überschreitungswerte bei der Leistungsgruppe 3 nicht auf Besonderheiten in der Behandlungsausrichtung oder im Patientenklientel der Praxis des Klägers, sondern auf ein Abrechnungs- und Behandlungsverhalten zurückzuführen sei, das mit dem Grundsatz einer wirtschaftlichen Behandlungsweise nicht in vollem Umfang in Übereinstimmung zu bringen sei. Die überprüften Fälle sowie Beanstandungen könnten dem Prüfbericht entnommen werden. Die Gesamtfallzahl des Klägers sei für einen statistischen Kostenvergleich ausreichend hoch. Besonders kosten- und behandlungsintensive Fälle könnten von weniger behandlungsaufwendigen Fällen kompensiert werden. Ein überdurchschnittlich hoher Anteil an behandlungs- und beratungsintensiven Fällen, der angesichts der jeweils geringeren Fallzahl zu berücksichtigende Auswirkung hätte haben können, sei nach allgemeiner Betrachtung der Behandlungsunterlagen für ihn nicht erkennbar. In der Leistungsgruppe 3 fielen überdurchschnittlich erhöhte Abrechnungen bei den Ziffern 11, 18, 19 sowie 60 auf. So werde die Ziffer 60 häufig bei Infekten der Atemwege angesetzt, hier sei jedoch kein Ganzkörperstatus indiziert. Die Ziffer 18 sei bei vielen Patienten ungewöhnlich häufig angesetzt als Zuschlag für intensive Gespräche, die in der hier vorkommenden Fülle unwirtschaftlich seien. Der Ansatz der Ziffer 11 als Diagnostik und Behandlung einer psychischen Destabilisierung sei oftmals nicht durch Diagnosen abgesichert. Wenn ein Patient bekannt sei, sei in diesem Falle keine Ziffer 19 anzusetzen. Nur die Aussage einer Pflegekraft, dass der Patient Fieber habe, könne nicht durch die Ziffer 19 abgegolten werden. Die Problematik der hohen Abrechnungswerte in Leistungsgruppe 3 stünde nicht in Zusammenhang mit den festgestellten Unterschreitungswerten im Bereich der Arzneiverordnungskosten. Auch wenn er kompensatorische Einsparungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht habe feststellen können, so solle mit der Erhöhung des belassenen Restüberschreitungswertes allen Eventualitäten der Praxisführung Rechnung getragen werden.

Hiergegen hat der Kläger am 06.10.2009 die Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass die erheblichen Einsparungen, die durch sein Behandlungskonzept im Hinblick auf die Unterschreitungen bei den Arzneiverordnungen bei den physikalisch-therapeutischen Leistungen zu verzeichnen seien, nicht gebührend berücksichtigt worden sei. Er führe die Unterschreitungen auf seine besonders sorgfältige und differenzierte internistische Untersuchung seiner Patienten zurück. Die Untersuchung bliebe nicht lediglich an Symptomen haften, die dann mit teuren Medikamenten, z. B. Antibiotika angegangen werde. Erst seine Differenzialdiagnostik ermögliche es ihm, Medikamente zielgerichteter als offenbar die Fachgruppe einzusetzen. Er verkenne nicht, dass er offenbar mit der Fachgruppe der Internisten der hausärztlichen Versorgungsebene verglichen werde. Er könne sich sein abweichendes Leistungsverhalten derzeit nur so erklären, dass sich die hausärztlichen Internisten dem Leistungs- und Verordnungsverhalten der Allgemeinmediziner ohne internistische Ausbildung angeglichen hätten.

Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Beklagten vom 09.09.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er verweist auf seine Ausführungen im angefochtenen Bescheid und trägt ergänzend vor, ein Vergleich mit der Fachgruppe der Ärzte für Allgemeinmedizin sei nicht erforderlich.

Die übrigen Beteiligten haben sich zum Verfahren schriftsätzlich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 20.11.2009 die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten sowie einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Die Kammer konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der zu 2) bis 8) beigeladenen Krankenkassen bzw. Landesverbänden der Krankenkassen verhandeln und entscheiden, weil diese ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 110 Abs. 1 SGG).

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 09.09.2009 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubescheidung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses. Die Klage war daher abzuweisen.

Gegenstand des Verfahrens ist nur der Bescheid des Beklagten, nicht auch des Prüfungsausschusses. In Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle auf die das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung des Beschwerdeausschusses. Dieser wird mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig. Sein Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt des Prüfungsausschusses, der abweichend von § 95 SGG im Fall der Klageerhebung nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens wird. Eine dennoch gegen diesen Bescheid erhobene Klage ist unzulässig (vgl. BSG, Urt. v. 19.06.1996 - 6 RKa 40/95 - SozR 3-2500 § 106 Nr. 35 = NZS 1997, 135 = USK 96134; zitiert nach juris Rdnr. 12; BSG, Urt. v. 28.06.2000 - B 6 KA 36/98 R - USK 2000-165, juris Rdnr. 14).

Im System der gesetzlichen Krankenversicherung nimmt der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt - Vertragsarzt - die Stellung eines Leistungserbringers ein. Er versorgt die Mitglieder der Krankenkassen mit ärztlichen Behandlungsleistungen, unterfällt damit auch und gerade dem Gebot, sämtliche Leistungen im Rahmen des Wirtschaftlichen zu erbringen. Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, darf er nach dem hier anzuwendenden Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung (§ 12 Abs. 1 SGB V) nicht erbringen.

Rechtsgrundlage für Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise ist § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V in der maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 14.11.2003 (BGBl. I 2190).

Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten beurteilt. Nach den hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist die statistische Vergleichsprüfung die Regelprüfmethode. Die Abrechnungswerte des Arztes werden mit denjenigen seiner Fachgruppe – bzw. mit denen einer nach verfeinerten Kriterien gebildeten engeren Vergleichsgruppe - im selben Quartal verglichen. Ergänzt durch die sog. intellektuelle Betrachtung, bei der medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden, ist dies die Methode, die typischerweise die umfassendsten Erkenntnisse bringt. Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungsaufwand des Arztes je Fall bei dem Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, d. h., ihn in einem Ausmaß überschreitet, das sich im Regelfall nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur oder in den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lässt, hat das die Wirkung eines Anscheinsbeweises der Unwirtschaftlichkeit (vgl. BSG, Urt. v. 16.07.2003 - B 6 KA 45/02 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 3 = Breith 2004, 13, juris, Rdnr. 17 m. w. N.).

Von welchem Grenzwert an ein offensichtliches Missverhältnis anzunehmen ist, entzieht sich einer allgemein verbindlichen Festlegung (vgl. BSG, Urt. vom 15.03.1995 - 6 RKa 37/93 - BSGE 76, 53 = SozR 3 2500 § 106 Nr. 26 = NZS 1996, 33 = NJW 1996, 2448 = USK 9573, juris Rdnr. 18). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts liegt zwischen dem Bereich der normalen Streuung, der Überschreitungen um bis zu ca. 20 % erfasst, und der Grenze zum sog. offensichtlichen Missverhältnis der Bereich der Übergangszone. Die Grenze zum sog. offensichtlichen Missverhältnis hat das Bundessozialgericht früher bei einer Überschreitung um ca. 50 % angenommen. Seit längerem hat es - unter bestimmten Voraussetzungen - niedrigere Werte um ca. 40 % ausreichen lassen. Die Prüfgremien haben einen Beurteilungsspielraum, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis höher oder niedriger festzulegen. Vor diesem Hintergrund hat das Bundessozialgericht es nicht ausgeschlossen, dass Überschreitungen um 42, 38, 33 und 31 % möglicherweise dem Bereich des sog. offensichtlichen Missverhältnisses zugeordnet werden können (vgl. BSG, Urt. v. 06.09.2000 - B 6 KA 24/99 R - SozR 3-2500 § 106 Nr. 50 = USK 2000-171, juris Rdnr. 24). Bei Arztgruppen mit engem Leistungsspektrum darf eine Grenzziehung bei Überschreitungen der Durchschnittswerte der Vergleichsgruppe um +40 % oder weniger vorgenommen werden (vgl. BSG, Urt. v. 16.07.2003 - B 6 KA 45/02 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 3 = Breith 2004, 13, juris Rdnr. 26). Bei einer Arztgruppe mit einem engen Leistungsspektrum, das gegen größere Unterschiede bei den durchschnittlichen Fallkosten der einzelnen Praxen spricht, ist es unter Umständen zu vertreten, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bereits bei einer Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 40 % festzusetzen (vgl. BSG, Urt. v. 02.06.1987 - 6 RKa 23/86 - aaO., juris Rdnr. 23).

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind die Prüfgremien ferner berechtigt, u. a. eine eingeschränkte Einzelfallprüfung durchzuführen. Bei der eingeschränkten Einzelfallprüfung untersuchen die Prüfinstanzen - ebenfalls regelmäßig unter Heranziehung von sachverständigen Ärzten - Behandlungsfälle eines Arztes aufgrund von dessen Behandlungsangaben und Behandlungsunterlagen. Die strenge Einzelfallprüfung unterscheidet sich von der eingeschränkten demnach dadurch, dass bei der letzteren der Prüfung der Behandlungsweise die Indikationsbeurteilung des geprüften Arztes zugrunde gelegt wird. Es handelt sich damit nicht um eine "wirkliche" Einzelfallprüfung, sondern im Kern um eine bloße Schlüssigkeitsprüfung. Sie kommt - nur - dann als geeignete Beweismethode in Betracht, wenn aussagekräftigere Beweismittel und -methoden nicht (mehr) zur Verfügung stehen. Das Ergebnis einer eingeschränkten Einzelfallprüfung ist in seiner Aussagefähigkeit ebenfalls begrenzt. Da bei ihr die Angaben des zu prüfenden Arztes der Prüfung zugrunde gelegt werden, kann mit ihr zwar nicht der Nachweis der Wirtschaftlichkeit geführt werden. Die Ergebnisse können aber geeignete Grundlage einer wertenden Entscheidung der Prüfgremien sein, dass die Behandlung eines Arztes unwirtschaftlich ist (vgl. BSG, Urt. v. 08.04.1992 - 6 RKa 27/90 - SozR 3-2500 § 106 Nr. 10 = BSGE 70, 246 = NZS 1992, 113 = SGb 1993, 124 = NJW 1993, 1549 = USK 92154, juris Rdnr. 38).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist der angefochtene Beschluss nicht zu beanstanden.

Der Beschluss ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.

Durch die Übersendung des Prüfberichts mit der Möglichkeit zur Stellungnahme und der Teilnahme des Klägers an der Prüfsitzung hat eine ausreichende Anhörung stattgefunden (§ 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren - SGB X).

Der Beklagte hat auch sein Ergebnis ausreichend begründet. Im Einzelnen wird auf die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGG).

Der Bescheid ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.

Der Kläger konnte als hausärztlich tätiger Internist mit der Fachgruppe der hausärztlich tätigen Internisten verglichen werden. Wie die mündliche Verhandlung ferner ergeben hat, ist diese Vergleichsgruppe für den Kläger auch günstiger als die Gruppe der hausärztlich tätigen Allgemeinmediziner.

Der Beklagte hat in nicht zu beanstandender Weise das Vorliegen einer Praxisbesonderheit verneint.

Als Praxisbesonderheiten des geprüften Arztes kommen nur solche Umstände in Betracht, die sich auf das Behandlungs- oder Verordnungsverhalten des Arztes auswirken und in den Praxen der Vergleichsgruppe typischerweise nicht oder nicht in derselben Häufigkeit anzutreffen sind. Für die Anerkennung einer Praxisbesonderheit ist es deshalb nicht ausreichend, dass bestimmte Leistungen in der Praxis eines Arztes erbracht werden. Vielmehr muss substantiiert dargetan werden, inwiefern sich die Praxis gerade in Bezug auf diese Merkmale von den anderen Praxen der Fachgruppe unterscheidet (vgl. BSG, Urt. v. 21.06.1995 - 6 RKa 35/94 - SozR 3-2500 § 106 Nr. 27 = USK 9588 = NZS 1996, 583, juris Rdnr. 16). Die betroffene Praxis muss sich nach der Zusammensetzung der Patienten und hinsichtlich der schwerpunktmäßig zu behandelnden Gesundheitsstörungen vom typischen Zuschnitt einer Praxis der Vergleichsgruppe unterscheiden, und diese Abweichung muss sich gerade auf die überdurchschnittlich häufig erbrachten Leistungen auswirken (vgl. BSG, Urt. v. 23.02.2005 - B 6 KA 79/03 R - USK 2005-108, juris Rdnr. 20). Ein bestimmter Patientenzuschnitt kann z. B. durch eine spezifische Qualifikation des Arztes, etwa aufgrund einer Zusatzbezeichnung bedingt sein kann (vgl. BSG, Urt. v. 06.09.2000 - B 6 KA 24/99 R - SozR 3-2500 § 106 Nr. 50 = USK 2000-171, juris Rdnr. 18). Es muss sich um Besonderheiten bei der Patientenversorgung handeln, die vom Durchschnitt der Arztgruppe signifikant abweichen und die sich aus einem spezifischen Zuschnitt der Patientenschaft des geprüften Arztes ergeben, der im Regelfall in Wechselbeziehung zu einer besonderen Qualifikation des Arztes steht. Ein Tätigkeitsschwerpunkt allein stellt nicht schon eine Praxisbesonderheit dar (vgl. BSG, Urt. v. 06.05.2009 - B 6 KA 17/08 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 23 = USK 2009-35 = Breith 2010, 4 = NZS 2010, 521, juris Rdnr. 27).

Der Kläger selbst hat keine Praxisbesonderheiten vorgetragen. Soweit der Kläger ergänzend auf seine Widerspruchsbegründung hinweist, so führt der Kläger im Schreiben vom 27.04.2009 lediglich allgemein aus, die beanstandeten Ziffern seien sehr leicht durch die vorliegenden Diagnosen begründet. Dies erklärt keine Praxisbesonderheit im Sinne der Rechtsprechung. Es muss zunächst substantiiert behauptet werden, dass das Patientenklientel signifikant von der der Vergleichsgruppe abweicht und dass das Patientenklientel des Klägers aufgrund der Abweichung vermehrt die Leistungen der beanstandeten Leistungsgruppe benötigt. Hierfür fehlt es bereits an einem substantiierten Vortrag. Auch die mündliche Verhandlung hat diesbezüglich keine ergänzenden Erkenntnisse ergeben. Soweit der Kläger eine besonders sorgfältige und differenzierte internistische Untersuchung seiner Patienten geltend macht, begründet dies keine Praxisbesonderheit. Es darf vorausgesetzt werden, dass im Verhältnis zu dem geprüften Arzt der Durchschnitt einer statistisch hinreichenden Anzahl fachlich vergleichbarer, also über die gleiche Berufsausbildung verfügender Ärzte nicht ein solches Maß von weniger qualifizierten Leistungen erbringen wird, dass damit das offensichtliche Missverhältnis erklärt werden könnte (so BSG, Urt. v. 18.05.1983 - 6 RKa 18/80 - BSGE 55, 110 = SozR 2200 § 368n Nr. 27 = MedR 1984, 74 = USK 83221, juris Rdnr. 14).

In nicht zu beanstandender Weise hat der Beklagte auch kompensatorische Ersparnisse verneint.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann ein Mehraufwand in einem Bereich der ärztlichen Behandlung/Verordnung nur dann durch anderweitige Einsparungen als kompensiert angesehen werden, wenn belegt bzw. nachgewiesen ist, dass gerade durch den Mehraufwand die Einsparungen erzielt werden und dass diese Behandlungsart medizinisch gleichwertig sowie auch insgesamt kostensparend und damit wirtschaftlich ist. (vgl. BSG, Urt. v. 28.01.1998 - B 6 KA 69/96 R - SozR 3-2500 § 106 Nr. 43 = NJW 1998, 3444 = USK 98124, juris Rdnr. 15 m. w. N.).

Ein Verzicht auf das Erfordernis des Nachweises eines kausalen Zusammenhanges oder die Einschränkung der Anforderungen an den Nachweis kann nicht etwa daraus abgeleitet werden, dass es letztlich nur auf eine Art Gesamtwirtschaftlichkeit ankomme und die ärztliche Tätigkeit als einheitlicher Kostenkomplex zu begreifen sei und Durchschnittsüberschreitungen in Teilbereichen ganz oder weitgehend hinzunehmen seien, wenn der Aufwand in anderen Bereichen unter dem Durchschnitt der Vergleichsgruppe liege. Hierfür lässt sich nicht die gesetzliche Vorschrift über die Wirtschaftlichkeitsprüfung (§ 106 SGB V) anführen. Deren Regelung, dass die Prüfung auch die Häufigkeit von Überweisungen, Krankenhauseinweisungen und Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit umfasst, hatte nicht etwa die primäre Zielrichtung, dass Durchschnittsunterschreitungen in diesen Bereichen gegen anderweitige Mehrleistungen gegengerechnet werden können. Anliegen dieser Regelung war es vielmehr, die Wirtschaftlichkeitsprüfung effektiver zu gestalten und Durchschnittsüberschreitungen auch in diesen Bereichen systematisch zu erfassen. Einsparungen in einem Leistungsbereich geben dem Arzt keine Art Freibrief, in anderen Leistungsbereichen mehr Aufwendungen haben zu dürfen. Der Arzt muss vielmehr umfassend wirtschaftlich handeln. Die Wirtschaftlichkeit muss grundsätzlich sowohl insgesamt als auch in jedem Teilbereich gegeben sein, sowohl beim Gesamtfallwert, in jeder einzelnen Sparte, bei jeder Einzelleistung sowie auch bei den Arzneiverordnungen, Überweisungen, Krankenhauseinweisungen und bei den Arbeitsunfähigkeits-Fällen. Die so verstandene Konzeption der Wirtschaftlichkeitsprüfung hat der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 106 SGB V übernommen, so wie sich auch sonst das Gesetz als Übernahme der in der Praxis seit langem angewandten und durch die Rechtsprechung bestätigten Methode des statistischen Kostenvergleichs darstellt. Aus diesem Ansatz des Gesetzes, das eine umfassende Wirtschaftlichkeit in jedem Teilbereich fordert, ergibt sich, dass ein Mehraufwand in einem Bereich im Hinblick auf anderweitige Einsparungen nur dann hingenommen werden kann, wenn belegt bzw. nachgewiesen ist, dass gerade durch den Mehraufwand die Einsparungen erzielt werden und dass diese Behandlungsart medizinisch gleichwertig sowie auch insgesamt kostensparend und damit wirtschaftlich ist. Dies bedeutet, dass zunächst zu prüfen ist, ob die Mehraufwendungen nicht auf anzuerkennenden Praxisbesonderheiten beruhen, die notwendigerweise Einsparungen in anderen Bereichen nach sich ziehen. Ist dies zu verneinen, ist festzustellen, ob unabhängig von Praxisbesonderheiten Einsparungen vorliegen, die sich anhand der Abrechnungsstatistik eindeutig belegen lassen oder aus anderen Gründen auf der Hand liegen. Weiterhin muss aufgezeigt werden, aufgrund welchen methodischen Zusammenhanges durch welche vermehrten Leistungen der Arzt in welcher Art von Behandlungsfällen aus welchem Grund welche Einsparungen erzielt hat. Ferner müssen die erbrachten Leistungen medizinisch gleichwertig sein. Schließlich muss der Kostenvergleich - sei es eine Kostenberechnung oder eine plausible Kostenschätzung - ergeben, dass der Mehraufwand insgesamt nicht höher ist als die anderweitig erzielten Einsparungen. Die Darlegungs- und Nachweislast liegt beim Arzt. Er muss das Vorliegen der Einsparungen, den methodischen Zusammenhang mit dem Mehraufwand, die medizinische Gleichwertigkeit und die kostenmäßigen Einsparungen darlegen und ggf. nachweisen. Das bedeutet nicht, dass der Arzt alle Einzelfälle - nach Art einer Einzelfallprüfung - anführen und medizinisch erläutern müsste; entscheidend ist vielmehr die strukturelle Darlegung der methodischen Zusammenhänge und der medizinischen Gleichwertigkeit. Gelingt der erforderliche Nachweis nicht, so geht das zu Lasten des Arztes (vgl. BSG, Urt. v. 05.11.1997 - 6 RKa 1/97 - SozR 3-2500 § 106 Nr. 42 = USK 97140, juris Rdnr. 22 – 25 m.w.N.).

Der Kläger hat nicht dargelegt, weshalb er gerade durch die vermehrte Leistungserbringung bei den Arzneikosten oder physikalisch-therapeutischen Maßnahmen Einsparungen erzielt hat. Der Kläger trägt diesbezüglich lediglich allgemein vor, seine sparsamere Verordnungsweise sei darauf zurückzuführen, dass er eine besonders sorgfältige und differenzierte internistische Untersuchung seiner Patienten durchführt. Grundsätzlich ist aber, wie bereits ausgeführt, davon auszugehen, dass auch die Internisten der Vergleichsgruppe sorgfältig die Patienten untersuchen.

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung in § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil hat die Verfahrenskosten zu tragen.
Rechtskraft
Aus
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