L 5 R 2803/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 1419/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 2803/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 08.06.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Kläger begehrt die Gewährung einer höheren monatlichen Nettorente wegen voller Erwerbsminderung bzw. den Abzug geringerer Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung vom Zahlbetrag dieser Rente.

Mit Rentenbescheid vom 31.08.2005 gewährte die Beklagte dem 1949 geborenen Kläger, der zuvor teilweise Erwerbsminderungsrente bezogen hatte, Rente wegen voller Erwerbsminderung beginnend mit dem 01.10.2004 und befristet bis zum 30.09.2007. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 02.10.2005 Widerspruch ein und machte mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15.11.2005 geltend, dass sich sein Widerspruch gegen die volle Eigenbeteiligung zum Pflegeversicherungsbeitrag, gegen den erhöhten Pflegeversicherungsbeitrag bei fehlendem Nachweis der Elterneigenschaft sowie gegen den Krankenversicherungseigenanteil von 0,9% richte. Ferner stehe der versicherungsmathematische Abschlag bzw. der Zugangsfaktor in Rede. Weiterhin erscheine die Ungleichbehandlung des voll Erwerbsgeminderten und Schwerbehinderten im Verhältnis zum schwerbehinderten Altersrentner willkürlich; die Ungleichbehandlung verstoße gegen Art. 3 Grundgesetz (GG).

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.03.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Dabei setzte sich die Beklagte im Einzelnen mit den Einwänden des Klägers gegen a) die volle Eigenbeteiligung zum Pflegeversicherungsbeitrag, b) den erhöhten Pflegeversicherungsbeitrag für Kinderlose, c) die Erhebung eines Sonderbeitrages für Mitglieder der gesetzlichen Krankenkasse in Höhe von 0,9%, d) den Rentenabschlag wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Erwerbsminderungsrente und e) die gegen das Grundgesetz verstoßende Ungleichbehandlung von voll Erwerbsgeminderten und Schwerbehinderten im Verhältnis zu schwerbehinderten Altersrentnern im Hinblick auf den verminderten Zugangsfaktor bei Erwerbsminderungsrenten auseinander.

Der Kläger hat sein Begehren weiterfolgt, am 19.03.2009 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und von seinem Prozessbevollmächtigten ausführen lassen, dass die Rechtsprechungsergebnisse der letzten Jahre hinsichtlich der den Rentnern auferlegten Belastungen nicht mehr tragbar seien. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sei überschritten. Der Kläger sei schwerbehindert. Wenn er in Altersrente gehen würde, würde er aufgrund seines Jahrgangs keinen Abschlag erfahren. Es sei unverständlich, warum dann ein Abschlag bei der Erwerbsminderungsrente erfolge. Hinsichtlich der weiteren Ausführungen des Klägers wird auf den Schriftsatz vom 16.03.2009 (Bl. 1-5 der Gerichtsakte) sowie auf den Schriftsatz vom 29.04.2009 (Bl. 11-12 der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Die Beklage ist der Klage entgegengetreten und hat auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 12.03.2009 verwiesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 08.06.2009 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, der Bescheid vom 31.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.03.2009 sei rechtmäßig. Die von der Beklagten in Abzug gebrachte volle Eigenbeteiligung zum Pflegeversicherungsbeitrag sei nicht zu beanstanden. Die Verpflichtung des Klägers, die Beiträge aus der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung allein zu tragen, folge aus § 59 Abs. 1 SGB XI in der anzuwendenden Fassung. Diesbezüglich werde auf den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 12.03.2009 Bezug genommen. Auch der erhöhte Pflegeversicherungsbeitrag für Kinderlose sei von der Beklagten zutreffend berechnet worden. Nach § 55 Abs. 3 SGB XI erhöhe sich der Beitragssatz für Mitglieder, die nach dem 1. Januar 1940 geboren wurden, nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet hätten, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Die Beklagte habe diese Bestimmung zutreffend angewandt. Auch diesbezüglich werde auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 12.03.2009 Bezug genommen. Der Kläger könne auch die Erhebung eines Sonderbeitrages für Mitglieder der gesetzlichen Krankenkasse in Höhe von 0,9% nicht beanstanden. Der Sonderbeitrag finde seine gesetzliche Grundlage in § 241a SGB V. Danach gelte für Mitglieder ein zusätzlicher Beitragssatz in Höhe von 0,9%. Weiterhin sei gegen den von der Beklagten vorgenommenen Rentenabschlag wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Erwerbsminderungsrente nichts zu erinnern. Beginne eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres, so bestimme § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI, dass die Vollendung des 60. Lebensjahres für die "Bestimmung des Zugangsfaktors" maßgebend sei. Im Ergebnis sei der Zugangsfaktor bei Inanspruchnahme von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres um maximal 0,108 zu mindern und somit auf mindestens 0,892 festzulegen. Dafür sprächen Wortlaut und systematische Stellung des § 77 SGB VI wie auch Sinn und Zweck, systematischer Gesamtzusammenhang und Entstehungsgeschichte der Norm. Dies habe das Bundessozialgericht überzeugend in seiner Entscheidung vom 14.08.2008 (- B 5 R 88/07 R, Rn. 10 ff. (juris)) dargestellt. Weiterhin dringe der Kläger nicht mit seinem Einwand durch, dass die Ungleichbehandlung des Klägers, der seinen Angaben nach mit einem GdB von 50 schwerbehindert sei, im Vergleich zu schwerbehinderten Altersrentnern willkürlich sei und gegen Art. 3 GG verstoße. Wie die Beklagte zutreffend ausführe, gebe der Grad der Behinderung nur das Ausmaß der Beeinträchtigung der gesundheitlichen Unversehrtheit an. Selbst bei einem bei dem Kläger festgestellten Grad der Behinderung von 50% könne nicht ohne weiteres auf Einschränkungen oder Gefährdungen im allgemeinen Erwerbsleben geschlossen werden. Die Ungleichbehandlung von schwerbehinderten Empfängern einer Erwerbsminderungsrente und schwerbehinderten Altersrentnern sei auch angesichts des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG unbedenklich. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbiete lediglich, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Bei der Erwerbsminderungsrente einerseits und der Altersrente andererseits handele es sich indes um unterschiedliche staatliche Leistungen. Empfänger dieser Leistungen bildeten keine geeigneten Vergleichsgruppen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar habe der Gesetzgeber die Erwerbsminderungsrente und die Altersrente in verschiedener Hinsicht angepasst. Die Renten seien aber nicht gleichgestellt. Eine Gleichbehandlung der Leistungsempfänger der unterschiedlichen Renten sei daher nicht von Verfassungs wegen geboten (vgl. BSG, Urt. v. 14.08.2008 - B 5 R 88/07 R -, Rn. 20 (juris)). An der Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen bestehe daher kein Zweifel. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Rentenbescheids sei auch aus anderen Gründen nicht ersichtlich.

Gegen diesen ihm am 13.06.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 19.06.2009 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Nachdem das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren zu hier maßgeblichen Fragen angeregt worden war, hat sein Bevollmächtigter schließlich mit Schriftsatz vom 20.07.2010 ausgeführt, natürlich gehe es in vorliegendem Falle auch um die Frage des Rentenabschlags bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Erwerbsminderungsrente, und natürlich sei ein Verfassungsgerichtsverfahren anhängig. Es gehe im vorliegenden Falle ja aber auch um die Frage Pflegeversicherungsbeitrag in erhöhtem Umfang für Kinderlose bei Vorliegen von Infertilität des Klägers und insoweit um 2 Rechtsprobleme. Gegenwärtig sei ihm nicht ersichtlich, inwieweit bzgl. dieses Pflegeversicherungsbeitrages bei bestimmten Personenkreisen Verfahren entschieden oder anhängig seien. Insofern tue es ihm leid, wenn er jetzt nochmals um Stellungnahme bitten müsse, ob es nicht sinnvoll wäre, die Verfahren aufzugliedern. Dann könnte man das Verfahren bzgl. Rentenabschlag und Erwerbsminderungsrente ruhend stellen und das andere Verfahren durchentscheiden bzw. er müsste auch eine Recherche erst anstellen, um zu schauen, ob es in dieser Hinsicht Verfahren gebe, was eigentlich vorstellbar sei. Weiterer Vortrag zur Berufungsbegründung erfolgte nicht.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 08.06.2009 aufzuheben sowie den Bescheid vom 31.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.03.2009 hinsichtlich der Festsetzung und Einbehaltung der vollen Eigenbeteiligung zum Pflegeversicherungsbeitrag, des erhöhten Pflegeversicherungsbeitrags für Kinderlose, des Zusatzbeitrags zur Krankenversicherung sowie hinsichtlich des Zugangsfaktors aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab Rentenbeginn volle Erwerbsminderungsrente unter Anwendung des Zugangsfaktor 1,0 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend und ihren Bescheid für rechtmäßig.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schreiben des Beklagten vom 2.9.2010, Fax des Klägerbevollmächtigten vom 6.6.2011).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im schriftlich erklärten Einverständnis beider Beteiligten hat der Senat gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden.

Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 31.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.03.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. 1. Dies gilt zunächst, soweit der Kläger einen höheren Zahlbetrag durch geringere Einbehaltungen für die Pflege- und Krankenversicherung begehrt.

Hinsichtlich der seiner Ansicht nach zu hohen Festsetzung der Pflege- und Krankenversicherungsbeiträge kann der Kläger sein Begehren zulässig mit der Anfechtungsklage verfolgen (BSG, Urteile vom 29.11.2006 - B 12 RJ 4/05 R -, BSGE 97, 292 und vom 18.07.2007 - B 12 R 21/06 R -, SozR 4-2500 § 241a Nr. 1). Das SG hat diese Klage zu Recht abgewiesen.

Die Beklagte war für die Entscheidung über die Höhe der vom Kläger zu tragenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sachlich zuständig (vgl. BSG, Urteile vom 18.12.2001 - B 12 RA 2/01 R -, SozR 3-2500 § 247 Nr. 2, und vom 18.07.2007 - B 12 R 21/06 R - SozR 4-2500 § 241a Nr. 1). Die Träger der Rentenversicherung haben gemäß § 255 Abs. 1 SGB V und § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI i.V.m. § 255 Abs. 1 SGB V analog Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente zu tragen haben, bei der Zahlung der Rente einzubehalten und an die in § 255 Abs. 1 SGB V benannten Stellen abzuführen. Zutreffend hat die Beklagte für die Zeit ab Rentenbeginn, ab 01.01.2005 und ab 01.07.2005 die neuen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sowie die sich daraus ergebenden veränderten Zahlbeträge der Erwerbsminderungsrente festgestellt.

a) Ab Juli 1996 betrug der Beitragssatz zur Pflegeversicherung bundeseinheitlich 1,7 %. Für in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherte Rentner trug der Rentenversicherungsträger die Hälfte des Beitrags zur Pflegeversicherung (§ 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI i.V.m. § 249a SGB V). Durch Art. 6 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (2. SGB VI-ÄndG) vom 27. Dezember 2003 (BGBl I S. 3013) ist § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI mit Wirkung zum 01.04.2004 geändert worden. Nunmehr sind die Beiträge aus der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung von dem Mitglied allein zu tragen.

Hierzu hat das Bundessozialgericht hat bereits mit Urteil vom 29.11.2006 (B 12 RJ 4/05 R) ausgeführt, selbst wenn die Begünstigung des § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI a.F. dem Eigentumsschutz unterfalle, halte sich die Gesetzesänderung im Rahmen einer zulässigen Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums. Der aufgehobene Rechtsvorteil und die Versicherungsleistung Rente könnten nur insgesamt betrachtet werden. Hiernach genüge § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI n.F. dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das 2. SGB VI-ÄndG habe mehrere Maßnahmen getroffen, um den für das Jahr 2004 prognostizierten Beitragssatzanstieg von 19,5 % auf 20,4 % mit seinen negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu verhindern. Zu diesen Maßnahmen hätten auch Verschlechterungen für Rentenbezieher gehört. Die Einbuße halte sich in einem Rahmen, den die Rentner tragen könnten. Der Gesetzgeber knüpfe an die Rechtsentwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung an, die in den letzten Jahrzehnten von dem verfassungsrechtlich zulässigen Grundgedanken bestimmt gewesen sei, jüngere Versicherte von der Finanzierung des gestiegenen Aufwands für Rentner zu entlasten und die Rentner entsprechend ihrem Einkommen verstärkt zur Finanzierung heranzuziehen. Soweit als Konsequenz der Neuregelung Rentner gegenüber pflichtversicherten Beschäftigten, bei denen der Arbeitgeber weiterhin die Hälfte des Beitrags zahle, benachteiligt würden, sei dies sachlich gerechtfertigt. In der sozialen Pflegeversicherung gebe es keinen Grundsatz, dass Rentner die Beiträge aus ihrer Rente im Ergebnis stets nur zur Hälfte tragen müssten. Die Schlechterstellung der Rentner sei durch den sachlichen Grund eines Belastungsausgleichs zwischen Beschäftigten und Rentnern und durch das Ziel gerechtfertigt, Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung einzusparen. Es sei auch nicht geboten gewesen, bei der gesetzlichen Neuregelung zwischen Personen zu differenzieren, die bereits 1995 berentet gewesen seien und damit im Gegensatz zu erst später berenteten Personen während ihrer Erwerbsphase zur Finanzierung der Pflegeversicherungslasten durch Beiträge zur Rentenversicherung nicht beigetragen hätten. Denn bei der Ordnung von Massenerscheinungen könnten typisierende und generalisierende Regelungen notwendig sein, wenn Härten nicht besonders schwer wögen und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar seien.

Die Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung ist vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG 1. Senat 2. Kammer) mit Beschluss vom 07.10.2008 (1 BvR 2995/06, 1 BvR 740/07) nicht zur Entscheidung angenommen worden. Hierin führt das BVerfG u.a. aus: "Die Streichung der Beteiligung des Rentenversicherungsträgers an den Aufwendungen für die Pflegeversicherung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Dem Gesetzgeber muss eine ausreichende Flexibilität erhalten bleiben, um das Rentenversicherungssystem und insbesondere dessen Finanzierung zu gewährleisten. Selbst die Eigentumsgarantie verfestigt das Rentenversicherungssystem nicht so, dass es starr wird und den Anforderungen unter veränderten Umständen nicht mehr genügen kann (vgl. BVerfGE 53, 257 (293); 58, 81 (110); 69, 272 (304); 100, 1 (37 f.)). Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb - bei einer am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 GG orientierten Prüfung - keine verfassungsrechtlichen Einwände gegen die Beschränkung der Rentenanpassung im Jahre 2000 auf die Inflationsrate sowie die Aussetzung der Rentenanpassung im Jahre 2004 gehabt, weil diese Maßnahmen von gewichtigen öffentlichen Interessen getragen waren (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 26. Juli 2007 - 1 BvR 824/03, 1 BvR 1247/07 -, NZS 2008, S. 254). Die dort angestellten Erwägungen gelten für die hier angegriffene Maßnahme in gleicher Weise. Ebenso wie die Aussetzung der Rentenanpassung im Jahr 2004 war die Abschaffung der hälftigen Beitragspflicht des Rentenversicherungsträgers beim Pflegeversicherungsbeitrag von dem gewichtigen öffentlichen Interesse bestimmt, einem Finanzierungsdefizit der gesetzlichen Rentenversicherung entgegen zu wirken. Die Aussetzung der Rentenanpassung zum 1. Juli 2004 diente wie die angegriffene Regelung der Stabilisierung des Beitragssatzes von 19,5 % und damit der Stabilisierung des Rentenversicherungssystems insgesamt (vgl. BTDrucks 15/1830, S. 8). Der Einwand der Beschwerdeführer, der Gesetzgeber dürfe nicht für ein kurzfristiges Sparziel dauerhaft eine Versicherungsleistung abschaffen, verkennt insoweit, dass die angegriffene Maßnahme ebenso wie die Aussetzung der Rentenanpassung zum 1. Juli 2004 auf eine dauerhafte Senkung des Rentenversicherungsbeitrags zielte. Der Wegfall des Finanzierungsanteils der gesetzlichen Rentenversicherung am Beitrag zur Pflegeversicherung der Rentner sollte nach den Schätzungen des Gesetzgebers die Rentenversicherung für das Jahr 2004 um 0,1 Beitragssatzpunkte und für die darauf folgenden Jahre im Umfang von bis zu 0,2 Beitragssatzpunkten entlasten (vgl. BTDrucks 15/1830, S. 11), was nach den Feststellungen des Bundessozialgerichts für die Zeit von April bis Dezember 2004 Minderausgaben von etwa 1,2 Milliarden EUR und für das Jahr 2005 von etwa 1,6 Milliarden EUR bedeutete (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2006 - B 12 RJ 4/05 R -, SuP 2007, S. 445 (455)). Der Gesetzgeber durfte unter Ausschöpfung des ihm bei der Gestaltung des Sozialrechts zukommenden Spielraums (vgl. BVerfGE 75, 78 (101); 76, 220 (241); 100, 1 (37)) die angegriffene Maßnahme deshalb als geeignet und erforderlich ansehen. Die Einschätzung der von beiden Maßnahmen ausgehenden Entlastungswirkungen zugunsten der öffentlichen Haushalte und der Beitragszahler ist nicht zu beanstanden. Das Auftreten eines erheblichen Finanzierungsdefizits hätte in der gesetzlichen Rentenversicherung entweder die Erhöhung des Beitragssatzes oder die Erhöhung des Bundeszuschusses zur Rentenversicherung zur Folge gehabt (vgl. § 153, § 158 Abs. 1, § 213 SGB VI). Es liegt innerhalb des dem Gesetzgeber eingeräumten Gestaltungsermessens, wenn er der Stabilisierung oder der Verringerung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung Priorität, insbesondere aus arbeitsmarktpolitischen Gründen, einräumt. Dabei liegt die Annahme, dass eine Erhöhung des paritätisch vom Arbeitgeber mit zu tragenden Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung den Faktor Arbeit zusätzlich verteuert und zum Wegfall oder zum Nichtentstehen versicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse beiträgt, in der Einschätzungsprärogative des zur Gestaltung des Sozialstaats berufenen Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 76, 220 (241)). Er war auch nicht gehalten, angesichts der angespannten Haushaltslage von Bund, Ländern und Kommunen eine Deckung des Finanzierungsdefizits in der gesetzlichen Rentenversicherung über eine Erhöhung des Bundeszuschusses zur Rentenversicherung sicherzustellen (vgl. zur Lage des Bundeshaushaltes 2004 eingehend: BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 9. Juli 2007 - 2 BvF 1/04 -, BVerfGE 119, 96). Bei der Ausgabenpolitik musste der Gesetzgeber auch die Verpflichtungen zur Einhaltung des europäischen Stabilitätspakts beachten."

b) Für die Zeit ab 01.01.2005 hat die Beklagte den vom Kläger zu zahlenden Pflegeversicherungsbeitrag zu Recht unter Berücksichtigung des Beitragszuschlags für kinderlose Mitglieder von 0,25 % nach einem Beitragssatz von insgesamt 1,95 % festgesetzt.

Gemäß § 55 Abs. 3 Satz 1 SGB XI (eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I S. 3448) erhöht sich ab 01.01.2005 der nach § 55 Abs. 1 SGB XI geltende Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung von 1,7 % um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose) mit dem Ablauf des Monats, in dem das Mitglied das 23. Lebensjahr vollendet hat. Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Versicherten (§ 58 Abs. 1 Satz 3, § 59 Abs. 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist von versicherten Eltern i.S. des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 SGB I (§ 55 Abs. 3 Satz 2 SGB X) zu entrichten. Gemäß § 55 Abs. 3 Satz 7 SGB XI zahlen vor dem 01.01.1940 geborene Versicherte den Beitragszuschlag nicht, auch von Wehr- und Zivildienstleistenden und Beziehern von Arbeitslosengeld II ist er nicht zu erheben.

Dementsprechend war dieser Zuschlag von dem 1949 geborenen, kinderlosen Kläger, der eine Erwerbsminderungsrente bezog, zu erheben. Die Regelung begegnet ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Senat schließt sich dem BSG an, das in seinem Urteil vom 27.02.2008 - B 12 P 2/07 R -, veröffentlicht in Juris) ausgeführt hat: "Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs. 1 GG bedurfte es nicht. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass § 55 Abs. 3 SGB XI verfassungswidrig ist, soweit ungewollt kinderlose Versicherte zur Zahlung des Beitragszuschlags von 0,25 % verpflichtet sind. Die gesetzliche Regelung verstößt in ihrer Anwendung auf den Kläger insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs. 1 GG.

Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 3.4.2001 (1 BvR 1629/94, BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr. 2 S 12 m.w.N.) u.a. ausgeführt, Art 3 Abs. 1 GG verbiete es dem Gesetzgeber, bei seiner Entscheidung, welche Merkmale er beim Vergleich von Lebenssachverhalten als maßgebend ansehe, um sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln, das Ausmaß der tatsächlichen Unterschiede sachwidrig außer Acht zu lassen. Der Gleichheitssatz sei verletzt, wenn der Gesetzgeber es versäumt habe, Ungleichheiten der zu ordnenden Lebenssachverhalte zu berücksichtigen, die so bedeutsam seien, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssten. Die beitragsrechtlichen Vorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 sowie § 57 SGB XI hat das BVerfG danach für mit Art 3 Abs. 1 i.V.m. Art 6 Abs. 1 GG unvereinbar gehalten, weil trotz ihres sog generativen Beitrags Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet werden wie Mitglieder ohne Kinder.

Danach verstoßen die mit dem KiBG zur Umsetzung dieses Urteils geschaffenen, den Kläger belastenden Regelungen nicht gegen Art 3 Abs. 1 GG. § 55 Abs. 3 SGB XI führt zu unterschiedlichen Beitragsbelastungen von Versicherten. Während durch die Neuregelung für Versicherte mit Kindern sowie für weitere Gruppen von Versicherten die Beitragsbelastung bei ansonsten unveränderten Umständen ab 1.1.2005 gleich bleibt, erhöht sich bei den übrigen Versicherten - wie auch dem Kläger - ab Vollendung des 23. Lebensjahres der Beitragssatz von 1,7 % um 0,25 % auf 1,95 % der beitragspflichtigen Einnahmen. Der Gesetzgeber hat damit allein an das Vorhandensein von Kindern angeknüpft, nicht dagegen an den jeweils entstehenden Aufwand für Kinder oder die Gründe für die Kinderlosigkeit. Diese Differenzierung ist nicht zu beanstanden.

Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des Gesetzgebers, zur Umsetzung des Urteils des BVerfG Kinderlose wie den Kläger mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, während Versicherte mit Kindern weiter Beiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen. Entgegen der Auffassung des Klägers wird hierdurch die verfassungsrechtlich geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers dahin eingeschränkt war, dass nur eine Beitragsreduktion verfassungsrechtlich zulässig gewesen wäre. Eine solche Regelung hätte zu Beitragsausfällen geführt, die mit Beitragssatzerhöhungen hätten kompensiert werden müssen. Der Ausgleich einer relativen Beitragsentlastung im Beitragssystem der sozialen Pflegeversicherung setzte bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens voraus, dass Kinderlose höhere Beiträge als bisher zu zahlen haben.

Soweit der Kläger die Gleichbehandlung von ungewollt kinderlosen Versicherten mit Versicherten mit Kindern begehrt, findet eine solche Forderung im Verfassungsrecht keine Stütze. Das BVerfG hat gerade im Vergleich mit kinderlosen Versicherten eine Entlastung der Gruppe der Versicherten mit Kindern gefordert, mit der der Kläger die Gleichbehandlung begehrt (dazu s bereits oben), ohne dabei auf die Gründe der Kinderlosigkeit abzustellen. Sollte im übrigen auch die unfreiwillige Kinderlosigkeit aus medizinischen Gründen zu einem niedrigeren Beitragssatz führen, wie vom Kläger gefordert, wäre nicht zu erkennen, weshalb nicht auch aus anderen Gründen kinderlose Versicherte, z.B. Versicherte ohne Partner, von der Beitragsbelastung ausgenommen werden müssten.

Die Ungleichbehandlung des Klägers ist auch dann gerechtfertigt, wenn Versicherte allein aufgrund der Elterneigenschaft dauerhaft keinen Beitragszuschlag tragen müssen, selbst wenn sie keine Aufwendungen für Kinder haben oder von ihnen keine Erziehungs- und Betreuungsleistungen erbracht werden. Der Gesetzgeber durfte in Ausübung seines ihm eingeräumten Spielraums bei der Ausgestaltung eines Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG entsprechenden Beitragsrechts in der sozialen Pflegeversicherung vom Regelfall ausgehen und die vom BVerfG geforderte Entlastung an das (bloße) Vorhandensein eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber entsprechend dem Urteil des BVerfG lediglich dazu, bei der gebotenen Differenzierung der Beitragshöhe den sog generativen Beitrag zu berücksichtigen und die beitragspflichtigen Mitglieder mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Dies kann durch die Berücksichtigung allein der Tatsache, dass ein Kind vorhanden ist, bei der Beitragsbemessung geschehen. Die geforderte Berücksichtigung des sog generativen Beitrags rechtfertigt es, an die Stellung als Eltern anzuknüpfen, ohne danach zu differenzieren, ob und inwieweit Eltern in der Erziehungsphase tatsächlich im Einzelfall Nachteile entstehen und inwieweit Kinder tatsächlich später zur sozialen Pflegeversicherung Beiträge leisten. Die Feststellung tatsächlicher Nachteile durch die Pflegekassen wäre darüber hinaus mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Schon im Hinblick auf die relativ geringe Differenz von 0,25 % Beitragssatzpunkten zwischen kinderlosen Versicherten und solchen mit Kindern steht die Beitragsentlastung letzterer über das Ende der Betreuungsphase und auch der Erwerbsphase der Versicherten hinaus nicht außer Verhältnis. Nach Umfang oder der Dauer der Kindererziehung und -betreuung musste deshalb nicht differenziert werden.

Der Senat lässt offen, ob sich der Kläger darauf berufen kann, dass weitere Gruppen von Versicherten den zusätzlichen Beitragszuschlag ebenfalls nicht zu zahlen haben, obwohl deren Begünstigung gerade nicht auf den Grund der Kinderlosigkeit abstellt, sondern jeweils an andere Sachverhalte anknüpft. Der Kläger macht insoweit auch allein geltend, für deren Begünstigung fehle eine Rechtfertigung, ohne auch zu fordern, er müsse gemessen an Art 3 Abs. 1 GG mit diesen Gruppen gleich behandelt werden. Eine Verletzung von Art 3 Abs. 1 GG käme insoweit allein in Betracht, wenn ein Versicherter wie der Kläger geltend machte, die bloße ungerechtfertigte Besserstellung anderer Versicherter führe wegen des Ausfalls der an sich sachgerechten Zahlungsverpflichtung dieser Versicherten zu messbaren Auswirkungen auf das Beitragsaufkommen und signifikant höheren Beiträgen für die benachteiligten Versicherten.

Soweit der Kläger die fehlende Beitragsbelastung der vor dem 1.1.1940 geborenen kinderlosen Versicherten geltend macht, könnten wegen der Größe dieser Gruppe solche Auswirkungen auf das Beitragsaufkommen bestehen. Der Senat konnte sich aber nicht davon überzeugen, dass die Begünstigung dieser Gruppe im Verhältnis zum 1968 geborenen Kläger den allgemeinen Gleichheitssatz verletzt und deshalb verfassungswidrig ist. Das BVerfG hat in seiner oben genannten Entscheidung die Berücksichtigung von Erziehungsleistungen im Beitragsrecht dann für verfassungsrechtlich geboten erachtet, wenn nicht mehr die Mehrheit der Versicherten Kinder erzieht. Es ist daher im Hinblick auf Art 3 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber bei der Regelung des § 55 Abs. 3 SGB XI berücksichtigt hat, dass von den vor dem 1.1.1940 geborenen Versicherten noch überwiegend Kinder geboren (und erzogen) wurden (vgl BT-Drucks 15/3671 S 6) und deshalb auch die kinderlosen Versicherten dieser Jahrgänge nicht zu einem finanziellen Beitrag zur Entlastung der Versicherten mit Kindern herangezogen werden.

Auf die fehlende Zahlungspflicht der Bezieher von Arbeitslosengeld II kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. Ob allerdings wie in den Gesetzesmaterialien die Ungleichbehandlung damit begründet werden kann, dass das Existenzminimum zu schonen ist (vgl. BT-Drucks 15/3837 S 7) , erscheint fraglich. Auch ist zweifelhaft, ob das prognostizierte Verhältnis des zusätzlichen Verwaltungsaufwandes zur lediglich geringen Höhe der durch die Erhebung des Beitragszuschlags zu erwartenden zusätzlichen Beitragseinnahmen (vgl. BT-Drucks. 15/3837 S. 8) diese Ungleichbehandlung rechtfertigen kann. Es kann offenbleiben, ob es andere, die Begünstigung dieser Gruppe rechtfertigende Gründe gibt. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz könnte jedoch nur zu einer Belastung auch dieses Personenkreises mit dem Beitragszuschlag führen. Eine Benachteiligung des Klägers durch die Beitragsentlastung dieser Gruppe, die zumindest eine deutliche Auswirkung der Beitragsentlastung auf das gesamte Beitragsaufkommen aus dem Beitragszuschlag zur Voraussetzung hätte, ist jedoch auszuschließen. Dies folgt aus der relativ geringen Größe der begünstigten Gruppe und dem geringen Beitragsaufkommen je Versicherten aus den zugrunde liegenden beitragspflichtigen Einnahmen (z.B. im Jahr 2008 beitragspflichtige Einnahmen in der Regel jeweils nur 857,33 Euro monatlich, vgl. § 57 Abs. 1 SGB XI i.V.m. § 232a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V und § 2 Abs. 1 Sozialversicherungs-Rechnungsgrößenverordnung 2008 vom 5.12.2007 (BGBl I 2797)).

Gleiches gilt für die Gruppe der Wehr- und Zivildienstleistenden. Es handelt sich um eine relativ kleine Gruppe von Versicherten, da nur diejenigen betroffen sind, die den Dienst nach Vollendung des 23. Lebensjahres abzuleisten haben und deshalb andernfalls einen Beitragszuschlag zu zahlen hätten. Die Beitragsentlastung ist hier aber gemessen an Art. 3 Abs. 1 GG auch sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat in Wahrnehmung des ihm eingeräumten Gestaltungsspielraums aus sozialen Gründen von der Erhebung des Beitragszuschlags bei dieser Gruppe abgesehen. Der Charakter dieses Dienstes als verpflichtender, zeitlich nicht frei wählbarer Dienst für die Allgemeinheit rechtfertigt die fehlende Pflicht zur Zahlung des Beitragszuschlags."

Die gegen diese Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde ist mit Beschluss des BVerfG (1. Senat 2. Kammer) vom 02.09.2009 - 1 BvR 1997/08 -, veröffentlicht in Juris) nicht zur Entscheidung angenommen worden.

c) Die Beklagte hat auch in Anwendung der ab dem 01.07.2005 geltenden Vorschriften des SGB V jeweils zutreffend den vom Kläger zu tragenden Krankenversicherungsbeitrag ermittelt. Rechtsgrundlage für den hier streitigen Zusatzbeitrag ist § 241a SGB V, der ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.

Zusätzlich zu den paritätisch auf der Grundlage der unterschiedlichen allgemeinen Beitragssätze aufzubringenden Beiträgen wurde mit Wirkung zum 01.07.2005 ein Zusatzbeitrag u.a. für Rentner eingeführt. Den zusätzlichen Beitrag von 0,9 v.H. musste der Rentenberechtigte jedoch gem. § 249a SGB V alleine aufbringen. Zeitgleich mit der Einführung des zusätzlichen Beitragssatzes verminderte sich zwar der allgemeine Beitragssatz zum 1. Juli um 0,9 v.H. Der Krankenversicherungsbeitrag des Rentners aus der gesetzlichen Rente erhöhte sich durch die Gesetzesänderung zum 01.07.2005 damit aber um insgesamt 0,45 v.H. Denn die gleichzeitige Verminderung des allgemeinen Beitragssatzes um 0,9 v.H. senkte den Beitragsanteil des Rentners nur um 0,45 v.H., da der Rentenversicherungsträger und er den allgemeinen Beitragssatz jeweils zur Hälfte trugen. In seiner Entscheidung zu diesem Zusatzbeitrag hat das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 18.07.2007 - B 12 R 21/06 R -, veröffentlicht in Juris) diesen für verfassungsgemäß angesehen. Die Gesetzesänderung zum 01.07.2005 führe zu einer weiteren Belastung von 0,45 v.H. des jeweiligen Rentenbetrags und bewirke bei einem für Juli 2005 ermittelten Betrag der monatlichen Standardrente von brutto rd. 1.176 EUR in den alten bzw. 1.034 EUR in den neuen Bundesländern eine Minderung, d.h. faktische Kürzung, des monatlichen Rentenbetrags um 5,29 EUR bzw. 4,65 EUR. Die Folgen der veränderten Gesetzeslage seien für sich gesehen nicht derart gravierend, dass sie die von ihr betroffenen Personen in der GKV nicht tragen könnten. Einen allgemeinen Grundsatz, wonach die Beitragslast der versicherten Rentner nicht höher sein dürfe als der sich nach dem halben Beitragssatz ergebende Betrag, lasse sich aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht herleiten. Soweit Personen aufgrund des für sie geltenden niedrigen allgemeinen Beitragssatzes durch die Neuregelungen relativ stark belastet würden, begegne das ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber sei bei Einführung des zusätzlichen Beitrags nicht gehalten, die kassenindividuellen Besonderheiten nachzubilden und alle Versicherten relativ zum bisherigen individuellen Beitragssatz gleichmäßig zusätzlich zu belasten. Im Einzelnen hat das BSG hierzu ausgeführt, wegen des fixen Prozentsatzes des zusätzlichen Beitrags sei die relative Belastung, d.h. dessen Anteil an der gesamten Beitragslast des Mitglieds in Abhängigkeit von der Höhe des jeweils geltenden allgemeinen Beitragssatzes, unterschiedlich. Die prozentuale Mehrbelastung im Verhältnis zum bisherigen Beitrag sei umso höher, je niedriger der kassenindividuelle allgemeine Beitragssatz sei. Die Neuregelungen führten deshalb zu einer prozentual höheren Belastung bei Versicherten, auf die ein Beitragssatz zur Anwendung komme, der unter dem durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatz liege. Umgekehrt gelte, dass alle Versicherten, deren Beitragsbemessung sich nach einem Beitragssatz richte, der über dem durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatz liege, durch die Gesetzesänderung prozentual weniger belastet würden. Die Verteilungswirkung der Gesetzesänderung werde in besonderem Maße bei einer an den jeweiligen Anteil an der Beitragstragungslast anknüpfenden Betrachtungsweise deutlich. So werde der hälftige Beitragsanteil des Arbeitgebers oder Rentenversicherungsträgers bei einem allgemeinen Beitragssatz von 14,2 v.H. nominell um etwa 3,17 v.H. auf etwa 46,83 v.H. gesenkt, während derjenige des Versicherten um etwa 3,17 v.H. auf etwa 53,17 v.H. angehoben wird. Bei einem Versicherten mit dem niedrigeren allgemeinen Beitragssatz von 13,7 v.H. betrage der Unterschied aber schon etwa 3,28 v.H.

2. Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage mit der der Kläger die Gewährung der vollen Erwerbsminderungsrente unter Zugrundelegung des Zugangsfaktors 1,0 begehrt, ist ebenfalls unbegründet.

a) Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass anstelle des Zugangsfaktors von 0,892 der Zugangsfaktor 1,0 der Berechnung seiner Rente zugrunde gelegt wird.

Gemäß § 63 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) richtet sich die Höhe einer Rente vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen. Das in den einzelnen Kalenderjahren durch Beiträge versicherte Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen wird in Entgeltpunkte umgerechnet (§ 63 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Gem. § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte (1.), der Rentenartfaktor (2.) und der aktuelle Rentenwert (3.) mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden.

Gem. § 77 Abs. 1 SGB VI richtet sich der Zugangsfaktor nach dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind. Bis zum 31.12.2000 betrug der Zugangsfaktor bei Erwerbsminderungsrenten 1,0. § 77 Abs. 2 SGB VI in der hier maßgeblichen, durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl I S. 1827) geänderten und ab dem 01.01.2001 geltenden Fassung führt hingegen zu einer Kürzung. Der Zugangsfaktor ist für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und bei Erziehungsrenten für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird, um 0,003 niedriger als 1,0. Beginnt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente vor Vollendung des 60. Lebensjahres oder ist bei Hinterbliebenenrenten der Versicherte vor Vollendung des 60. Lebensjahres verstorben, ist die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend. Die Zeit des Bezugs einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Versicherten gilt nicht als Zeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme. Die Einschränkung in § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI, wonach die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend ist, wenn eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres beginnt, stellt sicher, dass auch bei einem Rentenbezug vor Vollendung des 60. Lebensjahres höchstens ein Abschlag in Höhe von 10,8 % erhoben wird.

Dem entspricht der hier für den bei Rentenbeginn noch nicht 60 Jahre alten Kläger zugrunde gelegte Zugangsfaktor von 0,892. Dieser ist weder einfach-gesetzlich noch verfassungsrechtlich zu beanstanden. Das BSG hat mit seinem Urteil vom 14.08.2008 (- B 5 R 32/07 R -, veröffentlicht in Juris) entschieden, dass Erwerbsminderungsrentner eine Absenkung des Zugangsfaktors (Rentenabschlag) auch dann hinnehmen müssen, wenn sie bei Rentenbeginn das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Einführung eines abgesenkten Zugangsfaktors bei Renten wegen Erwerbsminderung sei auch nicht verfassungswidrig.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Beschluss vom 11.01.2011 ( 1 BvR 3588/08, 1 BvR 555/09 -, veröffentlicht in Juris) bestätigt, dass die Auslegung des § 77 SGB VI durch den 5. Senat des BSG, der der Senat folgt, nicht gegen Art. 14 GG verstößt.

"Den Umfang einer Rentenanwartschaft reduzierende Inhaltsbestimmungen müssen einem Gemeinwohlzweck dienen und verhältnismäßig sein (vgl. BVerfGE 53, 257 (293); 100, 1 (38); 117, 272 (294); 122, 151 (182); stRspr.). Sie müssen zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und erforderlich sein (vgl. BVerfGE 122, 151 (182)). Insbesondere dürfen sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn deswegen unzumutbar sein (vgl. BVerfGE 72, 9 (23); 75, 78 (98); 122, 151 (182)).

Diese Voraussetzungen sind bei der Berechnung des Zugangsfaktors nach Maßgabe des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI erfüllt.

Die Neuregelung des Zugangsfaktors bei Bezug einer Erwerbsminderungsrente vor dem 63. Lebensjahr dient dem Ziel, die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung zu sichern und damit die Funktionsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern und den veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Hierbei handelt es sich um legitime Ziele (vgl. BVerfGE 75, 78 (98); 116, 96 (125 f.); 117, 272 (297); 122, 151 (183)).

Nach Einführung der Abschläge bei vorzeitigem Bezug einer Altersrente durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 - RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S. 2261) ging der Gesetzgeber davon aus, dass Versicherte anstelle einer gekürzten Altersrente bevorzugt eine Erwerbsminderungsrente beantragen würden. Der Gesetzgeber sah die Gefahr des Ausweichens von Versicherten auf diese Rentenart insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit eines Rentenbezugs wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus arbeitsmarktbedingten Gründen und verwies auf das Rentenzugangsjahr 1998, in dem rund 33 % aller Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus arbeitsmarktbedingten Gründen bewilligt worden waren (vgl. BTDrucks 14/4230, S. 23 f.). Die Vermutung, dass arbeitslose Versicherte auf Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit als einer Art vorgezogene Altersrente ausweichen könnten, ist nicht neu (vgl. bereits BVerfGE 75, 78 (101)). Dafür spricht, dass in dem von der Gesetzesbegründung genannten Jahr 1998 ein erheblicher Anteil der Versicherten, die Zugang zur Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erhielten, unmittelbar zuvor Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz bezogen hatte: In den neuen Ländern waren das 32,84 % der Männer und 36,90 % der Frauen, im übrigen Bundesgebiet 20,60 % der Männer und 19,42 % der Frauen (vgl. Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (Hrsg.), VDR Statistik Rentenzugang 1998, Band 129, S. 99 (Tabellen 110.10 Z) und S. 165 (Tabelle 110.20 Z)).

Mit der Einführung von Abschlägen in einem Umfang von höchstens 10,8 % sollte im Rahmen eines Gesamtkonzepts die Höhe der Erwerbsminderungsrenten gekürzt und den vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrenten angepasst werden (vgl. BTDrucks. 14/4230, S. 23 f.). Der Gesetzgeber folgte damit einer vom Bundesrat schon früher formulierten Anregung, das Unterlaufen der Bestimmungen zur Anhebung der Altersgrenzen für den Bezug von Altersrenten und zur Einführung von Abschlägen bei einem vorzeitigen Altersrentenbezug zu verhindern (vgl. BTDrucks. 11/4452, S. 9). Die gekürzte Leistung von Erwerbsminderungsrenten vor Vollendung des 63. Lebensjahres war damit Teil der in einer ganzen Reihe von Gesetzesänderungen realisierten Rentenreform, die - beginnend mit dem Rentenreformgesetz 1992 - die angespannte finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung verbessern sollte. Der Gesetzgeber wollte mit diesen gesetzlichen Maßnahmen eine Reduzierung des Beitragssatzes in der gesetzlichen Rentenversicherung erreichen (vgl. BTDrucks. 14/4230, S. 36). Die Einführung von Abschlägen auf Erwerbsminderungsrenten war ursprünglich bereits im Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999 - RRG 1999) vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2998) vorgesehen. Der Gesetzgeber hatte damals das Ziel formuliert, den Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung zu senken und das bestehende Alterssicherungssystem bei steigender Lebenserwartung und sinkender Geburtenrate zukunftsfähig zu machen (vgl. BTDrucks. 13/8011, S. 1).

Allerdings liefe der grundrechtliche Eigentumsschutz von Rentenanwartschaften leer, wenn jede Maßnahme zur Verbesserung der Finanzierungssituation der gesetzlichen Rentenversicherung ohne weiteres durch dieses Ziel gerechtfertigt werden könnte. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erlaubt es nicht, durch ihn geschützte Rentenanwartschaften allein auf der Grundlage eines allgemeinen Wunsches einer Sanierung der Staatsfinanzen zu kürzen. Daher sind der Absenkung von Renten ungeachtet des legitimen Ziels, die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung zu gewährleisten, verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt, etwa wenn dieses Ziel zum Beispiel auch durch sprunghafte und willkürliche Veränderungen der Rentenhöhe erreicht werden sollte (vgl. zum Steuerrecht BVerfGE 105, 17 (45)).

Gesetzliche Änderungen, die die Höhe der Rentenanwartschaft zwecks Verbesserung der Finanzsituation der gesetzlichen Rentenversicherung berühren, sind dann grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig, wenn die Veränderung ihrerseits an einen Umstand anknüpft, der für die Finanzsituation kausal ist. So verhält es sich hier, weil mit der Absenkung des Zugangsfaktors bei Erwerbsminderungsrenten auf die Inanspruchnahme der Rente vor Eintritt des Regelalters für die Altersrente und damit auf eine Verlängerung der Rentenbezugszeit reagiert wird. Den Vorteil der verlängerten Rentenbezugszeit durch eine Absenkung des monatlichen Zahlbetrags zumindest teilweise zu kompensieren, ist eine auch unter versicherungsmathematischen Gesichtspunkten nachvollziehbare und damit sachlich gerechtfertigte Maßnahme (vgl. BVerfGE 122, 151 (186, 189)).

Die Einführung eines gekürzten Zugangsfaktors bei Beginn einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 63. Lebensjahres genügt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Die Minderung des Zugangsfaktors war geeignet, das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel zu erreichen. Die von der Deutschen Rentenversicherung veröffentlichten Zahlen zeigen, dass die Rentenzugänge in die Erwerbsminderungsrente jedenfalls bis zum Jahr 2006 kontinuierlich abgenommen haben. Nach Ende der für die Berechnung der Abschläge geltenden Übergangsphase (§ 264c SGB VI i.V.m. Anlage 23) wurden im Jahr 2004 nur noch 169.460 neue Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in Deutschland ausgezahlt. Dagegen hatten die Rentenzugänge in diese Rentenart im Jahr 2000 noch rund 214.000 betragen (vgl.Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (Hrsg.), VDR Statistik Rentenzugang 2000, Band 137, S. 3 (Tabelle 1.00 Z)). Auch wenn schon früher ein Abwärtstrend bei diesen Rentenzugängen erkennbar gewesen war und die genannten Zahlen das Ergebnis aller durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vorgenommenen Änderungen waren, ist die Inanspruchnahme einer Rente jedenfalls weniger attraktiv, wenn früher beginnende Rentenleistungen nur mit Abschlägen erfolgen.

Die beide Beschwerdeführer treffende Kürzung des Zugangsfaktors durfte der Gesetzgeber auch als erforderlich ansehen. Ein milderes, die Beschwerdeführer weniger belastendes Mittel, mit dem der Gesetzgeber seine Ziele ebenso gut hätte erreichen können, ist nicht ersichtlich. Der Gesetzgeber kann insbesondere nicht darauf verwiesen werden, die mit § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI verfolgte Einsparung in anderen Bereichen innerhalb des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung zu erzielen (vgl. BVerfGE 75, 78 (101 f.); 76, 220 (241); 103, 172 (189); 116, 96 (127); 117, 272 (298 f.)).

Die Kürzung des Zugangsfaktors belastet die Beschwerdeführer nicht übermäßig und ist daher auch verhältnismäßig im engeren Sinne (vgl. BVerfGE 67, 157 (178); 90, 145 (173)).

Die vom Gesetzgeber formulierte Absicht, der Gefahr von Ausweichreaktionen zu begegnen (BTDrucks 14/4230, S. 23 f., 26), kann sich zwar nur auf solche Versicherte beziehen, die das für einen Anspruch auf Leistung einer vorzeitigen Altersrente maßgebliche Lebensalter bereits erreicht haben. Bei Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit am 1. Januar 2001 hatten beide Beschwerdeführer noch nicht das 60. Lebensjahr vollendet und damit eine Anspruchsvoraussetzung für den Bezug einer vorzeitigen Altersrente nicht erfüllt. Der bei Rentenbeginn 51 Jahre alte Beschwerdeführer zu I) und die bei Rentenbeginn 58 Jahre alte Beschwerdeführerin zu II) hatten zu diesem Zeitpunkt keine Möglichkeit, anstelle einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit eine vorzeitige Altersrente zu beantragen.

Die Kürzung des Zugangsfaktors ist dennoch für die Beschwerdeführer zumutbar. Sie diente der Verminderung der Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung und war Teil der seit dem Rentenreformgesetz 1992 durch eine Vielzahl von Gesetzesänderungen vorgenommenen umfassenden Rentenreform, die der Sicherung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung dienen sollte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Versicherter, der wie die Beschwerdeführer eine Erwerbsminderungsrente bis zum vollendeten 60. Lebensjahr beantragt, nicht nur einen nach § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI auf den Höchstwert von 10,8 % begrenzten Abschlag erhält, sondern seit dem 1. Januar 2001 von zusätzlichen Entgeltpunkten für eine erhöhte Zurechnungszeit nach § 59 SGB VI profitiert. Um die Wirkung der neuen Rentenabschläge zu mildern, hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl I S. 1827) die Zeit zwischen dem 55. und 60. Lebensjahr, die zuvor nur zu einem Drittel angerechnet worden war, nämlich in vollem Umfang als Zurechnungszeit bewertet (vgl. BTDrucks 14/4230, S. 24). Dahinter stand die Überlegung, dass bei Versicherten, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres eine Erwerbsminderungsrente beantragen, eine Ausweichreaktion von vornherein ausscheidet und diese Versicherten nicht übermäßig mit Kürzungen belastet werden sollten. Unter Einbeziehung der günstigeren Zurechnungszeit hatten nach den Feststellungen des Bundessozialgerichts der Beschwerdeführer des Verfahrens 1 BvR 3588/08 im Vergleich zu der vor dem 1. Januar 2001 gültigen Rechtslage eine niedrigere Rentenleistung in Höhe von 3,18 % und die Beschwerdeführerin des Verfahrens 1 BvR 555/09 eine Kürzung von 3,88 % hinzunehmen. Die Bezieher einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden damit mit erheblich geringeren Abschlägen belastet als Versicherte, die vorzeitig eine Altersrente in Anspruch nehmen und die - abhängig vom Geburtsjahr, Rentenart und Rentenbeginn - Kürzungen bis zu 18 % hinnehmen müssen.

Wären die Versicherten, deren Erwerbsminderungsrente vor Vollendung des 60. Lebensjahres beginnt, nicht oder jedenfalls insoweit nicht von der Absenkung des Zugangsfaktors erfasst worden, hätte die gleichzeitige Aufwertung der Zurechnungszeiten sogar dazu geführt, dass die Rentenansprüche des betroffenen Personenkreises gestiegen und die Inanspruchnahme von Erwerbsminderungsrente attraktiver geworden wären. Damit wäre das gesetzgeberische Einsparziel in sein Gegenteil verkehrt worden.

Eine andere verfassungsrechtliche Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur an Versicherte geleistet wird, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI) oder mindestens drei Stunden täglich (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI) erwerbstätig zu sein. Unabhängig davon, dass auch diese Versicherten den Zeitpunkt ihres Rentenbeginns durch Stellung des Rentenantrags selbst bestimmen können (§ 99 Abs. 1 SGB VI), stellt die vom Gesetzgeber eingeführte Kürzung der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit die Schicksalhaftigkeit des Eintritts einer Erwerbsminderung im Einzelfall nicht in Frage. Abschläge, die sich an der Tatsache des Eintritts in den Ruhestand vor Vollendung des Regelalters orientieren, müssen von Verfassungs wegen nicht danach unterschieden werden, ob die Zurruhesetzung aus der Perspektive des Betroffenen freiwillig oder unfreiwillig erfolgt (vgl. zur Beamtenversorgung BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2010 - 2 BvR 616/09 -, juris, Rn. 12). Dem Umstand, dass dies auch auf gesundheitlichen Einschränkungen beruht, hat der Gesetzgeber dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass die Kürzung des Zugangsfaktors bei Erwerbsminderungsrenten bei weitem nicht die Höhe der Kürzung bei vorzeitigen Altersrenten erreicht.

Der Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) ist nicht verletzt.

Der Gesetzgeber hatte zur Einführung des gekürzten Zugangsfaktors bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die vor Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wurden, mit dem Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl I S. 1827) ausreichende Übergangsregelungen geschaffen.

Zwar waren Abschläge bereits mit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2001 hinzunehmen. Nach § 264c SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden und hier einschlägigen Fassung galten jedoch für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit einem Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2004 bei der Ermittlung des Zugangsfaktors anstelle der Vollendung des 60. Lebensjahres die in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Anlage 23 SGB VI angegebenen Lebensalter in Abhängigkeit vom Monat des Rentenbeginns. Danach war bei einem Rentenbeginn im Januar 2001 nur ein Abschlag in Höhe von 0,3 % hinzunehmen, der für jeden späteren Monat des Rentenbeginns um jeweils 0,3 Prozentpunkte erhöht wurde. Je früher ein Versicherter von der Kürzung des Zugangsfaktors betroffen war, desto geringer war der in Kauf zu nehmende Abschlag. Versicherte mit einem späteren Rentenbeginn erhielten zwar höhere Abschläge, hatten dafür aber umso länger Zeit, ihre Lebensführung darauf einzustellen (vgl. zu diesem Maßstab BVerfGE 116, 96 (133 f.); BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 15. Juli 2010 - 1 BvR 1201/10 -, NZS 2010, S. 557 (558))."

b) Das BVerfG hat in der zitierten Entscheidung auch einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz verneint. Dem Umstand, dass der Zugang zur Erwerbsminderungsrente - anders als die vorzeitige Inanspruchnahme von Altersrente - eine schicksalhafte Entwicklung des Gesundheitszustandes voraussetzte, sei dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass die Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten bei weitem nicht die bei Altersrenten mögliche Höhe erreichten und zudem noch durch die Zurechnungszeiten nach § 59 SGB VI teilweise kompensiert würden (vgl. BTDrucks. 14/4230, S. 26). Zurechnungszeit ist die Zeit, die bei einer Rente wegen Erwerbsminderung oder einer Rente wegen Todes hinzugerechnet wird, wenn der Versicherte das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 59 Abs. 1 SGB VI). Es werden zusätzliche Entgeltpunkte bei der Rentenberechnung berücksichtigt, um eine ausreichende Rente auch im Falle vorzeitiger Invalidität zu gewährleisten. Bis zum 31.12.2000 war die Zeit des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente von der Vollendung des 55. Lebensjahres bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres nur zu einem Drittel anerkannt worden. Seit dem 01.01.2001 wird diese Zeit voll anerkannt (Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000, BGBl. I S. 1827).

Auch eine Ungleichbehandlung gegenüber Rentnern, die Altersrente für schwerbehinderte Menschen beziehen, kann der Senat nicht erkennen. Nach § 236a Abs. 1 SGB VI haben Versicherte, die vor dem 01.01.1964 geboren sind, frühestens Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen, wenn sie 1. das 63. Lebensjahr vollendet haben, 2. bei Beginn der Altersrente als schwerbehinderte Menschen (§ 2 Abs. 2 SGB IX) anerkannt sind und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben. Nach § 236a Abs. 1 Satz 2 ist die vorzeitige Inanspruchnahme dieser Altersrente frühestens nach Vollendung des 60. Lebensjahres möglich. Gemäß § 236a Abs. 2 SGB VI haben Versicherte, die wie der Kläger, vor dem 01.01.1952 geboren sind, Anspruch auf diese Altersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres; für sie ist die vorzeitige Inanspruchnahme nach Vollendung des 60. Lebensjahres möglich. § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2a SGB VI bestimmt allerdings, dass der Zugangsfaktor für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage der persönlichen Entgeltpunkte einer Rente waren, bei Renten wegen Alters, die vorzeitig in Anspruch genommen werden, für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0 ist. Die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente wegen Schwerbehinderung führt damit zu Rentenabschlägen.

Abschlagsfrei wird auch eine solche Altersrente nur nach Maßgabe von § 236a Abs. 4 SGB VI gewährt. Diese Vertrauensschutzregelung setzt voraus, dass der Versicherte vor dem 17.11.1950 geboren und am 16.11.2000 als Schwerbehinderter anerkannt gewesen oder berufsunfähig oder erwerbsunfähig nach dem am 31.12.2000 geltenden Recht gewesen war. Dieser Personenkreis hat Anspruch auf abschlagsfreie Altersrente, wenn das 60. Lebensjahr vollendet ist und in der Altersrente entweder Schwerbehinderteneigenschaft vorgelegen oder Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nach Maßgabe des am 31.12.2000 geltenden Rechts gegeben gewesen war. Ferner muss die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt sein.

Insofern ist den entsprechenden Beziehern von Erwerbsminderungsrenten und damit auch dem am 7.1.1949 geborenen Kläger, soweit er am 16.11.2000 als Schwerbehinderter anerkannt gewesen sein sollte, unbenommen, ab Vollendung des 60. Lebensjahrs eine ungekürzte Altersrente zu beziehen.

Soweit der Kläger die Ansicht vertreten sollte, dass es eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung darstellt, wenn Bezieher von Erwerbsminderungsrenten, die am 16.11.2000 als Schwerbehinderte anerkannt gewesen waren, in gleicher Weise wie andere Bezieher von Erwerbsminderungsrenten Abschläge bei einer Inanspruchnahme vor Vollendung des 60. Lebensjahrs hinnehmen müssen, kann auch der Senat nicht erkennen, dass eine Schwerbehinderte beim Bezug einer Erwerbsminderungsrente begünstigende Differenzierung notwendig gewesen wäre. Die Schwerbehinderteneigenschaft hat für den Anspruch auf Erwerbsminderungsrente keine eigenständige Bedeutung. In Bezug auf eine Erwerbsminderungsrente ließe sich die begehrte Besserstellung auch nicht mit Vertrauensschutzgründen rechtfertigen, da eine entsprechende Begünstigung auch vor 2001 nicht bestanden hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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