L 4 KR 76/11 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 17 KR 73/11 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 76/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
wegen einstweiliger Anordnung
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts
München vom 11. Februar 2011 wird insoweit zurückgewiesen als der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ablehnt wurde.
II. Der Antrag auf Feststellung, dass der Widerspruch der Antragstellerin vom 25.11.2010 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14.09.2010 aufschiebende Wirkung bis zum 17.03.2011 hatte, wird abgelehnt.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

IV. Der Antragstellerin wird auf ihren Antrag Prozesskostenhilfe für das Antrags- und Beschwerdeverfahren bis zum Betrag von 102,00 EURO bewilligt und Rechtsanwalt H., B-Straße, B-Stadt beigeordnet.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um einen Anspruch der Antragstellerin auf Zahlung von Krankengeld im Zeitraum 01.10.2010 bis 17.03.2011.

Bei der 1957 geborenen Antragstellerin (Ast) trat am 15.11.2009 Arbeitsunfähigkeit wegen psychovegetativer Erschöpfung und arterieller Hypertonie ein. Sie war zu diesem Zeitpunkt teilzeitbeschäftigt in einem Modegeschäft, wobei der Arbeitsunfähigkeit eine halbjährige Freistellungsphase seitens des Arbeitgebers vorausgegangen war. Grund für die Freistellung war die Versorgungssituation ihres an einer infantilen Cerebralparese erkrankten erwachsenen Sohnes, bei dem eine Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe II vorliegt. Im Zeitraum 21.07. bis 18.08.2010 führte die Ast eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme durch, an deren Ende sie als arbeitsfähig entlassen wurde. Es bestehe trotz abweichender Einschätzung der Ast eine Leistungsfähigkeit für die letzte Tätigkeit und am allgemeinen Arbeitsmarkt von mindestens 6 Stunden. Im Anschluss an die Reha bescheinigte der behandelnde Nervenarzt Dr. R. weiterhin Arbeitsunfähigkeit wegen Anpassungs- und Somatisierungsstörungen. Am 14.09.2010 teilte die Antragsgegnerin (Ag) der Ast mit, dass sie die Arbeitsunfähigkeit über den 30.09.2010 hinaus nicht anerkennen werde, ggf. sei eine weiter bestehende Arbeitsunfähigkeit durch den Arzt ausführlich zu begründen. Das Schreiben war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Mit Schreiben vom 07.11.2010 (Eingang wohl 09.11.2010) übermittelte die Ast der Ag ein weiteres Attest ihres Arztes sowie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 28.10.2010 (bis 30.11.2010). Hierauf teilte die Ag mit, dass ein schriftlicher Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.09.2010 bisher nicht eingegangen sei. Das Schreiben vom 07.11.2010 sei zu spät, so dass der Bescheid rechtlich bindend geworden sei und eine Zahlung über den 30.09.2010 hinaus nicht erfolgen könne.

Am 25.11.2010 legte der Bevollmächtigte der Ast Widerspruch ein und beantragte vorsorglich eine Neufeststellung im Rahmen des § 44 SGB X. Die Ast habe sich zur Wahrung ihrer Rechte bei der Agentur für Arbeit gemeldet, auch werde vorsorglich beantragt, die Ast freiwillig zu versichern. Mit Datum 29.11.2010 erließ die Ag einen Bescheid nach § 44 SGB X, in dem sie im Ergebnis feststellte, dass die Beendigung der Arbeitsunfähigkeit zum 30.09.2010 mangels weiterer Arbeitsunfähigkeit zu Recht erfolgt sei. Hiergegen legte der Bevollmächtigte erneut Widerspruch ein und wies darauf hin, dass der gegen den Bescheid vom 14.09.2010 eingelegte Widerspruch nicht verspätet gewesen sei, weil die Ag eine ihr vorliegende Vollmacht des Bevollmächtigten nicht berücksichtigt habe. Eine etwaige Versäumung der Widerspruchsfrist gelte im Übrigen gemäß § 41 Abs. 3 SGB X als nicht verschuldet, weil die erforderliche Anhörung vor Erlass des Bescheides nicht durchgeführt worden sei. Schließlich könne die Krankengeldzahlung nur unter der Voraussetzung des § 48 SGB X beendet werden. Die Ag werde aufgefordert, der Ast das Krankengeld nachzuzahlen (§ 86a Abs. 1 SGG). Die Ag wies darauf hin, dass über beide Widersprüche entschieden werde, eine weitere Krankengeldzahlung über den 30.09.2010 bis dahin jedoch nicht in Betracht komme.

Gegen den Bescheid vom 29.11.2010 legte die Ast erneut Widerspruch ein und beantragte am 14.01.2011 beim Sozialgericht München (SG) die Feststellung, dass der Widerspruch vom 25.11.2010 gegen den Bescheid der Ag vom 14.09.2010 aufschiebende Wirkung hat. Die Einstellung der Krankengeldzahlung sei lediglich unter Aufhebung der Grundentscheidung durch Verwaltungsakt gem. § 48 SGB X möglich. Die Grundentscheidung der Ag, Krankengeld zu zahlen, wirke fort, da die Arbeitsunfähigkeit fortlaufend nachgewiesen worden sei. Im Rahmen der Widerspruchsbehandlung erstattete der MDK am 02.02.2011 ein weiteres Aktenlagegutachten, in dem er eine Aufhebung des Leistungsvermögens für die häufig gehende und stehende Tätigkeit sowie gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten im Umfang von 4,23 Stunden pro Tag nicht bestätigte. Angesichts der halbjährigen Freistellungsphase fehle es auch an spezifizierten Ausführungen zu einem von der Ast angegebenen Arbeitsplatzkonflikt. Vorrangig scheine die Versorgungssituation des pflegebedürftigen Sohnes zu sein. Hierauf erging am 11.02.2011 der Widerspruchsbescheid der Ag zum Widerspruch der Ast vom 25.11.2010 gegen den Bescheid vom 14.09.2010. Der Widerspruch wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass keine hinreichenden medizinischen Fakten gegeben seien, die eine Arbeitsunfähigkeit über den 30.09.2010 hinaus begründen könnten.

Mit Beschluss vom 11.02.2011 lehnte das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Es handle sich um einen Antrag nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG, da es sich bei der Entscheidung der Behörde das Krankengeld einzustellen, nicht um die Rücknahme eines Dauerverwaltungsaktes nach § 48 SGB X handle. Es sei der Ast daher nicht mit der Herstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 25.11.2010 gedient. Im Hinblick auf den hier statthaften Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung fehle es an einem Anordnungsanspruch, da der Bescheid vom 14.09.2010 bestandskräftig geworden sei. Er sei wirksam gegenüber der Ast bekannt gegeben worden, da eine zwingende Bekanntgabe gegenüber dem Bevollmächtigten nicht erforderlich sei (§ 37 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Im Rahmen ihrer Entscheidung nach § 44 SGB X habe sich die Ag darauf beschränken können, sich im Ergebnis auf die Bindungswirkung ihrer früheren Entscheidung zu berufen. Neue Diagnosen oder eine Verschlechterung des Zustands sei nicht vorgetragen worden. Auch der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) wurde folglich abgelehnt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Ast zum Bayer. Landessozialgericht (LSG). Über den Einstellungszeitpunkt hinaus lägen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu Gunsten der Ast vor. Der Widerspruch habe aufschiebende Wirkung gemäß § 86a Abs. 1 SGG. Entgegen der Ansicht des SG sei der Bescheid vom 14.09.2010 nicht bestandskräftig geworden, da der Ag geraume Zeit vor Erlass des Bescheides eine auf den Unterzeichner laufende Vollmacht vorgelegen habe. Die Ag habe in diesem Zeitraum mehrfach dem Bevollmächtigten korrespondiert und telefoniert. Es könne nicht angehen, dass bei Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes ausschließlich gegenüber dem Versicherten die Widerspruchsfrist in Gang gesetzt werden könne. Im Übrigen habe das SG auch eine Wiedereinsetzung nicht in seine Überlegungen miteinbezogen, die Ag habe nämlich keine Anhörung der Ast durchgeführt. Aber selbst wenn man von der Bestandskraft des Bescheides ausgehe, könne sich die Ag nicht ohne weitere Sachprüfung auf die Bindungswirkung ihres Bescheides vom 14.09.2010 berufen, da ein ordnungsgemäßes Anhörungs-/Widerspruchsverfahren nicht stattgefunden habe. Es werde auch für das Beschwerdeverfahren PKH beantragt und zwar beschränkt auf den Selbstbehalt für die Rechtsschutzversicherung in Höhe von 102,- Euro.

Die Ast beantragt zuletzt,
1. unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 11.02.2011 die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Krankengeld über den 30.09.2010 bis zum 17.03.2011 zu gewähren,
hilfsweise festzustellen, dass der Widerspruch der Antragstellerin vom 25.11.2010 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14.09.2010 bis 17.03.2011 aufschiebende Wirkung hatte,
2. der Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen,
3. der Antragstellerin für beide Instanzen Prozesskostenhilfe bezüglich des Selbstbehalts ihrer Rechtsschutzversicherung zu bewilligen und den Bevollmächtigten beizuordnen.

Die Ag beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass es sich hinsichtlich der Leistungen im Zeitraum 01.10.2010 bis 13.01.2011 um Leistungen für die Vergangenheit handelt, hinsichtlich derer bereits ein Anordnungsgrund nicht vorliegt, da der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz erst am 14.01.2011 gestellt wurde. Auch für den weiteren Zeitraum lägen die Voraussetzungen für einstweiligen Rechtsschutz nicht vor, da Anhaltspunkte für eine Arbeitsunfähigkeit über den 30.09.2011 hinaus nach den Feststellungen des MDK nicht gegeben seien. Übrigen seien auch keine Arbeitsunfähigkeitsnachweise vorgelegt worden. Schließlich habe die Ast ab dem 22.11.2010 Arbeitslosengeld bezogen und gegen die Einstellung dieser Leistung wohl zum 11.01.2011 Widerspruch erhoben. Sie habe sich daher offensichtlich selbst für arbeitsfähig gehalten. Hiergegen hat sich die Ast nochmals gewandt und darauf hingewiesen, dass sich die Ast zulässigerweise der Vermittlung zur Verfügung gestellt hat, soweit dies ihr Gesundheitszustand zuließ. Weiter habe die Ast eine Bescheinigung für Krankengeldzahlung für den Zeitraum ab dem 28.09.2010 b.a.w. (bis auf weiteres) erhalten. Die dort angegebene Diagnose befinde sich auch auf den nachfolgenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten und gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172 ff. Sozialgerichtsgesetz - SGG -), jedoch nicht begründet. Die Ast hat keinen Anspruch auf eine vorläufige Zahlung von Krankengeld für den Zeitraum 01.10.2010 bis 17.03.2011.

Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Rechtslage geht der Senat davon aus, dass der Bescheid der Ag vom 14.09.2010 nicht in Bestandskraft erwachsen ist. Der formellen Bestandskraft dieses Verwaltungsaktes steht die Tatsache entgegen, dass vor dieser Entscheidung eine notwendige Anhörung der Ast (§ 24 Abs. 1 SGB X) offensichtlich nicht erfolgt ist. In einem solchen Fall sieht die Regelung des § 41 Abs. 3 SGB X vor, dass die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet gilt, wenn durch die unterbliebene Anhörung die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden ist. Das für die Wiedereinsetzungsfrist maßgebende Ereignis tritt dann im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein. Die Regelung ermöglicht also eine fristgemäße Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 Abs. 1 SGG. Ein insoweit auszulegender Antrag des Bevollmächtigten auf Wiedereinsetzung wäre in der Widerspruchseinlegung vom 25.11.2010 zu sehen. Die nach § 41 Abs. 3 Satz 1 erforderliche Kausalität zwischen fehlender Anhörung und Nichteinhaltung der Rechtsbehelfsfrist kann im Rahmen der summarischen Prüfung angenommen werden. Es ist nämlich davon auszugehen, dass sich im Zuge der notwendigen Anhörung der Ast ihre Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Beendigung der Krankengeldzahlung erhöht hätten und sie sich deshalb um einen fristgerechten Widerspruch gekümmert hätte (vgl. von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, § 41 Rdnr. 23). Folglich kann hier dahingestellt bleiben, ob die unterbliebene Zustellung des Bescheides an den Bevollmächtigten die Rechtsbehelfsfrist überhaupt auslösen konnte (§ 37 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Einer diesbezüglichen Entscheidung steht im Übrigen bereits entgegen, dass eine Vollmacht des Bevollmächtigten in den beigezogenen Verwaltungsakten der Ag nicht vorhanden ist.

Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag einer einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung nach § 86b Abs. 2 1. Altern. SGG).

Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung, § 86b Abs. 2 2. Altern. SGG). Beide Arten der einstweiligen Anordnung setzen einen Anordnungsanspruch, also einen materiellen Anspruch auf die begehrte Leistung und einen Anordnungsgrund voraus, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit der beantragten Entscheidung gekennzeichnet ist. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen. Da nur eine vorläufige Regelung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes getroffen werden kann, scheidet eine einstweilige Anordnung grundsätzlich aus, wenn der hierdurch geschaffene Zustand nachträglich nicht mehr korrigiert werden kann, also die Hauptsache faktisch vorweggenommen wird.

Zu Recht hat das SG im vorliegenden Fall die Statthaftigkeit einer Regelungsanordnung angenommen, da die Ast konkret die Zahlung von Krankengeld durch die Ag begehrt, um ihren Lebensunterhalt weiter finanzieren zu können. Ein Anspruch auf Fortzahlung des Krankengeldes bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens kann nicht mit einer aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 25.10.2010 begründet werden, da es sich bei der Bewilligung des Krankengeldes durch die Ag an die Ast nicht um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung gehandelt hat, der nur nach § 48 SGB X aufgehoben werden könnte und bei dem eine aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bis zur Erhebung einer Anfechtungsklage (vgl. § 86 a Abs. 2 Nr. 3 SGG), d.h. zumindest bis einen Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheids besteht. Dieser Rechtsansicht, die vom Bundesversicherungsamt (BVA) in einem Rundschreiben an die bundesunmittelbaren gesetzlichen Krankenkassen vom 12.10.2010 geäußert wurde (http:/bundesversicherungs-amt.de/nn 1047218/DE/Krankenversicherung/Rundschreiben/Rundschreiben49) tritt der Senat nicht bei. Das BVA hatte hierin darauf abgestellt, dass der Anspruch auf Krankengeld zwar automatisch ende, wenn der behandelnde Arzt keine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mehr ausstelle. Eines gesonderten Aufhebungsbescheides im Sinne des § 48 SGB X bedürfe in einem solchen Fall nicht. Anders stelle sich die Rechtslage jedoch dar, wenn der Versicherte seine Arbeitsunfähigkeit weiter durch ein ärztliches Attest nachweise und die Krankenkasse die Arbeitsunfähigkeit auf der Grundlage eines MDK-Gutachtens in Frage stelle. Die Einstellung der Krankengeldzahlung sei in einem solchen Fall nur unter Aufhebung der Grundentscheidung, mit der zunächst eine betragsmäßige Bewilligung von Krankengeld erfolgt sei, durch Verwaltungsakt nach § 48 SGB X möglich. Die Grundentscheidung der Krankenkasse, Krankengeld zu zahlen, wirke dann nämlich fort mit der Folge, dass es dann einer gesonderten Entscheidung bedürfe, den Grundbescheid aufzuheben. Der statthafte Rechtsbehelf gegen den Aufhebungsbescheid sei dann der Widerspruch, welcher gemäß § 86 Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung habe. Dies habe wiederum zur Folge, dass die Krankenkasse im Fall eines Widerspruchs verpflichtet sei, dem Versicherten das Krankengeld bis zum bestandskräftigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens fortzuzahlen.

Diese Sichtweise lässt sich nach Auffassung des Senats nicht aus den einschlägigen Normen ableiten und lässt sich auch nicht in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des BSG bringen. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht grundsätzlich von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V). Einzelheiten zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und insbesondere die notwendigen formalen Voraussetzungen ergeben sich aus den Arbeitsunfähigkeits-Richt-linien des Gemeinsamen Bundesausschusses (Richtlinien über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V). Danach ist die ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit Voraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld (§ 4 Abs. 2). Die Bescheinigung für die Krankengeldzahlung nach Ablauf der Lohnfortzahlung soll in der Regel nicht für einen mehr als sieben Tage zurückliegenden und nicht mehr als zwei Tage im Voraus liegende Zeitraum erfolgen. Ist es auf Grund der Erkrankung oder eines besonderen Krankheitsverlaufs sachgerecht, können längere Zeiträume der AU bescheinigt werden (§ 6 Abs. 2). Aus diesen Regelungen geht hervor, dass die Arbeitsunfähigkeit vom Arzt nur befristet und für konkrete Zeiträume bescheinigt werden darf, so dass etwa auch eine Bescheinigung "bis auf weiteres" nicht zulässig sein dürfte. Dabei hat der Arzt nicht an Stelle der Krankenkasse oder als deren Vertreter über das rechtliche Bestehen von Leistungsansprüchen - also auch Ansprüchen auf Krankengeld - zu entscheiden, oder gar hierüber Verwaltungsakte zu erlassen, sondern gibt mit seiner Feststellung von Arbeitsunfähigkeit lediglich eine Beurteilung ab, die einer gutachterlichen Stellungnahme entspricht (Urteil vom 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr. 7). Das BSG hat daher in ständiger Rechtsprechung konsequent entschieden, dass das Krankengeld durch die Krankenkasse abschnittsweise gewährt wird und das Vorliegen der leistungsrechtlichen Voraussetzungen für jeden weiteren Bewilligungsabschnitt von dieser neu zu prüfen ist. Erst wenn nach gfs. vorausgegangener Krankengeldgewährung eine erneute Bescheinigung vorgelegt wird, besteht für die Kasse überhaupt erst Anlass, die weiteren rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs und damit eines neuen Leistungsfalls zu prüfen. In der abschnittsweisen Zahlung ist nach BSG regelmäßig die Entscheidung der Kasse zu sehen, dass dem Versicherten ein Krankengeldanspruch für die laufende Zeit der der bestätigten AU zusteht, d.h. ein entsprechender Verwaltungsakt über die befristete Bewilligung von Krankengeld (vgl. Urteil vom 22.03.2005, B 1 KR 22/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr. 6). Die dauerhafte Bewilligung von Krankengeld hat das BSG für den Regelfall der AU ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. BSG a.a.O.).

Der Anspruch auf Krankengeld endet - auch nach Auffassung des BVA -, wenn Arbeitsunfähigkeit nicht weiter bescheinigt wird, ohne dass es einer ausdrücklichen Entscheidung der Kasse bedarf. Es ist für den Senat nicht ersichtlich, weshalb aus dieser abschnittsweisen Gewährung des Krankengeldes für den Zeitraum nach Entscheidung der Krankenkasse und bei weiterer Vorlage von AU-Bescheinigungen rechtlich eine Dauerleistung wird, die nur unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X beendet werden könnte (vgl. BSG, a.a.O. Rdnr. 30, a.E.). Eine solche Auffassung hätte darüber hinaus zur Konsequenz, dass zeitliche Lücken in der ärztlichen Feststellung vor Erlass eines Bescheids nach § 48 SGB X sich nicht schädigend auf die Mitgliedschaft der Versicherten auswirken könnten, was der ständigen Rechtsprechung des BSG widerspräche (vgl. Urteil vom 05.05.2009, B 1 KR 20/08 R SozR 4 2500 § 192 Nr. 4). Damit scheidet aber im vorliegenden Fall ein Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung (§ 86 a Abs. 1 SGG) aus.

Die stattdessen statthafte Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG, die auch Gegenstand des Hauptantrags im Beschwerdeverfahren ist, scheitert bereits daran, dass ein Anordnungsgrund nicht hinreichend glaubhaft gemacht wurde. Für den Zeitraum bis zur Einlegung des Antrags auf einstweilige Anordnung am 14.01.2011 kann eine Dringlichkeit nicht mehr angenommen werden. Die Zahlung von Krankengeld als Lohnersatzleistung verfolgt den Zweck, den aktuellen Lebensunterhalt der Versicherten sicher zu stellen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass eine Verpflichtung zur Nachzahlung von Krankengeld im einstweiligen Rechtsschutz für bereits abgelaufene Zeiträume daher nicht möglich ist (vgl. Beschluss vom 05.01.2006, Az.: L 4 B 678/05 KR ER, Beschluss vom 10.10.2010, Az.: L 4 KR 230/10 B ER).

Aber auch hinsichtlich des Zeitraums nach Einlegung des einstweiligen Rechtsschutzes fehlt es an der hinreichenden Glaubhaftmachung von Tatsachen, aus denen sich eine finanzielle Notlage der Ast ergeben könnte. Zwar geht der Senat aufgrund des mitgeteilten Bezugs von Arbeitslosengeld im Zeitraum 22.11.2010 bis 11.01.2011 davon aus, dass das Beschäftigungsverhältnis der Ast zwischenzeitlich aufgelöst wurde. Inwieweit nunmehr Leistungen zur Deckung des Lebensunterhaltes zur Verfügung stehen, ist dem
Senat jedoch nicht bekannt, auch nicht, weshalb die Zahlungen der Agentur für Arbeit wieder eingestellt wurden.

Aber auch die Voraussetzungen für die Bejahung eines Anordnungsanspruches liegen nicht vor. Versicherte haben nach § 44 Abs. 1 SGB V Anspruch auf Krankengeld wegen Arbeitsunfähigkeit, wenn sie krankheitsbedingt ihre bisherige oder eine ähnlich geartete Erwerbstätigkeit nicht oder nur mit der Gefahr, den Zustand zu verschlimmern, ausüben können. Von besonderer Bedeutung für den Krankengeldanspruch der Versicherten ist die zeitnahe Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch den behandelnden Arzt und die entsprechende Meldung an die Krankenkasse (§ 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V i.V.m. § 4 Abs. 2 der AU-Richtlinien -). Soweit hier nach ärztlicher Untersuchung Arbeitsunfähigkeit bestätigt wird, ist dies auf der hierfür vorgesehenen Bescheinigung zu vermerken (§ 5 der AU-Richtlinien). Für den hier streitgegenständlichen Zeitraum bis 17.03.2011 liegt zuletzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Form einer Folgebescheinigung des behandelnden Arztes Dr. R. vom 16.12.2010 vor, in dem dieser eine Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 22.01.2011 bescheinigt. Für den darauffolgenden Zeitraum fehlt es an einer entsprechenden ärztlichen Feststellung, so dass schon aus diesem Grund ein späterer Krankengeldanspruch ausscheidet. Anhaltspunkte dafür, dass ausnahmsweise ein Krankengeldanspruch bejaht werden kann, ohne dass eine zeitnahe ärztliche Feststellung vorliegt, liegen hier nicht vor. Eine solche Fallgestaltung würde nach der Rechtsprechung des BSG voraussetzen, dass dem behandelnden Arzt und dem MDK objektive Fehler zu Lasten des Versicherten unterlaufen sind, die erst zu einem späteren Zeitpunkt sichtbar werden und der Versicherte unverzüglich alles in seiner Macht getan hat, seine Ansprüche zu wahren (vgl. Urteil vom 08.11.2005, Az.: B 1 KR 30/04 R, SozR 4-2500 § 46 Nr. 1). Gründe für die unterbliebene Attestierung sind dem Senat jedoch nicht bekannt.

Für den nunmehr nur noch maßgeblichen Zeitraum vom 14.01.2011 bis einschließlich 22.01.2011 ist ein Anordnungsanspruch nach Auswertung der vorliegenden medizinischen Unterlagen ebenfalls nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden. Zwar hat der behandelnde Arzt unter Fortschreibung der Diagnose "Anpassungs- und Somatisierungsstörung" Arbeitsunfähigkeit festgestellt. Dieser ärztlichen Feststellung hat das BSG lediglich die Bedeutung einer gutachtlichen Stellungnahme beigemessen, welche die Grundlage für den über den Krankengeldbezug zu erteilenden Verwaltungsakt der Krankenkasse bildet, ohne dass diese und die Gerichte an den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung gebunden sind (Urteil vom 08.11.2005, a.a.O.). Zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit sind daher die weiteren vorliegenden Unterlagen über den gesundheitlichen Zustand der Ast heranzuziehen. Im ausführlichen und ausgewogenen Reha-Entlassungsbericht des Rentenversicherungsträgers wurde noch eine Leistungsfähigkeit für die letzte Tätigkeit und am allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von mindestens 6 Std. bescheinigt. Die Entlassung erfolgte daher am 18.08.2010 als arbeitsfähig, obwohl die Ast damals selbst erhebliche Bedenken geäußert hatte, ob eine Rückkehr an den Arbeitsplatz für sie grundsätzlich möglich sei, so lange die Konfliktsituation nicht bereinigt sei. Der MDK hat insoweit am 14.09.2010 nach einem Telefonat mit dem behandelnden Arzt einer Verlängerung der AU über den 30.09.2010 nicht zugestimmt, da sich an den grundsätzlichen Umständen nichts geändert hatte. Gleichwohl kam Dr. R. am 25.10.2010 in einem Attest zu der Auffassung, dass die Ast wegen eingeschränkter Belastbarkeit aufgrund von wechselnden depressiven Verstimmungen und psychosomatischen Beschwerden in Form von Rückenschmerzen sowie orthopädischen Einschränkungen aufgrund degenerativer Wirbelsäulenerkrankungen nicht mehr in der Lage sei, ihrer Beschäftigung als Verkäuferin nachzugehen. Es fehlen allerdings Angaben des Arztes, wie eine Behandlung dieser Beschwerden erfolgen sollte. Darüber hinaus hat der MDK im Widerspruchsverfahren nochmals ausführlich am 24.01.2011 Stellung genommen. Danach könne bei Abgleichung mit den Arbeitsplatzanforderungen laut Arbeitsplatzbeschreibung des Arbeitgebers, in der häufig gehende und stehende Tätigkeit sowie gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten im Umfang von 4,23 Std./Tag dokumentiert sind, ein aufgehobenes Leistungsvermögen für diesen Umfang der Tätigkeit nicht bestätigt werden. Besonders hingewiesen wurde in diesem Zusammenhang auch, dass der Arbeitsunfähigkeit eine halbjährliche Freistellungsphase seitens des Arbeitgebers vorangegangen war und spezifizierte Ausführungen zu einem behaupteten Arbeitsplatzkonflikt durch die Ast nicht vorgetragen worden waren. Nach summarischer Auswertung dieser Unterlagen und in Kenntnis der persönlichen Situation der Ast kommt der Senat insgesamt zu dem Ergebnis, dass eine Umstände, die eine Arbeitsunfähigkeit begründen könnten, nicht ausreichend glaubhaft gemacht wurden. Eine Verpflichtung der Ag zur vorläufigen Zahlung von Krankengeld ist auf dieser Grundlage nicht gerechtfertigt.

Ein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung besteht daher nicht.

Der Hilfsantrag der Ast bleibt ohne Erfolg, da eine aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 25.10.2010 nicht besteht. Wie oben ausgeführt, handelt es sich beim Bescheid der Ag vom 14.09.2010 nicht um einen Aufhebungsbescheid nach § 48 SGB X, mit dem eine Dauerleistung beendet wurde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Der Ast ist trotz des für sie nicht erfolgreichen Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten (PKH) zu bewilligen, da die Geltendmachung der Rechtsansprüche, vor allem im Hinblick auf die o.g. Stellungnahme des BVA, die Prüfung komplexer Rechtsfragen erfordert. Die Entscheidung des SG war daher insoweit zu Gunsten der Ast zu korrigieren.

Die Entscheidung ist endgültig (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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