Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 SV 1875/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Als zuständiges Gericht für das Klageverfahren S 10 KR 409/11 wird das Sozialgericht Stuttgart bestimmt.
Gründe:
I.
Die Klägerin, die H. Kliniken B.-H. GmbH, begehrt von der beklagten Krankenkasse die Auszahlung von Vergütungsanteilen zur Finanzierung von Verträgen der integrierten Versorgung i. H. v. 6.216,88 EUR.
Die Beklagte hat im Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2005 auf der Grundlage von § 140d Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) aufgrund behaupteter bestehender Integrationsbeträge Einbehalte an Rechnungen der Klägerin vorgenommen. Am 29.12.2009 hat die Klägerin beim Sozialgericht Freiburg Klage auf den soeben genannten Betrag erhoben. Mit Beschluss vom 17.01.2011 hat sich das Sozialgericht Freiburg für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Stuttgart verwiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der geltend gemachte Vergütungsanspruch habe seine Grundlage in einem Vertrag auf Landesebene, sodass die Zuständigkeit des Sozialgerichts Stuttgart nach § 57a Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begründet sei, da nach dieser Vorschrift das Sozialgericht zuständig sei, in dessen Bezirk die Landesregierung ihren Sitz habe.
Nach Anhörung hat das Sozialgericht Stuttgart sich mit Beschluss vom 19.04.2011ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und die Streitsache dem Landessozialgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II.
Die nach § 58 Abs. 2 SGG zulässige Vorlage des Sozialgerichts Stuttgart führt im vorliegenden Fall zur Bestimmung dieses Gerichts als zuständigem Gericht. Zwar dürfte das Sozialgericht Stuttgart örtlich unzuständig sein (1.), es ist jedoch an den Verweisungsbeschluss des Sozialgerichts Freiburg gebunden (2.).
1. Gem. § 57a Abs. 3 SGG ist für Angelegenheiten, die Entscheidungen oder Verträge auf Landesebene betreffen – soweit Landesrecht nichts Abweichendes bestimmt – das Sozialgericht zuständig, in dessen Bezirk die Landesregierung ihren Sitz hat. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Freiburg ist § 57a Abs. 3 SGG im vorliegenden Fall nicht anwendbar, sodass es bei der allgemeinen Regelung des § 57 SGG zu verbleiben hat. § 57a SGG unterscheidet vier spezielle örtliche Zuständigkeiten der Sozialgerichte in Fragen der gesetzlichen Krankenversicherung. Diese Vorschrift wurde mit Wirkung vom 01.04.2008 neu gefasst. Es war eine redaktionelle Überarbeitung notwendig geworden, weil in Rechtsprechung und Literatur Uneinigkeit über die Auslegung dieser Vorschrift in ihrer alten Fassung bestand. Das Bundessozialgericht legt § 57a SGG als "Sonderzuständigkeitsregel" zu § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG aus und nahm an, dass alle vier Alternativen ausschließlich Angelegenheiten des Vertragsarztrechts beträfen (vgl. BSG, Urt. vom 27.05.2004 – B 7 SF 6/04 S –). Diese Auslegung wurde in der Literatur kritisiert und auch von den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen nicht geteilt. Daher hat sich der Gesetzgeber aus Gründen der Verwaltungsökonomie und der Vereinheitlichung der Rechtsprechung für eine Neufassung entschieden. Er hat klargestellt, dass sowohl vertragsärztliche als auch nicht vertragsärztliche Fragen auf Landesebene von § 57a SGG betroffen sind (vgl. hierzu und zum Vorstehenden – BT-Drucks. 820/07 – S. 20 –). Bei der Auslegung des § 57a SGG ist deshalb zunächst zu berücksichtigen, dass es sich um eine spezielle Zuständigkeitsregelung handelt, die in Abweichung von der allgemeinen Zuständigkeit aus den soeben genannten Gründen erlassen wurde. Als Ausnahmevorschrift ist § 57a SGG einer weiten Auslegung nicht zugänglich, vielmehr verlangt sie nach einer restriktiven Handhabung. Es sollte mit dieser Vorschrift keine Generalzuständigkeit des jeweiligen Gerichts am Sitz der Landesregierung begründet werden, wenn der geltend gemachte Anspruch Entscheidungen oder Verträge auf Landesebene nur berührt. Vielmehr müssen die Entscheidungen oder Verträge auf Landesebene in qualifizierter Weise oder direkt betroffen sein (vgl. dazu auch LSG Chemnitz, Beschluss vom 13.10.2008 – L 1 B 614/08 KR-ER –). Das bedeutet nach Auffassung des Senats, dass nur die unmittelbare gerichtliche Überprüfung einer vertraglichen Vereinbarung oder Entscheidung auf Landesebene die Zuständigkeit nach § 57a Abs. 3 SGG begründet. Würde eine extensive Auslegung bevorzugt, würde das dazu führen, dass die allgemeine Zuständigkeitsregelung des § 57 Abs. 1 SGG im Wesentlichen im Krankenversicherungsrecht obsolet würde. Es kommt in diesem Rechtsgebiet häufig vor, dass die Auslegung einer Entscheidung oder eines Vertrages auf Landes- oder Bundesebene streitig oder berührt ist. Dies hätte zur Folge, dass z. B. im Vertragsarztrecht nach § 57a Abs. 4 SGG fast jeder Rechtsstreit entweder von dem Sozialgericht Berlin als dem Sitz der Kassenärztlichen Bundesvereinigung oder dem Sozialgericht Köln als dem Sitz der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung entschieden werden müsste, da im Regelfall in diesen Rechtsstreitigkeiten Verträge auf Bundesebene betroffen sind. Es ist zudem eine häufig vorkommende Fallkonstellation des Krankenversicherungsrechts, dass in einem Rechtsstreit z. B. "bundesrechtliche" Regelungen inzident zu überprüfen bzw. heranzuziehen oder auszulegen sind, wie z. B. die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses. Dieser Umstand ist jedoch für die örtliche Zuständigkeit ohne Relevanz, vielmehr befassen sich die Sozialgerichte eines jeden Bundeslandes mit diesen Entscheidungen. § 57 Abs. 1 SGG würde bei einer weiten Auslegung des § 57a Abs. 3 SGG im Krankenversicherungsrecht seine Bedeutung verlieren. Diese liegt aber gerade darin, dem Betroffenen durch die Nähe zum Wohnsitz sowie Aufenthalts- oder Beschäftigungsort die gerichtliche Durchsetzung der sozialrechtlichen Ansprüche zu erleichtern.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Freiburg und des Sozialgerichts Ulm (vgl. dazu Beschluss vom 19.10.2009 – S 13 KR 529/09 –) legen weder die Systematik noch die Entstehungsgeschichte eine weite Auslegung von § 57a Abs. 3 SGG nahe. Die Systematik und die verwendeten Begriffe "Angelegenheiten" und "betreffen" lassen nach Auffassung des Senats keine Rückschlüsse auf eine weite Auslegung zu. Vielmehr folgt aus der bereits zitierten Entstehungsgeschichte, dass es sich lediglich um eine Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (a. a. O.) gehandelt hat.
Auch der Sinn und Zweck der Vorschrift legen eine weite Auslegung nicht nahe. Die Vereinheitlichung der Rechtsprechung und die Verwaltungsökonomie sind nur dann von wesentlicher Bedeutung, wenn die Verträge oder die Entscheidungen auf Landesebene als solche Streitgegenstand sind. In solchen Fällen bedarf es der Einheitlichkeit der Rechtsprechung, damit in Bezug auf die jeweilige Entscheidung oder den jeweiligen Vertrag nicht divergierende Entscheidungen der einzelnen Sozialgerichte ergehen. In den übrigen Fällen, in denen es auf die Umstände des Einzelfalls ankommt, kann die vom Gesetzgeber intendierte Zielsetzung nicht erreicht werden. Insbesondere zeigt die vorliegende Fallkonstellation in der lediglich um die Rechtmäßigkeit von Einbehalten nach § 140d SGB V gestritten wird, dass eine Zuständigkeitskonzentration nicht geboten ist. Die zur Klarstellung anstehenden Rechtsfragen betreffen § 140d SGB V sowie §§ 140a SGB V ff. und insbesondere ist die Frage zu entscheiden, ob von der Beklagten Integrationsverträge geschlossen worden sind. Selbst bei diesen Integrationsverträgen handelt es sich nicht um Verträge auf Landesebene. Vielmehr werden die Verträge von den Krankenkassen mit den in § 140b SGB V genannten Leistungserbringern geschlossen (zu den Anforderungen an derartige Integrationsverträge: BSG, Urteil v. 06.02.2008 - B 6 KA 5/07 R, LSG Chemnitz, Urteil v. 24.06.2009 - L 1 KR 76/08 -); es handelt sich grundsätzlich um Verträge, die nur zwischen den Vertragsparteien z. B. dem Krankenhaus oder zugelassenen Ärzten und der Krankenkassen Geltung beanspruchen.
§ 57a Abs. 3 SGG ist auch nicht deshalb anwendbar, weil die Zahlungsmodalitäten der Krankenhausvergütung in dem Vertrag der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft und den Verbänden der Krankenkassen geregelt sind. Abgesehen davon, dass dieser Vertrag erst ab dem 01.01.2006 in Kraft getreten ist, also für den hier streitigen Zeitraum - die Einbehalte betreffen das Jahr 2005 - nicht gegolten hat, streiten die Beteiligten über diesen Vertrag nicht.
Landesrechtliche Regelungen, d. h. Entscheidungen oder Vereinbarungen auf Landesebene sind im vorliegenden Fall demgemäß nicht streitig. Die zur Anwendung des § 57a Abs. 3 SGG erforderliche unmittelbare Betroffenheit dieses Vertrages fehlt also, weil derartige Entscheidungen oder Verträge nicht Streitgegenstand des Verfahrens sind (vgl. dazu auch LSG Chemnitz, Beschluss vom 13.10.2008 – L 1 B 614/08 KR-ER -; SG Dresden, Beschluss vom 05.06.2009 – S 18 KR 167/09 –; SG Berlin, Beschluss vom 20.05.2011 – S 182 KR 669/11 –; Schreiber, Die Zuständigkeit für Streitigkeiten zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen (-verbänden), SGb 2009, S. 525 ff., a. a. O.; a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06.01.2009 – L 1 B 53/08 KR –).
2. Obgleich der Senat der Auffassung ist, dass hier die örtliche Zuständigkeit des Sozialgerichts Freiburg nach § 57 Abs. 1 SGG, der allgemeinen Regelung, gegeben ist, so zieht er doch die Bestimmung des Sozialgerichts Freiburg als zuständigem Gericht nicht in Betracht. Vielmehr greift die Bindungswirkung gem. § 98 Satz 1 SGG i. V. m. § 17a Abs. 2 GVG. Die Bindungswirkung gilt im Interesse des verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes und soll zu einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung, grundsätzlich unabhängig von der Verletzung prozessualer oder materieller Vorschriften, führen (vgl. dazu BSG, Beschluss vom 03.12.2010 – B 12 SF 7/10 S –). Ausnahmsweise kommt einem Verweisungsbeschluss dann keine Bindungswirkung zu, wenn die Verweisung auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze oder einem willkürlichen Verhalten beruht (vgl. nochmals BSG, Beschluss vom 03.12.2010, a.a.O., m.w.N.). Unter Berücksichtigung dieser strengen Maßstäbe für die Bindungswirkung ist für die Bestimmung des Sozialgerichts Freiburg als zuständigem Gericht kein Raum. Das Sozialgericht Freiburg hat - selbst unter Berücksichtigung dessen, dass der Vertrag nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V noch nicht galt - weder willkürlich noch unter Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze den Rechtsstreit verwiesen. Es hat lediglich im Anschluss an die Rechtsprechung SG des Ulm (vgl. dazu nochmals Beschluss vom 19.10.2009, a.a.O.; LSG Niedersachen-Bremen, Beschluss vom 05.01.2009, a.a.O.) eine von der Rechtsauffassung des beschließenden Senats abweichende Auffassung vertreten, was weder ein Verstoß gegen elementare Verfahrensgrundsätze noch willkürlich ist.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, da es sich bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 58 SGG lediglich um einen sog. Zwischenstreit handelt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Klägerin, die H. Kliniken B.-H. GmbH, begehrt von der beklagten Krankenkasse die Auszahlung von Vergütungsanteilen zur Finanzierung von Verträgen der integrierten Versorgung i. H. v. 6.216,88 EUR.
Die Beklagte hat im Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2005 auf der Grundlage von § 140d Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) aufgrund behaupteter bestehender Integrationsbeträge Einbehalte an Rechnungen der Klägerin vorgenommen. Am 29.12.2009 hat die Klägerin beim Sozialgericht Freiburg Klage auf den soeben genannten Betrag erhoben. Mit Beschluss vom 17.01.2011 hat sich das Sozialgericht Freiburg für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Stuttgart verwiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der geltend gemachte Vergütungsanspruch habe seine Grundlage in einem Vertrag auf Landesebene, sodass die Zuständigkeit des Sozialgerichts Stuttgart nach § 57a Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begründet sei, da nach dieser Vorschrift das Sozialgericht zuständig sei, in dessen Bezirk die Landesregierung ihren Sitz habe.
Nach Anhörung hat das Sozialgericht Stuttgart sich mit Beschluss vom 19.04.2011ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und die Streitsache dem Landessozialgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II.
Die nach § 58 Abs. 2 SGG zulässige Vorlage des Sozialgerichts Stuttgart führt im vorliegenden Fall zur Bestimmung dieses Gerichts als zuständigem Gericht. Zwar dürfte das Sozialgericht Stuttgart örtlich unzuständig sein (1.), es ist jedoch an den Verweisungsbeschluss des Sozialgerichts Freiburg gebunden (2.).
1. Gem. § 57a Abs. 3 SGG ist für Angelegenheiten, die Entscheidungen oder Verträge auf Landesebene betreffen – soweit Landesrecht nichts Abweichendes bestimmt – das Sozialgericht zuständig, in dessen Bezirk die Landesregierung ihren Sitz hat. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Freiburg ist § 57a Abs. 3 SGG im vorliegenden Fall nicht anwendbar, sodass es bei der allgemeinen Regelung des § 57 SGG zu verbleiben hat. § 57a SGG unterscheidet vier spezielle örtliche Zuständigkeiten der Sozialgerichte in Fragen der gesetzlichen Krankenversicherung. Diese Vorschrift wurde mit Wirkung vom 01.04.2008 neu gefasst. Es war eine redaktionelle Überarbeitung notwendig geworden, weil in Rechtsprechung und Literatur Uneinigkeit über die Auslegung dieser Vorschrift in ihrer alten Fassung bestand. Das Bundessozialgericht legt § 57a SGG als "Sonderzuständigkeitsregel" zu § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG aus und nahm an, dass alle vier Alternativen ausschließlich Angelegenheiten des Vertragsarztrechts beträfen (vgl. BSG, Urt. vom 27.05.2004 – B 7 SF 6/04 S –). Diese Auslegung wurde in der Literatur kritisiert und auch von den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen nicht geteilt. Daher hat sich der Gesetzgeber aus Gründen der Verwaltungsökonomie und der Vereinheitlichung der Rechtsprechung für eine Neufassung entschieden. Er hat klargestellt, dass sowohl vertragsärztliche als auch nicht vertragsärztliche Fragen auf Landesebene von § 57a SGG betroffen sind (vgl. hierzu und zum Vorstehenden – BT-Drucks. 820/07 – S. 20 –). Bei der Auslegung des § 57a SGG ist deshalb zunächst zu berücksichtigen, dass es sich um eine spezielle Zuständigkeitsregelung handelt, die in Abweichung von der allgemeinen Zuständigkeit aus den soeben genannten Gründen erlassen wurde. Als Ausnahmevorschrift ist § 57a SGG einer weiten Auslegung nicht zugänglich, vielmehr verlangt sie nach einer restriktiven Handhabung. Es sollte mit dieser Vorschrift keine Generalzuständigkeit des jeweiligen Gerichts am Sitz der Landesregierung begründet werden, wenn der geltend gemachte Anspruch Entscheidungen oder Verträge auf Landesebene nur berührt. Vielmehr müssen die Entscheidungen oder Verträge auf Landesebene in qualifizierter Weise oder direkt betroffen sein (vgl. dazu auch LSG Chemnitz, Beschluss vom 13.10.2008 – L 1 B 614/08 KR-ER –). Das bedeutet nach Auffassung des Senats, dass nur die unmittelbare gerichtliche Überprüfung einer vertraglichen Vereinbarung oder Entscheidung auf Landesebene die Zuständigkeit nach § 57a Abs. 3 SGG begründet. Würde eine extensive Auslegung bevorzugt, würde das dazu führen, dass die allgemeine Zuständigkeitsregelung des § 57 Abs. 1 SGG im Wesentlichen im Krankenversicherungsrecht obsolet würde. Es kommt in diesem Rechtsgebiet häufig vor, dass die Auslegung einer Entscheidung oder eines Vertrages auf Landes- oder Bundesebene streitig oder berührt ist. Dies hätte zur Folge, dass z. B. im Vertragsarztrecht nach § 57a Abs. 4 SGG fast jeder Rechtsstreit entweder von dem Sozialgericht Berlin als dem Sitz der Kassenärztlichen Bundesvereinigung oder dem Sozialgericht Köln als dem Sitz der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung entschieden werden müsste, da im Regelfall in diesen Rechtsstreitigkeiten Verträge auf Bundesebene betroffen sind. Es ist zudem eine häufig vorkommende Fallkonstellation des Krankenversicherungsrechts, dass in einem Rechtsstreit z. B. "bundesrechtliche" Regelungen inzident zu überprüfen bzw. heranzuziehen oder auszulegen sind, wie z. B. die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses. Dieser Umstand ist jedoch für die örtliche Zuständigkeit ohne Relevanz, vielmehr befassen sich die Sozialgerichte eines jeden Bundeslandes mit diesen Entscheidungen. § 57 Abs. 1 SGG würde bei einer weiten Auslegung des § 57a Abs. 3 SGG im Krankenversicherungsrecht seine Bedeutung verlieren. Diese liegt aber gerade darin, dem Betroffenen durch die Nähe zum Wohnsitz sowie Aufenthalts- oder Beschäftigungsort die gerichtliche Durchsetzung der sozialrechtlichen Ansprüche zu erleichtern.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Freiburg und des Sozialgerichts Ulm (vgl. dazu Beschluss vom 19.10.2009 – S 13 KR 529/09 –) legen weder die Systematik noch die Entstehungsgeschichte eine weite Auslegung von § 57a Abs. 3 SGG nahe. Die Systematik und die verwendeten Begriffe "Angelegenheiten" und "betreffen" lassen nach Auffassung des Senats keine Rückschlüsse auf eine weite Auslegung zu. Vielmehr folgt aus der bereits zitierten Entstehungsgeschichte, dass es sich lediglich um eine Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (a. a. O.) gehandelt hat.
Auch der Sinn und Zweck der Vorschrift legen eine weite Auslegung nicht nahe. Die Vereinheitlichung der Rechtsprechung und die Verwaltungsökonomie sind nur dann von wesentlicher Bedeutung, wenn die Verträge oder die Entscheidungen auf Landesebene als solche Streitgegenstand sind. In solchen Fällen bedarf es der Einheitlichkeit der Rechtsprechung, damit in Bezug auf die jeweilige Entscheidung oder den jeweiligen Vertrag nicht divergierende Entscheidungen der einzelnen Sozialgerichte ergehen. In den übrigen Fällen, in denen es auf die Umstände des Einzelfalls ankommt, kann die vom Gesetzgeber intendierte Zielsetzung nicht erreicht werden. Insbesondere zeigt die vorliegende Fallkonstellation in der lediglich um die Rechtmäßigkeit von Einbehalten nach § 140d SGB V gestritten wird, dass eine Zuständigkeitskonzentration nicht geboten ist. Die zur Klarstellung anstehenden Rechtsfragen betreffen § 140d SGB V sowie §§ 140a SGB V ff. und insbesondere ist die Frage zu entscheiden, ob von der Beklagten Integrationsverträge geschlossen worden sind. Selbst bei diesen Integrationsverträgen handelt es sich nicht um Verträge auf Landesebene. Vielmehr werden die Verträge von den Krankenkassen mit den in § 140b SGB V genannten Leistungserbringern geschlossen (zu den Anforderungen an derartige Integrationsverträge: BSG, Urteil v. 06.02.2008 - B 6 KA 5/07 R, LSG Chemnitz, Urteil v. 24.06.2009 - L 1 KR 76/08 -); es handelt sich grundsätzlich um Verträge, die nur zwischen den Vertragsparteien z. B. dem Krankenhaus oder zugelassenen Ärzten und der Krankenkassen Geltung beanspruchen.
§ 57a Abs. 3 SGG ist auch nicht deshalb anwendbar, weil die Zahlungsmodalitäten der Krankenhausvergütung in dem Vertrag der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft und den Verbänden der Krankenkassen geregelt sind. Abgesehen davon, dass dieser Vertrag erst ab dem 01.01.2006 in Kraft getreten ist, also für den hier streitigen Zeitraum - die Einbehalte betreffen das Jahr 2005 - nicht gegolten hat, streiten die Beteiligten über diesen Vertrag nicht.
Landesrechtliche Regelungen, d. h. Entscheidungen oder Vereinbarungen auf Landesebene sind im vorliegenden Fall demgemäß nicht streitig. Die zur Anwendung des § 57a Abs. 3 SGG erforderliche unmittelbare Betroffenheit dieses Vertrages fehlt also, weil derartige Entscheidungen oder Verträge nicht Streitgegenstand des Verfahrens sind (vgl. dazu auch LSG Chemnitz, Beschluss vom 13.10.2008 – L 1 B 614/08 KR-ER -; SG Dresden, Beschluss vom 05.06.2009 – S 18 KR 167/09 –; SG Berlin, Beschluss vom 20.05.2011 – S 182 KR 669/11 –; Schreiber, Die Zuständigkeit für Streitigkeiten zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen (-verbänden), SGb 2009, S. 525 ff., a. a. O.; a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06.01.2009 – L 1 B 53/08 KR –).
2. Obgleich der Senat der Auffassung ist, dass hier die örtliche Zuständigkeit des Sozialgerichts Freiburg nach § 57 Abs. 1 SGG, der allgemeinen Regelung, gegeben ist, so zieht er doch die Bestimmung des Sozialgerichts Freiburg als zuständigem Gericht nicht in Betracht. Vielmehr greift die Bindungswirkung gem. § 98 Satz 1 SGG i. V. m. § 17a Abs. 2 GVG. Die Bindungswirkung gilt im Interesse des verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes und soll zu einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung, grundsätzlich unabhängig von der Verletzung prozessualer oder materieller Vorschriften, führen (vgl. dazu BSG, Beschluss vom 03.12.2010 – B 12 SF 7/10 S –). Ausnahmsweise kommt einem Verweisungsbeschluss dann keine Bindungswirkung zu, wenn die Verweisung auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze oder einem willkürlichen Verhalten beruht (vgl. nochmals BSG, Beschluss vom 03.12.2010, a.a.O., m.w.N.). Unter Berücksichtigung dieser strengen Maßstäbe für die Bindungswirkung ist für die Bestimmung des Sozialgerichts Freiburg als zuständigem Gericht kein Raum. Das Sozialgericht Freiburg hat - selbst unter Berücksichtigung dessen, dass der Vertrag nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V noch nicht galt - weder willkürlich noch unter Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze den Rechtsstreit verwiesen. Es hat lediglich im Anschluss an die Rechtsprechung SG des Ulm (vgl. dazu nochmals Beschluss vom 19.10.2009, a.a.O.; LSG Niedersachen-Bremen, Beschluss vom 05.01.2009, a.a.O.) eine von der Rechtsauffassung des beschließenden Senats abweichende Auffassung vertreten, was weder ein Verstoß gegen elementare Verfahrensgrundsätze noch willkürlich ist.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, da es sich bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 58 SGG lediglich um einen sog. Zwischenstreit handelt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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