L 6 U 80/08

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 6 U 49/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 80/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 151/11 B
Datum
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 30. Juni 2006 und der Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2003 werden abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Unfall vom 25. November 1974 ein Arbeitsunfall ist.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge und das Vorverfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Schulsportunfall vom 25. November 1974 ein Arbeitsunfall ist und daraus konkrete Gesundheitsstörungen folgen.

Die am 15. Juni 1960 (unter dem Mädchennamen G.) geborene Klägerin teilte der Beklagten am 21. März 2001 mit, dass sie als Schülerin am 25. November 1974 während einer Sportübung in der POS J.-F.-D. in K./M. beim Sprung über das Sportgerät "Pferd" ihr rechtes Kniegelenk verletzt habe.

Nach der Unfallmeldung vom 29. November 1974 sei die Klägerin nach dem gehockten Sprung sicher zum Stand gekommen. Beim Beugen des rechten Knies habe es geknackt und die Klägerin habe dort Schmerzen verspürt. Sie habe sich eine Verrenkung des rechten Knies zugezogen. Dr. A. habe das rechte angeschwollene Knie mit einem Zinkleimverband behandelt.

Der Arbeitgeber der Klägerin, das Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung A., setzte die Beklagte mit Schreiben vom 1. März 2001, eingegangen am 6. März 2001, von dem oben genannten Unfallereignis erstmals in Kenntnis.

Dem Sozialversicherungsausweis der Klägerin sind ab Oktober 1979 keine Arbeitsunfähigkeitszeiträume wegen Behandlungen der Kniegelenke oder Beine zu entnehmen.

Nach dem von der Beklagten beigezogenen Arztbrief von Dr. G. vom 28. Mai 1998 bestehe bei dem seitendifferenten rechten Arthrosebefund der Verdacht auf eine alte posttraumatisch forcierte Degeneration. Dr. A. schrieb unter dem 6. Mai 1999, vom vorderen Kreuzband seien nur fasrige Anteile tibial zu identifizieren; dieser Befund sei wahrscheinlich als schon älterer Komplettriss einzustufen. Das Kreiskrankenhaus S. stellte im Arztbrief vom 14. Juli 1999 fest, im MRT (Magnetresonanztomographie) vom Mai 1999 sei eine alte vordere Kreuzbandruptur sowie ein Innenmeniskushinterhornriss zu sehen. Auch Prof. Dr. K. ging unter dem 30. August 1999 von einem Zustand nach Ruptur des vorderen Kreuzbandes rechts aus.

Dipl.-Med. B. vom Fachkrankenhaus V.-G. teilte im Schreiben zur Vorlage bei der Versicherung vom 12. Februar 2001 mit, bei der Klägerin sei im Juli 2000 eine posttraumatische Varusgonarthrose mit drittgradigem Knorpelschaden im medialen Kompartment bei Zustand nach vorderer Kreuzbandruptur diagnostiziert worden. Der Schaden des vorderen Kreuzbandes könne nur traumatischer Genese sein. Die Klägerin habe über einen Schulunfall vom 25. November 1974 berichtet; ein weiterer Unfall davor oder danach sei nicht bekannt, daher sei mit Sicherheit der jetzige Schaden aufgrund des Unfalls vom 25. November 1974 entstanden.

Nach Ermittlungen der Beklagten fanden sich im Kreiskrankenhaus S., im Fachkrankenhaus für Rheumatologie und Orthopädie Vogelsang, in der Gemeinschaftspraxis Dipl.-Med. S. und Dr. B. (Durchgangsärzte in S.), beim Facharzt für Chirurgie Dr. B. in S., in der Gemeinschaftspraxis Dres. B. und Dyck oder bei Frau Dipl.-Med. W. in S. keine ärztlichen Befunde, auch nicht der medizinische Erstbefund.

Die Klägerin teilte mit, nur Frau Dr. A. habe die Behandlung durchgeführt. Auf Anfrage teilte Herr Dr. A. unter dem 4. Mai 2001 mit, es lägen keine alten ärztlichen Unterlagen mehr vor und verwies auf das Archiv der Kreisverwaltung S., welches telefonisch am 20. Juni 2001 mitteilte, ärztliche Unterlagen könnten gegebenenfalls über das Gesundheitsamt des A. abgefordert werden. Das vorgenannte Gesundheitsamt übersandte mit Schreiben vom 23. Juli 2001 ärztliche Unterlagen für den Zeitraum November 1983 bis März 1985, ohne dass sich Behandlungen des rechten Kniegelenkes entnehmen ließen. Das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt S. gab im Schreiben vom 10. Mai 2001 bekannt, keine Unterlagen zu einem Unfall vom 25. November 1974 zu haben, da der Unfall der damaligen Arbeitsschutzinspektion H. nicht gemeldet worden sei. Frau Dr. A. teilte im Schreiben vom 6. November 2001 mit, alle Unterlagen des Staatlichen Gesundheitswesens des ehemaligen DDR seien 1990/91 an die Gesundheitsämter G. bzw. später S. gegangen. Am 26. November 2001 bestätigte das Gesundheitsamt A. S. telefonisch, dass dort alle Unterlagen aufbewahrt werden würden.

Die Beklagte wies mit Schreiben vom 13. Dezember 2001 die Klägerin darauf hin, es lasse sich ein konkreter Erstgesundheitsschaden wegen der fehlenden medizinischen Unterlagen nicht beweisen. Ein Zusammenhang könne daher nur noch über die so genannte Brückensymptomatik wahrscheinlich gemacht werden.

Die Klägerin legte hierauf von Dipl.-Med. B. eine "Bescheinigung zur Vorlage bei der Versicherung" vom 8. Februar 2002 vor. Danach zeige sich aus der Unfallschilderung eine Verdrehung im Bereich des rechten Kniegelenkes. Es sei nachvollziehbar, dass es nach dem Sprung beim Aufkommen zu einer Distorsion im Sinne einer Flexion mit Valgus- und Außenrotationsstreßsituation gekommen sei. Das Knacken im Kniegelenk und die sofort auftretenden Schmerzen nebst Bewegungseinschränkung und schnell auftretender Schwellung sprächen für einen Kniebinnenschaden. Eine Kompensation über die Muskulatur sei über einen Zeitraum von 10 bis 20 Jahren möglich. Angesichts der Instabilität entwickle sich eine mediale Arthrose sekundär mit einem entsprechenden Meniskusschaden. Dies sei eine logische Folge eines Kreuzbandschadens. Posttraumatisch seien arthrotische Veränderungen nach 10 bis 15 Jahren in 95 % der Fälle zu erwarten. Die Klägerin habe sich Ende der 90er Jahre bei weiterführender Arthrose und deutlicher Varusfehlstellung und nicht mehr kompensierbarer Schmerzsymptomatik in Behandlung begeben. Eine Brückensymptomatik liege in Form einer temporären Kompensation des Schadens vor, wobei es aber zu einer erheblichen sekundären Knorpelschädigung gekommen sei. Ein ursächlicher Zusammenhang sei aus diesen Gründen gegeben.

Das Kreiskrankenhaus S. übersandte mit Schreiben vom 14. Mai 2002 neben der Epikrise, dem histologischen Befund, dem MRT-Befund und den Röntgenaufnahmen auch den Arthroskopiebericht vom 22. Juni 1999.

Die Beklagte zog die Epikrisen des Fachkrankenhauses V.-G. vom 28. August 2000 und 19. Januar 2001 über den stationären Aufenthalt vom 3. bis zum 17. August 2000 nebst Arthroskopiebericht vom 4. August 2000 von Dipl.-Med. B. sowie über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 10. bis zum 17. Januar 2001, welcher der Operationsbericht vom 11. Januar 2001 von Dipl.-Med. B. beigefügt war, bei.

Dr. B. teilte unter dem 3. Juni 2002 mit, die Klägerin sei erstmalig am 12. April 1999 wegen Knieschwellungen mit Schmerzen vorstellig geworden. Einen Unfall von 1974 habe die Klägerin nicht angegeben, allerdings habe sie einen Unfall vom 18. September 1998 im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) mitgeteilt. Angesichts des damaligen Befundes sei eine arthroskopische Behandlung erfolgt.

Nach Aufforderung der Beklagten an die Krankenkasse der Klägerin einen Auszug aus dem Leistungsverzeichnis betreffend Erkrankungen der Kniegelenke vorzulegen, teilte die Barmer S. mit, die Mitgliedschaft der Klägerin bestehe dort seit 1. August 1991. Dem Leistungsverzeichnis ist eine HWS-Stauchung nach Schleudertrauma am 18. September 1998 zu entnehmen sowie Krankenhausaufenthalte vom 21. bis zum 25. Juni 1999 wegen lokalisierter sekundärer Osteoarthrose u.a., vom 3. bis zum 17. August 2000 wegen posttraumatischer Gonarthrose und vom 10. bis zum 17. Januar 2001 wegen chronischer Instabilität des Kniegelenkes.

Mit Bescheid vom 22. Januar 2003 lehnte es die Beklagte ab, den Unfall vom 25. November 1974 als Arbeitsunfall anzuerkennen und Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen. Art und Umfang der Knieverletzungen seien mangels eines konkreten medizinischen Erstbefundes nicht bewiesen. Es liege lediglich eine Kopie der Unfallschadenanzeige vom 29. November 1974 der Staatlichen Versicherung der DDR vor. Für einen Zusammenhang zwischen dem diagnostizierten Körperschaden und dem damaligen Unfallereignis fehlten Unterlagen, die im Zeitraum 1974 bis 1995 auf Beschwerden oder Behandlungen des Kniegelenks hinwiesen. Es verbleibe die bloße Möglichkeit, die durchgeführten Behandlungen auf das genannte Unfallereignis zurückzuführen.

Mit Schreiben vom 17. Februar, eingegangen am 20. Februar 2003, erhob die Klägerin Widerspruch. Zur Begründung trug sie unter dem 8. April 2003 vor, es existiere eine Unfallschadensanzeige vom 29. November 1974. Wegen des Unfalls am 25. November 1974 sei damals nur Dr. A. konsultiert worden, die einen Kreuzbandriss diagnostiziert habe. Angesichts der Instabilität des Kniegelenks (Kreuzbandriss) habe sich über einen Zeitraum von bis zu 20 Jahren eine Arthrose mit entsprechendem Meniskusschaden entwickelt. Aus dem fachärztlichen Gutachten vom 8. Februar 2002 gehe hervor, dass der sich heute ergebende Schaden im rechten Knie auf den Unfall vom 25. November 1974 zurückzuführen sei. Sie versichere, auch keinen weiteren Unfall erlitten zu haben, der das rechte Kniegelenk betreffe. Der Umstand, dass keine medizinischen Unterlagen über ihren Unfall vorhanden seien, könne ihr nicht zum Nachteil gereichen. Ferner legte die Klägerin ihrer Widerspruchsbegründung die unter dem 1. April 2003 verfassten Angaben von D. K. bei. Herr K. bekundete hierin, er komme der Bitte der Klägerin nach und wolle die Umstände des Sportunfalls vom 25. November 1974 schildern, an die er sich sehr gut erinnere, da er unmittelbar zugegen gewesen sei. Er sei damals Sportlehrer/Übungsleiter gewesen und habe zur selben Zeit in der gleichen Turnhalle die Parallelgruppe trainiert. Nach dem Sprung der Klägerin habe er ihren Zusammenbruch gehört und gesehen. Auf Bitte der Sportlehrerin M. habe er die Klägerin nach Hause gefahren. Zwei Tage später habe er die Klägerin zu ihrer Hausärztin Dr. A. gefahren, die ihn dann über die Diagnose Kreuzbandriss informiert habe. Die verantwortliche Sportlehrerin habe daraufhin die Unfallmeldung verfasst.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2003 als unbegründet zurück, da der Körperschaden durch den Unfall am 25. November 1974 nicht mit Gewissheit bewiesen sei. Trotz umfangreicher Ermittlungen habe nicht geklärt werden können, welchen Körperschaden sich die Klägerin damals zugezogen habe mit der Folge, dass die Unaufklärbarkeit nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu ihren Lasten gehe. Die Anerkennung eines Arbeitsunfalls setzte voraus, dass der Körperschaden als anspruchsbegründende Tatsache mit der notwendigen Gewissheit zu beweisen sei. Es bestehe lediglich die Möglichkeit, dass die Klägerin Verletzungen am Knie erlitten habe, die weitere Behandlungen erforderten. Der Gesundheitsschaden erfordere jedoch den Vollbeweis, die bloße Möglichkeit eines solchen reiche nicht aus. Im Übrigen sei der beschriebene Bewegungsablauf nicht geeignet gewesen, eine Kreuzbandruptur zu verursachen, daher sei davon auszugehen, dass lediglich eine harmlose Verrenkung des rechten Kniegelenkes vorgelegen habe.

Die Klägerin hat mit der am 15. Januar 2004 erhobenen Klage beim Sozialgericht Stendal ihr Begehren weiterverfolgt und beantragt, das Ereignis vom 25. November 1974 als Arbeitsunfall anzuerkennen und Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu zahlen. Sie hat vorgetragen, nach dem Unfall sei ihr rechtes Knie ohne jegliche Anstrengung oft angeschwollen und habe starke Schmerzen verursacht. Nachdem sie über den Zeitraum von 20 Jahren die in zunehmend kürzeren Abständen auftretenden starken Schmerzen und Schwellungen im rechten Knie nicht mehr habe kompensieren können, sei sie im Juni 1999 erstmals im Krankenhaus S. operiert worden. Sie leide unter einer posttraumatischen Varusgonarthrose mit drittgradigem Knorpelschaden im medialen Kompartement bei Zustand nach vorderer Kreuzbandruptur im rechten Knie. Unter dem 13. Februar 2004 hat die Klägerin vorgetragen, einen weiteren Unfall im Sinne eines Wegeunfalls erlitten zu haben und sich hierbei Prellungen an beiden Kniegelenken mit deutlich sichtbarem Anschwellen rechts nebst Seitenbanddehnung rechts zugezogen zu haben. Die Prozessbevollmächtigte hat ergänzend vorgetragen, die Klägerin habe nach dem hier im Streit stehenden Unfall die Unfallmeldung gemeinsam mit der Lehrerin Ilse Meyer am 29. November 1974 aufgenommen und übersandt. Durch diese Unfallmeldung sei der Nachweis erbracht worden, dass die Klägerin einen Unfall am 25. November 1974 im Schulsport erlitten habe. Der Umstand, dass bei den zur Aufbewahrung zuständigen Stellen, wie auch bei Dr. A., die Erstbefundungsunterlagen nicht mehr vorhanden seien, könne nicht zu Lasten der Klägerin gehen. Es sei nachvollziehbar dargestellt, dass es nach dem Pferdsprung beim Aufkommen zu einer Distorsion im Sinne einer Flexion mit Valgus- und Außenrotationsstresssituation gekommen sei. Das Knacken im Kniegelenk und die danach auftretenden Schmerzen mit Bewegungseinschränkung bei schneller Schwellung sprächen für einen Kniebinnenschaden. Der Unfall sei mit einer vorderen Kreuzbandruptur des rechten Kniegelenks vereinbar. Nach dem Unfallereignis 1974 seien keine weiteren Beschwerden, die für die Klägerin fühlbar gewesen wären, aufgetreten, da eine Kompensation über einen Zeitraum von 10 bis 20 Jahren möglich sei. Nach Ansicht von Dipl.-Med. B. sei dies eine logische Folge nach einem Kreuzbandschaden.

Das Sozialgericht hat vom Facharzt für Orthopädie Dr. S. unter dem 29. Oktober 2005 ein Gutachten eingeholt. Der Gutachter hat dargelegt, der ursächliche Zusammenhang zwischen der geschützten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung sei schwierig zu beurteilen, da eine ärztliche Befunderhebung fehle. Auch der Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung, etwa dem Verdrehtrauma nach dem Sprung mit Kreuzbandruptur, und der nachfolgenden Ausbildung einer schweren Arthrose sei schwierig zu beurteilen. Die vordere Ruptur des Kreuzbandes könne Ursache einerseits der Meniskusschädigung, andererseits der ausgeprägten Arthrose sein. Entscheidend sei, welcher Unfall zur Kreuzbandruptur geführt habe. Der Zusammenhang zwischen dem Unfall vom 25. November 1974 und der vorderen Kreuzbandruptur erscheine ihm wahrscheinlich, wenn auch aufgrund eines ärztlichen Befundes nicht endgültig zu beweisen. Im Übrigen teile er die Auffassung des behandelnden Orthopäden Dipl.-Med. B. zum Zusammenhang einer vorderen Kreuzbandruptur mit einer sich später ausbildenden Arthrose geteilt.

Die Beklagte hat dem Gutachten von Dr. S. insoweit widersprochen, als der Erstgesundheitsschaden als anspruchbegründende Tatsache vollbeweislich zu sichern sei. Der Kniebinnenschaden sei erst 24 Jahre nach dem angeschuldigten Ereignis erstmalig befundet worden.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat eine Eidesstattliche Versicherung der Klägerin selbst vom 31. Juni 2006 beigebracht, nach der sie bekundet, beim damaligen Schulunfall einen Kreuzbandriss erlitten zu haben, der zu den heutigen Verletzungen ihres rechten Kniegelenks geführt habe. Sie habe vor oder nach dem Ereignis vom 25. November 1974 keine weiteren Verletzungen im rechten Kniegelenk erlitten. Die heute festgestellten Verletzungen des rechten Kniegelenks seien ausschließlich auf das Unfallereignis vom 25. November 1974 zurückzuführen.

Die Beklagte hat entgegnet, ein Gesundheitsschaden müsse als anspruchsbegründende Tatsache vollbeweislich gegeben sein. Trotz umfangreicher Ermittlungen habe ein Erstbefund zeitnah zum Ereignis nicht beigebracht werden können. Es bestehe lediglich die Möglichkeit, dass sich die Klägerin am 25. November 1974 eine Verletzung am rechten Knie zugezogen habe, welche später weiterhin behandlungsbedürftig gewesen sei.

Auf gerichtliche Anfrage hat Dr. K. vom Gesundheitsamt des A. S. unter dem 3. April 2006 mitgeteilt, dass trotz intensivster Nachforschungen im Kreisarchiv keine Behandlungsunterlagen gefunden worden seien. Im Übrigen hat die Ärztin auf die Aufbewahrungspflicht von 10 Jahren nach Abschluss der Behandlung hingewiesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 1. August 2006 hat das Sozialgericht Stendal die Klage abgewiesen, da es nicht davon überzeugt sei, dass das Ereignis vom 25. November 1974 die von Dr. S. diagnostizierten Gesundheitsstörungen verursacht habe. Mangels medizinischer Befunde sei nicht mehr feststellbar, ob und welcher Gesundheitsschaden bei dem Unfallereignis eingetreten sei. Auch sei keine Brückensymptomatik gegeben.

Im zurückverwiesenen Verfahren hat die Klägerin weiter vorgetragen, auch die ehemalige Klassenlehrerin G. H. habe Kenntnis von dem Unfall, da sie nach dem Ereignis von den Sportlehrern K. und M. informiert worden sei.

Das Sozialgericht Stendal hat hierauf in der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2008 den ehemaligen Sportlehrer K. zum Unfall vom 25. November 1974 vernommen. Der Zeuge hat angegeben, er sei nur fünf Meter von der Klägerin entfernt gewesen, als er das Knacken und das Aufschreien der Klägerin nach ihrem Sprung über das Pferd gehört habe. Da die Klägerin danach nicht in der Schule gewesen sei, sei er zwei Tage später zur Klägerin gefahren und habe sie in seinem Auto zu Dr. A. gebracht. Bei der Untersuchung bei Dr. A. sei er nicht zugegen gewesen. Nachdem der Zinkleimverband bei der Klägerin angelegt gewesen sei, habe ihm Dr. A. gesagt, es handele sich um einen Kreuzbandriss. Nach dem Arztbesuch habe er der Klassenlehrerin und der Sportlehrerin M. mitgeteilt, was er von Dr. A. gehört habe. Auf Nachfrage hat der Zeuge erklärt, er habe zunächst gedacht, eine Ruhigstellung des Beines sei erst einmal ausreichend. Als es allerdings nach zwei Tagen nicht besser geworden sei, habe er die Klägerin zum Arzt gefahren. Im Übrigen wird wegen der Zeugenvernehmung ergänzend Bezug genommen auf das Protokoll der Sitzung vom 30. Juni 2008.

Mit Urteil vom 30. Juni 2008 hat das Sozialgericht Stendal die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung von Unfallschäden. Der Riss des vorderen Kreuzbandes und des rechten Außenmeniskus sowie die in der Folge aufgetretene Arthrose des rechten Knies seien nicht als Folgen des Arbeitsunfalls vom 25. November 1974 anzusehen. Die Kammer sei nicht davon überzeugt, dass die vom Gutachter Dr. S. diagnostizierten Gesundheitsstörungen durch das Ereignis vom 25. November 1974 verursacht worden seien. Es sei nicht festzustellen, ob und welcher Gesundheitsschaden bei dem Unfallereignis eingetreten sei, da medizinische Befunde nicht mehr zu ermitteln gewesen seien. Obgleich die Klägerin angegeben habe, immer Probleme mit dem Knie gehabt zu haben, gebe es nach dem Unfall über einen Zeitraum von über 20 Jahren keine Hinweise darauf, dass sie wegen einer Knieverletzung behandelt worden wäre. Die Aussage des Zeugen Kramp habe die Kammer aufgrund von Ungereimtheiten nicht davon überzeugen können, dass am Unfalltag ein Kreuzbandriss stattgefunden habe.

Gegen dieses nach Zurückweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht Stendal erlassene Urteil, welches der Klägerin über ihre Prozessbevollmächtigten am 16. Juli 2008 zugestellt worden ist, hat sie wiederum am 11. August 2008 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und vorgetragen, sie sei nach wie vor nicht in der Lage, Krankenunterlagen zum Nachweis der durch den Unfall 1974 eingetretenen Schädigung ihres rechten Kniegelenks vorzulegen. Die damalig behandelnde Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. A. könne sich nicht mehr erinnern und habe die Krankenunterlagen der Klägerin vernichtet. Zwar sei der Zeuge K. bei der Behandlung durch Dr. A. nicht dabei gewesen, aber als sie mit Dr. A. den Warteraum betreten habe, habe die Ärztin ihm auf seine Frage mitgeteilt, es liege ein Kreuzbandriss im rechten Kniegelenk vor, worauf er ihre damalige Klassenlehrerin und Sportlehrerin davon in Kenntnis gesetzt habe. Sie habe einen Zinkleimverband getragen und das rechte Bein ruhig stellen sollen. Es sei auch damals ohne weitere röntgenologische Diagnostik möglich gewesen, eine derartige Diagnose zu stellen.

Die Klägerin hat weiter vorgetragen, ihre ehemalige Klassenlehrerin G. H. hätte vernommen werden müssen, da sie nach dem Schulunfall von dem Sportlehrer K. erfahren habe, dass Dr. A. bei ihr einen Kreuzbandriss diagnostiziert habe. Frau H. habe auch regelmäßig Krankenbesuche bei ihr gemacht und sei über deren gesundheitlichen Zustand informiert gewesen. Aus ihrem Sozialversicherungsausweis ergebe sich, dass sie nach dem Schulunfall bis zum 30. Juni 1990 keine weitere Erkrankung - auch nicht unfallbedingt - am rechten Kniegelenk erlitten habe. Die Klägerin hat ferner einen Bericht des Facharztes für Sportmedizin/Praktischer Arzt Dr. J. vom 11. November 2008 vorgelegt, wonach 1974 in der ehemaligen DDR Unfallereignisse, wie im Fall der Klägerin, nur durch ausführliche Anamnese, körperliche Untersuchung und durch Röntgenuntersuchung hätten abgeklärt werden können. Nach Ansicht dieses Arztes seien Kreuzbandrisse mit 98%-iger Sicherheit immer an ein Unfallereignis gekoppelt. Nur in ganz geringen Fällen spielten degenerative Verschleißprozesse eine Rolle. In den 70er Jahren hätten Kniebinnenschäden wie z.B. Kreuzband-, Seitenband- und Meniskusschäden mittels Röntgenuntersuchungen nicht diagnostiziert werden können. Im Fall der Klägerin liege ein Unfallereignis vor, das für den Kniebinnenschaden, welcher erst viel später aufgetreten sei, verantwortlich sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 30. Juni 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2003 aufzuheben und festzustellen, dass ihr Unfall vom 25. November 1974 ein Arbeitsunfall ist und als Folgen des Unfalls festzustellen posttraumatische Varusgonarthrose des rechten Kniegelenks mit altem vorderen Kreuzbandriss, Knorpelschaden und altem resezierten Teilriss des Innenmeniskus.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für richtig und verteidigt es. Aus dem Ereignis des Jahres 1974 könne kein Gesundheitserstschaden mehr festgestellt werden. Für den im Jahr 1999 diagnostizierten Kniebinnenschaden der Klägerin gebe es keinen Verursachungszusammenhang mit dem Ereignis vom 25. November 1974, da sich hierfür keine Anhaltspunkte fänden. Es fehle an positiven medizinischen Belegen und es gebe auch keine Brückenbefunde über einen Zeitraum von über 20 Jahren. Selbst bei Unterstellung der Aussage des Zeugen K. als wahr fehle ein belastbarer medizinischer Befund. Es sei Spekulation, einen hinreichend wahrscheinlichen Ursachenzusammenhang annehmen zu wollen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten (hier: Unfallakte mit Az. ), die sämtlich Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG im Übrigen zulässige Berufung ist teilweise begründet.

Die Klägerin beschränkt mit ihrem nunmehrigen Antrag die Klage auf Feststellung als Arbeitsunfall nebst Feststellung bestimmter Gesundheitsstörungen als Unfallfolge. Die verbliebene Klage ist zulässig, da ein Versicherter, dem gegenüber ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durch Verwaltungsakt entschieden hat, dass ein Arbeitsunfall nicht gegeben ist, dessen Vorliegen als Grundlage in Frage kommender Leistungsansprüche vorab im Wege einer Kombination von Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG klären lassen kann (BSG vom 30. Juni 2009 - B 2 U 19/08 R - Rn. 14, juris). Die mit sachdienlicher Klageänderung im Sinne von § 99 Abs. 1 SGG zusätzlich erhobene Feststellungsklage auf Feststellung bestimmter Unfallfolgen findet ihre Grundlage in § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG.

Die Berufung ist begründet, soweit die Klägerin unter entsprechender Abänderung des angefochtenen Bescheides die Feststellung des Arbeitsunfalls verfolgt. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Feststellung des Schulsportunfalls vom 25. November 1974 als Arbeitsunfall zu. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist daher insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Für den Arbeitsunfall der Klägerin ist die Beklagte zuständig. Das ergibt sich aus § 128 Abs. 1 Ziff. 3 SGB VII.

Eine Anerkennung als Arbeitsunfall kommt nur in Betracht, wenn es sich bei dem Ereignis im Jahr 1974 im Beitrittsgebiet um einen Arbeitsunfall nach dem Recht der DDR und nach dem Dritten Buch der Reichsversicherungsordnung (RVO) handelte.

Der hier streitige Unfall hat sich in der DDR ereignet. Seine Feststellung als Arbeitsunfall richtet sich daher aufgrund der Übergangsregelungen der §§ 212 und 215 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) nach § 1150 Abs. 2 RVO in der am 31. Dezember 1996 geltenden Fassung des Renten-Überleitungsgesetzes vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1606, 1688). Gemäß § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO gelten Unfälle, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle waren, als Arbeitsunfälle im Sinne des Dritten Buches der RVO. Das gilt nach § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO aber nicht für Unfälle, die einem ab 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt werden und die nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen wären. Dieser Ausschlusstatbestand greift hier nicht. Der Unfall vom 25. November 1974 ist einem Träger der Unfallversicherung zwar erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt geworden. Allerdings liegen die Voraussetzungen für die Feststellung eines Arbeitsunfalls sowohl nach dem Dritten Buch der RVO als auch dem Recht des Beitrittsgebiets vor.

Arbeitsunfall ist nach § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet.

Seine Feststellung erfordert im Regelfall, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des erlittenen Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung des Arbeitsunfalls (BSG vom 2. Dezember 2008 - B 2 U 26/06 R - juris).

Gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 14 lit. b RVO gehören Schüler während des Besuchs allgemeinbildender Schulen zum versicherten Personenkreis in der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Verrichtung, bei welcher sich der Unfall ereignete, muss zum organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule gehören. Dies betrifft Verrichtungen während des Schulunterrichtes einschließlich Arbeitsgemeinschaften, wenn diese im inneren organisatorischen Zusammenhang mit dem Schulbesuch stehen. Versicherte Tätigkeit nach § 539 Abs. 1 Nr. 14 lit. b RVO ist nur der Schulbesuch. Er erstreckt sich auf Betätigungen während des Unterrichts, in den dazwischen liegenden Pausen und solche im Rahmen sog. Schulveranstaltungen. Außerhalb des organisatorischen Verantwortungsbereichs besteht auch bei Verrichtungen kein Versicherungsschutz, die durch den Schulbesuch bedingt sind (BSG vom 26. Oktober 2004 - B 2 U 41/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 7 Rn. 7 m.w.N.). Dieser organisatorische Verantwortungsbereich erfordert einen unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Schule. Daran fehlt es, wenn wirksame schulische Aufsichtsmaßnahmen nicht mehr gewährleistet sind (BSG vom 18. April 2000 - B 2 U 5/99 R - SozR 3-2200 § 539 Nr. 49 S. 214). Er liegt indes vor, wenn der Schüler an einer in den Lehrplan aufgenommenen Veranstaltung teilnimmt (BSG vom 4. Dezember 1991 - 2 RU 79/90 - NJW 1992, 1525) und erfasst damit jedenfalls Verrichtungen während des Schulunterrichts (BSG vom 23. April 1975 - 2 RU 227/74 - BSGE 39, 252, 253 = SozR 2200 § 550 Nr. 4 S. 8). Danach steht die zum Unfall führende Turnübung im inneren Zusammenhang mit dem Schulbesuch. Das am Unfalltag während der Arbeitsgemeinschaft durchgeführte Sporttraining fällt in den organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule.

Der Unfall vom 25. November 1974 unterlag auch nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht der gesetzlichen Versicherung gegen Arbeitsunfälle. Nach § 1 Abs. 1 VersSchutzErwVO (GBl I, Nr. 22/1973) erhalten Bürger, die bei organisierten gesellschaftlichen, kulturellen oder sportlichen Tätigkeiten einen Unfall erleiden, Leistungen der Sozialversicherung und betriebliche Lohnausgleichszahlungen wie bei einem Arbeitsunfall. § 2 lit.e VersSchutzErwVO stellt den Besuch der zehnklassigen bzw. erweiterten allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule, der Spezialschule, der Spezialklasse oder Sonderschule und die Teilnahme der Schüler an der Tageserziehung, an außerschulischen Veranstaltungen sowie an der organisierten Feriengestaltlung den Tätigkeiten nach § 1 Abs. 1 VersSchutzErwVO gleich. Für den Schulbesuch der Klägerin mit Sportunterricht in der Arbeitsgemeinschaft liegen danach die Voraussetzungen eines nach dem Recht des Beitrittsgebiets anzuerkennenden Arbeitsunfalls vor. Die Klägerin hat aus den oben zu § 539 Abs. 1 Nr. 14 lit. b RVO dargelegten Gründen, die auf die Regelung des § 2 lit. e Vers-SchutzErwVO wegen ihres vergleichbaren Wortlauts und Inhalts zu übertragen sind, während des Besuchs der POS einen Unfall und als Folge eine Verrenkung bzw. Schwellung des rechten Knies erlitten. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

Durch das Aufkommen nach dem Sprung über das Übungsgerät Pferd hat die Klägerin ein Trauma im rechten Kniegelenk erfahren und dadurch einen Unfall erlitten. Das von außen auf den Körper einwirkende Ereignis liegt nicht nur bei einem besonders ungewöhnlichen Geschehen, sondern auch bei einem alltäglichen Vorgang, wie das Stolpern über die eigenen Füße oder das Aufschlagen auf den Boden vor, weil hierdurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkt (BSG vom 17. Februar 2009 - B 2 U 18/07 R - m.w.N., juris). Infolge des Pferdsprungs erfuhr die Klägerin ausweislich der damaligen Unfallmeldung eine nicht näher spezifizierte Knieverrenkung und damit einen behandlungsbedürftigen Gesundheitsschaden. Der Unfall war durch die sportliche Verrichtung - das Springen über das Pferd - bedingt.

Der Arbeitsunfall vom 25. November 1974 in Form eines Schulsportunfalls mit dem Gesundheitsschaden eines verrenkten und geschwollenen rechten Knies ist zur Überzeugung des Senats bewiesen und daher festzustellen. Es bestehen keine Zweifel daran, dass die Klägerin während ihres mit dem Besuch der POS I J.-F.-D. verbundenen Arbeitsgemeinschaftssport beim Sprung über das Sportgerät Pferd beim Aufkommen ihr rechtes Knie verletzt hat. Dies ergibt sich aus der von der Sportlehrerin I. M. gefertigten Unfallmeldung vom 29. November 1974, der Behandlung mittels eines Zinkleimverbandes durch Dr. A., der Aussage des Zeugen K. und der Angaben der Klägerin selbst. Für die Annahme des Unfallschadens bedarf es keiner Verletzung besonderer Schwere oder von Dauer, so dass auch die ursprünglich in der Unfallmeldung vermerkte "Knieverrenkung" hierfür ausreicht. Im Übrigen hat der Senat, angesichts der vier Tage nach dem Unfall gefertigten Unfallmeldung und der Aussage des Zeugen K. über die Durchführung einer ärztlichen Behandlung auch keine Zweifel daran, dass die in der Unfallmeldung vermerkten Schmerzen und die von der Klägerin glaubhaft behauptete Schwellung unmittelbar nach dem Unfall auch vorgelegen haben. Der Zeitdifferenz zwischen Unfall und Unfallmeldung kommt insoweit Bedeutung zu, als nicht anzunehmen ist, dass noch vier Tage nach dem Unfall eine Unfallmeldung aufgesetzt worden wäre, wenn es sich um einen folgenlosen Vorgang gehandelt hätte.

Soweit die Klägerin die Gesundheitsschäden posttraumatische Varusgonarthrose des rechten Kniegelenks mit altem vorderen Kreuzbandriss, Knorpelschaden und altem resezierten Teilriss des Innenmeniskus festgestellt wissen will, ist sie durch den angegriffenen Bescheid vom 22. Januar 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2003 nicht in ihren Rechten verletzt, da sie auf diese Feststellungen keinen Anspruch hat.

Die von der Klägerin weiter geltend gemachten Gesundheitsschäden sind als Unfallfolgen des Sportunfalls von 25. November 1974 nicht hinreichend wahrscheinlich und daher nicht anzuerkennen. Insbesondere ist zunächst nicht belegt, dass der Unfall unmittelbar den Kreuzbandriss herbeigeführt hat. Für den klägerischen Vortrag, der vordere Kreuzbandriss im rechten Knie sei unmittelbar nach dem Sprung über das Sportgerät entstanden, fehlt es an einer belastbaren ärztlichen bzw. medizinischen Erstbefundung, die von dieser gesicherten Diagnose ausgeht.

Bei einer erstmaligen Sicherung des Kreuzbandrisses für das Jahr 1999 ist der Zusammenhang mit dem Unfall nicht wahrscheinlich. Für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen einem Unfall und der geltend gemachten Gesundheitsstörung gilt der Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Dies bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung, mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Die bloße Möglichkeit einer Verursachung genügt nicht (vgl. BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 15; Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Zur Vermeidung eines nach der naturwissenschaftlich-philosophischen Betrachtungsweise denkbaren unendlichen Ursachenzusammenhangs (Bedingungs- bzw. Äquivalenztheorie) wird die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung rechtlich relevante Kausalität nach der "Theorie der wesentlichen Bedingung" eingegrenzt. Danach ist nur die Bedingung rechtlich erheblich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Eintritt des geltend gemachten Gesundheitsschadens "wesentlich" beigetragen hat (Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII Rn. 4, 15 m.w.N.). Das bedeutet, dass nicht jede Gesundheitsstörung, die im naturwissenschaftlichen Sinne durch das angeschuldigte versicherte Ereignis beeinflusst worden ist, rechtlich dessen Folge ist, sondern nur der Gesundheitsschaden, der "wesentlich" durch das Ereignis verursacht worden ist. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Gesichtspunkte hierfür sind Art und Ausmaß der Einwirkung sowie der konkurrierenden Ursachen, der zeitliche Ablauf des Geschehens, das Verhalten des Versicherten nach dem Unfall, die Krankheitsgeschichte unter Berücksichtigung der aktuellen medizinischen Erkenntnisse sowie ergänzend auch der Schutzzweck der Norm (BSG, Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 15; BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).

Die im Jahre 1999 nach 24 Jahren außerhalb des zeitlichen und örtlichen unmittelbaren Zusammenhangs mit dem Unfallereignis durch Dr. A. festgestellte Diagnose einer älteren Kreuzbandruptur ist nicht mit dem Knieschaden in Verbindung zu bringen.

Nach Mitteilung des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes S. vom 10. Mai 2001 war der damals zuständigen Arbeitsschutzinspektion H. nicht der von der Klägerin behauptete Schulsportunfall gemeldet worden. Auch Dr. K. vom Gesundheitsamt A. S. hat trotz intensivster Nachforschung keine Behandlungsunterlagen der Klägerin ausfindig machen können. Bis auf die vorliegende Unfallmeldung existieren damit keine medizinischen Unterlagen zu den Folgen des Unfalls.

Die Zeugenaussage des Sportlehrers K. und die Angaben der Klägerin selbst über die damalige Mitteilung von Dr. A. gegenüber ihnen, es liege ein "Kreuzbandriss" vor, können als wahr unterstellt werden. Hiervon ausgehend kann der Senat sich dennoch nicht von der Richtigkeit dieser von Dr. A. mitgeteilten Diagnose "Kreuzbandriss" als Gesundheitserstschaden überzeugen. Zunächst ist nicht klar, ob Dr. A. lediglich von einem Verdacht auf Kreuzbandriss oder von einer gesicherten Diagnose ausging. Da Dr. A. selbst an den Fall keine Erinnerung mehr hat, kann dies aus ihrer bloßen Äußerung gegenüber dem Zeugen Kramp als Begleitperson nicht abgeleitet werden. Darüber hinaus bleibt ungeklärt, ob und aufgrund welcher Untersuchungen Dr. A. als nicht einschlägige Fachärztin zu ihrer Diagnose bzw. dem Diagnoseverdacht kam. Allein die Behauptung einer Allgemeinmedizinerin, es könne ein Kreuzbandriss gegeben sein, ohne Belege anhand welcher Untersuchungsmethoden und aufgrund welcher Symptome auf die Diagnose geschlossen wurde, reicht zur Überzeugungsbildung des Senats von dem Kreuzbandriss nicht aus.

Auch eine Vernehmung der Sportlehrerin M. und der Klassenlehrerin H. kann das Fehlen eines belastbaren medizinischen Erstbefundes hinsichtlich der Unfallfolgen nicht ersetzen, so dass eine Befragung entbehrlich war. Der Zeuge K. ist als nähere Beweisperson vernommen worden, so dass die von ihm informierten Hören-Sagen-Zeugen geringeren Beweiswert hinsichtlich der behaupteten Aussage von Dr. A. haben. Es kann auch insoweit unterstellt werden, dass der Zeuge K. den Zeuginnen M. und H. mitteilte, die Klägerin habe einen Kreuzbandriss erlitten. Da schon die angebliche Mitteilung von Dr. A. gegenüber dem Zeugen K., die Klägerin habe einen "Kreuzbandriss", nicht zur Überzeugung des Senats vom Vorliegen dieser Diagnose ausreicht, können die vom Zeugen K. informierten weiteren Personen als mittelbare Zeugen erst recht keine Überzeugung von der Richtigkeit der seitens Dr. A. geäußerten Diagnose bieten.

Die von der Klägerin selbst veranlasste ärztliche Stellungnahme von Dipl.-Med. B. vom 8. Februar 2008 ist beweisrechtlich lediglich als substantiierter Parteivortrag zu behandeln, ohne dass insoweit ein gerichtlicher Gutachtenauftrag existiert. Soweit Dipl.-Med. B. Alternativursachen für den Kreuzbandriss diskutiert, ist dies irrelevant, da nicht der Negativbeweis eines anderen Ereignisses zu führen ist, sondern positiv der Ursachenzusammenhang zwischen dem angeschuldigten Ereignis und Unfallfolgen nachgewiesen werden muss.

Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe nach dem Sportunfall immer starke Schmerzen im rechten Knie verspürt und habe bei körperlicher Anstrengung entsprechende Bandagen tragen müssen, stützt dies die Wahrscheinlichkeit des Zusammenhangs nicht. Sie hat dennoch über einen Zeitraum von 24 Jahren trotz der vorgetragenen Beschwerden keinen Arzt aufgesucht und sich auch keine entsprechenden Hilfsmittel verschreiben lassen. Obgleich die Klägerin 1999 Dr. B. wegen ihrer Kniebeschwerden aufsuchte, erwähnte sie nach dessen Angaben ihm gegenüber zwar einen Unfall vom 18. September 1998, der jedoch ihre HWS betroffen haben soll, nicht aber den ihrer jetzigen Ansicht nach ursächlichen Sportunfall aus dem Jahr 1974, was nicht plausibel erscheint.

Soweit die Klägerin eine eigene schriftliche "eidesstattliche Versicherung" zum Verfahren abgibt, ist dies in sozialgerichtlichen Verfahren ohne Beweiswert. Weder sind in diesem Verfahren eidesstattliche Versicherungen vorgesehen, noch eine Parteivernehmung des mit dem Hauptbeweis belasteten Beteiligten. Zudem hat die Erklärung auch inhaltlich keinen wesentlichen Beweiswert, da ein Kreuzbandriss nicht notwendig unter so markanten Umständen erfolgen muss, dass über einen Zeitraum von nahezu einem Vierteljahrhundert eine Erinnerung vorhanden sein muss.

Soweit die Klägerin meint, trotz der intensiven Ermittlungsbemühungen der Beklagten und der Gerichte könne ihre Beweisnot nicht zu ihren Lasten gehen, verkennt sie den Grundsatz der objektiven Beweislast im sozialrechtlichen Verfahren: Falls trotz der sich aufdrängenden Amtsermittlung die für die Klägerin günstigen anspruchsbegründenden Tatsachen nicht zu ermitteln sind, hat die Klägerin die Folgen der Nichterweislichkeit zu tragen.

Der Ursachenzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und der Gesundheitsstörung ist zur Überzeugung des Senats nicht hinreichend wahrscheinlich, da bei vernünftiger Abwägung aller Umstände nicht insgesamt deutlich mehr dafür als dagegen spricht und ernste Zweifel nicht ausscheiden. Allein der Zeitablauf von 24 Jahren zwischen Unfallereignis und gesicherter Diagnose der geltend gemachten Gesundheitsstörungen bei völligem Fehlen entsprechender Brückensymptomatik lassen erhebliche Zweifel an einem wesentlichen Ursachenzusammenhang aufkommen. Das Nichtvorhandensein entsprechender weiterer Knieverletzungen im Sozialversicherungsausweis bis 1990 und die Beteuerung der Klägerin keine weiteren Knieverletzungen erlitten zu haben, vermag nicht den Ursachenzusammenhang positiv zu begründen. Es ist zwar durchaus möglich, dass die Klägerin einen Kreuzbandriss beim damaligen Sportunfall davon getragen hat, dies bleibt jedoch Spekulation und erfüllt nicht die Voraussetzung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des erforderlichen Ursachenzusammenhangs zwischen Unfallereignis und behaupteter Gesundheitsstörung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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