Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 101/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 458/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 231/11 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zulässigkeitsvoraussetzung einer Untätigkeitsklage ist, dass diese sachlich nicht beschieden ist.
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf einen Widerspruchsbescheid hat.
Der Bevollmächtigte des Klägers zeigte mit Schreiben vom 05.07.2009 bei der Beklagten ein Unfallereignis vom 01.01.2005 als Arbeitsunfall an. Mit Schreiben vom 21.08.2009, 21.09.2009 sowie 19.10.2009 bat die Beklagte um Beantwortung von diversen Fragen zu diesem Ereignis. Nachdem sie keine Antwort erhalten hatte, teilte sie mit Schreiben vom 17.11.2009 mit, dass ohne Angaben die Prüfung einer Leistungspflicht nicht möglich sei, weshalb nun davon ausgegangen werden müsse, dass ein Arbeitsunfall nicht vorliege. Die Bearbeitung sei abgeschlossen.
Mit Schriftsatz vom 23.11.2009 erhob der Kläger Widerspruch gegen das Schreiben vom 17.11.2009. Gleichzeitig legte er die ausgefüllten Fragebogen vor.
Mit Schreiben vom 13.01.2010 teilte die Beklagte mit, dass ein Widerspruch gegen das informative Schreiben vom 17.11.2009 nicht möglich sei. Mit diesem Schreiben sei keine Entscheidung über die Ablehnung des Ereignisses vom 01.01.2005 als Arbeitsunfall getroffen worden. Nachdem nunmehr die Fragen beantwortet worden seien, werde das Feststellungsverfahren fortgeführt und eine Entscheidung über das Vorliegen eines Versicherungsfalls noch getroffen werden.
Mit Schriftsatz vom 19.01.2010 bestätigte der Klägerbevollmächtigte den Eingang des Schreibens vom 13.01.2010. Gleichzeitig forderte er die Beklagte auf, über den Widerspruch gegen den Verwaltungsakt vom 17.11.2009 zu entscheiden.
Mit Bescheid vom 20.05.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen des Unfalls vom 01.01.2005 ab.
Mit Schreiben vom 23.02.2010 erhob der Kläger Untätigkeitsklage wegen Nichtverbescheidung des Widerspruchs vom 23.11.2009. Es stehe der Beklagten nicht zu, darüber zu entscheiden, ob ein Schreiben Verwaltungsaktqualität habe oder nicht. Aus hiesiger Sicht handele es sich bei dem Schreiben vom 17.11.2009 um einen Verwaltungsakt. Die Beklagte sei auch verpflichtet, über ein unzulässiges Rechtsmittel zu entscheiden. Die Beklagte sei mehrfach aufgefordert worden, über den Widerspruch zu entscheiden.
Der Bevollmächtigte des Klägers wies darauf hin, dass der Bescheid vom 20.05.2010 gemäß § 86 SGG zum Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden sei.
Nach Anhörung wies das Sozialgericht München die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22.09.2010ab. Der Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Die Beklagte hatte mit Schreiben vom 13.01.2010 deutlich gemacht, dass nach nunmehr vorliegender Beantwortung der gestellten Fragen das Feststellungsverfahren fortgeführt werde und eine Sachentscheidung getroffen werde. Damit bestehe keinerlei Bedürfnis mehr, über einen gegen das Schreiben vom 17.11.2009 eingelegten Widerspruch zu entscheiden, da nunmehr das Feststellungsverfahren durchgeführt worden ist.
Hiergegen hat der Kläger am 14.10.2010 Berufung eingelegt. Er habe am 01.01.2005 einen Arbeitsunfall erlitten. Die Beklagte habe über den Widerspruch gegen die Entscheidung vom 17.11.2009 bis heute nicht entschieden. Der Kläger habe aber einen Anspruch auf Verbescheidung des Widerspruchs. Bei dem Schreiben vom 17.11.2009 habe es sich um einen Verwaltungsakt gehandelt, auch wenn dieser keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten habe. Dadurch verlängere sich lediglich die Rechtsbehelfsfrist auf zwölf Monate. Es sei als rechtswidrig zu bezeichnen, wenn die Beklagte einfach ohne weitere Mahnung den Anspruch auf Anerkennung als Arbeitsunfall und der Gewährung von Gesetzlichen Leistungen ablehne. Die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, nicht nur zu mahnen. Es wäre erforderlich gewesen, qualifiziert auf die angeblich unterlassene Mitwirkungspflicht hinzuweisen. Über den Widerspruch sei bis heute nicht entschieden.
Am 21.10.2010 erging Widerspruchsbescheid, mit dem der Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.05.2010 zurückgewiesen wurde.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 22.09.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid der Beklagten vom 17.11.2009 zu verbescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht München die Untätigkeitsklage abgewiesen.
Gemäß § 88 Abs.2 SGG kann Untätigkeitsklage erhoben werden, wenn über einen Widerspruch innerhalb von drei Monaten nicht entschieden worden ist. § 88 SGG gewährleistet, dass die Verwaltung den Betroffenen nicht durch Untätigkeit in seinen Rechten beeinträchtigen kann. Die Untätigkeitsklage ist zulässig, wenn der Kläger Widerspruch eingelegt hat. Darauf, ob ein Widerspruchsverfahren vorgeschrieben oder Widerspruch zulässig ist, kommt es nicht an. Der Kläger hat Anspruch auf einen Bescheid (Meyer-Ladewig, SGG, § 88 Rdnr.3).
Zulässigkeitsvoraussetzung ist weiter, dass der Kläger sachlich nicht beschieden, die Behörde also nicht eine abschließende Entscheidung zur Hauptsache getroffen hat. Eine solche Entscheidung ist jedoch in dem Schreiben der Beklagten vom 13.01.2010 zu sehen. Die Beklagte hat darin dem Kläger mitgeteilt, dass aus ihrer Sicht ein Widerspruch gegen das Schreiben vom 17.11.2009 nicht zulässig ist, weil es sich insoweit nicht um einen Verwaltungsakt handele. Durch das Schreiben vom 13.01.2010 wurde damit über den Widerspruch des Klägers entschieden. Dies gilt auch, obwohl der Widerspruchsbescheid nicht als solcher bezeichnet ist und zum anderen die Rechtsbehelfsbelehrung fehlt. Entscheidend ist der Regelungsgehalt. Dieser Widerspruchsbescheid ist dem Bevollmächtigten des Klägers auch zugegangen, wie dieser selbst mit Schreiben vom 19.01.2010 bestätigt hat.
Im Übrigen fehlt es auch, wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, an einem Rechtsschutzinteresse des Klägers für einen weiteren Widerspruchsbescheid. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht dann nicht, wenn die Untätigkeitsklage rechtsmissbräuchlich ist (vgl. Meyer-Ladewig, 9. Aufl., § 88, Rdnr.4a). Ein solcher Rechtsmissbrauch ist im vorliegenden Fall gegeben, da der Widerspruch zum einen mit Schreiben vom 13.01.2010 verbeschieden wurde. Zum anderen wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2010 über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.05.2010 entschieden. Damit ist dem Kläger der Rechtsweg eröffnet gegen die Entscheidung der Beklagten, dass das Ereignis vom 01.01.2005 kein Arbeitsunfall ist. An dieser Feststellung hat der Kläger ein rechtliches Interesse. Insoweit ist ihm der Rechtsweg eröffnet.
Die Erhebung der Untätigkeitsklage stellt somit lediglich die Ausnutzung einer formalen Rechtsposition dar.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf einen Widerspruchsbescheid hat.
Der Bevollmächtigte des Klägers zeigte mit Schreiben vom 05.07.2009 bei der Beklagten ein Unfallereignis vom 01.01.2005 als Arbeitsunfall an. Mit Schreiben vom 21.08.2009, 21.09.2009 sowie 19.10.2009 bat die Beklagte um Beantwortung von diversen Fragen zu diesem Ereignis. Nachdem sie keine Antwort erhalten hatte, teilte sie mit Schreiben vom 17.11.2009 mit, dass ohne Angaben die Prüfung einer Leistungspflicht nicht möglich sei, weshalb nun davon ausgegangen werden müsse, dass ein Arbeitsunfall nicht vorliege. Die Bearbeitung sei abgeschlossen.
Mit Schriftsatz vom 23.11.2009 erhob der Kläger Widerspruch gegen das Schreiben vom 17.11.2009. Gleichzeitig legte er die ausgefüllten Fragebogen vor.
Mit Schreiben vom 13.01.2010 teilte die Beklagte mit, dass ein Widerspruch gegen das informative Schreiben vom 17.11.2009 nicht möglich sei. Mit diesem Schreiben sei keine Entscheidung über die Ablehnung des Ereignisses vom 01.01.2005 als Arbeitsunfall getroffen worden. Nachdem nunmehr die Fragen beantwortet worden seien, werde das Feststellungsverfahren fortgeführt und eine Entscheidung über das Vorliegen eines Versicherungsfalls noch getroffen werden.
Mit Schriftsatz vom 19.01.2010 bestätigte der Klägerbevollmächtigte den Eingang des Schreibens vom 13.01.2010. Gleichzeitig forderte er die Beklagte auf, über den Widerspruch gegen den Verwaltungsakt vom 17.11.2009 zu entscheiden.
Mit Bescheid vom 20.05.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen des Unfalls vom 01.01.2005 ab.
Mit Schreiben vom 23.02.2010 erhob der Kläger Untätigkeitsklage wegen Nichtverbescheidung des Widerspruchs vom 23.11.2009. Es stehe der Beklagten nicht zu, darüber zu entscheiden, ob ein Schreiben Verwaltungsaktqualität habe oder nicht. Aus hiesiger Sicht handele es sich bei dem Schreiben vom 17.11.2009 um einen Verwaltungsakt. Die Beklagte sei auch verpflichtet, über ein unzulässiges Rechtsmittel zu entscheiden. Die Beklagte sei mehrfach aufgefordert worden, über den Widerspruch zu entscheiden.
Der Bevollmächtigte des Klägers wies darauf hin, dass der Bescheid vom 20.05.2010 gemäß § 86 SGG zum Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden sei.
Nach Anhörung wies das Sozialgericht München die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22.09.2010ab. Der Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Die Beklagte hatte mit Schreiben vom 13.01.2010 deutlich gemacht, dass nach nunmehr vorliegender Beantwortung der gestellten Fragen das Feststellungsverfahren fortgeführt werde und eine Sachentscheidung getroffen werde. Damit bestehe keinerlei Bedürfnis mehr, über einen gegen das Schreiben vom 17.11.2009 eingelegten Widerspruch zu entscheiden, da nunmehr das Feststellungsverfahren durchgeführt worden ist.
Hiergegen hat der Kläger am 14.10.2010 Berufung eingelegt. Er habe am 01.01.2005 einen Arbeitsunfall erlitten. Die Beklagte habe über den Widerspruch gegen die Entscheidung vom 17.11.2009 bis heute nicht entschieden. Der Kläger habe aber einen Anspruch auf Verbescheidung des Widerspruchs. Bei dem Schreiben vom 17.11.2009 habe es sich um einen Verwaltungsakt gehandelt, auch wenn dieser keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten habe. Dadurch verlängere sich lediglich die Rechtsbehelfsfrist auf zwölf Monate. Es sei als rechtswidrig zu bezeichnen, wenn die Beklagte einfach ohne weitere Mahnung den Anspruch auf Anerkennung als Arbeitsunfall und der Gewährung von Gesetzlichen Leistungen ablehne. Die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, nicht nur zu mahnen. Es wäre erforderlich gewesen, qualifiziert auf die angeblich unterlassene Mitwirkungspflicht hinzuweisen. Über den Widerspruch sei bis heute nicht entschieden.
Am 21.10.2010 erging Widerspruchsbescheid, mit dem der Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.05.2010 zurückgewiesen wurde.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 22.09.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid der Beklagten vom 17.11.2009 zu verbescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht München die Untätigkeitsklage abgewiesen.
Gemäß § 88 Abs.2 SGG kann Untätigkeitsklage erhoben werden, wenn über einen Widerspruch innerhalb von drei Monaten nicht entschieden worden ist. § 88 SGG gewährleistet, dass die Verwaltung den Betroffenen nicht durch Untätigkeit in seinen Rechten beeinträchtigen kann. Die Untätigkeitsklage ist zulässig, wenn der Kläger Widerspruch eingelegt hat. Darauf, ob ein Widerspruchsverfahren vorgeschrieben oder Widerspruch zulässig ist, kommt es nicht an. Der Kläger hat Anspruch auf einen Bescheid (Meyer-Ladewig, SGG, § 88 Rdnr.3).
Zulässigkeitsvoraussetzung ist weiter, dass der Kläger sachlich nicht beschieden, die Behörde also nicht eine abschließende Entscheidung zur Hauptsache getroffen hat. Eine solche Entscheidung ist jedoch in dem Schreiben der Beklagten vom 13.01.2010 zu sehen. Die Beklagte hat darin dem Kläger mitgeteilt, dass aus ihrer Sicht ein Widerspruch gegen das Schreiben vom 17.11.2009 nicht zulässig ist, weil es sich insoweit nicht um einen Verwaltungsakt handele. Durch das Schreiben vom 13.01.2010 wurde damit über den Widerspruch des Klägers entschieden. Dies gilt auch, obwohl der Widerspruchsbescheid nicht als solcher bezeichnet ist und zum anderen die Rechtsbehelfsbelehrung fehlt. Entscheidend ist der Regelungsgehalt. Dieser Widerspruchsbescheid ist dem Bevollmächtigten des Klägers auch zugegangen, wie dieser selbst mit Schreiben vom 19.01.2010 bestätigt hat.
Im Übrigen fehlt es auch, wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, an einem Rechtsschutzinteresse des Klägers für einen weiteren Widerspruchsbescheid. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht dann nicht, wenn die Untätigkeitsklage rechtsmissbräuchlich ist (vgl. Meyer-Ladewig, 9. Aufl., § 88, Rdnr.4a). Ein solcher Rechtsmissbrauch ist im vorliegenden Fall gegeben, da der Widerspruch zum einen mit Schreiben vom 13.01.2010 verbeschieden wurde. Zum anderen wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2010 über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.05.2010 entschieden. Damit ist dem Kläger der Rechtsweg eröffnet gegen die Entscheidung der Beklagten, dass das Ereignis vom 01.01.2005 kein Arbeitsunfall ist. An dieser Feststellung hat der Kläger ein rechtliches Interesse. Insoweit ist ihm der Rechtsweg eröffnet.
Die Erhebung der Untätigkeitsklage stellt somit lediglich die Ausnutzung einer formalen Rechtsposition dar.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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