L 5 AS 28/07

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 55 AS 1474/06
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 AS 28/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Februar 2007 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung einer monatlichen Leistungsrate zur Schuldzinstilgung, die die Klägerin ihren Eltern gemäß vertraglicher Vereinbarung im Zusammenhang mit ihrer Eigentumswohnung schuldet, als weitere Kosten der Unterkunft für den Zeitraum vom 20. April 2006 bis 31. Oktober 2006.

Die am XXXXX 1973 geborene Klägerin beantragte am 20. April 2006 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – SGB II –. Sie ist von Beruf Illustratorin/ Grafik-Designerin und arbeitete zuletzt freiberuflich. Ab dem 7. März 2006 wurde der Klägerin Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Sie bewohnt seit dem 31. März 2006 eine 49 qm große Eigentumswohnung in der S.-Straße, H., die die Klägerin mit notariellem Kaufvertrag vom 23. Dezember 2005 für einen Kaufpreis in Höhe von 99.000,- Euro erwarb. Die Wohnung wurde finanziert durch einen Darlehensvertrag, den die Eltern der Klägerin am 12. Januar 2006/ 25. Januar 2006 mit der W.Bank über einen Kreditbetrag von 71.000,- Euro schlossen. Darin war eine monatliche Leistungsrate für Zinsen und Tilgung in Höhe von 311,81 Euro vorgesehen. Als Sicherung wurde eine Grundschuld auf die Wohnung der Klägerin in der S. bestellt.

Am 13. Januar 2006 schloss die Klägerin mit ihren Eltern einen schriftlichen "Vertrag zur Darlehensrückzahlung". Darin wurde zunächst ausgeführt, dass die Finanzierung der Wohnung in der S. in Hamburg nur dadurch habe realisiert werden können, dass die Eltern der Klägerin gegenüber der W.Bank als Darlehensnehmer den Darlehensvertrag geschlossen hätten, da die Klägerin erst seit kurzem ihr Studium abgeschlossen habe und in H. selbständig tätig sei. Die Klägerin verpflichtete sich insoweit, ihren Eltern "den Betrag von monatlich 311,81 Euro während der Laufzeit des Darlehens-Vertrages von 15 Jahren zu zahlen". Ferner sieht der Vertrag vor, dass der Darlehensvertrag zwischen den Eltern und der W.Bank auf die Klägerin "umgeschrieben" werden soll, sobald die Bank aufgrund der Kontinuität der beruflichen Tätigkeit der Klägerin dafür ihre Zustimmung erteilen werde. Damit würden die Zahlungen direkt an die Bank erfolgen und der Vertrag zwischen der Klägerin und ihren Eltern gegenstandslos.

Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 1. Juni 2006 Leistungen – nach Anrechnung von Krankengeld – für den Zeitraum vom 20. April bis 31. Oktober 2006 in Höhe von 273,52 Euro monatlich. Als Leistungen für Unterkunft und Heizung wurde ein monatlicher Betrag in Höhe von insgesamt 192,02 Euro anerkannt, der sich im Wesentlichen aus dem geschuldeten Wohngeld sowie der Vorauszahlung für Heizung zusammensetzt.

Hiergegen legte die Klägerin am 9. Juni 2006 Widerspruch ein. Die Klägerin führte im Wesentlichen aus, dass die Beklagte die monatliche Schuldbelastung von 311,81 Euro gegenüber ihren Eltern nicht berücksichtigt habe. Sie sei verpflichtet, diesen Betrag ihren Eltern zu zahlen. Ihre Eltern hätten durch die Kreditaufnahme den Kauf der Wohnung ermöglicht. Der plötzliche Eintritt von Arbeitsunfähigkeit der Klägerin sei zum Zeitpunkt des Erwerbs der Klägerin nicht voraussehbar gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2006, aufgegeben zur Post am 26. Juni 2006, wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Im Wesentlichen führte der Beklagte aus, dass gegenüber der Bank die Eltern der Klägerin Darlehensnehmer seien und die Klägerin keine rechtliche Verpflichtung zur Zahlung an ihre Eltern treffe. Die Zahlungen, die die Klägerin erbringe, erfolgten aufgrund einer moralischen Verpflichtung.

Mit der hiergegen am 28. Juli 2006 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat die Ansicht vertreten, es könne nicht von Bedeutung sein, ob sie Miete bezahle oder ob sie eine Kreditrückzahlung an die Bank über ihre Eltern zu leisten habe. Ihre Eltern seien auf die Zahlung der monatlichen 311,81 Euro angewiesen.

Mit Urteil vom 26. Februar 2007 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 1. Juni 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2006 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 20. April 2006 bis zum 31. Oktober 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen und dabei als Aufwendungen für Unterkunft auch ihre Verpflichtung gegenüber ihren Eltern, K.H. und D.S., aus Darlehensvertrag vom 31. Januar 2006 zu berücksichtigen, allerdings nur in Höhe der von den Eltern aus dem Darlehensvertrag mit der W.Bank vom 12. Januar 2006/ 25. Januar 2006 geschuldete Leistungsrate für die Schuldzinsen. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II würden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Bei selbstgenutzten Eigenheimen oder Eigentumswohnungen, die nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nicht als Vermögen zu verwerten sind, zählten zu den Kosten der Unterkunft die Aufwendungen, die der Leistungsberechtigte als mit dem Eigentum unmittelbar verbundene Lasten zu tragen habe (vgl. BVerwG, Urteil vom 7.5.1987, Az.: 5 C 36/85, BVerwGE 77, 232, 235 f.; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9.5.2006, Az.: L 10 AS 102/06, juris; Schmidt, in: Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 22 SGB II Rn. 22; Kahlhorn, in: Hauck / Noftz, SGB II, § 22 Rn. 14). Zur näheren Bestimmung werde dazu regelmäßig auf die Vorschrift in § 7 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 der Verordnung zur Durchführung des § 82 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) Bezug genommen, die für den Bereich des SGB XII regelt, welche notwendigen Ausgaben bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgesetzt werden können (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 31.03.2006, Az.: L 7 AS 343/05 ER; Berlit, in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 20). Dies seien neben dem Wohngeld insbesondere die Schuldzinsen für ein Immobiliendarlehen (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 8/06 R, juris; vgl. auch § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung zu § 82 SGB XII)). Die Verpflichtung der Klägerin gemäß dem Vertrag vom 13. Januar 2006 sei begründet worden, da ihre Eltern - im Wege der Kreditaufnahme bei einer Bank – ihr Kapital für den Erwerb der Eigentumswohnung zur Verfügung gestellt haben. Damit entspreche die Leistungsverpflichtung der Klägerin der Verpflichtung des Schuldners eines Immobiliendarlehensvertrags. Sie stelle damit eine Aufwendung dar, die unmittelbar mit dem Wohneigentum verbunden sei und damit im Rahmen des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen sei. Es handele sich bei dem Vertrag vom 13. Januar 2006 auch nicht um ein Scheingeschäft i.S. des § 117 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), da das Vereinbarte einem Fremdvergleich standhalte. Vorliegend knüpfe der zwischen der Klägerin und ihren Eltern geschlossene "Vertrag zur Darlehensrückzahlung" vom 13. Januar 2006 unmittelbar an den zwischen ihren Eltern und der W.Bank geschlossenen Darlehensvertrag an, so dass die wesentlichen Konditionen dieses letztgenannten Vertrags auch im Vertrag zwischen der Klägerin und ihren Eltern gelten sollen. Dieses ergebe sich eindeutig insbesondere aus den Umständen, die zu der Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihren Eltern führten und die im Vertrag auch dargelegt seien. Insbesondere entspreche die Höhe der monatlichen Zahlungsverpflichtung der Klägerin gegenüber ihren Eltern exakt der monatlichen Zahlungsverpflichtung der Eltern gegenüber der Bank. Aufgrund der weitgehenden Identität mit dem Bankkredit der W.Bank handele es sich bei dem Vertrag zwischen der Klägerin und ihren Eltern vom 13. Januar 2006 um einen Darlehensvertrag, der einem Fremdvergleich durchaus standhalte. Insbesondere sei im Hinblick auf den Hintergrund der vertraglichen Verpflichtung zwischen der Klägerin und ihren Eltern davon auszugehen, dass insoweit eine echte Schuldverpflichtung der Klägerin gegenüber ihren Eltern bestehe und die Parteien die Rechtsfolgen des Vertrags vom 13. Januar 2006, nämlich die Zahlungsverpflichtung der Klägerin, tatsächlich gewollt haben. Nach den Aussagen der Klägerin sowie der Zeugenaussage ihrer Mutter stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Eltern der Klägerin die Darlehensverpflichtung bei der W.Bank nur unter der Voraussetzung eingegangen seien, dass die Klägerin Zahlungen in Höhe der daraus geschuldeten monatlichen Raten an ihre Eltern leiste, d.h. die Kreditaufwendungen quasi in einem Dreiecksverhältnis von der Klägerin über ihre Eltern an die Bank geleistet würden. Denn die übereinstimmende Aussage der Klägerin sowie ihrer Mutter, dieses Finanzierungskonstrukt sei auf Anraten der Verbraucherzentrale H. sowie des Vermögensberaters Herrn W. gewählt worden, da die Klägerin als junge freiberuflich Tätige einen Bankkredit nicht erhalten hätte, sei durchaus plausibel. Dass der Erwerb der Eigentumswohnung im Dezember 2005 bereits vor Abschluss der vertraglichen Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihren Eltern erfolgt sei, sei dabei damit erklärt worden, dass das gewählte Finanzierungskonstrukt bereits im Sommer 2005 anlässlich des beabsichtigen Kaufs einer anderen Eigentumswohnung zwischen der Klägerin und ihren Eltern mündlich vereinbart worden sei. Das Gericht sei nach den glaubhaften Aussagen der Klägerin sowie ihrer Mutter zu der Auffassung gelangt, dass die Eltern der Klägerin durch den Abschluss des Darlehensvertrages mit der Bank ihrer Tochter lediglich die Immobilienfinanzierung ermöglichen, sie jedoch nicht wirtschaftlich von der Kreditverpflichtung freihalten wollten. Insoweit hätten die Klägerin und ihre Mutter übereinstimmend angegeben, die Klägerin habe im Februar 2005 von ihrer Mutter einen Betrag i.H. von ca. 50.000 EUR geschenkt erhalten, woraufhin sie sich selbst zum Kauf einer Eigentumswohnung entschlossen habe. Eine schriftliche Schenkungserklärung der Mutter der Klägerin sei vorgelegt worden. Dass die Eltern der Klägerin darüber hinaus keine weitere finanzielle Zuwendung erbringen wollten, sondern die Finanzierung der Wohnung durch die Klägerin allein erfolgen sollte, erscheine vor diesem Hintergrund durchaus glaubhaft. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Eltern der Klägerin auf ihren Zahlungsanspruch für den Fall verzichten wollten, dass die Klägerin sich künftig in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden sollte. Für einen solchen konkludenten Leistungsverzicht biete die zwischen der Klägerin und ihren Eltern geschlossene vertragliche Vereinbarung vom 13. Januar 2006 keinen Anhaltspunkt. Insoweit hätten die Klägerin und ihre Mutter übereinstimmend ausgesagt, bei Vertragsschluss habe man nicht in Erwägung gezogen, dass die Klägerin die monatliche Leistungsrate künftig nicht aufbringen könne. Denn die Klägerin habe ihren Lebensunterhalt bereits seit dem Jahr 2002 aus ihrer freiberuflichen Tätigkeit als Illustratorin und Grafikdesignerin ohne finanzielle Unterstützung ihrer Eltern bestritten. Gegen einen konkludenten Leistungsverzicht würden auch die Angaben der Klägerin sowie ihrer Mutter sprechen, dass die Eltern der Klägerin auf die vereinbarten Ratenzahlungen durch ihre Tochter finanziell angewiesen seien. Dabei sei schließlich unerheblich, dass die Eltern ihrer Leistungsverpflichtung aus dem Darlehensvertrag mit der W.Bank bislang nachgekommen sind, um einen Verlust der Wohnung der Klägerin aufgrund eine Zwangsvollstreckung durch die Bank zu verhindern. Weiter sei es für den Leistungsanspruch der Klägerin rechtlich nicht von Bedeutung, dass die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Schuldzinsen nicht unmittelbar gegenüber einem Kreditinstitut, sondern gegenüber ihren Eltern besteht, die wiederum in gleicher Höhe einem Kreditinstitut gegenüber verpflichtet sind. Sei nämlich vorliegend - wie oben dargelegt - von einer tatsächlich bestehenden Schuldverpflichtung der Klägerin gegenüber ihren Eltern auszugehen, die von ihrem wesentlichen Inhalt einem Darlehensvertrag eines Kreditinstituts entspricht, so bestehe für eine abweichende rechtliche Behandlung insoweit kein Anlass. Schließlich solle die Berücksichtigung von Schuldzinsen für ein Immobiliendarlehen nicht eine Privilegierung von Kreditinstituten bezwecken, sondern sicher stellen, dass sämtliche Aufwendungen im Rahmen des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anerkannt werden, die der Leistungsberechtigte als mit dem Eigentum unmittelbar verbundene Lasten zu tragen habe (vgl. BVerwG, Urteil vom 7.5.1987, a.a.O.).

In diesem Sinne habe auch das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 12. September 2006 als Kosten der Unterkunft eine Kreditverpflichtung der Antragstellerin gegenüber ihren Eltern anerkannt, ohne diesen Umstand weiter zu problematisieren (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.9.2006, Az.: L 19 B 199/06 AS ER). Ferner sei es auch nicht entscheidungserheblich, dass eine Nichterfüllung der Leistungsverpflichtung der Klägerin gemäß dem Vertrag vom 13. Januar 2006 nicht unmittelbar zu einem Verlust des Wohnraums der Klägerin führte. Zwar sei nicht zu verkennen, dass eine Zwangsversteigerung der Wohnung der Klägerin erst dann drohte, wenn die Eltern ihrer Zahlungsverpflichtung gegenüber der W.Bank nicht mehr nachkämen. Jedoch könne für die Anerkennung von Schuldzinsen als Kosten der Unterkunft nicht entscheidend sein, ob der zugrundeliegende Kreditvertrag auch unmittelbar durch ein Grundpfandrecht an der Immobilie dinglich gesichert ist. Denn Zweck der Berücksichtigung von Schuldzinsen für Immobiliendarlehen im Rahmen des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sei schließlich, die mit dem Wohneigentum unmittelbar verbundenen Belastungen als Bedarf des Hilfeempfängers anzuerkennen. Es erscheine insoweit nicht gerechtfertigt, eine bestehende vertragliche Verpflichtung zur Leistung von Schuldzinsen dann nicht als Aufwendungen für die Unterkunft zu verstehen, wenn der zugrunde liegende Kreditvertrag nicht durch eine dingliche Sicherung, sondern beispielsweise durch eine Bürgschaft, gesichert sei. Daran vermöge auch die Tatsache nichts zu ändern, dass freilich eine dingliche Sicherung von Kreditverträgen der Regelfall sei, so dass ganz überwiegend die Nichtleistung von Schuldzinsen zu einer Zwangsversteigerung der Immobilie und damit zu ihrem Verlust führen würde. Schließlich stünde entgegen der Auffassung der Beklagten auch ein bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsanspruch der Klägerin gegenüber ihren Eltern ihrem Anspruch auf weitere Leistungen für die Unterkunft nicht entgegen. Denn ein unterhaltsberechtigter Hilfeempfänger könne auch im Rahmen der Selbsthilfe grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden, einen Anspruch auf Verwandtenunterhalt geltend zu machen; leistungsrechtliche Folgen können hieran nicht geknüpft werden (vgl. Kalhorn, in: Hauck / Noftz, Kommentar zum SGB II, § 33 Rn. 4; Sauer, in: Jahn, SGB II, § 33 Rn. 13). In diesem Sinne käme auch der Übergang eines Unterhaltsanspruchs gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II nicht in Betracht. Allerdings sei die Zahlungsverpflichtung der Klägerin gegenüber ihren Eltern nur in der Höhe als Kosten der Unterkunft gemäß § 22 Abs. 1 SGB II anzuerkennen, in der die Zahlung sich auf die Schuldzinsen und nicht auf die Tilgungsleistung bezieht. Denn Tilgungszahlungen zur Finanzierung eines Eigenheimes oder einer Eigentumswohnung könnten als Unterkunftskosten bei der Gewährung von Arbeitslosengeld II nicht übernommen werden, da die Leistungen des SGB II nicht der Vermögensbildung dienten (BSG, Urteil vom 7.11.2006, Az.: 7 b AS 8/06 R, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 2.9.2005, Az.: L 8 AS 1995/05, juris; LSG Sachsen, Beschluss vom 15.9.2005, Az.: L 3 B 44/05 AS-ER, juris; Bayerisches LSG, Urteil vom 21.4.2006, Az.: L 7 AS 1/05, juris). Die Höhe dieses auf Tilgungsleistungen entfallenden Anteils bestimme sich dabei nach dem Darlehensvertrag zwischen den Eltern der Klägerin und der W.Bank vom 12. Januar 2006 / 25. Januar 2006. Denn wie bereits dargelegt, sei die Zahlungsverpflichtung der Klägerin gegenüber ihren Eltern gemäß Vertrag vom 13. Januar 2006 identisch mit der Verpflichtung der Eltern gegenüber der Bank.

Mit der am 18. Mai 2007 eingelegten Berufung greift der Beklagte das Urteil des Sozialgerichts an. Kosten der Unterkunft seien diejenigen angemessenen Aufwendungen, die der Hilfebedürftige unmittelbar zur Sicherung seiner Unterkunft aufgrund einer schuldrechtlichen Verpflichtung zu erbringen habe. An einer solchen unmittelbaren Sicherungsfunktion fehle es hier, denn die Frage des Erhalt der Unterkunft sei von dem Verhalten der Eltern als Darlehensnehmer gegenüber dem Geldinstitut anhängig und nicht von demjenigen der Klägerin als Schuldnerin aus dem mit ihren Eltern geschlossenen Darlehensvertrag. Es bestünden zwei völlig eigenständige Schuldverhältnisse, die ohne jede Wechselwirkung seien. Auch das tatsächliche Verhalten der Eltern, die ihren Pflichten aus dem Darlehensvertrag mit der Bank trotz Ausfalls der Leistungsfähigkeit der Tochter nachgekommen seien, spreche gegen die Annahme einer Leistungspflicht der Klägerin. Gerade das hohe Ausfallwagnis habe das ursprüngliche Vorhaben der Klägerin, selbst als Darlehensnehmerin aufzutreten, scheitern lassen. Die Eltern seien insoweit eingesprungen und dies bei lebensnaher Betrachtung auch im Wissen um die Ausfallrisiken. Auch im Hinblick auf die Aussage der Mutter der Klägerin sei davon auszugehen, dass seitens der Eltern von vornherein der Wille bestanden habe, die Unterkunft der Tochter zu sichern. Eine Übernahme der Schuldzinsen als Kosten der Unterkunft würde die Klägerin lediglich in den Stand versetzen, sich von den aufgelaufenen Schulden aus dem Darlehensvertrag vom 13. Januar 2006 zu befreien. Hierfür sehe das anzuwendende Recht keine Leistungen vor.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Februar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht sich das angefochtene Urteil zu Eigen.

Die Sachakten des Beklagten haben vorgelegen. Auf ihren sowie auf den Inhalt der Prozessakten sowie der Akte des einstweiligen Rechtsschutzes S 55 AS 1473/06 ER wird für weitere Einzelheiten zum Sachverhalt ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere ist sie form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil ist rechtmäßig; der Bescheid vom 1. Juni 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2006 war in dem vom Sozialgericht festgestelltem Umfang rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten.

Die Anerkennung der Darlehensrückzahlungsverpflichtung der Klägerin gegenüber ihren Eltern in Höhe der Schuldzinstilgung als Aufwendungen zu den Kosten der Unterkunft ist vom Sozialgericht zu Recht erfolgt. Der Senat nimmt auf die Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Urteil vom 26. Februar 2007 ergänzend Bezug und sieht insoweit von einer eigenen Darstellung der Entscheidungsgründe gem. § 153 Abs. 2 SGG ab.

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind. Es zählen zu den berücksichtigungsfähigen Kosten der Unterkunft bei einer Eigentumswohnung nur die mit dem Eigentum unmittelbar verbundenen Lasten. Hierzu zählen jedenfalls die Zinsen für ein Immobiliendarlehen und das Wohngeld (BSG, Urteil vom 18.6.2008, Az.: B 14/11b AS 67/06 R).

Vorliegend ist ein Immobiliendarlehen Grundlage der Zahlungsverpflichtung der Klägerin gegenüber ihren Eltern. Unzweifelhaft haben die Eltern der Klägerin ein Immobiliendarlehen von der W.Bank in Höhe eines Kreditbetrages von 71.000,- Euro erhalten, und zwar mit Vertrag vom 12. Januar 2006/ 25. Januar 2006 zur Finanzierung der Wohnung S.-Straße, H ... Der Vertrag weist alle Merkmal eines Immobilienvertrages auf (Sicherung, Laufzeit, Tilgung etc.). Hiervon zu unterscheiden ist der zwischen der Klägerin und ihren Eltern am 13. Januar 2006 geschlossene "Vertrag zur Darlehensrückzahlung". Dem Beklagten ist darin zuzustimmen, dass zunächst zwei völlig eigenständige Schuldverhältnisse vorliegen. Allerdings folgt nach Ansicht des Senats hieraus nicht, dass die Darlehensrückzahlungsverpflichtung der Klägerin aus dem Vertrag vom 13. Januar 2006 bereits aus diesem Grunde nicht als Kosten der Unterkunft anzuerkennen ist. Die Aufwendungen zu den Kosten der Unterkunft meinen die (Geld-)Aufwendungen, die der Hilfebedürftige in der Bedarfszeit für die Nutzung/Gebrauchsüberlassung einer bestimmten Unterkunft Dritten gegenüber kraft bürgerlichen oder öffentlichen Rechts aufzubringen hat. Die bloße Rechtspflicht zur Zahlung von Aufwendungen reicht aus (Berlit in LPK-SGB II, § 22 Rn. 14).

Es handelt sich bei dem zwischen der Klägerin und ihren Eltern am 13. Januar 2006 geschlossenen Darlehensrückzahlungsvertrag um eine zivilrechtlich wirksame Vereinbarung. Dieses hat das Sozialgericht zutreffend festgestellt und dabei geprüft, ob der Darlehensrückzahlungsvertrag ernst gemeint ist und ob nicht eine verdeckte Schenkung oder Unterhaltsleistungen vorliegen. Dabei sind Kriterien des Fremdvergleichs heranzuziehen (BSG, Urteil vom 17.6.2010, Az.: B 14 AS 46/09 R). Die getroffene Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihren Eltern hält einem solchen Stand.

Entgegen der Auffassung des Beklagten besteht zwischen dem Darlehensrückzahlungsvertrag zwischen der Klägerin und ihren Eltern und dem Immobiliendarlehen, welches die Eltern der Klägerin als Darlehensnehmer bei der W.Bank aufgenommen haben, eine rechtlich bedeutsame Verknüpfung. Diese ergibt sich aus dem Anlass der Abschlüsse des Darlehensrückzahlungsvertrages und der Kreditaufnahme durch die Eltern der Klägerin. Zu den Verträgen kam es nur, weil die Klägerin als Berufsanfängerin und wegen ihrer Selbständigkeit ohne monatliche feste Einnahmen für die Bank als Darlehensnehmerin nicht in Betracht kam. Die Verträge wurden zeitnah zueinander geschlossen und sowohl die Kreditsumme, die Laufzeit und der monatliche Abtragsbetrag in Höhe von 311,81 Euro wurden übernommen. Nach Auffassung des Senats reicht dieses Zusammenspiel aus, um eine Wechselbeziehung der Verträge anzunehmen. Soweit der Beklagte der Auffassung ist, bereits hier zeige sich das Einspringen der Eltern in Ansehung der Ausfallrisiken der Klägerin, lässt dies außer Betracht, dass die Eltern das von der Bank angenommene Ausfallrisiko gegenüber der Klägerin nicht teilten und dazu auch objektiv keine Veranlassung hatten, da die Klägerin in der Vergangenheit in der Lage war, ihre Mietzahlungen zu entrichten. Das von der W.Bank angenommene Ausfallrisiko der Klägerin erstreckte sich dabei allein auf ihre Situation als Berufsanfängerin. Die Berücksichtigung und Bewertung anderer, in der Person der Klägerin liegenden Risiken ist nicht erkennbar. Anders als der Beklagte annimmt, war es von vornherein nicht der Wille der Eltern der Klägerin, die Unterkunft der Klägerin zu sichern, sondern der Klägerin den Erwerb der Eigentumswohnung zu ermöglichen. Dieses ergibt sich insbesondere daraus, dass der zwischen den Eltern und der W.Bank geschlossenen Darlehensvertrag direkt auf die Klägerin umgeschrieben werden sollte, sobald die Bank aufgrund der Kontinuität der beruflichen Tätigkeit der Klägerin dafür ihre Zustimmung erteilen würde. Dies wurde ausdrücklich in dem Darlehensrückzahlungsvertrag vom 13. Januar 2006 festgehalten. Auch die Weiterzahlung der Kreditverpflichtung der Eltern aus dem Immobilienvertrag mit der W.Bank steht dazu nicht in Widerspruch, da durch sie die Darlehensrückzahlungsverpflichtung der Klägerin nicht entfällt. Der Anerkennung der Verpflichtung der Klägerin zur Rückzahlung der Darlehenstilgung zumindest in Höhe der Zinsen als Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft steht ebenso wenig entgegen, dass diese den Erhalt der Wohnung nicht unmittelbar sichern, sondern nach Auffassung des Beklagten lediglich dazu dienen würden, die Klägerin von den laufenden Schulden aus dem Darlehensvertrag vom 13. Januar 2006 zu befreien. Zweck der Berücksichtigung der Schuldzinsen ist es, die mit dem Wohneigentum unmittelbar verbundenen Belastungen als Bedarf des Leistungsberechtigten anzuerkennen. Darauf hat das Sozialgericht hingewiesen wie auch darauf, dass die dingliche Sicherung von Kreditverträgen zwar der Regelfall ist, nicht aber die einzig mögliche.

Auch ergibt sich aus dem Umstand, dass die Klägerin erst im Februar 2007 ihre Verpflichtung aus dem am 13. Januar geschlossenen Darlehensrückzahlungsvertrag aufgenommen hat, nichts anderes. Dass die Klägerin vor dem Eintritt des Bedarfsfalles am 20. April 2006 keine Zahlungen an ihre Eltern leistete, ist nachvollziehbar vor dem Hintergrund, dass auch die Eltern der Klägerin nicht vor dem 2. Mai 2006 eine Zahlung an die W.Bank in Höhe von 311,81 Euro zu leisten hatten. Dieses ergibt sich aus der Zahlungsaufstellung der Eltern der Klägerin vom 6. Dezember 2006. Danach war die erste vollständige Zahlungsrate für den Monat April 2006 erst am 2. Mai 2006 fällig. Für den Monat März 2006 war lediglich am 3. April 2006 ein Betrag in Höhe von 10,39 Euro zu leisten. Zuvor allerdings war die Klägerin bereits erkrankt. Die Arbeitsunfähigkeit lag ab dem 7. März 2006 vor. Da die Hilfebedürftigkeit der Klägerin bereits vor Fälligkeit der ersten vollständigen Rate eintrat, ist aus der unterlassenen Zahlungsaufnahme vor dem 20. April 2006 nichts abzuleiten, was der Ernsthaftigkeit der Darlehensrückzahlungsverpflichtung zwischen der Klägerin und ihren Eltern entgegen gehalten werden könnte.

Auch die erst im Februar 2007, also drei Monate nach dem Ende des Leistungsbezugs, aufgenommene Zahlung der Klägerin vermag keine Zweifel am Vorliegen des ernstlich gewollten und rechtswirksamen Darlehensrückzahlungsvertrags herbeizuführen. Dass die Klägerin die Zahlung nach Wegfall ihrer leistungsrechtlichen Bedürftigkeit tatsächlich aufgenommen hat, stützt die Seriosität des zwischen der Klägerin und ihren Eltern geschlossen Vertrages. Nach Auffassung des Senats kommt dem Umstand, dass sich die Zahlungsaufnahme nicht unmittelbar an das Ende der Leistungsbewilligung am 31. Oktober 2006 anschloss, keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist keine grundsätzliche Bedeutung der Sache anzunehmen, da das vertragliche Konstrukt zwischen der Klägerin und ihren Eltern als Einzelfall nicht auf eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle übertragbar sein dürfte.
Rechtskraft
Aus
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