Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 15 AS 1421/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 292/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 10. Juni 2011 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zu höheren Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) wegen eines Mehrbedarfs aufgrund medizinisch notwendiger kostenaufwändiger Ernährung.
Die Antragstellerin (1951) ist verheiratet. Ihr Ehemann (geb. 1940) bezieht eine Rente wegen Alters in Höhe von Euro monatlich. Die Antragstellerin ist arbeitslos und bezieht schon seit längerem Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Antragsgegner. Mit Bescheid vom 23. September 2010 bewilligte und gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011 monatlich Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von Euro (anteilige Regelleistung) und für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von Euro.
Mit Schreiben vom 13. Dezember 2010 beantragte die Antragstellerin am 15. Dezember 2010 die "Bewilligung von Mehraufwendungen für Ernährung nach dem SGB II" und fügte eine ärztliche Bescheinigung der Dr. med. W. bei, wonach bei der Antragstellerin Brustkrebs diagnostiziert sei.
Der Antragsgegner lehnte mit Bescheid vom 3. Februar 2011 die Gewährung höherer Leistungen ab, da nach neueren medizinischen Erkenntnissen nicht mehr von einem erhöhten Ernährungsbedarf auszugehen sei.
Ihren hiergegen erhobenen Widerspruch begründete die Antragstellerin damit, dass sie zur Zeit eine aggressive Chemotherapie erhalte, die sich über Monate hinziehe und an die sich eine Strahlen- und Tablettentherapie anschließe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2011 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück: In der von der Antragstellerin eingereichten ärztlichen Bescheinigung werde keine spezielle Kostform genannt. Nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins sei für die Erkrankung der Antragstellerin keine besondere Krankenkostzulage zu gewähren.
Am 3. März 2011 beantragte die Antragstellerin die Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II und gab an, dass sich in ihren wirtschaftlichen Verhältnissen nichts geändert habe. Sie sei seit dem 4. November 2010 krankgeschrieben.
Nach seinem Bescheid vom 11. März 2011 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin für den Zeitraum vom 1. April 2011 bis zum 30. September 2011 monatlich Euro als Hilfe zum Lebensunterhalt und Euro wegen der Kosten für die Unterkunft und Heizung. Mit änderndem Bescheid vom 30. Mai 2011 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin für den Zeitraum vom 1. April 2011 bis zum 30. September 2011 monatlich Euro als Hilfe zum Lebensunterhalt und Euro wegen der Kosten für die Unterkunft und Heizung. Hiergegen erhob die Antragstellerin keine Rechtsbehelfe.
Am 14. März 2011 hat die Antragstellerin gegen den Bescheid vom 3. Februar 2011 und den Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2011 Klage erhoben (Az. S 15 AS 1376/11), die noch anhängig ist. Am 16. März 2011 hat die Antragstellerin (anwaltlich vertreten) bei dem Sozialgericht Halle "zum Hauptsacheverfahren" S 15 AS 1376/11 im Wege des Erlasses einer vorläufigen Anordnung beantragt, dass der Antragsgegner ihr ab Antragstellung vorläufig monatlich Euro wegen eines Mehrbedarfs aufgrund kostenaufwändiger Ernährung zu zahlen habe. Die Höhe des genannten Mehrbedarfs orientiere sich nach einem Ratgeber "Leitfaden zum Alg II". Es werde in das Ermessen des Gerichts gestellt, einen höheren Mehrbedarf zu gewähren. Die Antragstellerin fügte eine weitere ärztliche Bescheinigung des Dr. med. Hurtz bei, wonach die Antragstellerin ihre Ernährung aufgrund intensiver Chemotherapie im Zeitraum vom 14. Dezember 2010 bis zum Ablauf des Aprils 2011 aufwändig umstellen müsse. Die Antragstellerin brachte weiter vor, sie müsse ihre Ernährung zur Stärkung ihres Immunsystems anders gestalten, wozu gegenüber einer Normalkost vermehrt Kohlenhydrate, Fette, Eiweiße, Vitamine und Mineralstoffe gehörten, um auch ihr Gewicht zu halten. Ihr werde empfohlen, fünf Mal täglich Obst und Gemüse zu essen und den erhöhten Nährstoffbedarf an Eiweißen usw. auszugleichen. Ihr werde empfohlen, "Extrakalorien" zu sich zu nehmen. Nach ihren jetzigen Ernährungsgewohnheiten habe sie Ausgaben für die Ernährung von Euro. Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Antragstellerin vom 28. März 2011 verwiesen. Nach dem nach einem Muster des SG eingeholten Befundbericht der DM Beck soll die Antragstellerin auf eine gesunde, ausgewogene, abwechslungsreiche und vitaminreiche Ernährung achten. Die Antragstellerin sei in der Nahrungsauswahl nicht eingeschränkt und solle vermehrt Obst und Gemüse essen. Spezielle Produkte oder Lebensmittel benötige die Antragstellerin nicht. Mehrkosten seien wegen Zuzahlungen zu Medikamenten und Fahrten zu ärztlichen Behandlungen zu erwarten. Die Antragstellerin hat einen weiteren Befundbericht des Dr. med. H. vorgelegt, wonach bei ihr ein Mammakarzinom, eine arterielle Hypertonie mit einem Hypertonieherz, eine Schilddrüsenvergrößerung, ein Glaukom und eine Angststörung diagnostiziert sei. Die Antragstellerin leide infolge der Chemotherapie unter einer deutlichen Störung des Appetits und der Nahrungsaufnahme. Die Antragstellerin habe vom 14. Dezember 2010 bis zum 28. März 2011 eine sehr intensive Chemotherapie erhalten, die regelmäßig mit einer Störung der Nahrungsaufnahme einhergehe. Deshalb sei eine Umstellung der Ernährung erforderlich, für die auch lactosearme bzw. –freie Nahrungsmittel erforderlich seien. Zusätzlich sei bei deutlichem Appetitverlust eine Anpassung der Kost an den individuellen Appetit erforderlich. Dazu gelte als allgemeine Regel, dass nur die Lebensmittel gegessen werden können, die keine Abneigung auslösen. Dies müsse im Selbstversuch getestet werden. Es sei wichtig, dass kein Gewichtsverlust eintrete. Somit sei ein deutlich erhöhter finanzieller Aufwand für die Ernährung erforderlich, zumal auch ein Teil der Lebensmittel verworfen werden müsse. Erfahrungsgemäß hielten die Ernährungsstörungen auch noch ein bis zwei Monate nach dem Ende der Chemotherapie an.
Mit Beschluss vom 10. Juni 2011 hat das SG den Antrag abgelehnt: Die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen wegen eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung glaubhaft gemacht. Nach neueren medizinischen Erkenntnissen sei bei einer Krebserkrankung keine besondere Kostform einzuhalten, sondern es werde eine Vollkost empfohlen. Die Antragstellerin bedürfe einer Vollkost und damit keiner kostenaufwändigeren Ernährung. Ein Bedarf wegen einer medizinisch begründeten kostenaufwändigen Ernährung ergebe sich nicht aus den eingeholten Befundberichten und den von der Antragstellerin weiter eingereichten Verkaufsprospekten. Die Antragstellerin habe auch kein Eilbedürfnis glaubhaft gemacht. Eine existenzielle Notlage sei nicht erkennbar. Die Antragstellerin und ihr Mann verfügten aus Leistungen der Grundsicherung und der Rente des Ehemanns über Einnahmen in Höhe von Euro monatlich. Abzüglich der Ausgaben von Euro monatlich für die Miete und einem Bedarf in Höhe der Regelleistungen von 656 Euro (2 x 328 Euro) monatlich verbleibe ein Rest von 66 Euro. Damit sei die Antragstellerin vorläufig in der Lage, den von ihr geltend gemachten Mehrbedarf von mindestens 37 Euro monatlich aufzubringen.
Gegen den ihr am 21. Juni 2011 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 14. Juli 2011 Beschwerde erhoben: Es sei schon falsch, dass sie mit ihrer Regelleistung (90 %) nicht 100 % der für die Ernährung vorgesehenen Leistungen erhalte, sondern wegen des Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft nur 90 %. Nach der Änderung der Regelleistungen zum 1. Januar 2011 stehe ihr ein geringerer Betrag für die Ernährung als zuvor zur Verfügung. Bei den Empfehlungen des Gutachtens für Lebensmittelkosten im Rahmen einer vollwertigen Ernährung sei von den Lebensmittelpreisen des Jahres 2003 ausgegangen worden, so dass die Preissteigerungen für Nahrungsmittel und die restliche Inflation nicht beachtet seien. Der vom SG herangezogene Überhang in Höhe von Euro monatlich ergebe sich aus der Versicherungspauschale und dem Bedarf des Ehemanns wegen kostenaufwändiger Ernährung von Euro monatlich. Ihr Ehemann sei selbst schwer krebskrank. Auf Nachfrage des Senats hat die Antragstellerin mitgeteilt, sie begehre einen Mehrbedarf ab dem 13. Dezember 2010 bis auf Weiteres. Nach dem Hinweis des Senats auf den möglichen Ausschluss der Beschwerde wegen eines Beschwerdegegenstands, der nicht mehr als Euro umfasse, hat die Antragstellerin mitgeteilt, sie begehre die Leistung rückwirkend ab dem 13. Dezember 2010 und für die kommenden Monate, in denen sie Arbeitslosengeld II beziehen werde.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 10. Juni 2011 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihr ab dem 13. Dezember 2010 und so lange sie Arbeitslosengeld II bezieht, vorläufig höhere Leistungen zum Lebensunterhalt in Höhe von Euro monatlich zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf die Ausführungen des SG in dem angefochtenen Beschluss. Zu den Ausführungen der Antragstellerin wegen des Umfangs ihres Begehrens hat er keine Stellung genommen.
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin mit Bescheid vom 16. September 2011 für den Zeitraum vom 1. Oktober 2011 bis zum 31. März 2012 ausgehend von einem Gesamtbedarf von Euro ( Euro nebst anteiligem Bedarf für die Kosten der Unterkunft und Heizung von Euro) und einem zu berücksichtigenden Einkommen aus der Rente des Ehemanns von Euro monatliche Leistungen in Höhe von Euro bewilligt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats waren.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist zwar gegen einen Beschluss des SG grundsätzlich statthaft (§ 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –) sowie form- und fristgerecht gemäß § 173 Satz 1 erhoben. Sie ist aber zu verwerfen, weil sie im konkreten Streitfall ausgeschlossen und damit unzulässig ist.
Gemäß § 172 Abs. 1 SGG ist die Beschwerde gegen Beschlüsse des SG eröffnet, soweit das SGG nichts anderes bestimmt. Eine solche andere Bestimmung enthält § 173 Abs. 3 Nr. 1 SGG, wonach die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen ist, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre.
So liegt es hier. Die Berufung in der Hauptsache wäre gemäß den Bestimmungen des § 144 Abs. 1 SGG nicht zulässig. Weder stehen wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr im Streit (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) noch ist die Berufung ohne Zulassung des SG im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG zulässig. Insbesondere übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes der auf eine Geldleistung gerichteten Klage nicht 750 Euro (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Der Wert des Beschwerdegegenstandes bzw. "Beschwerdewert" bestimmt sich nach dem Umfang, in dem das Gericht dem Begehren des Rechtsmittelführers nicht gefolgt ist, wobei der Wert dieser Beschwer bei Einlegung des Rechtsmittels zu ermitteln ist (vgl. LSG Sachsen-Anhalt v. 08.09.2010 - L 2 AS 292/10 B ER). Hier ist das SG dem Begehren der Antragstellerin nicht gefolgt, dem Antragsgegner aufzugeben, ihr ab Antragstellung vorläufig monatlich mindestens Euro wegen eines Mehrbedarfs aufgrund kostenaufwändiger Ernährung zu zahlen. Dieser Antrag ist nicht eindeutig und bedarf daher der Auslegung. Denn es ist zwar eine Mindestsumme für den begehrten Mehrbedarf genannt, die weitere Bestimmung wird aber in die Entscheidung des Gerichts gestellt. Nicht ausdrücklich bestimmt war auch, für welchen Zeitraum die Antragstellerin die vorläufige Anordnung von Leistungen begehrt.
Für die Auslegung prozessualer Anträge bzw. Begehren gilt § 123 SGG, wonach das Gericht über die erhobenen Ansprüche entscheidet, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Für die damit einhergehende Auslegung, inwieweit Ansprüche erhoben sind, gelten die allgemeinen Auslegungsgrundsätze des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), wonach der Wortlaut der Erklärung nicht allein entscheidend ist. Im Rahmen der Auslegung ist der in der Erklärung zum Ausdruck gekommene wirkliche Wille des Äußernden zu erforschen. Bei Unklarheiten sind auch die weiteren Umstände der Erklärung heranzuziehen. Damit gilt eine Erklärung nicht nach dem inneren Willen, sofern dieser Wille nicht nach außen erkennbar geworden ist. Für die Auslegung sind nur solche Umstände maßgebend, die für das Gericht bzw. die Beteiligten des Rechtsstreits erkennbar sind. Bei der Auslegung von prozessualen Anträgen ist zunächst das Begehren zu ermitteln, welches ein verständiger Rechtsschutzsuchender bei entsprechender Beratung geltend gemacht haben würde. Soweit nicht Gründe für ein abweichendes Verhalten bestehen, wird ein vernünftiger Prozessbeteiligter sein Begehren in einer Weise verfolgen wollen, die ihm am besten zu seinem Ziel verhilft. Deshalb ist auch anzunehmen, dass alles beantragt wird, was dem Leistungsberechtigten aufgrund des Sachverhalts zustehen kann (vgl. BSG v. 09.02.2011 - B 6 KA 5/10 R – Juris Rn. 11,12; BSG v. 24.02.2011 – B 14 AS 49/10 R – Juris Rn. 12,14).
Nach diesen Grundsätzen ist das materielle Begehren der Antragstellerin dahin auszulegen, dass sie monatlich höhere Leistungen von Euro begehrt und dass dies auch die materielle Beschwer der Antragstellerin darstellt. Weil die Antragstellerin für ihren Antrag nur eine Untergrenze von Euro monatlich vorgesehen hat, ist der prozessuale Antrag an sich unbestimmt gestellt. Die Antragstellerin hat damit aber eine Wertvorstellung geäußert.
Eine gesetzliche Bestimmung der Höhe des zu berücksichtigenden Mehrbedarfs gemäß § 21 Abs. 5 SGB II fehlt, so dass das materielle Begehren nicht abweichend von der Wertvorstellung der Antragstellerin ausgelegt werden kann. Der Mehrbedarf ist nach der genannten Bestimmung, soweit die Voraussetzung einer medizinisch begründeten kostenaufwändigen Ernährung vorliegt, in "angemessener Höhe" zu gewähren.
Für die Beschwer der Antragstellerin als Rechtsmittelführerin ist auch nicht ein eventuell höherer Betrag einer – vom Gericht zu findenden – angemessenen Höhe des Mehrbedarfs maßgebend, sondern ihre geäußerte Größenvorstellung. Denn ergibt sich die Höhe des Anspruchs nicht aus dem Gesetz selbst, sondern obliegt es letztlich dem Gericht, den Umfang des Anspruchs zu bestimmen (wie z.B. bei der "billigen" Entschädigung in Schmerzensgeldangelegenheiten nach § 253 Abs. 2 BGB) muss dies bei der Bestimmung der Beschwer berücksichtigt werden (vgl. hierzu Bundesgerichtshof – BGH – v. 30.09.2003 - VI ZR 78/03, Juris Rn. 4 m.w.N.). Begehrt der Rechtsmittelführer nur die Gewährung eines angemessenen Mehrbedarfs ohne Konkretisierung und wird ein Mehrbedarf gerichtlich zuerkannt, ist er nicht mit einem bestimmten Wert beschwert. Beschwert sein kann der Rechtsmittelführer nur mit jenem Wert, zu dem die Entscheidung unterhalb einer geäußerten (Mindest-)Vorstellung bleibt.
Des Weiteren ist der Antrag in der ersten Instanz so auszulegen, dass die Antragstellerin eine Entscheidung über den Mehrbedarf in dem Zeitraum seit ihrem Antrag bis zum Ablauf des Bewilligungsabschnitts, d.h. hier vom 13. Dezember 2010 bis zum 31. März 2011 begehrt hat. Nachträgliche Erhöhungen des Begehrens könnten zwar als Antragserweiterungen im Sinne des § 99 SGG zulässig sein, ändern aber nichts an dem für den Zeitpunkt der Erhebung des Rechtsmittels zu ermittelnden Beschwerdewert.
Die Antragstellerin hat gegen den Bescheid vom 3. Februar 2011 und den Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2011 Klage erhoben (Az. S 15 AS 1376/11) und mit dem hiesigen Verfahren "zum Hauptsacheverfahren" die vorläufige Anordnung der Gewährung höherer Leistungen begehrt. Bei verständiger Würdigung ist das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes demnach parallel zu dem Hauptsacheverfahren eingeleitet und entspricht dessen Streitumfang. In dem Hauptsacheverfahren ist die Bewilligung in dem Bewilligungsabschnitt vom 1. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011 strittig, wie sie der Antragsgegner mit Verwaltungsakt vom 23. September 2010 regelte. Die Gewährung des Mehrbedarfs kann keinen eigenständigen Streitgegenstand ihm Rahmen der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II als Hilfe zum Lebensunterhalt darstellen (st. Rspr., vgl. etwa BSG v. 24.02.2011 - B 14 AS 49/10 R – Juris Rn. 13 m.w.N.). Das Klagebegehren der Klägerin und das ursprüngliche Antragsbegehren ist daher so zu verstehen, dass sie den Verwaltungsakt vom 3. Februar 2011 anficht und gleichzeitig die Änderung der Bewilligung nach dem Verwaltungsakt des Antragsgegners vom 23. September 2010 unter Berücksichtigung eines angemessenen Mehrbedarfs in Höhe von mindestens Euro seit dem 1. Dezember 2010 bis 31. März 2011 begehrt.
Weitere Bewilligungszeiträume sind nicht Gegenstand des Begehrens bzw. der gerichtlichen Entscheidung des SG über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz und damit für den Beschwerdewert unmaßgeblich. Denn die nachfolgenden Bewilligungsentscheidungen des Antragsgegners sind nicht Gegenstand der gerichtlichen Verfahren.
Gegenstand eines Klageverfahrens bei dem Begehren auf höhere Leistungen nach dem SGB II ist nur der jeweilige Verwaltungsakt zur Bewilligung. Weitere Verwaltungsakte über die nachfolgenden Bewilligungszeiträume werden nicht gemäß § 96 SGG zum Gegenstand eines bereits anhängigen gerichtlichen Verfahrens (vgl. BSG v. 13.11.2008 – B 14/7b AS 2/07 R – Juris Rn. 11). Eine Bewilligungsentscheidung hat wegen der in § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II vorgesehenen abschnittsweisen Bewilligung von Leistungen zudem keine Bindungswirkung für künftige Bewilligungsabschnitte (vgl. ausdrücklich zum Mehrbedarf nach § 21 SGB II: BSG v. 22.03.2010 - B 4 AS 59/09 R – Juris Rn. 16). Nur dann, wenn die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gänzlich abgelehnt sind, kann der Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens je nach Klageantrag die gesamte bis zur Entscheidung verstrichene Zeit sein (st. Rspr. seit BSG v. 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R – Juris Rn. 30). Hier lässt der Verwaltungsakt vom 3. Februar 2011, obwohl er keinen bestimmten Bewilligungsabschnitt nennt, auch nicht erkennen, dass der Antragsgegner entgegen der gemäß § 41 Abs. 1 Sätze 3 und 4 SGB II für sechs bzw. zwölf Monate abschnittsweise vorzunehmenden Entscheidung über die Bewilligung eine Regelung für alle Folgebewilligungen treffen wollte. Nach der für die Auslegung maßgeblichen Sicht eines verständigen Beteiligten, der in Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge den wirklichen Willen der Behörde erkennen kann, lässt die fehlende Nennung des Bewilligungsabschnitts nicht den Schluss zu, dass abschließend für die Zukunft über den geltend gemachten Mehrbedarf entschieden ist (vgl. BSG v. 24.02.2011 – B 14 AS 49/10 R – Juris Rn. 14). Denn vernünftigerweise ergibt die Auslegung in diesem Fall, dass eine (ggf. ablehnende) Regelung über die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung des geltend gemachten Mehrbedarfs nur für im Zeitpunkt der Behördenentscheidung vergangene oder gegenwärtige Bewilligungsabschnitte vorliegt. Eine Bewilligung bzw. Ablehnung auch von Teilen des Anspruchs aus der Grundsicherung kann nicht sinnvoll bzw. auf Tatsachen gestützt für alle Zeiten und vor allem nicht für die gesamte Zukunft von dem Leistungsträger verfügt bzw. vom Leistungsberechtigten erwartet werden. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II, d.h. der konkrete Hilfebedarf einschließlich eventueller Mehrbedarfe unter Berücksichtigung eigener Hilfemöglichkeiten (Einkommen, Vermögen usw.) können sich jederzeit ändern, so dass nicht grundsätzlich eine vorausschauende Bewilligung bzw. Ablehnung erwartet werden kann.
Im Übrigen sind die Bewilligungsentscheidungen für die Folgeabschnitte, etwa die vom 1. April 2011 bis zum 30. September 2011, nicht im Wege der Klage- oder Antragsänderung bzw. –erweiterung (§ 99 Abs. 1 SGG) Gegenstand der bereits anhängigen Verfahren. Stattdessen ist die Bewilligung für den genannten Zeitraum mangels Widerspruch der Antragstellerin sogar für die Beteiligten bindend geworden (§ 77 SGG), so dass vernünftigerweise für diesen Zeitraum auch keine höheren Leistungen gerichtlich geltend gemacht werden.
Unmaßgeblich ist, dass die Antragstellerin nunmehr ihr Begehren so formuliert hat, dass sie die Leistung rückwirkend ab dem 13. Dezember 2010 und für die kommenden Monate begehre, in denen sie Arbeitslosengeld II beziehen werde. Hierdurch ist sie von dem zum Zeitpunkt der Entscheidung nach vernünftiger Auslegung ermittelten Begehren abgewichen und will nun eine Entscheidung für die maximale Dauer einer Bewilligung bzw. sogar für eine unbestimmte Zukunft erreichen. Hierin liegt eine Antragsänderung, so dass selbst dann, wenn sich der Antragsgegner darauf einlassen würde bzw. wenn sie im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG als sachdienlich zu bewerten wäre, der Beschwerdewert nicht erhöht wird. Der Beschwerdewert ist nicht nach dem jetzigen Begehren, sondern danach zu ermitteln, inwieweit das SG hinter dem durch Auslegung ermittelten Antragsbegehren in der ersten Instanz zurückgeblieben ist.
Im Übrigen liegen hier auch nach den medizinischen Stellungnahmen Anhaltspunkte dafür vor, dass ein anspruchserhöhender Mehrbedarf wegen Unverträglichkeiten höchstens während der intensiven Chemotherapie einschließlich einer Übergangszeit vorliegen konnte. Dagegen spricht aber, dass die Antragstellerin die Chemotherapie nach dem Arztbrief von Dr. med. H. vom 11. April 2011 "erstaunlich" gut vertragen hat. Damit sind Zweifel daran geweckt, inwieweit die von ihm im Befundbericht vom 5. Mai 2011 genannten bekannten grundsätzlichen bzw. regelmäßigen Probleme bei einer intensiven Chemotherapie bei der Antragstellerin tatsächlich zum Tragen gekommen sind.
Ist die Beschwerde unzulässig, kann sie auch nicht aufgrund einer im Ergebnis unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung eröffnet werden. Ist eine Rechtsmittelbelehrung unzutreffend, verlängern sich lediglich die Rechtsbehelfsfristen, vgl. § 66 Abs. 2 SGG. Soweit kein Rechtsmittel zulässig ist, bleibt die falsche Rechtsmittelbelehrung ohne weitere Auswirkung.
Die Kostenentscheidung folgt entsprechend § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Die Entscheidung ist endgültig, § 177 SGG.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zu höheren Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) wegen eines Mehrbedarfs aufgrund medizinisch notwendiger kostenaufwändiger Ernährung.
Die Antragstellerin (1951) ist verheiratet. Ihr Ehemann (geb. 1940) bezieht eine Rente wegen Alters in Höhe von Euro monatlich. Die Antragstellerin ist arbeitslos und bezieht schon seit längerem Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Antragsgegner. Mit Bescheid vom 23. September 2010 bewilligte und gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011 monatlich Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von Euro (anteilige Regelleistung) und für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von Euro.
Mit Schreiben vom 13. Dezember 2010 beantragte die Antragstellerin am 15. Dezember 2010 die "Bewilligung von Mehraufwendungen für Ernährung nach dem SGB II" und fügte eine ärztliche Bescheinigung der Dr. med. W. bei, wonach bei der Antragstellerin Brustkrebs diagnostiziert sei.
Der Antragsgegner lehnte mit Bescheid vom 3. Februar 2011 die Gewährung höherer Leistungen ab, da nach neueren medizinischen Erkenntnissen nicht mehr von einem erhöhten Ernährungsbedarf auszugehen sei.
Ihren hiergegen erhobenen Widerspruch begründete die Antragstellerin damit, dass sie zur Zeit eine aggressive Chemotherapie erhalte, die sich über Monate hinziehe und an die sich eine Strahlen- und Tablettentherapie anschließe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2011 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück: In der von der Antragstellerin eingereichten ärztlichen Bescheinigung werde keine spezielle Kostform genannt. Nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins sei für die Erkrankung der Antragstellerin keine besondere Krankenkostzulage zu gewähren.
Am 3. März 2011 beantragte die Antragstellerin die Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II und gab an, dass sich in ihren wirtschaftlichen Verhältnissen nichts geändert habe. Sie sei seit dem 4. November 2010 krankgeschrieben.
Nach seinem Bescheid vom 11. März 2011 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin für den Zeitraum vom 1. April 2011 bis zum 30. September 2011 monatlich Euro als Hilfe zum Lebensunterhalt und Euro wegen der Kosten für die Unterkunft und Heizung. Mit änderndem Bescheid vom 30. Mai 2011 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin für den Zeitraum vom 1. April 2011 bis zum 30. September 2011 monatlich Euro als Hilfe zum Lebensunterhalt und Euro wegen der Kosten für die Unterkunft und Heizung. Hiergegen erhob die Antragstellerin keine Rechtsbehelfe.
Am 14. März 2011 hat die Antragstellerin gegen den Bescheid vom 3. Februar 2011 und den Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2011 Klage erhoben (Az. S 15 AS 1376/11), die noch anhängig ist. Am 16. März 2011 hat die Antragstellerin (anwaltlich vertreten) bei dem Sozialgericht Halle "zum Hauptsacheverfahren" S 15 AS 1376/11 im Wege des Erlasses einer vorläufigen Anordnung beantragt, dass der Antragsgegner ihr ab Antragstellung vorläufig monatlich Euro wegen eines Mehrbedarfs aufgrund kostenaufwändiger Ernährung zu zahlen habe. Die Höhe des genannten Mehrbedarfs orientiere sich nach einem Ratgeber "Leitfaden zum Alg II". Es werde in das Ermessen des Gerichts gestellt, einen höheren Mehrbedarf zu gewähren. Die Antragstellerin fügte eine weitere ärztliche Bescheinigung des Dr. med. Hurtz bei, wonach die Antragstellerin ihre Ernährung aufgrund intensiver Chemotherapie im Zeitraum vom 14. Dezember 2010 bis zum Ablauf des Aprils 2011 aufwändig umstellen müsse. Die Antragstellerin brachte weiter vor, sie müsse ihre Ernährung zur Stärkung ihres Immunsystems anders gestalten, wozu gegenüber einer Normalkost vermehrt Kohlenhydrate, Fette, Eiweiße, Vitamine und Mineralstoffe gehörten, um auch ihr Gewicht zu halten. Ihr werde empfohlen, fünf Mal täglich Obst und Gemüse zu essen und den erhöhten Nährstoffbedarf an Eiweißen usw. auszugleichen. Ihr werde empfohlen, "Extrakalorien" zu sich zu nehmen. Nach ihren jetzigen Ernährungsgewohnheiten habe sie Ausgaben für die Ernährung von Euro. Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Antragstellerin vom 28. März 2011 verwiesen. Nach dem nach einem Muster des SG eingeholten Befundbericht der DM Beck soll die Antragstellerin auf eine gesunde, ausgewogene, abwechslungsreiche und vitaminreiche Ernährung achten. Die Antragstellerin sei in der Nahrungsauswahl nicht eingeschränkt und solle vermehrt Obst und Gemüse essen. Spezielle Produkte oder Lebensmittel benötige die Antragstellerin nicht. Mehrkosten seien wegen Zuzahlungen zu Medikamenten und Fahrten zu ärztlichen Behandlungen zu erwarten. Die Antragstellerin hat einen weiteren Befundbericht des Dr. med. H. vorgelegt, wonach bei ihr ein Mammakarzinom, eine arterielle Hypertonie mit einem Hypertonieherz, eine Schilddrüsenvergrößerung, ein Glaukom und eine Angststörung diagnostiziert sei. Die Antragstellerin leide infolge der Chemotherapie unter einer deutlichen Störung des Appetits und der Nahrungsaufnahme. Die Antragstellerin habe vom 14. Dezember 2010 bis zum 28. März 2011 eine sehr intensive Chemotherapie erhalten, die regelmäßig mit einer Störung der Nahrungsaufnahme einhergehe. Deshalb sei eine Umstellung der Ernährung erforderlich, für die auch lactosearme bzw. –freie Nahrungsmittel erforderlich seien. Zusätzlich sei bei deutlichem Appetitverlust eine Anpassung der Kost an den individuellen Appetit erforderlich. Dazu gelte als allgemeine Regel, dass nur die Lebensmittel gegessen werden können, die keine Abneigung auslösen. Dies müsse im Selbstversuch getestet werden. Es sei wichtig, dass kein Gewichtsverlust eintrete. Somit sei ein deutlich erhöhter finanzieller Aufwand für die Ernährung erforderlich, zumal auch ein Teil der Lebensmittel verworfen werden müsse. Erfahrungsgemäß hielten die Ernährungsstörungen auch noch ein bis zwei Monate nach dem Ende der Chemotherapie an.
Mit Beschluss vom 10. Juni 2011 hat das SG den Antrag abgelehnt: Die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen wegen eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung glaubhaft gemacht. Nach neueren medizinischen Erkenntnissen sei bei einer Krebserkrankung keine besondere Kostform einzuhalten, sondern es werde eine Vollkost empfohlen. Die Antragstellerin bedürfe einer Vollkost und damit keiner kostenaufwändigeren Ernährung. Ein Bedarf wegen einer medizinisch begründeten kostenaufwändigen Ernährung ergebe sich nicht aus den eingeholten Befundberichten und den von der Antragstellerin weiter eingereichten Verkaufsprospekten. Die Antragstellerin habe auch kein Eilbedürfnis glaubhaft gemacht. Eine existenzielle Notlage sei nicht erkennbar. Die Antragstellerin und ihr Mann verfügten aus Leistungen der Grundsicherung und der Rente des Ehemanns über Einnahmen in Höhe von Euro monatlich. Abzüglich der Ausgaben von Euro monatlich für die Miete und einem Bedarf in Höhe der Regelleistungen von 656 Euro (2 x 328 Euro) monatlich verbleibe ein Rest von 66 Euro. Damit sei die Antragstellerin vorläufig in der Lage, den von ihr geltend gemachten Mehrbedarf von mindestens 37 Euro monatlich aufzubringen.
Gegen den ihr am 21. Juni 2011 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 14. Juli 2011 Beschwerde erhoben: Es sei schon falsch, dass sie mit ihrer Regelleistung (90 %) nicht 100 % der für die Ernährung vorgesehenen Leistungen erhalte, sondern wegen des Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft nur 90 %. Nach der Änderung der Regelleistungen zum 1. Januar 2011 stehe ihr ein geringerer Betrag für die Ernährung als zuvor zur Verfügung. Bei den Empfehlungen des Gutachtens für Lebensmittelkosten im Rahmen einer vollwertigen Ernährung sei von den Lebensmittelpreisen des Jahres 2003 ausgegangen worden, so dass die Preissteigerungen für Nahrungsmittel und die restliche Inflation nicht beachtet seien. Der vom SG herangezogene Überhang in Höhe von Euro monatlich ergebe sich aus der Versicherungspauschale und dem Bedarf des Ehemanns wegen kostenaufwändiger Ernährung von Euro monatlich. Ihr Ehemann sei selbst schwer krebskrank. Auf Nachfrage des Senats hat die Antragstellerin mitgeteilt, sie begehre einen Mehrbedarf ab dem 13. Dezember 2010 bis auf Weiteres. Nach dem Hinweis des Senats auf den möglichen Ausschluss der Beschwerde wegen eines Beschwerdegegenstands, der nicht mehr als Euro umfasse, hat die Antragstellerin mitgeteilt, sie begehre die Leistung rückwirkend ab dem 13. Dezember 2010 und für die kommenden Monate, in denen sie Arbeitslosengeld II beziehen werde.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 10. Juni 2011 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihr ab dem 13. Dezember 2010 und so lange sie Arbeitslosengeld II bezieht, vorläufig höhere Leistungen zum Lebensunterhalt in Höhe von Euro monatlich zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf die Ausführungen des SG in dem angefochtenen Beschluss. Zu den Ausführungen der Antragstellerin wegen des Umfangs ihres Begehrens hat er keine Stellung genommen.
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin mit Bescheid vom 16. September 2011 für den Zeitraum vom 1. Oktober 2011 bis zum 31. März 2012 ausgehend von einem Gesamtbedarf von Euro ( Euro nebst anteiligem Bedarf für die Kosten der Unterkunft und Heizung von Euro) und einem zu berücksichtigenden Einkommen aus der Rente des Ehemanns von Euro monatliche Leistungen in Höhe von Euro bewilligt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats waren.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist zwar gegen einen Beschluss des SG grundsätzlich statthaft (§ 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –) sowie form- und fristgerecht gemäß § 173 Satz 1 erhoben. Sie ist aber zu verwerfen, weil sie im konkreten Streitfall ausgeschlossen und damit unzulässig ist.
Gemäß § 172 Abs. 1 SGG ist die Beschwerde gegen Beschlüsse des SG eröffnet, soweit das SGG nichts anderes bestimmt. Eine solche andere Bestimmung enthält § 173 Abs. 3 Nr. 1 SGG, wonach die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen ist, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre.
So liegt es hier. Die Berufung in der Hauptsache wäre gemäß den Bestimmungen des § 144 Abs. 1 SGG nicht zulässig. Weder stehen wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr im Streit (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) noch ist die Berufung ohne Zulassung des SG im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG zulässig. Insbesondere übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes der auf eine Geldleistung gerichteten Klage nicht 750 Euro (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Der Wert des Beschwerdegegenstandes bzw. "Beschwerdewert" bestimmt sich nach dem Umfang, in dem das Gericht dem Begehren des Rechtsmittelführers nicht gefolgt ist, wobei der Wert dieser Beschwer bei Einlegung des Rechtsmittels zu ermitteln ist (vgl. LSG Sachsen-Anhalt v. 08.09.2010 - L 2 AS 292/10 B ER). Hier ist das SG dem Begehren der Antragstellerin nicht gefolgt, dem Antragsgegner aufzugeben, ihr ab Antragstellung vorläufig monatlich mindestens Euro wegen eines Mehrbedarfs aufgrund kostenaufwändiger Ernährung zu zahlen. Dieser Antrag ist nicht eindeutig und bedarf daher der Auslegung. Denn es ist zwar eine Mindestsumme für den begehrten Mehrbedarf genannt, die weitere Bestimmung wird aber in die Entscheidung des Gerichts gestellt. Nicht ausdrücklich bestimmt war auch, für welchen Zeitraum die Antragstellerin die vorläufige Anordnung von Leistungen begehrt.
Für die Auslegung prozessualer Anträge bzw. Begehren gilt § 123 SGG, wonach das Gericht über die erhobenen Ansprüche entscheidet, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Für die damit einhergehende Auslegung, inwieweit Ansprüche erhoben sind, gelten die allgemeinen Auslegungsgrundsätze des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), wonach der Wortlaut der Erklärung nicht allein entscheidend ist. Im Rahmen der Auslegung ist der in der Erklärung zum Ausdruck gekommene wirkliche Wille des Äußernden zu erforschen. Bei Unklarheiten sind auch die weiteren Umstände der Erklärung heranzuziehen. Damit gilt eine Erklärung nicht nach dem inneren Willen, sofern dieser Wille nicht nach außen erkennbar geworden ist. Für die Auslegung sind nur solche Umstände maßgebend, die für das Gericht bzw. die Beteiligten des Rechtsstreits erkennbar sind. Bei der Auslegung von prozessualen Anträgen ist zunächst das Begehren zu ermitteln, welches ein verständiger Rechtsschutzsuchender bei entsprechender Beratung geltend gemacht haben würde. Soweit nicht Gründe für ein abweichendes Verhalten bestehen, wird ein vernünftiger Prozessbeteiligter sein Begehren in einer Weise verfolgen wollen, die ihm am besten zu seinem Ziel verhilft. Deshalb ist auch anzunehmen, dass alles beantragt wird, was dem Leistungsberechtigten aufgrund des Sachverhalts zustehen kann (vgl. BSG v. 09.02.2011 - B 6 KA 5/10 R – Juris Rn. 11,12; BSG v. 24.02.2011 – B 14 AS 49/10 R – Juris Rn. 12,14).
Nach diesen Grundsätzen ist das materielle Begehren der Antragstellerin dahin auszulegen, dass sie monatlich höhere Leistungen von Euro begehrt und dass dies auch die materielle Beschwer der Antragstellerin darstellt. Weil die Antragstellerin für ihren Antrag nur eine Untergrenze von Euro monatlich vorgesehen hat, ist der prozessuale Antrag an sich unbestimmt gestellt. Die Antragstellerin hat damit aber eine Wertvorstellung geäußert.
Eine gesetzliche Bestimmung der Höhe des zu berücksichtigenden Mehrbedarfs gemäß § 21 Abs. 5 SGB II fehlt, so dass das materielle Begehren nicht abweichend von der Wertvorstellung der Antragstellerin ausgelegt werden kann. Der Mehrbedarf ist nach der genannten Bestimmung, soweit die Voraussetzung einer medizinisch begründeten kostenaufwändigen Ernährung vorliegt, in "angemessener Höhe" zu gewähren.
Für die Beschwer der Antragstellerin als Rechtsmittelführerin ist auch nicht ein eventuell höherer Betrag einer – vom Gericht zu findenden – angemessenen Höhe des Mehrbedarfs maßgebend, sondern ihre geäußerte Größenvorstellung. Denn ergibt sich die Höhe des Anspruchs nicht aus dem Gesetz selbst, sondern obliegt es letztlich dem Gericht, den Umfang des Anspruchs zu bestimmen (wie z.B. bei der "billigen" Entschädigung in Schmerzensgeldangelegenheiten nach § 253 Abs. 2 BGB) muss dies bei der Bestimmung der Beschwer berücksichtigt werden (vgl. hierzu Bundesgerichtshof – BGH – v. 30.09.2003 - VI ZR 78/03, Juris Rn. 4 m.w.N.). Begehrt der Rechtsmittelführer nur die Gewährung eines angemessenen Mehrbedarfs ohne Konkretisierung und wird ein Mehrbedarf gerichtlich zuerkannt, ist er nicht mit einem bestimmten Wert beschwert. Beschwert sein kann der Rechtsmittelführer nur mit jenem Wert, zu dem die Entscheidung unterhalb einer geäußerten (Mindest-)Vorstellung bleibt.
Des Weiteren ist der Antrag in der ersten Instanz so auszulegen, dass die Antragstellerin eine Entscheidung über den Mehrbedarf in dem Zeitraum seit ihrem Antrag bis zum Ablauf des Bewilligungsabschnitts, d.h. hier vom 13. Dezember 2010 bis zum 31. März 2011 begehrt hat. Nachträgliche Erhöhungen des Begehrens könnten zwar als Antragserweiterungen im Sinne des § 99 SGG zulässig sein, ändern aber nichts an dem für den Zeitpunkt der Erhebung des Rechtsmittels zu ermittelnden Beschwerdewert.
Die Antragstellerin hat gegen den Bescheid vom 3. Februar 2011 und den Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2011 Klage erhoben (Az. S 15 AS 1376/11) und mit dem hiesigen Verfahren "zum Hauptsacheverfahren" die vorläufige Anordnung der Gewährung höherer Leistungen begehrt. Bei verständiger Würdigung ist das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes demnach parallel zu dem Hauptsacheverfahren eingeleitet und entspricht dessen Streitumfang. In dem Hauptsacheverfahren ist die Bewilligung in dem Bewilligungsabschnitt vom 1. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011 strittig, wie sie der Antragsgegner mit Verwaltungsakt vom 23. September 2010 regelte. Die Gewährung des Mehrbedarfs kann keinen eigenständigen Streitgegenstand ihm Rahmen der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II als Hilfe zum Lebensunterhalt darstellen (st. Rspr., vgl. etwa BSG v. 24.02.2011 - B 14 AS 49/10 R – Juris Rn. 13 m.w.N.). Das Klagebegehren der Klägerin und das ursprüngliche Antragsbegehren ist daher so zu verstehen, dass sie den Verwaltungsakt vom 3. Februar 2011 anficht und gleichzeitig die Änderung der Bewilligung nach dem Verwaltungsakt des Antragsgegners vom 23. September 2010 unter Berücksichtigung eines angemessenen Mehrbedarfs in Höhe von mindestens Euro seit dem 1. Dezember 2010 bis 31. März 2011 begehrt.
Weitere Bewilligungszeiträume sind nicht Gegenstand des Begehrens bzw. der gerichtlichen Entscheidung des SG über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz und damit für den Beschwerdewert unmaßgeblich. Denn die nachfolgenden Bewilligungsentscheidungen des Antragsgegners sind nicht Gegenstand der gerichtlichen Verfahren.
Gegenstand eines Klageverfahrens bei dem Begehren auf höhere Leistungen nach dem SGB II ist nur der jeweilige Verwaltungsakt zur Bewilligung. Weitere Verwaltungsakte über die nachfolgenden Bewilligungszeiträume werden nicht gemäß § 96 SGG zum Gegenstand eines bereits anhängigen gerichtlichen Verfahrens (vgl. BSG v. 13.11.2008 – B 14/7b AS 2/07 R – Juris Rn. 11). Eine Bewilligungsentscheidung hat wegen der in § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II vorgesehenen abschnittsweisen Bewilligung von Leistungen zudem keine Bindungswirkung für künftige Bewilligungsabschnitte (vgl. ausdrücklich zum Mehrbedarf nach § 21 SGB II: BSG v. 22.03.2010 - B 4 AS 59/09 R – Juris Rn. 16). Nur dann, wenn die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gänzlich abgelehnt sind, kann der Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens je nach Klageantrag die gesamte bis zur Entscheidung verstrichene Zeit sein (st. Rspr. seit BSG v. 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R – Juris Rn. 30). Hier lässt der Verwaltungsakt vom 3. Februar 2011, obwohl er keinen bestimmten Bewilligungsabschnitt nennt, auch nicht erkennen, dass der Antragsgegner entgegen der gemäß § 41 Abs. 1 Sätze 3 und 4 SGB II für sechs bzw. zwölf Monate abschnittsweise vorzunehmenden Entscheidung über die Bewilligung eine Regelung für alle Folgebewilligungen treffen wollte. Nach der für die Auslegung maßgeblichen Sicht eines verständigen Beteiligten, der in Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge den wirklichen Willen der Behörde erkennen kann, lässt die fehlende Nennung des Bewilligungsabschnitts nicht den Schluss zu, dass abschließend für die Zukunft über den geltend gemachten Mehrbedarf entschieden ist (vgl. BSG v. 24.02.2011 – B 14 AS 49/10 R – Juris Rn. 14). Denn vernünftigerweise ergibt die Auslegung in diesem Fall, dass eine (ggf. ablehnende) Regelung über die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung des geltend gemachten Mehrbedarfs nur für im Zeitpunkt der Behördenentscheidung vergangene oder gegenwärtige Bewilligungsabschnitte vorliegt. Eine Bewilligung bzw. Ablehnung auch von Teilen des Anspruchs aus der Grundsicherung kann nicht sinnvoll bzw. auf Tatsachen gestützt für alle Zeiten und vor allem nicht für die gesamte Zukunft von dem Leistungsträger verfügt bzw. vom Leistungsberechtigten erwartet werden. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II, d.h. der konkrete Hilfebedarf einschließlich eventueller Mehrbedarfe unter Berücksichtigung eigener Hilfemöglichkeiten (Einkommen, Vermögen usw.) können sich jederzeit ändern, so dass nicht grundsätzlich eine vorausschauende Bewilligung bzw. Ablehnung erwartet werden kann.
Im Übrigen sind die Bewilligungsentscheidungen für die Folgeabschnitte, etwa die vom 1. April 2011 bis zum 30. September 2011, nicht im Wege der Klage- oder Antragsänderung bzw. –erweiterung (§ 99 Abs. 1 SGG) Gegenstand der bereits anhängigen Verfahren. Stattdessen ist die Bewilligung für den genannten Zeitraum mangels Widerspruch der Antragstellerin sogar für die Beteiligten bindend geworden (§ 77 SGG), so dass vernünftigerweise für diesen Zeitraum auch keine höheren Leistungen gerichtlich geltend gemacht werden.
Unmaßgeblich ist, dass die Antragstellerin nunmehr ihr Begehren so formuliert hat, dass sie die Leistung rückwirkend ab dem 13. Dezember 2010 und für die kommenden Monate begehre, in denen sie Arbeitslosengeld II beziehen werde. Hierdurch ist sie von dem zum Zeitpunkt der Entscheidung nach vernünftiger Auslegung ermittelten Begehren abgewichen und will nun eine Entscheidung für die maximale Dauer einer Bewilligung bzw. sogar für eine unbestimmte Zukunft erreichen. Hierin liegt eine Antragsänderung, so dass selbst dann, wenn sich der Antragsgegner darauf einlassen würde bzw. wenn sie im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG als sachdienlich zu bewerten wäre, der Beschwerdewert nicht erhöht wird. Der Beschwerdewert ist nicht nach dem jetzigen Begehren, sondern danach zu ermitteln, inwieweit das SG hinter dem durch Auslegung ermittelten Antragsbegehren in der ersten Instanz zurückgeblieben ist.
Im Übrigen liegen hier auch nach den medizinischen Stellungnahmen Anhaltspunkte dafür vor, dass ein anspruchserhöhender Mehrbedarf wegen Unverträglichkeiten höchstens während der intensiven Chemotherapie einschließlich einer Übergangszeit vorliegen konnte. Dagegen spricht aber, dass die Antragstellerin die Chemotherapie nach dem Arztbrief von Dr. med. H. vom 11. April 2011 "erstaunlich" gut vertragen hat. Damit sind Zweifel daran geweckt, inwieweit die von ihm im Befundbericht vom 5. Mai 2011 genannten bekannten grundsätzlichen bzw. regelmäßigen Probleme bei einer intensiven Chemotherapie bei der Antragstellerin tatsächlich zum Tragen gekommen sind.
Ist die Beschwerde unzulässig, kann sie auch nicht aufgrund einer im Ergebnis unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung eröffnet werden. Ist eine Rechtsmittelbelehrung unzutreffend, verlängern sich lediglich die Rechtsbehelfsfristen, vgl. § 66 Abs. 2 SGG. Soweit kein Rechtsmittel zulässig ist, bleibt die falsche Rechtsmittelbelehrung ohne weitere Auswirkung.
Die Kostenentscheidung folgt entsprechend § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Die Entscheidung ist endgültig, § 177 SGG.
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