S 112 KR 266/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
112
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 112 KR 266/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der Vergütung für Leistungen der Behandlungspflege.

Die klagende Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) entstand im September 2009 durch Zusammenschluss der p. - Krankenpflege GmbH und ihres Schwesterunternehmens, der K pflege J. Die p. - Krankenpflege GmbH hatte am 31. Januar 2001 u. a. mit der Rechtsvorvorgängerin der beklagten Krankenkasse einen Vertrag gemäß § 132a Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) zur Durchführung der häuslichen Krankenpflege abgeschlossen. Die maßgebliche Vergütungsvereinbarung zu diesem Vertrag bestimmt, soweit hier von Interesse:

"(1) Für die Zeit ab 01.06.2007 sind nach den Maßgaben des Vertrages gemäß § 132 a Abs. 2 SGB V vom 31.01.2001 die nachfolgend aufgeführten Entgelte gegenüber der AOK Berlin berechnungsfähig:

Gebührenposition Leistungspauschale je Einsatz Grundpauschale Je Einsatz In Wohngemeinschaften I. Behandlungspflege gemäß § 37 Abs. 2 SGB V: Leistungsgruppe 3 ...

&9679; Wundverbände, Anlegen und Wechseln (Verrichtung aus Nr. 31) 03 2 174 11,26 EUR 3,65 EUR 2,65 EUR

(2) Es können täglich jeweils maximal 3 Einsätze abgerechnet werden.

Die Leistungspauschalen der Gruppen 1 bis 3 nach Abs. 1 sind je Einsatz nicht nebeneinander berechnungsfähig.

Werden in einem Einsatz mehrere Verrichtungen aus einer Behandlungspflegemaßnahme (Leistungsbeschreibung s. Anlage der Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V: Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege) verordnet und bewilligt, ist nur die zutreffende Leistungsgruppe abrechnungsfähig.

Werden Behandlungspflegemaßnahmen aus verschiedenen Leistungsgruppen in einem Einsatz erbracht, gilt die Leistungsgruppe der höherwertigsten verordneten und bewilligten Maßnahme.

Werden in einem Einsatz Leistungen der Gruppe 1a) und 1b) erbracht, gilt die Pauschale der Leistungsgruppe 2.

Bei Einführung neuer Leistungen der Behandlungspflege in den Richtlinien gemäß § 92 Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V ist zwischen den Verhandlungsparteien Einvernehmen über die Zuordnung zu den Leistungsgruppen herzustellen.

Die Pauschale für Leistungen nach § 37 Abs. 1 SGB V (Abs. 1, II.) ist für die im Einzelfall erbrachte Grundpflege, Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung berechnungsfähig, unabhängig von der Leistungszusammensetzung je Einsatz.

(3) Neben den Leistungspauschalen nach Absatz (1) ist je Einsatz eine Grundpauschale in Höhe von 3,65 EUR abrechnungsfähig. "

Die Klägerin erbrachte im April und Mai 2009 Leistungen der häuslichen Krankenpflege für den bei der Beklagten versicherten H M (fortan: Versicherter). Der behandelnde Allgemeinmediziner Dr. F hatte dem Versicherten am 9. April 2009 wegen einer Eiteransammlung in der linken Hand (Handphlegmone) das Anlegen und Wechseln von Wundverbänden verordnet und zwar in der Häufigkeit einmal täglich/sechsmal wöchentlich für den Zeitraum bis 14. April 2009. Am 16. April 2009 verordnete ein Arzt des Klinikums im F. unter Angabe der Diagnose Nekrose (Zelltod) linke Hand das Anlegen und Wechseln von Wundverbänden ab 17. April 2009 ohne Angabe einer Häufigkeit. Am Folgetag (17. April 2009) erfolgte durch die Chirurgin Dr. T eine weitere Verordnung häuslicher Krankenpflege auf die Bezug genommen wird. Die Beklagte bestätigte dem Versicherten unter dem 21. April 2009 den Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege, und zwar das Anlegen und Wechseln von Wundverbänden vom 17. April bis 15. Mai 2009 mit der Häufigkeit einmal täglich/siebenmal wöchentlich. Am 27. April 2009 verordnete Frau Dr. T nochmals das Anlegen und Wechseln von Wundverbänden mit entsprechender Häufigkeit für den Zeitraum 21. April bis 15. Mai 2009. Auch auf diese Verordnung wird verwiesen. Die Klägerin stellte am 25. August 2009 die Leistung "Wundverbände 3x (Einzelvereinbarung)" im Zeitraum "10. April bis 30. April 2009" mit der Anzahl "14" und dem Einzelpreis 44,73 EUR, insgesamt 626,22 EUR in Rechnung. Die Beklagte hielt nur 14 Einsätze á 14,91 EUR (Grundpauschale 3,65 EUR zuzüglich 11,26 EUR Leistungspauschale) für abrechnungsfähig und zahlte insgesamt lediglich 208,74 EUR an die Klägerin. Die in Rede stehende Leistung sei nur in der Häufigkeit einmal täglich bewilligt worden, weswegen nicht drei Einsätze pro Tag abgerechnet werden könnten. Eine Zusatz-Verordnung sei nicht eingereicht, eine Sondervereinbarung nicht getroffen worden. Eine entsprechende Kürzung nahm die Beklagte bei der für den Monat Mai 2009 (neun Einsätze) erstellten Rechnung vor (Rechnungsbetrag 402,57 EUR, Zahlbetrag 134,19 EUR). Der Versicherte ist am 13. Mai 2009 verstorben.

Da die Beklagte zur Zahlung der Differenzbeträge von 417,48 EUR (April) und 268,38 EUR (Mai) nicht bereit war, hat die Klägerin am 19. Februar 2010 Klage erhoben mit der sie die Zahlung von insgesamt 685,86 EUR begehrt. Die Klägerin trägt vor: Die Wundverbände seien an drei verschiedenen Körperteilen angelegt und gewechselt worden. Die entsprechende Notwendigkeit ergebe sich auch aus den ärztlichen Verordnungen. Die drei Wunden seien aufwendig zu versorgen gewesen. Die Beklagte müsse deswegen die dreifache Vergütung für den vereinbarten Verbandswechsel bezahlen. Wegen des weiteren Vorbringens der Klägerin wird auf die Klageschrift vom 18. Februar 2010 sowie auf den Schriftsatz vom 17. Juni 2010 verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie (die Klägerin) für dem Versicherten H M im Zeitraum 10. April bis 13. Mai 2009 erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege weitere 685,86 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, die sie für unbegründet hält.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens und zur Ergänzung des Sachverhalts wird schließlich Bezug genommen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der den streitgegenständlichen Leistungsfall des Versicherten betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Klägerin stehen gegen die Beklagte keine weiteren Vergütungsansprüche wegen der in Rede stehenden Behandlungspflegemaßnahmen zu.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Vergütungsanspruch ist der Vertrag gemäß § 132a Abs. 2 S. 1 SGB V in Verbindung mit der für die Zeit ab 1. Juni 2007 maßgeblichen Vergütungsvereinbarung. Zweifel an der Wirksamkeit der Vereinbarungen werden nicht geltend gemacht und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Beteiligten gehen übereinstimmend von der Geltung der Regelwerke und ihrer Maßgeblichkeit für das Streitverfahren aus. Eine den erhobenen Anspruch stützende Einzelvereinbarung besteht nicht.

Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber, dass die Klägerin in dem Zeitraum vom 17. April 2009 bis 13. Mai 2009 häusliche Krankenpflege gemäß § 37 Abs. 2 SGB V zur Sicherung der ärztlichen Behandlung aufgrund vertragsärztlicher Verordnungen für den Versicherten erbracht hat. Zwar steht nicht fest, an welchen Kalendertagen während des genannten Zeitraumes die Leistungen erbracht worden sind. Unstreitig ist jedoch die Gesamtzahl der Kalendertage und damit die – eingeklagte – Differenz zwischen der in Rechnung gestellten und der gezahlten Vergütung.

Die Vergütungsvereinbarung ordnet die Leistung "Wundverbände, Anlegen und Wechseln" der Leistungsgruppe 3 zu. Nach dem entsprechenden Tabellenwert sind als "Leistungspauschale je Einsatz" 11,26 EUR und als "Grundpauschale" "Je Einsatz" 3,65 EUR berechnungsfähig. Ausgehend von diesen Beträgen hat die Beklagte für zusammen dreiundzwanzig Einsätze (vierzehn im April, neun im Mai 2009) insgesamt 342,93 EUR gezahlt. Eine Vergütung über diesen Betrag hinaus kann die Klägerin nicht beanspruchen. Dies ergibt die Auslegung der Vergütungsvereinbarung, die im Streitfall dem Gericht obliegt.

Bei der Auslegung sind vorrangig das Vertragsmodell des § 132a SGB V (vgl. hierzu ausführlich Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. März 2009 – L 16 KR 64/08 – juris, Rn. 31ff.; BSG, Urteil vom 21. November 2002 – B 3 KR 14/02 R - juris) und der Umstand zu berücksichtigen, dass die Vertragspartner Pauschalen vereinbart haben. Anknüpfungspunkt für die Vergütungspauschalen ist (auch) nach der vorliegend einschlägigen Vergütungsvereinbarung erkennbar der jeweilige "Einsatz" des Pflegedienstes beim Versicherten (zum Einsatzprinzip als maßgebendes und vorrangiges Vergütungsprinzip des Landesvertrages zwischen dem Bundesverband Ambulante Dienste und stationäre Einrichtungen, Landesverband Nordrhein-Westfalen e. V., und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e. V. sowie dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e. V., Landesvertretungen Nordrhein-Westfalen und Westfalen-Lippe, vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, a. a. O., Rn. 41). Der Begriff des Einsatzes ist allerdings in der Vergütungsvereinbarung nicht definiert. Im Sachzusammenhang und bei natürlicher Betrachtungsweise ist unter einem Einsatz die Gesamtheit der von der Pflegekraft erbrachten Leistungen im Rahmen eines mit Anfahrt zum Leistungsort verbundenen Termins beim Versicherten zu verstehen (im Ergebnis ebenso: SG Düsseldorf, Urteil vom 8. Februar 2008 – S 4 KR 58/07 – juris). Soweit die Klägerin meint, bei drei Wundverbänden müsse von drei Einsätzen ausgegangen werden, kann dem nicht gefolgt werden. Die Vergütungsvereinbarung unterscheidet konsequent zwischen der einzelnen verordnungsfähigen Maßnahme (hier: Wundverbände, Anlegen und Wechseln) und dem Einsatz. Dies zu Grunde gelegt kann die Vergütungsvereinbarung zur Überzeugung des Gerichts nur dahin verstanden werden, dass bei Erbringung mehrerer Behandlungspflegemaßnahmen derselben Leistungsgruppe in einem Einsatz die einschlägige Leistungspauschale nur einmal berechnungsfähig ist. Hierfür spricht zunächst das Grundprinzip der Vergütungsvereinbarung, wonach die einzelne Maßnahme nur für die Zuordnung zu einer Leistungsgruppe maßgeblich ist und dieser sodann eine einsatzbezogene Leistungspauschale zugeordnet wird. Bestätigt wird die Auslegung durch Abs. 2 Sätze 2 bis 5 der Vergütungsvereinbarung. Den darin vereinbarten Preisregeln ist gemeinsam, dass pro Einsatz nur eine Leistungsgruppe gilt bzw. abrechnungsfähig ist. Eine Abrechnungsfähigkeit mehrerer Leistungspauschalen derselben Gruppe je Einsatz stünde mit den vorgenannten Prinzipien nicht im Einklang; ein entsprechender Wille der Vertragsparteien kann ohne ausdrückliche Vereinbarung nicht angenommen werden. Unzumutbaren wirtschaftlichen Härten für den Pflegedienst im Einzelfall kann nicht durch gerichtliche Festsetzung einer für angemessen gehaltenen Vergütung sondern nur rechtsgeschäftlich, d. h. entweder durch eine Einzelvereinbarung oder durch eine Ergänzung der Vergütungsvereinbarung begegnet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Das Gericht hat die Berufung nicht zugelassen, weil ein Zulassungsgrund gemäß § 144 Abs. 2 SGG nicht gegeben ist.
Rechtskraft
Aus
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