L 2 R 2931/11 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 3807/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 2931/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife eines PKH-Antrages im sozialgerichtlichen Verfahren in Abgrenzung zur Notwendigkeit "weiterer Ermittlungen" im Sinne von § 118 Abs. 2 Satz 3 ZPO (Fortführung des Beschlusses vom 17. Januar 2011 - L 2 R 2984/10 B).
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 7. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Im Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Stuttgart begehrt die Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Auf den Rentenantrag vom 08.12.2009 der 1952 geborenen Klägerin, die nach ihren Angaben im Verwaltungsverfahren keinen Beruf erlernt hat und zuletzt bei der Firma W. als Regalbestückerin, Preisauszeichnerin und Lagerarbeiterin beschäftigt war (Fragebogen zur gutachterlichen Untersuchung im Verwaltungsverfahren) veranlasste die Beklagte eine sozialmedizinische Begutachtung durch ihren Ärztlichen Dienst. Im Fragebogen zur gutachterlichen Untersuchung, welche am 23.12.2009 stattfand, gab die Klägerin an, sie leide unter starken Rückenschmerzen, kalten Füßen, tauben Händen, einem gefühllosen linken Fuß. Treppensteigen sei sehr anstrengend, Bücken und Strecken sehr schmerzhaft. Sie brauche ständig Hilfe im Haushalt und leide an Kopfschmerzen.

Der Internist und Sozialmediziner Dr. S.stellte die Diagnosen eines chronisch rezidivierenden Dorsolumbalsyndroms mit angegebener Lumboischialgie links betont bei NPP L5/S1, eines chronisch rezidivierenden Zervikalsyndroms bei muskulären Verspannungen und muskulo-tendinösem Schmerzsyndrom bei angegebener zeitweiliger Zervikobrachialgie bds. und Zerviko-Cephalgien, ferner einer Dysthymie im Rahmen einer Anpassungsstörung und somatoformen Schmerzstörung. Eine manifeste depressive Störung habe nicht erkannt werden können, eine nervenärztliche Behandlung finde nicht statt. Er kam zu dem Ergebnis, die Klägerin könne leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in Wechselhaltung vollschichtig verrichten. Häufige Zwangshaltungen der Wirbelsäule wie auch häufiges Bücken ohne Heben und Tragen schwerer Lasten seien nicht mehr zumutbar. Bei Berücksichtigung dieser Einschränkungen seien der Klägerin auch Tätigkeiten als Arbeiterin mehr als 6 Stunden täglich ausführbar.

Gestützt auf das Gutachten lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 27.01.2010 ab.

Auf den Widerspruch der Klägerin holte die Beklagte einen Befundbericht bei dem behandelnden Hausarzt Dr. G. (Bericht vom 07.02.2009) ein, welcher auf Ischialgien nach Bandscheibenprolaps L 5/S 1 hinwies und ausführte, in ihrem bisherigen Beruf könne die Klägerin keine 6 Stunden mehr am Tag arbeiten. Sie sei zu einer vollschichtigen Tätigkeit nicht mehr fähig.

Nach sozialmedizinischer Auswertung des Befundberichts wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 25.05.2010 unter Verweisung der Klägerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zurück.

Die hiergegen am 24.06.2010 erhobene Klage hat der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 28.10.2010 (Bl. 7 SG-Akte) begründet. Die Klägerin habe im Jahr 1999 mehrfach Bandscheibenvorfälle L 5/S 1 erlitten und leide auch nach operativer Versorgung unter chronischen Lumboischialgien. Sie könne sich nur noch sehr schlecht bücken und nicht mehr über Kopf arbeiten. In jüngster Zeit hätten sich die Beschwerden wesentlich verschlimmert. So würden beide Hände, rechts mehr als links, bis zur Taubheit einschlafen, ebenso der linke Fuß. Es bestünden anhaltende Nacken- und Kopfschmerzen bis hin zur Übelkeit. Die Klägerin könne ihren Haushalt nicht mehr selbst führen, sondern sei hierbei ständig auf Hilfe angewiesen. Die Spinalkanalstenose an der LWS sei nach Auskunft der behandelnden Ärzte nicht mehr operabel, was wohl im Zusammenhang mit der bereits erfolgten operativen Versorgung und/oder der zwischenzeitlich dort aufgetretenen Osteochondrose stehe. Eine ebenfalls notwendige operative Versorgung der HWS wolle die Klägerin im Hinblick auf die damit verbundenen Risiken nicht durchführen lassen. Ihre Arbeitsstelle als Putzfrau habe die Klägerin aufgeben und sich einer Teilzeittätigkeit als Regalbestückerin und Preisauszeichnerin zuwenden müssen, die sie seit 2000 ausgeübt und wegen der vorbeschriebenen Gesundheitsverschlechterungen zum 31.12.2009 beendet habe. Beigefügt hat die Klägerin der Begründung einen Befundbericht des Orthopäden Dr. T.vom 01.10.2010 (Bl. 9 SG-Akte), mit welchem dieser die Diagnose einer Osteochondrose der LWS bei Z.n. NPP und L5-Wurzelreizung links gestellt und weiter ausgeführt hat, es handele sich im Prinzip um die "Aktivierung eines länger bestehenden Problems".

Ebenfalls mit Schriftsatz vom 28.10.2010 hat die Klägerin die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten beantragt. Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist dem Antrag beigefügt gewesen. Eine Rückfrage des SG zu den persönlichen Verhältnissen vom 03.11.2010 hat die Klägerin mit Fax vom 08.11.2010 beantwortet.

Hierauf hat das SG der Klägerin mitgeteilt, dass es beabsichtige, zunächst sachverständige Zeugenaussagen einzuholen und dabei auf einen Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 01.12.2005, NZS 2006, 168 (Az. L 10 R 4283/05 - zitiert nach (juris)) verwiesen.

Mit Beweisbeschluss vom 18.03.2011 hat das SG die Einholung schriftlicher sachverständiger Zeugenaussagen bei dem behandelnden Hausarzt Dr. G. und dem Orthopäden Dr. T. veranlasst. Dr. G. hat unter dem 03.04.2010 (Bl. 28 SG-Akte) mitgeteilt, die Klägerin sei 2009 nur im Dezember mit einer Lumbalgie mit Ausstrahlung in das rechte Bein in seiner Behandlung gewesen, am 29.01.2010 dann mit Rückenschmerzen und einer Ischialgie rechtes Bein (teilweise auch Schmerzen links) vorstellig gewesen, am 04.08.2010 mit Rückenschmerzen (habe Überweisung zum Orthopäden gewollt). Am 08.10.2010 habe sie erneut eine Überweisung zum Orthopäden begehrt und habe wohl auch wegen finanzieller Probleme subdepressiv gewirkt. Am 10.01.2011 sei dann nochmals eine Überweisung zum Orthopäden ausgestellt worden. Arbeiten als Raumpflegerin seien der Klägerin unter 3 Stunden täglich möglich; die Frage nach dem zeitlichen Leistungsvermögen für leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes hat Dr. G. als schwer beurteilbar bezeichnet und hinzugefügt "ich denke auf keinen Fall mehr als 6 Stunden". Dr. T. hat mit schriftlicher sachverständiger Zeugenaussage vom 08.04.2011 (Bl. 39 SG-Akte) die Diagnose "Osteochondrose der LWS bei Z.n. NPP und L 5 Wurzelreizung li." mitgeteilt und ausgeführt, die Klägerin könne leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung noch vollschichtig verrichten.

Mit Beschluss vom 07.06.2011 hat das SG die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin unter Berufung auf nicht hinreichende Erfolgsaussichten abgelehnt. Weder aus der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. T. noch aus derjenigen von Dr. G. ergäben sich "zwingende Anhaltspunkte" für eine quantitative Minderung des Leistungsvermögens. Mögliche Einschränkungen seien als solche qualitativer Art bereits berücksichtigt.

Am 12.07.2011 ist beim SG ein Schreiben von Dr. G. eingegangen, in welchem er angegeben hat, er wolle seine Angaben zur der Frage nach dem zeitlichen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten "nochmals konkretisieren". Er meine, die Klägerin könne derartige Tätigkeiten nicht länger als "unter 6 Stunden" durchführen.

Hierauf hat sich die Klägerin zur Begründung der am 11.07.2011 gegen den Beschluss des SG eingelegten Beschwerde berufen und ausgeführt, damit sei anders als zum Zeitpunkt des angegriffenen Beschlusses die Einholung eines Sachverständigengutachtens geboten und nunmehr von hinreichender Erfolgsaussicht auszugehen.

II.

Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig, jedoch unbegründet. Im Ergebnis hat das SG zu Recht die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren abgelehnt. Dabei ist nach Auffassung des Senats als maßgeblicher Zeitpunkt der Entscheidungsreife spätestens auf den Zeitpunkt abzustellen gewesen, zu welchem der Klägerbevollmächtigte nicht nur die ergänzende Anfrage des SG zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin beantwortet hat (Fax vom 08.11.2010, Bl. 9 PKH-Akte des SG), sondern dem SG daneben auch noch die Stellungnahme der Beklagten samt Verwaltungsakten vorgelegen hat (Schriftsatz vom 24.11.2010, Bl. 11 SG-Akte), mithin am 26.11.2010.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände der mit der Klage vertretene Standpunkt in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht vertretbar erscheint oder anders formuliert, bei summarischer tatsächlicher und rechtlicher Prüfung eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit des Rechtsmittels besteht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008; § 73a RdNr. 7, 7a m.w.N.); im tatsächlichen Bereich müssen Tatsachen erweisbar sein; ein günstiges Beweisergebnis darf nicht unwahrscheinlich sein. Prozesskostenhilfe ist zu verweigern, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber eine nur entfernte ist (vgl. auch BVerfGE 81, 347; BSG SozR 3-1500 § 62 Nr. 19).

Das heißt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) konkret, dass die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht zu bejahen ist, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der die Prozesskostenhilfe begehrenden Partei ausgehen wird. Die nach verfassungsrechtlichen Maßstäben grundsätzlich unbedenkliche Prüfung der Erfolgsaussicht soll nach dem BVerfG nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2004 - 1 BvR 1281/04, Beschluss vom 14.04.2003 -1 BvR 1998/02 und Beschluss vom 12.01.1993 - 2 BvR 1584/92 - alle veröffentlicht in (juris)). Das BSG (vgl. Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 - in SozR 3-1500 § 62 Nr. 19) hat sich - ebenso wie die wohl überwiegende Literatur zum SGG (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG § 73 a RdNr. 7a m.w.N.) - dieser Rechtsprechung im Grundsatz angeschlossen.

Für die damit geforderte Erfolgsprognose ist zwar grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts – hier des Senats – abzustellen (vgl. nur Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe unter Beratungshilfe, 4. Aufl. 2005, RdNr. 423 m.w.N.; Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl. 2011, § 119 Rdnr. 4 m.w.N.; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, RdNr. 7d m.w.N.). Dies kann aber dann nicht gelten, wenn die Entscheidung durch das Gericht grundlos verzögert wird und sich zwischenzeitlich die Sach- oder Rechtslage zum Nachteil des Antragstellers geändert hat. In diesem Falle kommt es auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Bewilligungsgesuches an (Knittel in: Hennig, SGG, § 73a Rdnr. 15; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, Kapitel VI Rdnr. 71; Leitherer, a.a.O.; Thomas/Putzo, a.a.O.; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 16.12.2001, L 8 B 71/01 RA PKH in Breithaupt 2002, 663). Andernfalls würde der Zweck der Prozesskostenhilfe, auch dem Bedürftigen Rechtsschutz zu ermöglichen, verfehlt (Knittel, a.a.O., Rdnr. 14). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gebieten Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (Beschluss vom 26.06.2003, 1 BvR 1152/02 in SozR 4-1500 § 73a Nr. 1). Dies wäre nicht gewährleistet, wenn das Gericht beliebig lange zuwarten und beispielsweise durch entsprechende Ermittlungen die Frage des Erfolges endgültig klären könnte. Denn im Falle eines Erfolges bedürfte der Unbemittelte keiner Prozesskostenhilfe, weil mit seinem Erfolg regelmäßig auch die Kostentragungspflicht des Unterlegenen verbunden ist. Im Falle seines Misserfolges wäre das Verfahren – was die Ermittlungen anbelangt – bereits durchgeführt, im Falle einer Prozessvertretung durch einen Rechtsanwalt dessen Kosten bereits entstanden. Prozesskostenhilfe soll jedoch nicht den Erfolg in der Hauptsache prämieren, sondern den Rechtsschutz nur ermöglichen (BVerfG, a.a.O.). Mit der genannten Entscheidung hat das BVerfG dementsprechend einen Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss in einem Fall aufgehoben, in dem das Instanzgericht trotz Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrages zunächst eine mehrstündige Anhörung des Klägers durchführte, die Klage abwies und dann darauf gestützt Erfolgsaussicht verneinte.

Entscheidungsreife liegt hiernach vor, wenn der Antragsteller alle für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erforderlichen Unterlagen vorgelegt hat, insbesondere den vollständig ausgefüllten Vordruck über die Erklärung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die entsprechenden Belege (vgl. § 117 Abs. 2 und 4 ZPO), und wenn gegebenenfalls der Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hat (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Diese Voraussetzungen sind hier am 26.11.2010 erfüllt gewesen, nachdem bereits mit Beantragung von Prozesskostenhilfe am 29.10.2010 die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einschließlich sämtlicher Belege eingereicht worden und eine Rückfrage des SG mit Fax vom 08.11.2010 beantwortet worden war.

Spätestens am 26.11.2010, mit Eingang der Stellungnahme der Beklagten und der dieser beigefügten Verwaltungsakten, sind dem SG die im Verwaltungsverfahren beigezogenen ärztlichen Befundunterlagen sowie das Verwaltungsgutachten von Dr. S. vorgelegen. Bereits auf dieser Grundlage hat nach Überzeugung des erkennenden Senates das SG - auch unter Berücksichtigung der Einwendungen der Klägerin in der Klagebegründung - eine Prognose zur Erfolgsaussicht der Klage treffen können (so schon der erkennende Senat im Beschluss vom 17.01.2011 - L 2 R 2984/10 B - RdNr. 17-19 nach (juris)). Weiterer Ermittlungen im Sinne von § 118 Abs. 2 S. 3 ZPO hat es nicht bedurft. Die Klagebegründung hat sich im wesentlichen auf die Wiederholung der von der Klägerin selbst gegenüber dem Gutachter Dr. S. schriftlich angegebenen und daher bereits im Verwaltungsverfahren bekannten Beschwerden beschränkt. Wesentliche neue Befunde hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten nicht benannt; die Frage einer Operationsindikation aufgrund bestehender Wirbelsäulenleiden ist im Rentenverfahren grundsätzlich sozialmedizinisch irrelevant.

Der erkennende Senat kann deshalb offen lassen, ob und inwieweit der Rechtsprechung des 11. Senates des LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 27.04.2010) zu folgen wäre, der die Auffassung vertritt, dass grundsätzlich im Vorfeld der Entscheidung über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe die Einholung sachverständiger Zeugenauskünfte der Prüfung diene, "ob überhaupt Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben werden muss". Dies unterstellt ein Stufenverhältnis der Beweismittel, das so jedenfalls im Gesetz keine Stütze findet. Ganz abgesehen davon, dass das Stellen gutachterlicher Fragen zum Leistungsvermögen - wie hier auch geschehen - letztlich bereits als Erhebung eines Sachverständigenbeweises zu werten ist (vgl. dazu LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 18.06.2009 - L 12 B 2/08 SB - veröffentlicht in (juris); danach soll die Einholung von Befundberichten ohne gutachtliche Stellungnahme noch keine hinreichende Erfolgsaussicht begründen).

Der Senat kann auch offen lassen, ob und inwieweit der Rechtsprechung des 10. Senates des LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 01.12.2005 - L 10 R 4283/05 PKH-B - veröffentlicht in (juris)), der sich der 5. Senat des LSG Baden-Württemberg angeschlossen hat (Beschluss vom 28.03.2007 - L 5 R 5913/06 - nicht veröffentlicht), zu folgen wäre. Aus Sicht des erkennenden Senates ist nämlich der Ausnahmecharakter des § 118 Abs. 2 S. 3 ZPO zu beachten. Diese Vorschrift findet u.a. nur Anwendung, wenn auf andere Weise nicht geklärt werden kann, ob die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Norm wird bereits in der zivilprozessualen Literatur als sehr eng auszulegende Ausnahmevorschrift (siehe Mozter in MünchKomm zur ZPO Bd. 1 § 118 RdNr. 20) angesehen. Damit aber dürfte ein Anwendungsbereich im sozialgerichtlichen Verfahren erst recht kaum denkbar sein (vgl. dazu Hessisches LSG Beschluss vom 29.03.2006 - L 4 B 63/06 ARG V - veröffentlicht in (juris)). Hier geht nämlich dem Gerichtsverfahren ein ebenfalls (bereits) vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägtes Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren voraus, dessen Ziel bereits eine umfassende Aufklärung des tatsächlichen Sachverhalts ist. Wenn in irgendeinem Verfahren bereits bei Klageerhebung ausreichendes Beweismaterial zur Beurteilung der Erfolgsaussicht vorliegt, dies also nicht erst durch nur ausnahmsweise zulässige Beweiserhebungen (im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens) ermittelt werden muss, dann im Sozialgerichtsprozess.

So ist es auch hier der Fall. Denn auf der Grundlage des sozialmedizinischen Gutachtens von Dr. S. ist von einem ausreichend ermittelten Sachverhalt auszugehen, auf dessen Grundlage das SG die möglichen Erfolgsaussichten einer Klage einschätzen können hat. Es hat daher im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens nicht noch weiterer Ermittlungen gem. § 118 Abs. 2 S. 3 ZPO bedurft. Aus dem Umstand der Durchführung überflüssiger Ermittlungen, aus denen sich erwartungsgemäß eine wesentliche Änderung für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage nicht ergeben hat, folgt gerade nicht, dass es geboten wäre, Prozesskostenhilfe zu gewähren. Vielmehr sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 23.01.1986, Az. 2 BvR 25/86, zitiert nach (juris)) die Entscheidung über die Prozesskostenhilfegewährung und Beweiserhebung voneinander unabhängig; weder im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie noch auf das Willkürverbot ist es verfassungsrechtlich geboten, dass ein Gericht, das eine Beweiserhebung beschließt, auch Prozesskostenhilfe bewilligt. Das gilt jedenfalls im Falle überflüssiger Ermittlungen von Amts wegen.

Im Ergebnis hat damit nach Überzeugung des Senates bereits zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife am 26.11.2010 auf der Grundlage des Rentengutachtens von Dr. S.eine Prognose hinsichtlich der Erfolgsaussichten getroffen werden können. Die Erfolgsaussichten sind - unabhängig von den weiteren Ermittlungen des SG - bereits zu diesem Zeitpunkt negativ einzuschätzen gewesen, so dass im Ergebnis das SG letztlich zu Recht die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren abgelehnt hat. Denn bereits auf der Grundlage dieser dort getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass die Klägerin zwar mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten nicht mehr vollschichtig ausüben kann, wohl aber noch leichte körperliche Arbeiten in Wechselhaltung, wie von Dr. S.im einzelnen festgestellt.

Dabei ergibt sich aus den schriftlichen Aussagen von Dr. G. und Dr. T. keine wesentliche Änderung der Frage der Erfolgsaussichten zugunsten der Klägerin. Der Orthopäde Dr. T.hat nach zweimaliger Untersuchung der Klägerin deren Leistungsvermögen ähnlich eingeschätzt wie Dr. S.nach ausführlicher ambulanter gutachterlicher Untersuchung. Dr. G. weicht zwar, wie er nach Beschlussfassung durch das SG klargestellt hat, von der zeitlichen Einschätzung des Leistungsvermögens durch Dr. S. ab, hat aber weder neue bislang unberücksichtigte Befunde genannt noch seine Abweichung schlüssig zu begründen vermocht. Vielmehr hat er in seiner Auskunft vom 03.04.2010 lediglich die seit längerem bestehenden und gutachterlich bereits berücksichtigten Gesundheitsstörungen der Klägerin mitgeteilt.

Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§§ 73 a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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