Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 2656/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 2727/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1956 geborene Klägerin ist italienische Staatsangehörige; sie zog am 1. Januar 1972 in die Bundesrepublik Deutschland zu. Sie verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung und war nach verschiedenen Tätigkeiten als ungelernte Arbeiterin zuletzt bis Oktober 2000 als Küchenhilfe versicherungspflichtig beschäftigt. Nachdem die Klägerin an einem simultanen Mamma-Karzinom beidseits erkrankt war, stellte sie am 12. September 2001 erstmals einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit, der mit Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 2002 abgelehnt wurde. Den hiergegen seitens der Klägerin erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2002 zurück. Ein zweiter Rentenantrag vom 2. März 2004 blieb ebenfalls erfolglos (Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2004).
Am 9. April 2008 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen weiteren Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ die Klägerin daraufhin von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Kl. und von dem Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. Go. begutachten. Ersterer führte in seinem Gutachten vom 23. Juni 2008 aus, die Hauptbeschwerden der Klägerin lägen auf orthopädischem Fachgebiet; hinsichtlich der Leistungsbeurteilung müsse deshalb auf das orthopädische Gutachten verwiesen werden. Dr. Go. hat in seinem Gutachten vom 26 Juni 2008 mäßiggradige degenerative Wirbelsäulenveränderungen, eine degenerativ bedingte Spinalkanalstenose vorwiegend auf Höhe L 4/5, geringer auch bei L 3/4, und breitbasige Bandscheibenvorfälle Th 12/L 1 rechtsbetont, L 3/4 und 4/5 ohne belangvolle Wurzelreizsymptomatik diagnostiziert. Die Klägerin leide ferner unter einer Funktionseinschränkung in beiden Schultergelenken nach BET und Axilladissektion beidseits bei Mamma-Karzinom 9/2000, an einer Anpassungsstörung, einer depressiven Störung mit Somatisierungsstörung, an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus, an Bluthochdruck, Hyperthyreose und einer beginnenden Gonarthrose beidseits. Als Nebendiagnosen hat Dr. Go. ein Schlaf-Apnoe-Syndrom, eine kleine Hiatushernie, eine Innenohrschwerhörigkeit mit Tinnitus und eine inhalative Allergie gegenüber Baum- und Gräserpollen sowie Staubmilben erhoben. Trotz dieser Erkrankungen könne die Klägerin allerdings noch leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig ausführen. Mit Bescheid vom 21. Juli 2008 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin unter Vorlage ärztlicher Bescheinigungen ihrer behandelnden Fachärzte (Bl. 8 und 9 der Verwaltungsakte für das Widerspruchsverfahren) am 19. Augsut 2008 Widerspruch. Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Michalus vom 16. Oktober 2008 (Bl. 11 der Verwaltungsakte für das Widerspruchsverfahren) wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2009 zurück.
Mit ihrer am 17. April 2009 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Entgegen der Annahme der Beklagten sei sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes einer Tätigkeit in mindestens sechsstündigem Umfang nachzugehen. Das SG hat zunächst schriftliche sachverständige Zeugenaussagen der Ärztin für Anästhesie Dr. Ste., der Frauenärztin Dr. Ki.-K., des Neurologen Dr. Got. und des Facharztes für Orthopädie, Unfallchirurgie, Handchirurgie und Sportmedizin Dr. Seiz eingeholt. Dr. Ste. hat in ihrer Aussage vom 24. Juli 2009 ausgeführt, sie schließe sich der Beurteilung in den seitens der Beklagten im Verlauf des Verwaltungsverfahrens eingeholten Gutachten sowohl in diagnostischer als auch in sozialmedizinsicher Hinsicht an. Dr. Ki.-K. hat der Klägerin demgegenüber nur noch ein vier bis fünfstündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes attestiert (Aussage vom 28. Juli 2009). Dr. Got. hat die Klägerin wiederum für fähig gehalten, leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten und die Einschätzung in den Verwaltungsgutachten damit bestätigt. Letztlich hat Dr. Se. in seiner Aussage vom 30. September 2009 die Auffassung vertreten, die Klägerin könne sogar eine Tätigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf als Kantinenhilfe zwar nicht mehr vollschichtig aber doch bis zu sechsstündig verrichten. In der Folge hat das SG den Facharzt für Orthopädie und Sportmedizin Dr. Ab. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens über die Klägerin beauftragt. Dr. Ab. hat in seinem Gutachten vom 19. Februar 2010 ausgeführt, die Klägerin leide unter einer Fibromyalgieerkrankung, unter einem Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäulensyndrom ohne neurologische Ausfälle, unter einer Retropatellararthrose beidseits, unter einer beginnenden Arthrose beider Hüftgelenke mit leichter Einschränkung der Innenrotation, unter einem chronischen Impingementsyndrom beider Schultergelenke und unter einer beginnenden Herberden-, Bouchard- und Rhizarthrose beider Hände. Die festgestellten Gesundheitsstörungen bedingten allerdings nur qualitative Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens; leichte Arbeiten könne die Klägerin noch mindestens sechsstündig verrichten. Mit Gerichtsbescheid vom 27. Mai 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne zur Überzeugung der Kammer leichte Tätigkeiten noch mindestens sechsstündig ausüben. Damit sei sie weder teilweise noch voll erwerbsgemindert.
Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 1. Juni 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 9. Juni 2010 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Entgegen den Ausführungen des SG erfülle sie die Anspruchsvoraussetzungen der begehrten Erwerbsminderungsrente. Insbesondere ihre Fibromyalgieerkrankung sei bislang nicht ausreichend gewürdigt worden. Sie leide an sie täglich begleitenden schwerwiegenden Schmerzen, die zu einer stets gedrückten Stimmungslage, erheblichen Depressionen und einem verminderten Antrieb führten.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Mai 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 21. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2009 zu verurteilen, ihr ab 1. April 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und den Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.
Der Senat hat den Facharzt für Innere Medizin/Rheumatologie Dr. Ma., den Internisten Dr. Sue. und den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Ma. zu Sachverständigen ernannt und diese jeweils mit der Erstattung eines Gutachtens über die Klägerin beauftragt. In seinem Gutachten vom 5. August 2010 hat Dr. Ma. dargelegt, wenn man die einzelnen Erkrankungen der Klägerin isoliert betrachte, sei diese sehr wohl noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und länger zu verrichten. Zu einem anderen Ergebnis komme man allerdings, wenn man die Gesamtheit der Leiden berücksichtige. So mache z. B. das bei der Klägerin zu diagnostizierende Schmerzsyndrom mehrere Arztbesuche und entsprechende Behandlungen pro Woche erforderlich. Allein aus diesem Grund könne die Klägerin nicht mehr vollschichtig arbeiten. Dr. Sue. hat in seinem Gutachten vom 8. Januar 2011 demgegenüber die Auffassung vertreten, die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Arbeiten sechsstündig zu verrichten. Nervenarzt Ma. hat bei der Klägerin eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (Fibromyalgiesyndrom), eine Anpassungsstörung mit rezidivierenden depressiven Verstimmungen, aktuell in weitgehender Remmission, und eine leichte oder beginnende diabetische Polyneuropathie diagnostiziert (Gutachten vom 11. März 2011). Trotz dieser Erkrankungen könne die Klägerin ohne unmittelbare Gefährdung ihrer Gesundheit leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche ausüben. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich; es bestehe auch keine Einschränkung der Fähigkeit, einen Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Hinsichtlich der Angaben der Klägerin zu (angeblich) vorhandenen kognitiven Störungen liege zumindest teilweise eine bewusste Simulation vor. Aus diesem Grund sei auch der Beurteilung von Dr. Ma. in dessen Sachverständigengutachten nicht zuzustimmen, da Dr. Ma. eine für das beruflichen Leistungsvermögen relevante Einschränkung geistiger Fähigkeiten wie der Konzentrations- und Merkfähigkeit zu Unrecht angenommen habe.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (23 091256 F 510), die Klageakten des SG (S 3 R 2656/09) und die Berufungsakten des Senats (L 13 R 2727/10) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig, sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-2600 § 44 Nr. 7) ist der den Rentenantrag der Klägerin vom 9. April 2008 ablehnende Bescheid vom 21. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2009. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.
Durch das am 1. Januar 2001 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827 ff.) hat der Gesetzgeber das Recht der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit grundlegend neu geordnet. Kernstück der Neuregelung ist die Abschaffung der bisherigen Berufsunfähigkeitsrente für nach dem 1. Januar 1961 geborene Versicherte und die Einführung einer zweistufigen Erwerbsminderungsrente mit einer vollen Erwerbsminderungsrente bei einem Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von unter drei Stunden und einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei einem Restleistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden. Berufsunfähige Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, können nun gemäß § 240 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit beanspruchen.
Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzen fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).
Die Klägerin ist auch zur vollen Überzeugung des Senats noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Sie ist damit weder erwerbsgemindert, noch berufsunfähig und hat deshalb keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung.
Dass bei der Klägerin eine quantitative Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens auf ein unter sechsstündiges Maß nicht gegeben ist, hat das SG in nicht zu beanstandender Würdigung der umfassend erhobenen Beweise zutreffend insbesondere aus den Aussagen der sachverständigen Zeugen Dr. Ste., Dr. Got. und Dr. Seiz sowie dem Sachverständigengutachten von Dr. Ab. geschlussfolgert. Der Senat schließt sich deshalb, nachdem die Einschätzung des SG auch mit den Beurteilungen in den im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Gutachten von Dr. Kl. und Dr. Go. übereinstimmt, zunächst den Entscheidungsgründen des mit der Berufung angefochtenen Gerichtsbescheids vom 27. Mai 2010, insbesondere der dort vorgenommenen Beweiswürdigung an, macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Vorbringen der Klägerin zur Begründung der Berufung und die im Verlauf des Berufungsverfahrens durchgeführte Beweisaufnahme rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Durch die vom Senat in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten von Internist Dr. Sue. und Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin Ma. ist die Richtigkeit der vom SG vorgenommenen Beweiswürdigung bestätigt worden. Beide haben der Klägerin noch ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes attestiert. Lediglich der Internist und Rheumatologe Dr. Ma. hat bei der Klägerin - unter zusammenfassender Würdigung der Befunde sämtlicher medizinischer Fachgebiete - ein auch quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen angenommen; dessen Beurteilung überzeugt jedoch nicht. Zur Begründung seiner Einschätzung hat Dr. Ma. ausgeführt, die internistischen Erkrankungen und die Schmerzerkrankung bedingten eine erhebliche Einschränkung der seelischen und geistigen Belastbarkeit sowie eine deutliche Minderung der geistigen Fähigkeiten wie vor allem Konzentrationsfähigkeit, Merkfähigkeit und Gedächtnisleistung. Dies ergebe sich allgemein aus Grundlagenuntersuchungen und sei auch im Fall der Klägerin individuell in der Begutachtungssituation nachvollziehbar gewesen. So hätte die Klägerin die Fragebögen nur mit Hilfe des Gutachters ausfüllen können. Insoweit hat Nervenarzt Ma. in seinem Gutachten vom 11. März 2011 allerdings zu Recht eingewandt, dass Dr. Ma. seine Annahmen allein mit der subjektiven Beschwerdeschilderung durch die Klägerin belegen konnte. Entsprechende testpsychologische Untersuchungen hat Dr. Ma., anders als Nervenarzt Ma., hingegen nicht durchgeführt. Letzterer hat aber gerade durch die von ihm durchgeführten Testungen, auch für den Senat überzeugend, nachgewiesen, dass die Klägerin die behaupteten kognitiven Defizite jedenfalls teilweise bewusst simuliert. Bei dieser Sachlage vermögen die von Dr. Ma. aus den (tatsächlich zumindest zum Teil gar nicht vorhandenen) Einschränkungen der geistigen Fähigkeiten gezogenen Schlussfolgerungen im Hinblick auf die berufliche Leistungsfähigkeit der Klägerin insgesamt nicht zu überzeugen.
Auch der Ausnahmefall einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung (vgl. hierzu etwa BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117; auch Großer Senat BSGE 80, 24, 33 ff.) ist nicht gegeben. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 110). Einschränkungen, die eine solche Annahme rechtfertigen könnten, liegen bei der Klägerin nicht vor. In qualitativer Hinsicht können dieser, wie Dr. Sue. und Nervenarzt Ma. in ihren Gutachten vom 8. Januar 2011 bzw. vom 11. März 2011 - auch insoweit überzeugend - ausgeführt haben, schwere Arbeiten, Wechselschichten, die Beförderung von Personen oder gefährlichen Gütern, Arbeiten mit Waffengebrauch, Überwachungsfunktionen mit alleiniger Verantwortung für das Leben anderer, Arbeiten mit Absturzgefahr und Arbeiten an gefährlichen Maschinen nicht mehr zugemutet werden. Diese muss ferner Überkopfarbeiten, Arbeiten in Schulterhöhe, Tätigkeiten in häufiger vornüber geneigter Haltung, Arbeiten in Kälte oder Nässe und Akkordarbeit vermeiden. Diese Einschränkungen können zwar das Spektrum der für die Klägerin in Betracht kommenden Tätigkeiten einschränken, sie begründen aber keine Zweifel an der normalen betrieblichen Einsatzfähigkeit für leichtere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.
Letztlich liegen auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 Abs. 1 SGB VI nicht vor; die Klägerin ist nicht berufsunfähig. Ausgangspunkt der Prüfung ist auch hier entsprechend der zu § 43 SGB VI a. F. entwickelten Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 107 und 169). Dabei ist unter dem bisherigen Beruf in der Regel die letzte nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit jedenfalls dann zu verstehen, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten war (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17). Kann der Versicherte diesen "bisherigen Beruf" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten, ist zu ermitteln, ob es zumindest eine Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar ist und die er gesundheitlich wie fachlich noch bewältigen kann. Das Bundessozialgericht hat zur Feststellung des qualitativen Wertes des bisherigen Berufes und damit zur Bestimmung zumutbarer Verweisungstätigkeiten (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 55; Niesel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 240 SGB VI Rdnr. 24 ff. m.w.N.) ein Mehrstufenschema entwickelt, das die Arbeiterberufe in Gruppen untergliedert. Diese werden durch die Leitberufe eines Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion (und diesem gleichgestellten besonders hoch qualifizierten Facharbeiters), eines Facharbeiters, der einen anerkannten Ausbildungsberuf mit einer anerkannten Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren, regelmäßig drei Jahren ausübt, eines angelernten Arbeiters, der einen Ausbildungsberuf mit einer vorgeschriebenen Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren ausübt, und eines ungelernten Arbeiters charakterisiert. Dabei wird die Gruppe der angelernten Arbeiter nochmals in die Untergruppen der "oberen Angelernten" (Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu 24 Monaten) und "unteren Angelernten" (Ausbildungs- oder Anlernzeit von mindestens drei bis zu zwölf Monaten) unterteilt. Kriterien für eine Einstufung in dieses Schema sind dabei die Ausbildung, die tarifliche Einstufung, die Dauer der Berufsausbildung, die Höhe der Entlohnung und insbesondere die qualitativen Anforderungen des Berufs. Eine Verweisung ist grundsätzlich nur auf eine Tätigkeit der jeweils niedrigeren Gruppe möglich. Ferner ist erforderlich, dass der Versicherte die für die Verweisungstätigkeit notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten innerhalb einer bis zu drei Monaten dauernden Einarbeitung und Einweisung erwerben kann (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 23).
Ausgehend von diesem Schema ist die Klägerin, die eine Berufsausbildung nicht absolviert hat und zuletzt versicherungspflichtig als Küchenhilfe gearbeitet hat, allenfalls der Gruppe der unteren Angelernten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von höchstens zwölf Monaten zuzuordnen. Sie kann dementsprechend auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, ohne dass es der Benennung einer konkreten Tätigkeit bedarf. Da sie jedenfalls noch im Stande ist, leichte körperliche Arbeiten sechs Stunden täglich auszuüben, kommt es nicht darauf an, ob gesundheitsbedingte Einschränkungen einer Wiederaufnahme der zuletzt verrichteten Tätigkeit entgegenstehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei war für den Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens ausschlaggebend, dass die Beklagte keinen berechtigten Anlass zur Klageerhebung gegeben hat und die Rechtsverfolgung insgesamt ohne Erfolg geblieben ist.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1956 geborene Klägerin ist italienische Staatsangehörige; sie zog am 1. Januar 1972 in die Bundesrepublik Deutschland zu. Sie verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung und war nach verschiedenen Tätigkeiten als ungelernte Arbeiterin zuletzt bis Oktober 2000 als Küchenhilfe versicherungspflichtig beschäftigt. Nachdem die Klägerin an einem simultanen Mamma-Karzinom beidseits erkrankt war, stellte sie am 12. September 2001 erstmals einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit, der mit Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 2002 abgelehnt wurde. Den hiergegen seitens der Klägerin erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2002 zurück. Ein zweiter Rentenantrag vom 2. März 2004 blieb ebenfalls erfolglos (Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2004).
Am 9. April 2008 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen weiteren Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ die Klägerin daraufhin von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Kl. und von dem Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. Go. begutachten. Ersterer führte in seinem Gutachten vom 23. Juni 2008 aus, die Hauptbeschwerden der Klägerin lägen auf orthopädischem Fachgebiet; hinsichtlich der Leistungsbeurteilung müsse deshalb auf das orthopädische Gutachten verwiesen werden. Dr. Go. hat in seinem Gutachten vom 26 Juni 2008 mäßiggradige degenerative Wirbelsäulenveränderungen, eine degenerativ bedingte Spinalkanalstenose vorwiegend auf Höhe L 4/5, geringer auch bei L 3/4, und breitbasige Bandscheibenvorfälle Th 12/L 1 rechtsbetont, L 3/4 und 4/5 ohne belangvolle Wurzelreizsymptomatik diagnostiziert. Die Klägerin leide ferner unter einer Funktionseinschränkung in beiden Schultergelenken nach BET und Axilladissektion beidseits bei Mamma-Karzinom 9/2000, an einer Anpassungsstörung, einer depressiven Störung mit Somatisierungsstörung, an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus, an Bluthochdruck, Hyperthyreose und einer beginnenden Gonarthrose beidseits. Als Nebendiagnosen hat Dr. Go. ein Schlaf-Apnoe-Syndrom, eine kleine Hiatushernie, eine Innenohrschwerhörigkeit mit Tinnitus und eine inhalative Allergie gegenüber Baum- und Gräserpollen sowie Staubmilben erhoben. Trotz dieser Erkrankungen könne die Klägerin allerdings noch leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig ausführen. Mit Bescheid vom 21. Juli 2008 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin unter Vorlage ärztlicher Bescheinigungen ihrer behandelnden Fachärzte (Bl. 8 und 9 der Verwaltungsakte für das Widerspruchsverfahren) am 19. Augsut 2008 Widerspruch. Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Michalus vom 16. Oktober 2008 (Bl. 11 der Verwaltungsakte für das Widerspruchsverfahren) wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2009 zurück.
Mit ihrer am 17. April 2009 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Entgegen der Annahme der Beklagten sei sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes einer Tätigkeit in mindestens sechsstündigem Umfang nachzugehen. Das SG hat zunächst schriftliche sachverständige Zeugenaussagen der Ärztin für Anästhesie Dr. Ste., der Frauenärztin Dr. Ki.-K., des Neurologen Dr. Got. und des Facharztes für Orthopädie, Unfallchirurgie, Handchirurgie und Sportmedizin Dr. Seiz eingeholt. Dr. Ste. hat in ihrer Aussage vom 24. Juli 2009 ausgeführt, sie schließe sich der Beurteilung in den seitens der Beklagten im Verlauf des Verwaltungsverfahrens eingeholten Gutachten sowohl in diagnostischer als auch in sozialmedizinsicher Hinsicht an. Dr. Ki.-K. hat der Klägerin demgegenüber nur noch ein vier bis fünfstündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes attestiert (Aussage vom 28. Juli 2009). Dr. Got. hat die Klägerin wiederum für fähig gehalten, leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten und die Einschätzung in den Verwaltungsgutachten damit bestätigt. Letztlich hat Dr. Se. in seiner Aussage vom 30. September 2009 die Auffassung vertreten, die Klägerin könne sogar eine Tätigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf als Kantinenhilfe zwar nicht mehr vollschichtig aber doch bis zu sechsstündig verrichten. In der Folge hat das SG den Facharzt für Orthopädie und Sportmedizin Dr. Ab. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens über die Klägerin beauftragt. Dr. Ab. hat in seinem Gutachten vom 19. Februar 2010 ausgeführt, die Klägerin leide unter einer Fibromyalgieerkrankung, unter einem Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäulensyndrom ohne neurologische Ausfälle, unter einer Retropatellararthrose beidseits, unter einer beginnenden Arthrose beider Hüftgelenke mit leichter Einschränkung der Innenrotation, unter einem chronischen Impingementsyndrom beider Schultergelenke und unter einer beginnenden Herberden-, Bouchard- und Rhizarthrose beider Hände. Die festgestellten Gesundheitsstörungen bedingten allerdings nur qualitative Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens; leichte Arbeiten könne die Klägerin noch mindestens sechsstündig verrichten. Mit Gerichtsbescheid vom 27. Mai 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne zur Überzeugung der Kammer leichte Tätigkeiten noch mindestens sechsstündig ausüben. Damit sei sie weder teilweise noch voll erwerbsgemindert.
Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 1. Juni 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 9. Juni 2010 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Entgegen den Ausführungen des SG erfülle sie die Anspruchsvoraussetzungen der begehrten Erwerbsminderungsrente. Insbesondere ihre Fibromyalgieerkrankung sei bislang nicht ausreichend gewürdigt worden. Sie leide an sie täglich begleitenden schwerwiegenden Schmerzen, die zu einer stets gedrückten Stimmungslage, erheblichen Depressionen und einem verminderten Antrieb führten.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Mai 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 21. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2009 zu verurteilen, ihr ab 1. April 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und den Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.
Der Senat hat den Facharzt für Innere Medizin/Rheumatologie Dr. Ma., den Internisten Dr. Sue. und den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Ma. zu Sachverständigen ernannt und diese jeweils mit der Erstattung eines Gutachtens über die Klägerin beauftragt. In seinem Gutachten vom 5. August 2010 hat Dr. Ma. dargelegt, wenn man die einzelnen Erkrankungen der Klägerin isoliert betrachte, sei diese sehr wohl noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und länger zu verrichten. Zu einem anderen Ergebnis komme man allerdings, wenn man die Gesamtheit der Leiden berücksichtige. So mache z. B. das bei der Klägerin zu diagnostizierende Schmerzsyndrom mehrere Arztbesuche und entsprechende Behandlungen pro Woche erforderlich. Allein aus diesem Grund könne die Klägerin nicht mehr vollschichtig arbeiten. Dr. Sue. hat in seinem Gutachten vom 8. Januar 2011 demgegenüber die Auffassung vertreten, die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Arbeiten sechsstündig zu verrichten. Nervenarzt Ma. hat bei der Klägerin eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (Fibromyalgiesyndrom), eine Anpassungsstörung mit rezidivierenden depressiven Verstimmungen, aktuell in weitgehender Remmission, und eine leichte oder beginnende diabetische Polyneuropathie diagnostiziert (Gutachten vom 11. März 2011). Trotz dieser Erkrankungen könne die Klägerin ohne unmittelbare Gefährdung ihrer Gesundheit leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche ausüben. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich; es bestehe auch keine Einschränkung der Fähigkeit, einen Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Hinsichtlich der Angaben der Klägerin zu (angeblich) vorhandenen kognitiven Störungen liege zumindest teilweise eine bewusste Simulation vor. Aus diesem Grund sei auch der Beurteilung von Dr. Ma. in dessen Sachverständigengutachten nicht zuzustimmen, da Dr. Ma. eine für das beruflichen Leistungsvermögen relevante Einschränkung geistiger Fähigkeiten wie der Konzentrations- und Merkfähigkeit zu Unrecht angenommen habe.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (23 091256 F 510), die Klageakten des SG (S 3 R 2656/09) und die Berufungsakten des Senats (L 13 R 2727/10) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig, sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-2600 § 44 Nr. 7) ist der den Rentenantrag der Klägerin vom 9. April 2008 ablehnende Bescheid vom 21. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2009. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.
Durch das am 1. Januar 2001 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827 ff.) hat der Gesetzgeber das Recht der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit grundlegend neu geordnet. Kernstück der Neuregelung ist die Abschaffung der bisherigen Berufsunfähigkeitsrente für nach dem 1. Januar 1961 geborene Versicherte und die Einführung einer zweistufigen Erwerbsminderungsrente mit einer vollen Erwerbsminderungsrente bei einem Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von unter drei Stunden und einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei einem Restleistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden. Berufsunfähige Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, können nun gemäß § 240 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit beanspruchen.
Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzen fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).
Die Klägerin ist auch zur vollen Überzeugung des Senats noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Sie ist damit weder erwerbsgemindert, noch berufsunfähig und hat deshalb keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung.
Dass bei der Klägerin eine quantitative Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens auf ein unter sechsstündiges Maß nicht gegeben ist, hat das SG in nicht zu beanstandender Würdigung der umfassend erhobenen Beweise zutreffend insbesondere aus den Aussagen der sachverständigen Zeugen Dr. Ste., Dr. Got. und Dr. Seiz sowie dem Sachverständigengutachten von Dr. Ab. geschlussfolgert. Der Senat schließt sich deshalb, nachdem die Einschätzung des SG auch mit den Beurteilungen in den im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Gutachten von Dr. Kl. und Dr. Go. übereinstimmt, zunächst den Entscheidungsgründen des mit der Berufung angefochtenen Gerichtsbescheids vom 27. Mai 2010, insbesondere der dort vorgenommenen Beweiswürdigung an, macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Vorbringen der Klägerin zur Begründung der Berufung und die im Verlauf des Berufungsverfahrens durchgeführte Beweisaufnahme rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Durch die vom Senat in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten von Internist Dr. Sue. und Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin Ma. ist die Richtigkeit der vom SG vorgenommenen Beweiswürdigung bestätigt worden. Beide haben der Klägerin noch ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes attestiert. Lediglich der Internist und Rheumatologe Dr. Ma. hat bei der Klägerin - unter zusammenfassender Würdigung der Befunde sämtlicher medizinischer Fachgebiete - ein auch quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen angenommen; dessen Beurteilung überzeugt jedoch nicht. Zur Begründung seiner Einschätzung hat Dr. Ma. ausgeführt, die internistischen Erkrankungen und die Schmerzerkrankung bedingten eine erhebliche Einschränkung der seelischen und geistigen Belastbarkeit sowie eine deutliche Minderung der geistigen Fähigkeiten wie vor allem Konzentrationsfähigkeit, Merkfähigkeit und Gedächtnisleistung. Dies ergebe sich allgemein aus Grundlagenuntersuchungen und sei auch im Fall der Klägerin individuell in der Begutachtungssituation nachvollziehbar gewesen. So hätte die Klägerin die Fragebögen nur mit Hilfe des Gutachters ausfüllen können. Insoweit hat Nervenarzt Ma. in seinem Gutachten vom 11. März 2011 allerdings zu Recht eingewandt, dass Dr. Ma. seine Annahmen allein mit der subjektiven Beschwerdeschilderung durch die Klägerin belegen konnte. Entsprechende testpsychologische Untersuchungen hat Dr. Ma., anders als Nervenarzt Ma., hingegen nicht durchgeführt. Letzterer hat aber gerade durch die von ihm durchgeführten Testungen, auch für den Senat überzeugend, nachgewiesen, dass die Klägerin die behaupteten kognitiven Defizite jedenfalls teilweise bewusst simuliert. Bei dieser Sachlage vermögen die von Dr. Ma. aus den (tatsächlich zumindest zum Teil gar nicht vorhandenen) Einschränkungen der geistigen Fähigkeiten gezogenen Schlussfolgerungen im Hinblick auf die berufliche Leistungsfähigkeit der Klägerin insgesamt nicht zu überzeugen.
Auch der Ausnahmefall einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung (vgl. hierzu etwa BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117; auch Großer Senat BSGE 80, 24, 33 ff.) ist nicht gegeben. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 110). Einschränkungen, die eine solche Annahme rechtfertigen könnten, liegen bei der Klägerin nicht vor. In qualitativer Hinsicht können dieser, wie Dr. Sue. und Nervenarzt Ma. in ihren Gutachten vom 8. Januar 2011 bzw. vom 11. März 2011 - auch insoweit überzeugend - ausgeführt haben, schwere Arbeiten, Wechselschichten, die Beförderung von Personen oder gefährlichen Gütern, Arbeiten mit Waffengebrauch, Überwachungsfunktionen mit alleiniger Verantwortung für das Leben anderer, Arbeiten mit Absturzgefahr und Arbeiten an gefährlichen Maschinen nicht mehr zugemutet werden. Diese muss ferner Überkopfarbeiten, Arbeiten in Schulterhöhe, Tätigkeiten in häufiger vornüber geneigter Haltung, Arbeiten in Kälte oder Nässe und Akkordarbeit vermeiden. Diese Einschränkungen können zwar das Spektrum der für die Klägerin in Betracht kommenden Tätigkeiten einschränken, sie begründen aber keine Zweifel an der normalen betrieblichen Einsatzfähigkeit für leichtere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.
Letztlich liegen auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 Abs. 1 SGB VI nicht vor; die Klägerin ist nicht berufsunfähig. Ausgangspunkt der Prüfung ist auch hier entsprechend der zu § 43 SGB VI a. F. entwickelten Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 107 und 169). Dabei ist unter dem bisherigen Beruf in der Regel die letzte nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit jedenfalls dann zu verstehen, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten war (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17). Kann der Versicherte diesen "bisherigen Beruf" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten, ist zu ermitteln, ob es zumindest eine Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar ist und die er gesundheitlich wie fachlich noch bewältigen kann. Das Bundessozialgericht hat zur Feststellung des qualitativen Wertes des bisherigen Berufes und damit zur Bestimmung zumutbarer Verweisungstätigkeiten (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 55; Niesel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 240 SGB VI Rdnr. 24 ff. m.w.N.) ein Mehrstufenschema entwickelt, das die Arbeiterberufe in Gruppen untergliedert. Diese werden durch die Leitberufe eines Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion (und diesem gleichgestellten besonders hoch qualifizierten Facharbeiters), eines Facharbeiters, der einen anerkannten Ausbildungsberuf mit einer anerkannten Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren, regelmäßig drei Jahren ausübt, eines angelernten Arbeiters, der einen Ausbildungsberuf mit einer vorgeschriebenen Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren ausübt, und eines ungelernten Arbeiters charakterisiert. Dabei wird die Gruppe der angelernten Arbeiter nochmals in die Untergruppen der "oberen Angelernten" (Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu 24 Monaten) und "unteren Angelernten" (Ausbildungs- oder Anlernzeit von mindestens drei bis zu zwölf Monaten) unterteilt. Kriterien für eine Einstufung in dieses Schema sind dabei die Ausbildung, die tarifliche Einstufung, die Dauer der Berufsausbildung, die Höhe der Entlohnung und insbesondere die qualitativen Anforderungen des Berufs. Eine Verweisung ist grundsätzlich nur auf eine Tätigkeit der jeweils niedrigeren Gruppe möglich. Ferner ist erforderlich, dass der Versicherte die für die Verweisungstätigkeit notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten innerhalb einer bis zu drei Monaten dauernden Einarbeitung und Einweisung erwerben kann (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 23).
Ausgehend von diesem Schema ist die Klägerin, die eine Berufsausbildung nicht absolviert hat und zuletzt versicherungspflichtig als Küchenhilfe gearbeitet hat, allenfalls der Gruppe der unteren Angelernten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von höchstens zwölf Monaten zuzuordnen. Sie kann dementsprechend auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, ohne dass es der Benennung einer konkreten Tätigkeit bedarf. Da sie jedenfalls noch im Stande ist, leichte körperliche Arbeiten sechs Stunden täglich auszuüben, kommt es nicht darauf an, ob gesundheitsbedingte Einschränkungen einer Wiederaufnahme der zuletzt verrichteten Tätigkeit entgegenstehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei war für den Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens ausschlaggebend, dass die Beklagte keinen berechtigten Anlass zur Klageerhebung gegeben hat und die Rechtsverfolgung insgesamt ohne Erfolg geblieben ist.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
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