Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AY 7116/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AY 3538/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer Norm.
L 7 AY 3538/11 B
S 11 AY 7116/10
Beschluss
Der 7. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart hat durch Beschluss vom 27.10.2011 für Recht erkannt:
L 7 AY 3538/11 B
S 11 AY 7116/10
Beschluss
Der 7. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart hat durch Beschluss vom 27.10.2011 für Recht erkannt:
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. Juli 2011 abgeändert. Der Klägerin wird für das Klageverfahren S 11 AY 7116/10 ab 16. November 2010 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt und Rechtsanwalt Jürgen B., Stuttgart, beigeordnet.
Gründe:
Die gemäß § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Klägerin ist nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft, weil die Beschwerdeausschlussgründe des § 172 Abs. 3 SGG, insbesondere Nr. 2 a.a.O., nicht eingreifen; das Sozialgericht Stuttgart (SG) hat die Ablehnung der Prozesskostenhilfe (PKH) nicht auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin, sondern allein auf die fehlende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung gestützt. Der Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG gilt nach der ständigen Senatsrechtsprechung nur für Entscheidungen über einen PKH-Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, nicht dagegen für solche in einem Klageverfahren (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 19. Januar 2011 - L 7 AS 4623/10 B - (juris)). Die sonach zulässige Beschwerde ist auch begründet. Die Klägerin hat für das Klageverfahren S 11 AY 7116/10 Anspruch auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung des von ihr benannten Rechtsanwalts ab 16. November 2010.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit. Dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (ständige Rechtsprechung des Senats unter Verweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) BVerfGE 81, 347). Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Ausgang des Klageverfahrens als offen zu bezeichnen ist. Dies gilt namentlich dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang höchstrichterlich nicht geklärten Rechtsfrage abhängt oder ein verfassungsrechtlich begründeter Anspruch nicht auszuschließen ist (vgl. BVerfG NJW 1997, 2102; NJW 2004, 1789; Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-1500 § 62 Nr. 9; Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Auflage, § 73a Rdnr. 7b), ferner wenn eine weitere Sachaufklärung, insbesondere durch Beweisaufnahme, ernsthaft in Betracht kommt (vgl. BVerfG NZS 2002, 420; info also 2006, 279). Keinesfalls darf die Prüfung der Erfolgsaussichten dazu führen, die Rechtsverfolgung in das summarische Verfahren der PKH zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. BVerfGE 81, 347, 357).
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage zu bejahen. Im Klageverfahren S 11 AY 7116/10 stellen sich schwierige Fragen im rechtlichen und tatsächlichen Bereich, die nicht von vornherein klar zu beantworten sind.
Das SG dürfte zunächst dem streitbefangenen Zeitraum näher nachzugehen und insoweit ferner nachzuprüfen haben, welche Verwaltungsentscheidungen im Klageverfahren angefochten sind. In der Klageschrift ausdrücklich genannt sind der Bescheid vom 19. April 2010 und der Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2010. Mit dem Bescheid vom 19. April 2010 dürfte die Beklagte - aus der Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers (vgl. hierzu etwa BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr. 2 (jeweils Rdnr. 11)) - lediglich über Leistungen für den Monat Mai 2010 entschieden haben; für die folgenden Monate dürften, soweit nach Aktenlage erkennbar, lediglich konkludente Bewilligungen durch Überweisung des Leistungsbetrags erfolgt sein (§ 33 Abs. 2 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch; vgl. hierzu BSGE 101, 49 (Rdnr. 13)). Soweit seitens der Beklagten, wovon der Senat derzeit ausgeht, bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2010 konkludente Bewilligungsentscheidungen getroffen worden sein sollten, wären diese, obwohl sie Folgezeiträume betreffen, über eine analoge Anwendung des § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8 AY 11/07 R - (juris; Rdnrn.10 f.)).
Gegenwärtig spricht sonach einiges dafür, dass streitgegenständlich im Klageverfahren nur der Zeitraum vom 1. Mai 2010 bis zum Ergehen des Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2010 ist. Soweit die Klägerin mit den Leistungsbewilligungen für Zeiträume ab dem letztgenannten Datum nicht einverstanden sein sollte, dürfte, sollten die Verwaltungsentscheidungen auch in dieser Zeit nur konkludent erfolgt sein, mangels Rechtsbehelfsbelehrung (§ 84 Abs. 2 Satz 3 SGG i.V.m. § 66 SGG) die Widerspruchsfrist noch nicht verstrichen und noch zum jetzigen Zeitpunkt die Einlegung eines Widerspruchs zulässig sein, sofern nicht bereits in einer früheren Antragstellung der Klägerin ein entsprechender Rechtsbehelf gesehen werden könnte (vgl. hierzu BSG SozR 4-3520 § 9 Nr. 1 (Rdnr. 11)).
Die Klägerin - irakische Staatsangehörige - hat ihr Begehren, das der Sache nach auf höhere als die von der Beklagten bereits zugestandenen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) gerichtet ist (vgl. BSGE 101, 49 (Rdnr. 14)), zum einen damit begründet, dass ihr Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG zustünden, zum anderen sinngemäß damit, dass die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG zu niedrig seien, weil es der Verordnungsgeber seit Inkrafttreten des Gesetzes entgegen seiner Überprüfungspflicht nach Abs. 3 a.a.O. unterlassen habe, die Bedarfssätze anzupassen, und dieser Zustand verfassungswidrig sei.
Ob der am 25. Mai 2009 geborenen Klägerin, deren Eltern - soweit ersichtlich - im Besitze (jeweils befristeter) ausländerrechtlicher Duldungen sind und die deshalb zu dem nach dem AsylbLG leistungsberechtigten Personenkreis gehört (vgl. § 1 Nr. 6 AsylbLG), höhere Leistungen nach diesem Gesetz zustehen, vermag der Senat im Rahmen der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht abschließend zu beantworten. Allerdings ist höchstrichterlich bereits geklärt, dass Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG (in der ab 28. August 2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970)) erst nach einer Vorbezugszeit von 48 Monaten beansprucht werden können und auf diese tatbestandliche Voraussetzung auch bei minderjährigen in Haushaltsgemeinschaft mit den Eltern lebenden Kindern nicht verzichtet werden kann (vgl. BSGE 101, 49 (Rdnrn. 19, 25)). Diese Regelung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Oktober 2010 - 1 BvR 2037/10 - (nicht veröffentlicht); ferner BSGE 101, 49). Zutreffend hat das SG ferner unter Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. BSG SozR 4-4200 § 7 Nr. 14 (Rdnr. 19)) darauf hingewiesen, dass weder das Zweite Buch Sozialgesetzbuch noch das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch oder das AsylbLG einen Anspruch aller Familienangehörigen auf Gewährung familieneinheitlicher existenzsichernder Leistungen normieren.
Entgegen der Auffassung des SG ist eine Erfolgsaussicht der Klage im Verfahren S 11 AY 7116/10 indessen bereits mit Blick auf die von der Klägerin geltend gemachte Verletzung des Grundrechts auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG) durch die Regelungen in § 3 Abs. 2 AsylbLG gegeben. Die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG stand und steht nicht erst seit dem Urteil des BVerfG vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09; 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - (BVerfGE 125, 175) zur Diskussion (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 30. April 2010 - L 7 AY 3482/09 B - InfAuslR 2010, 307 = info also 2010, 180 m. Anm. Armborst/Berlit (jeweils m.w.N.)). Hinsichtlich der Vereinbarkeit von § 3 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 bis 3, Satz 3 AsylbLG mit dem GG sind beim BVerfG mittlerweile auch zwei Normenkontrollverfahren (1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11) aufgrund von Vorlagebeschlüssen des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 26. Juli 2010 (L 20 AY 13/09) und vom 22. November 2010 (L 20 AY 1/09) anhängig. Dass die Festsetzung der Leistungssätze im AsylbLG den Anforderungen im Urteil des BVerfG vom 9. Februar 2010 nicht genügt, dürfte im Übrigen auch die Bundesregierung erkannt haben (vgl. nur die schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für Arbeit und Soziales Fuchtel vom 8. Juli 2011 auf eine schriftliche Anfrage der Abgeordneten Jelpke (BT-Drucksache 17/6589 Nr. 35 vom 15. Juli 2011)). Soweit das SG ausführt, dass die Gerichte nicht befugt sind, selbst normsetzend tätig zu werden, trifft dies zwar zu (vgl. auch Senatsbeschluss vom 27. Oktober 2011 - L 7 AY 3998/11 ER-B -). Denn die Konkretisierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist ausschließlich dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten, dem es grundsätzlich überlassen bleibt, wie er den Umfang der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums durch Geld-, Sach- und Dienstleistungen sichert (vgl. BVerfGE 125, 175 (Rdnr. 138); BVerfG, Beschluss vom 30. Oktober 2010 a.a.O.). Damit kann eine fehlende Erfolgsaussicht im vorliegenden summarischen Verfahren über die Bewilligung von PKH jedoch nicht begründet werden. Eine Entscheidung des BVerfG in den vorgenannten Normenkontrollverfahren steht nämlich noch aus. Deshalb kann auch nicht abgeschätzt werden, welche Regelungen das BVerfG im Fall einer Unvereinbarerklärung der Norm des § 3 Abs. 2 AsylbLG mit dem GG treffen würde. Die Klägerin liefe andererseits Gefahr, dass der Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2010 bestandskräftig würde, wenn sie von ihrer Klage Abstand nähme; dies kann ihr beim gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht zugemutet werden (vgl. hierzu auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21. Februar 2011 - L 8 AY 126/10 B - (juris)).
Schon in Anbetracht der oben dargelegten Umstände bejaht der Senat eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung der Klägerin im Klageverfahren S 11 AY 7116/10; diese ist ferner nicht mutwillig. Im Rahmen der Fortführung des Klageverfahrens dürfte freilich zunächst zu überprüfen sein, ob die Klägerin in der streitbefangenen Zeit sämtliche der - auf den Regelfall abstellenden - Leistungen nach § 3 Abs. 1 und 2 AsylbLG erhalten hat; darüber hinaus dürfte ggf. auch die Auffangvorschrift des § 6 AsylbLG in den Blick zu nehmen sein. Sollte sich dennoch - was mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Bedenken bezüglich der Höhe der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG naheliegen könnte - eine Bedarfslücke ergeben, könnte sich ein Ruhen des Verfahrens bis zum Abschluss der noch ausstehenden Entscheidungen des BVerfG in den oben bezeichneten Normenkontrollverfahren anbieten.
Auch die übrigen Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH liegen vor. Die nach § 115 ZPO erforderliche Bedürftigkeit der Klägerin, die auf Leistungen nach dem AsylbLG angewiesen ist, ist gegeben. Die aufgezeigten Rechtsfragen sowie der Sachaufklärungsbedarf bedingen auch, dass die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich ist (vgl. auch BVerfG NZS 2002, 420). Da die Klägerin ihr Gesuch am 16. November 2010 durch die Vorlage der PKH-Erklärung nebst Bescheinigung über den Leistungsbezug nach dem AsylbLG ordnungsgemäß begründet hat, war die PKH ab diesem Tag zu bewilligen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die gemäß § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Klägerin ist nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft, weil die Beschwerdeausschlussgründe des § 172 Abs. 3 SGG, insbesondere Nr. 2 a.a.O., nicht eingreifen; das Sozialgericht Stuttgart (SG) hat die Ablehnung der Prozesskostenhilfe (PKH) nicht auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin, sondern allein auf die fehlende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung gestützt. Der Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG gilt nach der ständigen Senatsrechtsprechung nur für Entscheidungen über einen PKH-Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, nicht dagegen für solche in einem Klageverfahren (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 19. Januar 2011 - L 7 AS 4623/10 B - (juris)). Die sonach zulässige Beschwerde ist auch begründet. Die Klägerin hat für das Klageverfahren S 11 AY 7116/10 Anspruch auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung des von ihr benannten Rechtsanwalts ab 16. November 2010.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit. Dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (ständige Rechtsprechung des Senats unter Verweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) BVerfGE 81, 347). Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Ausgang des Klageverfahrens als offen zu bezeichnen ist. Dies gilt namentlich dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang höchstrichterlich nicht geklärten Rechtsfrage abhängt oder ein verfassungsrechtlich begründeter Anspruch nicht auszuschließen ist (vgl. BVerfG NJW 1997, 2102; NJW 2004, 1789; Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-1500 § 62 Nr. 9; Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Auflage, § 73a Rdnr. 7b), ferner wenn eine weitere Sachaufklärung, insbesondere durch Beweisaufnahme, ernsthaft in Betracht kommt (vgl. BVerfG NZS 2002, 420; info also 2006, 279). Keinesfalls darf die Prüfung der Erfolgsaussichten dazu führen, die Rechtsverfolgung in das summarische Verfahren der PKH zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. BVerfGE 81, 347, 357).
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage zu bejahen. Im Klageverfahren S 11 AY 7116/10 stellen sich schwierige Fragen im rechtlichen und tatsächlichen Bereich, die nicht von vornherein klar zu beantworten sind.
Das SG dürfte zunächst dem streitbefangenen Zeitraum näher nachzugehen und insoweit ferner nachzuprüfen haben, welche Verwaltungsentscheidungen im Klageverfahren angefochten sind. In der Klageschrift ausdrücklich genannt sind der Bescheid vom 19. April 2010 und der Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2010. Mit dem Bescheid vom 19. April 2010 dürfte die Beklagte - aus der Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers (vgl. hierzu etwa BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr. 2 (jeweils Rdnr. 11)) - lediglich über Leistungen für den Monat Mai 2010 entschieden haben; für die folgenden Monate dürften, soweit nach Aktenlage erkennbar, lediglich konkludente Bewilligungen durch Überweisung des Leistungsbetrags erfolgt sein (§ 33 Abs. 2 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch; vgl. hierzu BSGE 101, 49 (Rdnr. 13)). Soweit seitens der Beklagten, wovon der Senat derzeit ausgeht, bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2010 konkludente Bewilligungsentscheidungen getroffen worden sein sollten, wären diese, obwohl sie Folgezeiträume betreffen, über eine analoge Anwendung des § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8 AY 11/07 R - (juris; Rdnrn.10 f.)).
Gegenwärtig spricht sonach einiges dafür, dass streitgegenständlich im Klageverfahren nur der Zeitraum vom 1. Mai 2010 bis zum Ergehen des Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2010 ist. Soweit die Klägerin mit den Leistungsbewilligungen für Zeiträume ab dem letztgenannten Datum nicht einverstanden sein sollte, dürfte, sollten die Verwaltungsentscheidungen auch in dieser Zeit nur konkludent erfolgt sein, mangels Rechtsbehelfsbelehrung (§ 84 Abs. 2 Satz 3 SGG i.V.m. § 66 SGG) die Widerspruchsfrist noch nicht verstrichen und noch zum jetzigen Zeitpunkt die Einlegung eines Widerspruchs zulässig sein, sofern nicht bereits in einer früheren Antragstellung der Klägerin ein entsprechender Rechtsbehelf gesehen werden könnte (vgl. hierzu BSG SozR 4-3520 § 9 Nr. 1 (Rdnr. 11)).
Die Klägerin - irakische Staatsangehörige - hat ihr Begehren, das der Sache nach auf höhere als die von der Beklagten bereits zugestandenen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) gerichtet ist (vgl. BSGE 101, 49 (Rdnr. 14)), zum einen damit begründet, dass ihr Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG zustünden, zum anderen sinngemäß damit, dass die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG zu niedrig seien, weil es der Verordnungsgeber seit Inkrafttreten des Gesetzes entgegen seiner Überprüfungspflicht nach Abs. 3 a.a.O. unterlassen habe, die Bedarfssätze anzupassen, und dieser Zustand verfassungswidrig sei.
Ob der am 25. Mai 2009 geborenen Klägerin, deren Eltern - soweit ersichtlich - im Besitze (jeweils befristeter) ausländerrechtlicher Duldungen sind und die deshalb zu dem nach dem AsylbLG leistungsberechtigten Personenkreis gehört (vgl. § 1 Nr. 6 AsylbLG), höhere Leistungen nach diesem Gesetz zustehen, vermag der Senat im Rahmen der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht abschließend zu beantworten. Allerdings ist höchstrichterlich bereits geklärt, dass Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG (in der ab 28. August 2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970)) erst nach einer Vorbezugszeit von 48 Monaten beansprucht werden können und auf diese tatbestandliche Voraussetzung auch bei minderjährigen in Haushaltsgemeinschaft mit den Eltern lebenden Kindern nicht verzichtet werden kann (vgl. BSGE 101, 49 (Rdnrn. 19, 25)). Diese Regelung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Oktober 2010 - 1 BvR 2037/10 - (nicht veröffentlicht); ferner BSGE 101, 49). Zutreffend hat das SG ferner unter Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. BSG SozR 4-4200 § 7 Nr. 14 (Rdnr. 19)) darauf hingewiesen, dass weder das Zweite Buch Sozialgesetzbuch noch das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch oder das AsylbLG einen Anspruch aller Familienangehörigen auf Gewährung familieneinheitlicher existenzsichernder Leistungen normieren.
Entgegen der Auffassung des SG ist eine Erfolgsaussicht der Klage im Verfahren S 11 AY 7116/10 indessen bereits mit Blick auf die von der Klägerin geltend gemachte Verletzung des Grundrechts auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG) durch die Regelungen in § 3 Abs. 2 AsylbLG gegeben. Die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG stand und steht nicht erst seit dem Urteil des BVerfG vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09; 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - (BVerfGE 125, 175) zur Diskussion (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 30. April 2010 - L 7 AY 3482/09 B - InfAuslR 2010, 307 = info also 2010, 180 m. Anm. Armborst/Berlit (jeweils m.w.N.)). Hinsichtlich der Vereinbarkeit von § 3 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 bis 3, Satz 3 AsylbLG mit dem GG sind beim BVerfG mittlerweile auch zwei Normenkontrollverfahren (1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11) aufgrund von Vorlagebeschlüssen des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 26. Juli 2010 (L 20 AY 13/09) und vom 22. November 2010 (L 20 AY 1/09) anhängig. Dass die Festsetzung der Leistungssätze im AsylbLG den Anforderungen im Urteil des BVerfG vom 9. Februar 2010 nicht genügt, dürfte im Übrigen auch die Bundesregierung erkannt haben (vgl. nur die schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für Arbeit und Soziales Fuchtel vom 8. Juli 2011 auf eine schriftliche Anfrage der Abgeordneten Jelpke (BT-Drucksache 17/6589 Nr. 35 vom 15. Juli 2011)). Soweit das SG ausführt, dass die Gerichte nicht befugt sind, selbst normsetzend tätig zu werden, trifft dies zwar zu (vgl. auch Senatsbeschluss vom 27. Oktober 2011 - L 7 AY 3998/11 ER-B -). Denn die Konkretisierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist ausschließlich dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten, dem es grundsätzlich überlassen bleibt, wie er den Umfang der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums durch Geld-, Sach- und Dienstleistungen sichert (vgl. BVerfGE 125, 175 (Rdnr. 138); BVerfG, Beschluss vom 30. Oktober 2010 a.a.O.). Damit kann eine fehlende Erfolgsaussicht im vorliegenden summarischen Verfahren über die Bewilligung von PKH jedoch nicht begründet werden. Eine Entscheidung des BVerfG in den vorgenannten Normenkontrollverfahren steht nämlich noch aus. Deshalb kann auch nicht abgeschätzt werden, welche Regelungen das BVerfG im Fall einer Unvereinbarerklärung der Norm des § 3 Abs. 2 AsylbLG mit dem GG treffen würde. Die Klägerin liefe andererseits Gefahr, dass der Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2010 bestandskräftig würde, wenn sie von ihrer Klage Abstand nähme; dies kann ihr beim gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht zugemutet werden (vgl. hierzu auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21. Februar 2011 - L 8 AY 126/10 B - (juris)).
Schon in Anbetracht der oben dargelegten Umstände bejaht der Senat eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung der Klägerin im Klageverfahren S 11 AY 7116/10; diese ist ferner nicht mutwillig. Im Rahmen der Fortführung des Klageverfahrens dürfte freilich zunächst zu überprüfen sein, ob die Klägerin in der streitbefangenen Zeit sämtliche der - auf den Regelfall abstellenden - Leistungen nach § 3 Abs. 1 und 2 AsylbLG erhalten hat; darüber hinaus dürfte ggf. auch die Auffangvorschrift des § 6 AsylbLG in den Blick zu nehmen sein. Sollte sich dennoch - was mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Bedenken bezüglich der Höhe der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG naheliegen könnte - eine Bedarfslücke ergeben, könnte sich ein Ruhen des Verfahrens bis zum Abschluss der noch ausstehenden Entscheidungen des BVerfG in den oben bezeichneten Normenkontrollverfahren anbieten.
Auch die übrigen Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH liegen vor. Die nach § 115 ZPO erforderliche Bedürftigkeit der Klägerin, die auf Leistungen nach dem AsylbLG angewiesen ist, ist gegeben. Die aufgezeigten Rechtsfragen sowie der Sachaufklärungsbedarf bedingen auch, dass die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich ist (vgl. auch BVerfG NZS 2002, 420). Da die Klägerin ihr Gesuch am 16. November 2010 durch die Vorlage der PKH-Erklärung nebst Bescheinigung über den Leistungsbezug nach dem AsylbLG ordnungsgemäß begründet hat, war die PKH ab diesem Tag zu bewilligen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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