L 13 R 2303/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 2576/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 2303/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. Mai 2011 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1961 geborene Klägerin hat keine Berufsausbildung durchlaufen. Im Jahre 1990 ist sie aus Kasachstan nach Deutschland übergesiedelt. Danach war sie bis zuletzt als Küchenhilfe tätig.

Am 2. Dezember 2008 beantragte sie die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zu den Akten genommen wurden Arztbriefe der Dres. D. und H., Rheumatologische Schwerpunktpraxis W. vom 31. Januar 2008, der Fachärztin für Allgemeinmedizin K. vom 28. November 2008, der Orthopädin Dr. M.-R. vom 28. April 2008 und des Orthopäden Dr. K. vom 18. August 2008. Die Beklagte veranlasste die Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch den Internisten/Sozialmediziner Dr. St ... Dieser hielt die Klägerin für fähig, leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr auszuüben. Ausgeschlossen seien Arbeiten in Nachtschicht, Arbeiten, die mit schwerem Heben und Tragen sowie Arbeiten, bei denen die Klägerin fest und sicher zugreifen müsse. Ferner seien Tätigkeiten unter Kälte- und Nässeeinfluss nicht möglich. Die Tätigkeit einer Küchenhilfe könne die Klägerin nur noch unter dreistündig ausüben.

Mit Bescheid vom 20. Januar 2009 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag ab. Während des anschließenden Widerspruchsverfahrens absolvierte die Klägerin in der Zeit vom 17. Februar 2009 bis zum 10. März 2009 eine medizinische Maßnahme zur Rehabilitation in der Rehaklinik B. S ... Die dort behandelnden Ärzte entließen die Klägerin für die Tätigkeit als Küchenhilfe als arbeitsunfähig, die Klägerin sei jedoch in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Mit ihrer am 23. Juli 2009 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Entgegen der Annahme der Beklagten sei sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts einer Tätigkeit in mindestens sechsstündigem Umfang nachzugehen. Das SG hat zunächst schriftliche sachverständige Zeugenaussagen des Rheumatologen Dr. H., der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S., der Fachärztin für Allgemeinmedizin K. und der Orthopädin Dr. M.-R. eingeholt. Dr. H. hat in seiner Auskunft vom 4. Januar 2010 die Klägerin für fähig gehalten, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine leichte körperliche Tätigkeit für sechs Stunden täglich zu verrichten; sie werde dabei allerdings weiterhin erhebliche Schmerzen haben. Auch die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. hat unter dem 7. Januar 2010 mitgeteilt, die Klägerin sei in der Lage, leichte Tätigkeiten von sechs Stunden täglich und mehr zu verrichten. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin K. hat in ihrer Auskunft vom 11. Januar 2010 hingegen die Auffassung vertreten, die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, täglich sechsstündige leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ausführen zu können. Die Orthopädin Dr. M.-R. hat in ihrer Aussage vom 15. Februar 2010 die Auffassung vertreten, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte körperliche Tätigkeiten sechs Stunden täglich verrichten könne. In der Folge hat das SG Prof. Dr. Sch., Departement Orthopädie, Unfallchirurgie und Paraplegiologie des Universitätsklinikums H. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens über die Klägerin beauftragt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 7. Dezember 2010 ausgeführt, die Klägerin leide an Nackenschmerzen bei Aufbrauch der Segmente der mittleren und unteren Halswirbelsäule ohne messbare Beeinträchtigung der Beweglichkeit, ohne neurologische Ausfalls- und Reizzeichen, an Rückenschmerzen bei Aufbrauch des untersten Lendenwirbelsäulensegments ohne Entfaltungsstörung, ohne neurologische Ausfall- oder Reizzeichen, an einer Fingergelenkspolyarthrose der Endgelenke D II und D III beidseits ohne wesentliche Funktionsbeeinträchtigungen, an Bluthochdruck, der medikamentös eingestellt sei sowie an weit verbreiteten Schmerzen bei depressiver Episode, die als schwer zu bezeichnen sei sowie an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Die Klägerin könne die bisherige Tätigkeit als Küchenhilfe nur noch weniger als drei Stunden täglich ausüben. Eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin noch drei Stunden täglich verrichten. Diese zeitliche Einschränkung werde durch die psychischen Gesundheitsstörungen begründet. Die Beklagte ist diesem Gutachten mit der sozialmedizinischen Stellungnahme der Ärztin für Psychiatrie und Sozialmedizin Dr. H. (vom 19. Januar 2011) entgegengetreten. Daraufhin hat das SG die Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. veranlasst. Dieser ist in seinem Sachverständigengutachten vom 22. März 2011 zu der Beurteilung gelangt, dass die Klägerin in der Lage sei, sowohl ihre bisherige Tätigkeit als Küchenhilfe als auch Tätigkeiten des gesamten allgemeinen Arbeitsmarktes sowohl im Dienstleistungsbereich als auch im Bereich der industriellen Fertigung ohne zeitliche Einschränkungen zu verrichten.

Mit Schreiben vom 1. April 2011 hat das SG den Bevollmächtigten der Klägerin das Gutachten des Dr. H. übersandt und gebeten, dieses Gutachten mit der Klägerin zu besprechen. Danach könne die Klägerin noch leichte Tätigkeiten mit einigen qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich verrichten und sei damit weder als teilweise noch als voll erwerbsgemindert anzusehen. Der abweichenden Einschätzung von Prof. Dr. Sch. schließe sich die Kammer aus den von Dr. H. und Dr. H. genannten Gründen nicht an. Nach dem derzeitigen Sachstand könne der Klage kaum Erfolgsaussichten zugesprochen werden. Weitere Ermittlungen von Amts wegen seien nicht beabsichtigt. Es werde angeregt, den Rechtsstreit für erledigt zu erklären. Einer Äußerung werde bis spätestens 26. April 2011 (Eingang bei Gericht) entgegen gesehen. Das SG hat weiter ausgeführt, werde der Rechtsstreit nicht für erledigt erklärt, sei beabsichtigt ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 105 SGG). Es stehe dem Bevollmächtigten der Klägerin frei, sich dazu bis zur oben genannten Frist (Eingang bei Gericht) zu äußern. Am 15. April 2011 (Eingang beim SG) hat der Bevollmächtigte der Klägerin für die Klägerin die Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG beantragt und Dr. P. als Gutachter des Vertrauens benannt. Mit Verfügung vom 19. April 2011 hat das SG den Bevollmächtigten des Klägers darauf hinweisen wollen, dass die Einholung des Gutachtens durch Dr. P. davon abhängig gemacht werde, dass die Antragstellerin die voraussichtlichen Kosten in Höhe von 2.000,00 EUR bis zum 9. Mai 2011 vorschieße und die Kostenverpflichtungserklärung ausgefüllt und unterschrieben zurücksende. Zu der handschriftlichen Verfügung ist eine Leseabschrift zu den Akten (Blatt 173a der SG-Akten) genommen worden. Der Bevollmächtigte der Klägerin bestätigte auf dem Empfangsbekenntnis v. 19. April 2011 den Erhalt eines Gerichtsschreibens vom 19. April 2011. Am 4. Mai 2011 ist die von der Klägerin unterschriebene Kostenverpflichtungserklärung beim SG eingegangen. Die Gerichtsobersekretärin B. hat unter dem 18. Mai 2011 folgenden Aktenvermerk gefertigt:

"Fernmündliches Gespräch mit Vdk M ... TelefonNr.:

Inhalt:

Der VdK M. ruft an und fragt nach ob denn noch ein Anschreiben bezüglich des Vorschusses käme. Bei Ihnen wäre nur die Kostenverpflichtungserklärung eingegangen aber keine Mitteilung wohin und wieviel zu überweisen wäre. Der Überweisungsträger hätte auch gefehlt. B. GOS"

Unter dem Datum 19. Mai 2011 hat Gerichtsobersekretärin B. den weiteren Aktenvermerk verfasst:

"Ich kann mich noch daran erinnern am 20.04.2011 die Anforderung d. Kostenvorschusses per EB mit der Kostenverpflichtungserklärung versandt zu haben. Der Überweisungsvordruck ist leider vergessen worden. Üblicherweise werden das Anschreiben + Kostenverpflichtungserklärung + EB zusammengetackert. Dies wurde auch in diesem Fall so gehandhabt wie die "Tackerspuren" auf Bl. 173b + 174b beweisen. Das EB (Bl. 173b) trägt fälschlicherweise als Empfänger die Bekl. dennoch wurde der Eingang am 26.04.11 d Schreibens v. 19.04. durch den Vdk bestätigt. Demnach kann es nicht sein, dass der Vdk das Anschreiben bzgl. d. Kostenvorschusses nicht erhalten haben will. B., GOS"

Am gleichen Tage (19. Mai 2011) hat das SG mit Gerichtsbescheid die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es u.a. ausgeführt, die Klägerin sei weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Es ist der nach seiner Meinung überzeugend begründeten Auffassung des Dr. H. gefolgt.

Gegen den am 26. Mai 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 6. Juni 2011 Berufung eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass der Auffassung von Prof. Dr. Sch., der zusätzlich die Qualifikation als Schmerztherapeut habe, zu folgen sei. Die Entscheidung des SG sei nach dem Telefongespräch v. 18. Mai 2011 im Übrigen überraschend und damit rechtswidrig. In der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2011 hat der Bevollmächtigte der Klägerin die Gesprächsnotiz vom 18. Mai 2011 über ein Telefongespräch der Angestellten Sch. mit dem SG vorgelegt:

"18.5. Frau Sch. Beschluss kommt, da kein Überweisungsvordruck dabei war. Klärt es mit Richter"

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. Mai 2011 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen,

hilfsweise,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. Mai 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juli 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab 1. Dezember 2008 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren, weiter hilfsweise gem. § 109 SGG Dr. P. gutachterlich zu hören.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Abs.1 SGG statthafte Berufung ist zulässig, sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist im Sinne der Aufhebung des angegriffenen Urteils und der Zurückverweisung der Streitsache an das SG auch begründet. Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Wesentlich ist der Mangel, wenn die Entscheidung (hier: der Gerichtsbescheid) auf ihm beruhen kann (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 159 Rdnr. 3a).

Die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid sind in § 105 Abs. 1 Satz 1 geregelt. Danach darf die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen und der Sachverhalt muss geklärt sein. Darüber hinaus sind die Beteiligten vorher zu hören (§ 105 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Senat kann es vorliegend offenlassen, ob es im Hinblick auf die sich widersprechenden Sachverständigengutachten um eine Sache ohne besondere Schwierigkeiten tatsächlicher Art handelt, denn das SG hat die Beteiligten nicht ordnungsgemäß auf die Absicht hingewiesen, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Erforderlich ist ein konkreter fallbezogener Hinweis, mit dem die Absicht des Gerichts, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, mitgeteilt wird. Wegen des Verbots von Überraschungsentscheidungen muss das Gericht dabei auch auf solche Tatsachen und Rechtsfragen hinweisen, die bisher im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht erörtert worden sind (Leitherer in Meyer-Ladewig, Keller/Leitherer, SGG, § 105 Rdnr. 10 m.w.N.). Der bereits mit Schreiben vom 1. April 2011 an den Klägerbevollmächtigten gerichteten Hinweis nach § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG ist nicht mehr ausreichend gewesen. Grundsätzlich ist eine Anhörungsmitteilung zwar nur einmal erforderlich; eine nochmalige Mitteilung ist aber ausnahmsweise notwendig, wenn sich die Prozesslage wesentlich geändert hat (Leitherer a.a.O. Rdnr.11). Der Bevollmächtigte der Klägerin hat bereits mit Schreiben vom 14. April 2011 die Anhörung des Arztes Dr. P. nach § 109 SGG beantragt. Nach dem Aktenvermerk der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, Gerichtsobersekretärin B ... vom 18. Mai 2011 hat der Bevollmächtigte telefonisch sich danach erkundigt, ob ein weiteres Anschreiben bezüglich des Vorschusses zu erwarten sei. Es wäre lediglich die Kostenverpflichtungserklärung eingegangen, aber keine Mitteilung, wohin und wie viel zu überweisen wäre. Der Überweisungsvordruck hätte auch gefehlt. Nach der Abgabe der dienstlichen Stellungnahme der genannten Urkundsbeamtin vom 19. Mai 2011, wonach es nicht sein könne, dass der Vertreter der Klägerin das Anschreiben bezüglich des Kostenvorschusses nicht erhalten habe, hat das SG ohne weitere Anhörung mit Gerichtsbescheid in der Sache entschieden. Nach der Anfrage vom 18. Mai 2011 und den internen Ermittlungen auf der Geschäftsstelle vom 19. Mai 2011 hätte zur Wahrung rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG, § 62 SGG) eine weitere Anhörungsmitteilung im Sinne des § 105 Abs.1 Satz 2 SGG erfolgen und die Beteiligten, insbesondere die Klägerin, über die "Ermittlungsergebnisse" informiert und gegenüber einer "schnellen Erledigung" des Rechtsstreits Vorrang eingeräumt werden müssen, wenn nicht sogar gleich eine Fristverlängerung geboten gewesen wäre. Nach der in der mündlichen Verhandlung vom Bevollmächtigten vorgelegten Gesprächsnotiz der Angestellten Sch. vom 18. Mai 2011 ist eine Abklärung mit dem Richter sogar angekündigt worden. Damit stellt sich der dennoch erlassene Gerichtsbescheid als verfahrensfehlerhafte Überraschungsentscheidung dar. Die neue prozessuale Situation hat das SG völlig ignoriert. Auch in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids sind Ausführungen, die das Vorgehen des SG rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich. Durch den Hinweis des Bevollmächtigten und die "internen" Recherchen vom 19. Mai 2011 ist eine neue prozessuale Situation entstanden, die objektiv einen erneuten Hinweis auf die Absicht durch Gerichtsbescheid entscheiden zu wollen, erfordert hätte. Der dargelegte Verfahrensfehler, auf dem die Entscheidung des SG beruhen kann, erfüllt den Tatbestand des § 159 Abs.1 Nr. 2 SGG. Dieser Verfahrensfehler verletzt den Kläger in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Diese Vorschrift gewährleistet jedem Verfahrensbeteiligten einen Anspruch darauf, sich vor dem Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu dem ihr zu Grunde liegenden Sachverhalt zu äußern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.03.2006, 2 BvR 1104/05). Ferner erwächst für das Gericht aus Art. 103 Abs. 1 GG die Pflicht, vor dem Erlass seiner Entscheidung zu prüfen, ob den Verfahrensbeteiligten das rechtliche Gehör auch tatsächlich und vollständig gewährt worden ist. Dies ist vorliegend offenkundig nicht geschehen. Der Senat hat damit in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens darüber zu entscheiden, ob die angegriffene Entscheidung aufgehoben und an das SG zurückverwiesen werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - SozR 4-3520 § 2 Nr. 2 = BSGE 101, 49).

Auch wenn die Zurückverweisung nur ausnahmsweise stattfinden soll (vgl. dazu u.a. BSG, Beschlüsse vom 7. Mai 2009 - B 14 AS 91/08 B und vom 16. Dezember 2003 - B 13 RJ 194/03 B - beide veröffentlicht in Juris), macht der Senat hier von dem ihm in § 159 SGG eröffneten Ermessen im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das SG Gebrauch. Das SG hat positive Kenntnis darüber gehabt, dass die Klägerin von ihrem Recht nach § 109 SGG Gebrauch machen will. Dieser Antrag war bereits am 15. April 2009 beim SG eingegangen. Die Kostenverpflichtungserklärung lag dem SG fristgerecht seit dem 4. Mai 2011 vor. Die vom SG geführten internen Recherchen, ob der telefonische Vortrag des Bevollmächtigten der Klägerin zutrifft, man habe über die Höhe des zu zahlenden Kostenvorschusses kein Schreiben erhalten und somit darüber keine Kenntnis, hätten der Klägerin bzw. ihren Bevollmächtigten vor Erlass eines Gerichtsbescheids zur Kenntnis gebracht werden müssen. Diese Verpflichtung war offenkundig gegeben. Aufgrund der erheblichen Verletzung des rechtlichen Gehörs in dieser Fallgestaltung und der notwendigen weiteren Beweisaufnahme, nämlich der Einholung eines Sachverständigengutachtens gem. § 109 SGG durch Dr. P., überwiegt das Interesse, den gesetzlichen Richter auch in der ersten Instanz zu gewährleisten gegenüber dem Interesse an einer Beschleunigung der Verfahrenserledigung. Bei dieser Sachlage führt die infolge der Aufhebung und Zurückverweisung zwingend eintretende Verzögerung des gerichtlichen Verfahrens weder für die Klägerin zu einer Gefährdung ihrer sozialen Rechte, vielmehr wird dadurch die ordnungsgemäße Erledigung des erstinstanzlichen Verfahrens ermöglicht.

Die Kostenentscheidung bleibt der (erneuten) Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.

Gründe für die Zulassung der Revision gegen diese Entscheidung liegen nicht vor (§ 160 Nr.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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