L 8 U 2968/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 492/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 2968/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. Mai 2010 - S 4 U 492/09 - wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung streitig.

Der 1956 geborene Kläger erlitt am 23.01.2007 in Ausübung seiner Tätigkeit als Verkaufsfahrer der Firma B. einen Unfall. Der Kläger zog sich eine laterale Tibiakopffraktur links mit Impression der lateralen Gelenkfläche zu (Durchgangsarztbericht Prof. Dr. W. vom 24.01.2007, in dem als unfallunabhängige gesundheitliche Beeinträchtigungen u.a. eine Hypakusis rechts und eine Depression genannt wurden). Der Kläger befand sich vom 23.01.2007 bis 06.02.2007 in stationärer Behandlung in der Berufsgenossenschaftlichen (BG) Unfallklinik T. , wo die Tibiakopffraktur operativ versorgt wurde (offene Reposition, Tibiakopfaufrichtung und Spongiosaunterfütterung aus dem Beckenkamm sowie Plattenosteosynthese am 26.01.2007; Bericht der BG Unfallklinik T. vom 06.02.2007). Zum Unfallgeschehen gab der Kläger an, er sei von einer kleinen Mauer gesprungen und habe sich bei der Landung das linke Kniegelenk verdreht (Durchgangsarztbericht vom 24.01.2007 und Fragebogen vom 20.02.2007). Nach Durchführung einer Belastungserprobung trat ab 01.07.2007 vollschichtige Arbeitsfähigkeit ein (Bericht der BG Unfallklinik T. vom 02.07.2007). Die Entfernung des einliegenden Metalls erfolgte am 03.04.2008 (Bericht der BG Unfallklinik T. vom 09.04.2008). Ab dem 13.07.2007 ist der Kläger beschäftigungslos.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten (künftig Beklagte) holte von Prof. Dr. W. das Erste Rentengutachten vom 31.08.2007 ein. Prof. Dr. W. gelangte in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, an wesentlichen Unfallfolgen bestünden eine 15° betragende Flexionseinschränkung des linken Kniegelenks mit stabilen Narben am lateralen Tibiakopf links und am rechten Beckenkamm sowie eine Anästhesie im Bereich dieser Narben. Unfallunabhängig bestünden (u.a.) eine Depression. Vom 01.06.2007 bis 06.08.2007 und ab 07.08.2007 bis auf Weiteres betrage die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) 20 v.H.

Mit Bescheid vom 20.09.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 23.01.2007 für den Zeitraum vom 01.07.2007 bis 31.12.2007 Rente als vorläufige Entschädigung in Höhe von insgesamt 1.176 EUR (Gesamtvergütung) auf der Grundlage einer MdE von 20 v.H ...

Gegen den Bescheid vom 20.09.2007 erhob der Kläger am 08.10.2007 Widerspruch. Er machte zur Begründung geltend, die Streckbehinderung sei nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die MdE sei zu erhöhen. Eine mittelgradige depressive Episode habe keine Berücksichtigung gefunden. Nach dem Rentengutachten bestehe auch nach dem 31.12.2007 eine MdE von 20 v.H. Die Weiterzahlung der Rente werde beantragt. Der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 20.09.2007 wurde - nach Anhörung von Dr. E. (Stellungnahme vom 01.08.2008) und Beiziehung von Unterlagen aus der Akte des Versorgungsamtes Stuttgart - mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.2008 zurückgewiesen. Die erneut aufgetretene depressive Episode sei nicht als Unfallfolge anzuerkennen. Nach den vorliegenden Unterlagen seien beim Kläger bereits seit dem Jahr 1980 Depressionen diagnostiziert worden. Hiergegen erhob der Kläger am 10.09.2008 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage (S 4 U 3988/08), mit der er im Gesamtvergütungszeitraum zunächst eine MdE um 30 v.H. geltend machte.

Wegen des Antrags des Klägers auf Weiterzahlung der Rente leitete die Beklagte ein Feststellungsverfahren ein. Sie zog den Entlassungsbericht der Fachklinik D. vom 20.03.2008 über eine teilstationäre Behandlung des Klägers vom 09.01.2008 bis 20.03.2008 bei. Mit Bescheid vom 18.09.2008 lehnte die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Rente nach Ablauf der Gesamtvergütung ab. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden im Bescheid eine Einschränkung der Beugefähigkeit des linken Kniegelenkes, Sensibilitätsstörungen im Bereich der Narben am linken Schienbein und rechten Beckenkamm zugrunde gelegt (anerkannt). Hiergegen legte der Kläger am 26.09.2008 Widerspruch ein. Er machte zur Begründung - unter Vorlage des Attestes von Dr. F. vom 26.08.2008 - geltend, aufgrund der Tibiakopffraktur sei eine schmerztherapeutische Behandlung notwendig. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2009 wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 18.09.2008 zurückgewiesen. Hiergegen erhob der Kläger am 09.02.2009 Klage beim SG (S 4 U 492/09).

Der Kläger machte zur Begründung seiner Klagen geltend, er sei 1980 und 1983 wegen einer depressiven Entwicklung stationär behandelt worden. Danach habe keine psychiatrische Behandlung mehr stattgefunden, weshalb von einer vollständigen Heilung ausgegangen werden müsse. Wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 23.01.2007 und der sich anschließenden Beschäftigungsaufgabe aus gesundheitlichen Beeinträchtigungen zum 31.07.2007 sei eine psychotherapeutische Reha-Maßnahme vom 09.01.2008 bis 20.03.2008 erfolgt. Er befinde sich in ständiger psychiatrischer Behandlung. Aufgrund der Unfallfolgen und der Beeinträchtigung seiner beruflichen Leistungsfähigkeit sei es zu einer schweren narzisstischen Kränkung mit depressiver Dekompensation gekommen. Eine MdE von 20 v.H. sei angemessen. Die Streckbehinderung sei bei der Bemessung der MdE nicht ausreichend berücksichtigt worden. Aufgrund der linksseitigen Tibiakopffraktur sei es zu einer schmerzbedingten Mehrbelastung der rechten Seite und einer daraus resultierenden Exazerbation der Coxarthrose gekommen.

Die Beklagte trat den Klagen entgegen.

Im Klageverfahren S 4 U 3988/08 hörte das SG den Internisten Dr. Eb. (Stellungnahme vom 23.03.2009), den Orthopäden Dr. F. (Stellungnahme vom 06.04.2009) und die Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie Dr. E. (Stellungnahme vom 12.05.2009) schriftlich als sachverständige Zeugen. Anschließend holte das SG von Amts wegen das orthopädische Gutachten von Dr. M. vom 27.08.2009 ein. Dr. M. gelangte zusammenfassend zu der Beurteilung, Folgen des Ereignisses vom 23.01.2007 seien eine endgradige Funktionsstörung des linken Kniegelenks, Blutumlaufstörungen des linken Beines sowie beginnende degenerative Veränderungen des äußeren Kniegelenkskompartiments nach knöchern verheiltem Schienbeinkopfbruch sowie die Narbenbildung. Hüftgelenksbeschwerden rechts seien nicht im Zusammenhang mit der Fraktur am linken Knie zu sehen. Wesentliche Teilursache der Hüftschmerzen rechts seien degenerative Veränderungen, die nicht unfallbedingt entstanden seien. Hiervon ging Dr. M. im Ergebnis auch hinsichtlich vom Kläger als unfallbedingt geltend gemachte Nackenschmerzen aus. Dr. M. schätzte die MdE vom 01.07.2007 bis 31.12.2007 auf 20 v.H. und ab 01.01.2008 bis auf Weiteres auf 10 v.H. ein. Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das SG außerdem das nervenärztlich-psychotherapeutische Gutachten von Dr. A. vom 30.11.2009 ein. Dr. A. diagnostizierte eine Stimmungslabilität bei Residuum einer posttraumatischen Belastungsstörung, eine Persönlichkeitsänderung bei Epilepsie, eine somatoforme Schmerzstörung mit Fehlverarbeitung und differenzialdiagnostisch eine anhaltende, in die Persönlichkeit verankerte, blande bipolare Störung, unipolar blande manisch bis vor dem Unfallereignis 2007. Er gelangte zu der Bewertung, die Schmerzverarbeitungsstörung wie auch die Stimmungsschwankungen seien als Unfallfolgen zu betrachten. Die restliche psychische Beschwerdesymptomatik stehe mit dem Unfall nicht im Zusammenhang. Die unfallursächlichen psychischen Störungen bedingten eine MdE von 20 v.H. Die Gesamt-MdE sei ebenfalls mit 20 v.H. einzuschätzen. Das SG holte weiter von Amts wegen das neurologisch-psychiatrische Gutachten von Dr. H. vom 20.02.2010 ein. Dr. H. diagnostizierte beim Kläger auf seinem Fachgebiet eine rezidivierende depressive Störung mit moroser Verstimmung, den Verdacht auf eine paranoide Störung, eine Sozialphobie, eine chronische Verbitterung, eine Adipositas permagna sowie frühere petit-mal-Anfälle. Er gelangte zu dem Ergebnis, dass keine der diagnostizierten Gesundheitsstörungen auf einen Unfall zurückzuführen seien. Dem Gutachten von Dr. A. könne nicht gefolgt werden. Mit Urteil vom 20.05.2010 wies das SG die Klage des Klägers S 4 U 3988/08 ab. Es führte zur Begründung aus, die Unfallfolgen rechtfertigten für die Zeit ab dem 01.01.2008 nur noch eine MdE von 10 v.H. Die psychiatrischen Gesundheitsstörungen des Klägers könnten - entgegen der Auffassung von Dr. A. - nicht auf das Unfallereignis vom 23.01.2007 zurückgeführt werden. Das Gericht folge dem Gutachten von Dr. H. vom 23.02.2010.

Im Klageverfahren S 4 U 492/09 hörte das SG Dr. F. (Stellungnahme vom 21.04.2009), Dr. Eb. (Stellungnahme vom 27.04.2009) und Dr. E. (Stellungnahme vom 29.06.2009) schriftlich als sachverständige Zeugen an und nahm Kopien der im Klageverfahren S 4 U 3988/08 eingeholten Gutachten von Dr. A. und Dr. H. zu den Akten. Mit Urteil vom 20.05.2010 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung wurde auf die Ausführungen im Urteil S 4 U 3988/08 Bezug genommen.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 17.07.2010 zugestellte Urteil S 4 U 492/09 hat der Kläger am 28.06.2010 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung vorgetragen, Dr. F. habe in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 06.04.2009 aufgrund inzwischen eingetretener radiologische Veränderungen im Sinne einer posttraumatischen Arthrose die MdE auf 20 v.H. eingeschätzt. Nach einem Arztbrief von Dr. F. vom 11.12.2009 habe sich eine Beschwerdeverschlechterung ergeben.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. Mai 2010 und den Bescheid des Beklagten vom 18. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aufgrund des Unfallereignisses vom 23. Januar 2007 über den Gesamtvergütungszeitraum hinaus für die Zeit ab 1. Januar 2008 Verletztenrente auf der Grundlage einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens sei der Bescheid vom 20.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.09.2008, der Gegenstand des Verfahrens S 4 U 3988/08 gewesen sei. Gegen das hierzu ergangene klageabweisende Urteil sei keine Berufung eingelegt worden. Der Kläger trage keine Aspekte vor, die beim SG nicht schon verhandelt worden wären.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG das orthopädische Gutachten von Dr. B. vom 23.04.2011 eingeholt. Dr. B. diagnostizierte beim Kläger eine knöchern verheilte laterale Tibiakopffraktur links und eine endgradige Funktionseinschränkung am linken Kniegelenk, eine posttraumatische Gonarthrose, eine beginnende Gonarthrose links, eine Dysplasiecoxarthrose rechts größer als links, eine Dupuytrensche Kontraktur beidseits, rechts operativ versorgt mit Bewegungseinschränkung des rechten Kleinfingers, Adipositas sowie eine rezidivierende depressive Störung und Persönlichkeitsstörung. Er gelangte zu dem Ergebnis, als Folgen des Unfalles vom 23.01.2007 lägen eine knöchern verheilte laterale Tibiakopffraktur links bei Zustand nach osteosynthetischer Versorgung und Metallentfernung sowie eine endgradige Funktionseinschränkung am linken Kniegelenk bei posttraumatischer Gonarthrose vor. Aus orthopädisch-unfallchirurgischer Sicht schätzte Dr. B. die unfallbedingte MdE auf 10 v.H. ab 01.01.2008 ein.

Mit richterlicher Verfügung vom 27.04.2011 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass nach § 153 Abs. 4 SGG die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückgewiesen werden kann und dass diese Verfahrensweise beabsichtigt sei. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, zur Sache und zum beabsichtigten Verfahren Stellung zu nehmen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten des SG S 4 U 3988/08 und S 4 U 492/09, die angefallenen Senatsakte sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

II.

Der Senat kann über die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, da er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG mit richterlicher Verfügung vom 27.04.2011 hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Gesichtspunkte, die dafür sprechen, dass eine mündliche Verhandlung erforderlich ist, sind nicht ersichtlich.

Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahren ist der Bescheid des Beklagten vom 18.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2009, mit dem ein Anspruch des Klägers auf Verletztenrente für die Zeit ab 01.01.2008 abgelehnt worden ist, sowie das im Verfahren S 4 U 492/09 hierzu ergangene Urteil des SG vom 20.05.2010. Nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der die vorläufige Entschädigung (Gesamtvergütung) betreffende Bescheid der Beklagten vom 20.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.09.2008 sowie das hierzu ergangene Urteil des SG vom 20.05.2010 - S 4 U 3988/08 -. Gegen dieses Urteil hat der Kläger keine Berufung eingelegt. Seine Berufungsschrift vom 25.06.2010 richtet sich eindeutig gegen das Urteil im Verfahren S 4 U 492/09. Soweit sich der Kläger in der Berufungsschrift gegen den das Klageverfahren S 4 U 3988/08 betreffenden Bescheid vom 20.09.2007 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid gewendet hat, handelt es sich um eine Fehlbezeichnung, die die Berufung nicht unzulässig macht, sondern einer nachträglichen Korrektur zugänglich ist. Dem entspricht der - auf richterliches Hinweisschreiben - berichtigte Berufungsantrag des Klägers (Schriftsatz vom 09.02.2011). Der Senat sieht sich im vorliegenden Berufungsverfahren auch nicht an einer Sachentscheidung gehindert, obwohl das SG im Urteil vom 20.05.2010 - S 4 U 3988/08 - (ausgehend von dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung am 20.05.2010 gestellten Klageantrag) bereits entschieden hat, dass der Kläger von der Beklagten über den 31.12.2007 hinaus keine Entschädigungsleistungen aufgrund des am 23.01.2007 erlittenen Arbeitsunfalls verlangen könne. Dieses Urteil bezieht sich auf den nicht streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 20.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.09.2008 und erfasst mit seiner Rechtskraft den vorliegend streitgegenständlichen Bescheid vom 18.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2009 nicht. Zwar unterstellt das SG in diesem Urteil das selbe Klageziel - Rente nach Ablauf des Gesamtvergütungszeitraums ab 01.01.2008 - wie im Klageverfahren S 4 U 492/09, was aber nach übereinstimmendem Verständnis der Beteiligten unzutreffend und daher unbeachtlich ist.

Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat mit dem angefochtenen Urteil zutreffend die Klage abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Unfalls vom 23.01.2007 über den 31.12.2007 hinaus.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern (§ 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII). Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann (§ 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben (§ 62 Abs. 2 SGB VII).

Die Bemessung der MdE wird vom BSG in ständiger Rechtsprechung als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S 36 m.w.N.). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22, 23; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG a.a.O.; BSG Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1). Die Erfahrungswerte bilden in der Regel die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet, die aber nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 23 und 27; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8; BSG Urteil vom 18. März 2003 - B 2 U 31/02 R -; BSGE 93, 63 = SozR 4-2700 § 56 Nr. 1; Burchardt in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, SGB VII, Stand 2005, § 56 RdNr 71). Die Feststellung der Höhe der MdE als tatsächliche Feststellung erfordert stets die Würdigung der hierfür notwendigen Beweismittel im Rahmen freier richterlicher Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG (BSG, Urteil vom 13.09.2005 - B 2 U 4/04 R - veröffentlicht in juris m.H.a. BSG, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8; Urteil vom 18. März 2003 a.a.O.).

Nach diesen Grundsätzen liegen beim Kläger keine Unfallfolgen mehr vor, die über den 31.12.2007 hinaus eine MdE um 20 v.H. rechtfertigen. Ein Stützrententatbestand, der ausnahmsweise eine Verletztenrente nach einer MdE um 10 v.H. begründet, ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht geltend gemacht.

Von der Beklagten wurden im Bescheid vom 18.09.2008 als Folgen des Arbeitsunfalles eine Einschränkung der Beugefähigkeit des linken Kniegelenkes und Sensibilitätsstörungen im Bereich der Narben am linken Schienbein und rechten Beckenkamm anerkannt. Dem entsprechen die von Dr. M. in seinem Gutachten vom 27.08.2009 festgestellten Unfallfolgen. Danach zeigte sich bei der Untersuchung des Klägers am linken Kniegelenk ein Verlust einer 5° eingeschränkten Überstreckbarkeit sowie eine 10° eingeschränkte Beugung (Beweglichkeit 0-0-120°) im Vergleich zum rechten Knie. Für eine Instabilität der Seitenbänder sowie der Kreuzbänder fand sich kein Hinweis. Eine Ergussbildung bestand nicht. Die Kniescheibe war frei beweglich ohne subpatellare Crepitation. Eine Schonungsverschmächtigung der Muskulatur war nicht nachweisbar. Das Gangbild des Klägers war flüssig, ohne Schonhinken und mit gleicher Schrittlänge. Vom Kläger geltend gemachte Hüftgelenksbeschwerden rechts sind mangels Schonung des linken Beines von Dr. M. überzeugend nicht im Zusammenhang mit der Fraktur am linken Knie gesehen worden, sondern als wesentliche Teilursache degenerativer Veränderungen, die nicht unfallbedingt entstanden sind. Entsprechendes gilt wegen der vom Kläger bei der Untersuchung geltend gemachten Nackenschmerzen als Unfallfolge, wie Dr. M. in seinem Gutachten bei fehlender Fehlstatik nachvollziehbar überzeugend ausgeführt hat. Beeinträchtigungen durch die Narben hat Dr. M. in seinem Gutachten nicht beschrieben. Bei diesen Befunden überzeugt die Einschätzung von Dr. M. in seinem Gutachten, dass die MdE 10 v.H. ab 01.01.2008 beträgt. Das Gutachten von Dr. M. wird auch durch das vom Senat gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten von Dr. B. vom 13.04.2011 voll bestätigt. Auch Dr. B. stellte beim Kläger eine endgradige (im Vergleich zum rechten Kniegelenk um 10° eingeschränkte) Funktionseinschränkung (Beugefähigkeit) am linken Kniegelenk (Beweglichkeit 0-0-110°) mit posttraumatische Gonarthrose als Unfallfolgen fest und schätzte die MdE ebenfalls auf 10 v.H. ab dem 01.01.2008. Diese übereinstimmenden Einschätzungen der MdE entsprechen den versicherungsmedizinischen Erfahrungsgrundsätzen. Danach bestimmt sich die MdE bei Kniegelenksschäden hauptsächlich durch die Verminderung der Beweglichkeit, unphysiologische Zunahme der Beweglichkeit und Schmerzhaftigkeit. Bei einer Bewegungseinschränkung der Streckung/Beugung, wie sie beim Kläger durch Dr. M. und Dr. B. als Unfallfolge festgestellt wurde (Einschränkung der Beugefähigkeit 0-0-120/110°; eine Einschränkung der Streckfähigkeit besteht nicht) ist die MdE mit 10 v.H. zu bewerten. Eine höhere Bewertung der MdE ist erst bei einer Bewegungseinschränkung der Streckung/Beugung auf 0-0-90° gerechtfertigt (vgl. zum Vorstehenden Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Nr. 8.10.11 Seite 653ff.), die beim Kläger aber nicht vorliegt. Sonstige unfallursächliche Beeinträchtigungen bestehen beim Kläger nicht. Eine zusätzlich zu berücksichtigende unfallbedingte Schmerzhaftigkeit ist mangels Schonungszeichen nicht nachgewiesen und wird von Dr. M. und Dr. B. in ihren Gutachten übereinstimmend nicht diagnostiziert. Eine von Dr. A. diagnostizierte Schmerzstörung ist im Zusammenhang mit auf psychiatrischem Gebiet liegenden Gesundheitsstörungen des Klägers zu sehen, wovon Dr. A. ausgeht. Beeinträchtigungen durch die Narben haben Dr. M. und Dr. B. in ihren Gutachten nicht beschrieben. Entsprechendes gilt für von Dr. M. festgestellte Blutumlaufstörungen des linken Beins, die zudem von Dr. B. nicht mehr diagnostiziert wurden. Der abweichenden MdE-Einschätzung von Dr. F. kann nicht gefolgt werden. Dr. F. zeigt keine Befunde auf, die nach den oben dargestellten versicherungsmedizinischen Erfahrungsgrundsätzen seine Einschätzung der MdE mit 20 v.H. rechtfertigen.

Die auf psychiatrischem Gebiet liegenden Gesundheitsstörungen des Klägers sind nicht auf das Unfallereignis vom 23.01.2007 zurückzuführen.

Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. stellvertretend BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, jeweils RdNr. 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.

Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (ständige Rechtsprechung; vgl. stellvertretend zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R., veröffentlicht in juris).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.H.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).

Nach diesen Grundsätzen liegt zur Überzeugung des Senats eine unfallbedingte Kausalität für die geltend gemachten Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Gebiet beim Kläger nicht vor. Der Senat folgt den nachvollziehbaren und plausiblen Ausführungen von Dr. H. in seinem Gutachten vom 23.02.2010, der die auf psychiatrischem Fachgebiet bestehenden Gesundheitsstörungen des Klägers als nicht unfallursächlich angesehen hat, die den Senat überzeugen. Der abweichenden Ansicht von Dr. A. in seinem Gutachten vom 30.11.2009 schließt sich der Senat nicht an. Dr. A. gelangt auf der Grundlage eines grenzwertig erscheinenden Traumatisierungserlebnisses zu dem Schluss, dass psychische Beschwerden des Klägers Residuen eines posttraumatischen Belastungssyndroms seien. Dr. H. führt in seinem Gutachten dagegen überzeugend aus, dass das vom Kläger erlittene Trauma keinesfalls grenzwertig gewesen ist und nicht ansatzweise geeignet war, ein posttraumatisches Belastungssyndrom hervorzurufen. Weiter weist Dr. H. in seinem Gutachten überzeugend darauf hin, dass sich nach den vorliegenden ärztlichen Berichten nach dem Unfall keine Hinweise auf ein posttraumatisches Belastungssyndrom finden und von Dr. A. ein posttraumatisches Belastungssyndrom nicht gesichert worden ist. Gegen das Gutachten von Dr. H. und dessen Bewertungen hat sich der Kläger im Übrigen im Berufungsverfahren auch nicht gewandt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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