Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 645/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 5277/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 9. November 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X darüber, ob der Kläger höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Hinblick auf einen von ihm behaupteten krankheitsbedingten höheren Bedarf an Haushaltsenergie verlangen kann.
Der 1957 geborene erwerbsfähige Kläger, der über kein Einkommen und Vermögen verfügt, bezieht laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II durch den Beklagten.
Der Beklagte gewährte dem Kläger während seiner Strafhaft vom 9. November 2005 bis zum 5. Mai 2006 Leistungen für Kosten der Unterkunft (Bescheide vom 5. April 2006 und vom 31. Januar 2007) und für die Bewilligungsabschnitte vom 1. Mai 2006 bis zum 30. April 2007 (Bescheide vom 15. Mai 2006, vom 15. November 2006, vom 11. Dezember 2006 und 31. Januar 2007), vom 1. Mai 2007 bis zum 30. April 2008 (Bescheide vom 4. Juni 2007, 16. Oktober 2007), vom 1. Mai 2008 bis zum 30. April 2009 (Bescheid vom 22. April 2008) und vom 1. Mai 2009 bis zum 30. April 2010 (Bescheide vom 27. April 2009 und vom 2. Juni 2009) Leistungen unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelleistung und der angemessenen Unterkunfts- und Heizkosten.
Im September 2009 verordnete der Neurologe und Psychiater Dr. N. dem Kläger eine Wärmelampe, jedoch lehnte die Krankenkasse des Klägers, die A. B.-W., eine entsprechende Kostenübernahme ab. Ausweislich eines ärztlichen Attestes von Dr. N. vom 28. April 2010 solle ein beim Kläger bestehendes chronisches Cervikalsyndrom mittels Wärmeapplikation mit einer Rotlichtlampe behandelt werden.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2009 machte der Kläger die Notwendigkeit der Gewährung eines Mehrbedarfs wegen höherer Stromkosten aus medizinischen Gründen geltend. Der Beklagte lehnte eine Änderung seiner Bewilligungsentscheidung für den aktuellen Bewilligungsabschnitt ab (Bescheid vom 7. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Februar 2010; SG Ulm, Gerichtsbescheid vom 19. November 2010 - S 11 AS 500/10 -; Senatsurteil vom 18. November 2011 - L 12 AS 5645/10 -).
Mit Fax vom 16. Februar 2010 beantragte der Kläger die Überprüfung der bisher ergangenen Bewilligungsbescheide wegen medizinisch begründeter Stromkosten. Der Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag durch Bescheid vom 25. Februar 2010 ab. Die Kosten für den Allgemeinstrom seien in der Regelleistung enthalten.
Dagegen hat der Kläger am 26. Februar 2010 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Die Lampe sei medizinisch verordnet und notwendig. Die damit zusammenhängenden Kosten seien einfach zu berechnen.
Das SG hat das Verfahren zur Durchführung des Vorverfahrens ausgesetzt (Beschluss vom 11. Mai 2010). Der Beklagte wies den klägerischen Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2010 als unbegründet zurück.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 9. November 2010 die Klage gegen den Bescheid vom 25. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2010 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass der Beklagte zutreffend die teilweise Rücknahme der in der Vergangenheit erlassenen Bewilligungsbescheide abgelehnt habe, da er bei Erlass der Verwaltungsakte das Recht nicht unrichtig angewandt habe und auch nicht von einem falschen Sachverhalt ausgegangen sei. Dementsprechend seien dem Kläger keine Sozialleistungen zu Unrecht nicht oder in geringerer Höhe erbracht worden, so dass eine Nachzahlung gem. § 44 Abs. 4 S. 1 SGB X nicht in Betracht komme. Der Kläger habe zwar dem Grunde nach einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II (Alg II), denn er sei erwerbsfähig, hilfebedürftig und erfülle sämtliche Anspruchsvoraussetzungen im Sinne der §§ 7, 8, 9 und § 19 Satz 1 SGB II, jedoch habe er keinen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen, denn der etwaige - zu Gunsten des Klägers als wahr unterstellte - erhöhte Stromverbrauch rechtfertige nicht die Bewilligung höherer Leistungen. Maßgebend sei, dass Haushaltsenergiekosten von der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II umfasst seien (unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 26. Mai 2010 - B 4 AS 7/10 B -). Die Regelleistung umfasse insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat und Haushaltsenergie (ohne die auf die Heizung entfallenen Anteile). Bereits unter Geltung des § 20 Abs. 1 SGB II a. F. seien die Kosten für Haushaltsenergie von der Regelleistung mit umfasst gewesen (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/11 AS 15/7 R -). Die Gewährung einer höheren Regelleistung sei aber nach dem SGB II grundsätzlich nicht möglich. Das BSG habe mehrfach zutreffend klargestellt, dass eine abweichende Festsetzung der pauschalierten Regelleistung durch die Gerichte grundsätzlich nicht möglich sei (unter Hinweis auf BSGE 97, 242; BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009 - B 14 AS 44/08 R -). Vorliegend könne auch auf Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09) der streitige Anspruch nicht begründet werden. Das Bundesverfassungsgericht habe zunächst klargestellt, dass es grundsätzlich nicht zu beanstanden sei, dass der Gesetzgeber die Bedarfe der Hilfebedürftigen pauschal mit der Regelleistung nach § 20 SGB II bzw. dem Sozialgeld nach § 28 SGB XII abgegolten habe, und dass hierunter auch die Haushaltsenergie falle. Ob die Regelleistung insgesamt bisher zu niedrig bemessen gewesen sei, könne dahinstehen, denn das Bundesverfassungsgericht habe ausdrücklich bestimmt, dass der Gesetzgeber erst bis spätestens zum 31. Dezember 2010 die Regelleistung mit Wirkung für die Zukunft neu festsetzen müsse. Vor dem Zeitpunkt dieser Entscheidung könnten Hilfebedürftige nicht über die im SGB II normierten Leistungen hinaus Leistungen beanspruchen (unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24. März 2010 - 1 BvL 395/09 -). Schließlich komme die Gewährung höherer Leistungen auch nicht nach § 21 Abs. 6 SGB II in Betracht. Diese Regelung sei zum einen erst am 02. Juni 2010 durch das Gesetz zur Abschaffung des Finanzplanungsrats und zur Übertragung der fortzuführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung weiterer Gesetze im Bundesgesetzblatt verkündet worden und zu diesem Zeitpunkt in Kraft getreten. Vorliegend sei aber selbst unter Anwendung dieser neuen Bestimmung des § 21 Abs. 6 SGB II die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen. Gemäß § 21 Abs. 6 SGB II erhielten erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Mehrbedarf, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf bestehe. Der Mehrbedarf sei nur dann unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch Zuwendung Dritter, sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen gedeckt werden könne und dieser einmalige Bedarf sei nur dann ein besonderer Bedarf, wenn er seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweiche. Gemessen hieran sei der streitige Anspruch des Klägers nicht herzuleiten. Zum einen sei zu berücksichtigen, dass die - als wahr unterstellte zugrunde liegende Erkrankung des Klägers - nicht bzw. keinesfalls ausschließlich mittels des Einsatzes einer ärztlich verordneten Wärmelampe behandelt werden könne (unter Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 09. September 2010 - L 13 AS 3811/10 ER-B). Folglich liege ein unabweisbarer Bedarf nicht vor. Zudem sei auch im Hinblick auf die Höhe etwaiger zusätzlicher Stromkosten § 21 Abs. 6 SGB II nicht einschlägig, denn nach Auffassung der Kammer begründe auch ein etwaiger erhöhter Stromverbrauch keinen besonderen Bedarf. In der Gesetzesbegründung zu § 21 Abs. 6 SGB II werde nämlich vor dem Hintergrund der obigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgeführt, dass der unabweisbare Bedarf so erheblich sein müsse, dass die Gesamtsumme der dem Hilfebedürftigen bewilligten Leistungen das menschenwürdige Existenzminimum nicht mehr gewährleiste. Nach Auffassung der Kammer sei selbst bei einem erhöhten Stromverbrauch das menschenwürdige Existenzminimum des Klägers durchaus noch gewährleistet. Schließlich sei auch eine notwendige sogenannte atypische Bedarfslage, die einen Bezug zu Grundrechten aufweisen müsse, vorliegend nicht gegeben. Die Nutzung einer Wärmelampe wegen eines Wirbelsäulensyndroms begründe nach Auffassung der Kammer nämlich keine atypische Bedarfslage. Denn eine Vielzahl von Leistungsempfängern litten an Wirbelsäulensyndromen und für die Behandlung von Wirbelsäulenbeschwerden stünden diverse Behandlungsmaßnahmen zur Verfügung, deren Kosten durch die Krankenversicherung gedeckt seien (beispielsweise Massage, Fango, medikamentöse Behandlung, Krankengymnastik, etc.). Folglich könne die Nutzung einer Wärmelampe nicht als atypische Bedarfslage anerkannt werden.
Gegen den ihm am 12. November 2010 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am gleichen Tag eingelegte Berufung des Klägers. Es bestehe ein Mehrbedarf aus medizinischen Gründen.
Der Kläger beantragt,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 9. November 2010 aufzuheben, 2. den Bescheid vom 25. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die seit dem 25. November 2005 ergangenen Bewilligungsbescheide zurückzunehmen und dem Kläger höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen eines krankheitsbedingt höheren Bedarfs an Haushaltsenergie für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 16. Dezember 2009 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verweist zur Begründung auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.
1. Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und zulässig, da Berufungsausschlussgründe nicht vorliegen (vgl. § 144 Abs. 1 SGG).
2. Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 25. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2010, mit dem der Beklagte den Antrag auf Überprüfung der in der Vergangenheit erlassenen Bewilligungsbescheide hinsichtlich des zusätzlich zur Regelleistung geltend gemachten Mehrbedarfs abgelehnt hat. Das Vorbringen des Klägers in seinem Schreiben vom 16. Februar 2010 ist dabei dahin auszulegen, dass er die Notwendigkeit der Gewährung eines Mehrbedarfs wegen der Kosten, die aufgrund der chronischen Wirbelsäulenerkrankung behauptet werden, für die Vergangenheit und eine entsprechende Überprüfung der bestandskräftigen Bewilligungsbescheide geltend macht. Auf diesen Antrag hin hat der Beklagte seine Bewilligungsentscheidungen für die Zeit bis zum 16. Dezember 2009 überprüft, nachdem der Zeitraum vom 17. Dezember 2009 bis zum 30. April 2010 bereits Gegenstand der gesonderten Entscheidung (Bescheid vom 7. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Februar 2010; SG Ulm, Gerichtsbescheid vom 19. November 2010 - S 11 AS 500/10 -; Senatsurteil vom 18. November 2011 - L 12 AS 5645/10 -) ist. In der Sache macht der Kläger höhere laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Kosten der Unterkunft und Heizung geltend, was er in der mündlichen Verhandlung vom 18. November 2011 ausdrücklich klargestellt hat. Die Gewährung eines Mehrbedarfs kann von dem Kläger nicht zulässigerweise zum isolierten Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens bestimmt werden, denn die Regelungen des Beklagten über die laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (mit Ausnahme der Kosten der Unterkunft) lassen sich in rechtlich zulässiger Weise nicht in weitere Streitgegenstände aufspalten (vgl. BSGE 104, 48; BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 - B 14 AS 146/10 R -).
3. Der Bescheid des Beklagten vom 25. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2010 stellt sich als rechtmäßig dar und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Rücknahme der in der Zeit seit dem 25. November 2005 erlassenen Bewilligungsbescheide und auf die Gewährung einer höheren Regelleistung oder eines Mehrbedarfs für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 16. Dezember 2009.
§ 40 Abs. 1 S. 1 SGB II i. V. m. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X bestimmt, dass ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften des besonderen Teils dieses Gesetzbuches längstens für ein Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X; § 40 Abs. 1 S. 2 SGB II ist gem. § 77 Abs. 13 SGB II auf den im Februar 2010 gestellten Überprüfungsantrag nicht anwendbar). Die zu überprüfenden Bewilligungsbescheide des Beklagten waren anfänglich, d. h. nach der im Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe gegebenen Sach- und Rechtslage nicht rechtswidrig im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, weil der Kläger in dem Zeitraum vom 01. Januar 2006 bis zum 16. Dezember 2009 im Hinblick auf den behaupteten krankheitsbedingten erhöhten Bedarf an Haushaltsenergie keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hatte. Zwar war der Kläger in diesem Zeitraum Berechtigter im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II, weil er das 15. Lebensjahr vollendet, nicht jedoch die Altersgrenze des § 7a SGB II erreicht hatte, erwerbsfähig und auch durchgehend hilfebedürftig war (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Jedoch ist dem Kläger, wie das SG im Gerichtsbescheid vom 9. November 2010 zurecht festgestellt hat, ALG II in Gestalt des Regelsatzes in der gesetzlichen Höhe bewilligt worden. Ein Mehrbedarf steht ihm nicht zu. Insofern nimmt der Senat auf die Darlegungen des SG Bezug und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend weist der Senat im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren daraufhin, dass das Bundessozialgericht (beispielsweise Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 48/08 R -; Beschluss vom 26. Mai 2010 - B 4 AS 7/10 B -) wiederholt festgestellt hat, dass die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts auch die Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile umfasst (vgl. § 20 Abs. 1 SGB II in der seit 01. August 2006 geänderten Fassung). Bereits für die Rechtslage vor dieser Klarstellung in § 20 Abs. 1 SGB II (in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung) kam eine zusätzliche Übernahme von Stromkosten im Rahmen von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts über die in § 20 SGB II a. F. normierte Regelleistung hinaus nicht in Betracht. Auch unter dem Gesichtspunkt eines Härtefalls im Sinne des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 09. Februar 2010, wonach zwar die typischen Bedarfe zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag gedeckt werden können, jedoch für darüberhinausgehende unabweisbare, laufende, nicht nur einmalige, besondere Bedarfe ein zusätzlicher Leistungsanspruch einzuräumen ist, der sich unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz i. V. mit Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz ergibt und seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geltend gemacht werden kann, bzw. im Sinne der Härtefallregelung des § 73 SGB XII (für die Zeit bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts) oder des § 21 Abs. 6 SGB II in der ab 03. Juni 2010 geltenden Fassung kommt ein Anspruch des Klägers weder gegen den Beklagten noch den Sozialhilfeträger in Betracht, so dass die Beiladung des Sozialhilfeträgers unterbleiben konnte. Wie das SG richtig erkannt hat, fehlt es an einem unabweisbaren Bedarf, da der vom Kläger geltend gemachte medizinische Behandlungsbedarf seiner Wirbelsäulenbeschwerden durch das vorrangige Leistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung (SGB V) abgedeckt wird. Der Kläger, der bei der A. versichert ist und für den der Beklagte Beiträge zur Krankenversicherung erbringt, hat Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn dieses notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Die Krankenbehandlung umfasst unter anderem ärztliche Behandlung und die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 SGB V). Damit ist die ärztliche Behandlung sowohl durch den Hausarzt als auch durch einen Facharzt (Orthopäde, Neurologe, Schmerztherapeut etc.), eine medikamentöse Behandlung und eine Versorgung mit Heilmitteln (beispielsweise physikalische Therapie mit Massagetherapie, Bewegungstherapien etc.) und Hilfsmitteln sichergestellt. Ausweislich der nationalen Versorgungsleitlinie Kreuzschmerzen, herausgegeben von der Bundesärztekammer, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich medizinischen Fachgesellschaften (Stand November 2010), werden bei chronischen nichtspezifischen Kreuzschmerzen Bewegungstherapie, Entspannungsverfahren, ergotherapeutische Maßnahmen im Rahmen multimodaler Behandlungsprogramme, Rückenschule, Verhaltenstherapie, medikamentöse Therapie mit traditionellen nichtsteroidalen Antirheumatika, gegebenenfalls mit Opioid-Analgetika und gegebenenfalls eine multimodale Behandlung empfohlen. Nach dieser Leitlinie soll zur Behandlung chronischer nicht spezifischer Kreuzschmerzen eine Wärmetherapie nicht verordnet werden. Die leitliniengerechte Behandlung des Klägers ist vollständig durch das System der gesetzlichen Krankenversicherung gesichert. Unabhängig davon, dass eine Verschreibung von thermotherapeutischen Maßnahmen aufgrund der fehlenden Wirksamkeitsnachweise nicht gerechtfertigt erscheint und ob die vom Kläger durchgeführte Bestrahlung mit der Wärmelampe überhaupt eine medizinische Behandlungsmaßnahme darstellt, sind die übrigen Kosten für die Gesundheitsfürsorge, die nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse umfasst und dem Bereich der Eigenverantwortung des Versicherten zugeordnet sind, in der Regelleistung abgebildet und vom Hilfebedürftigen nach dem SGB II selbst zu zahlen (vgl. BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 - B 14 AS 146/10 R -). Warum es dem Kläger nicht möglich sein soll, regelmäßig die ihm im System der gesetzlichen Krankenversicherung als Sachleistung zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten an seinem Wohnort, der Stadt L., in der u.a. Allgemeinärzte, Fachärzte und Krankengymnasten niedergelassen sind, in Anspruch zu nehmen und dadurch seinen Gesundheitszustand nachhaltig zu stabilisieren und zu verbessern, ist dem Senat nicht ersichtlich.
Schließlich scheitert ein Anspruch auf einen Mehrbedarf für den Zeitraum der Verbüßung der Freiheitsstrafe vom 9. November 2005 bis zum 5. Mai 2006 bereits daran, dass der Kläger in dieser Zeit in der Justizvollzugsanstalt Ravensburg untergebracht war und ihm keine Aufwendungen für Haushaltsenergie entstanden sind. Zudem ist für die Zeit bis August 2009 eine Notwendigkeit der "Wärmetherapie" mittels Rotlichtlampe nicht nachgewiesen, nachdem dem Kläger erst im September 2009 durch den Neurologen und Psychiater Dr. N. eine Wärmelampe verordnet worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X darüber, ob der Kläger höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Hinblick auf einen von ihm behaupteten krankheitsbedingten höheren Bedarf an Haushaltsenergie verlangen kann.
Der 1957 geborene erwerbsfähige Kläger, der über kein Einkommen und Vermögen verfügt, bezieht laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II durch den Beklagten.
Der Beklagte gewährte dem Kläger während seiner Strafhaft vom 9. November 2005 bis zum 5. Mai 2006 Leistungen für Kosten der Unterkunft (Bescheide vom 5. April 2006 und vom 31. Januar 2007) und für die Bewilligungsabschnitte vom 1. Mai 2006 bis zum 30. April 2007 (Bescheide vom 15. Mai 2006, vom 15. November 2006, vom 11. Dezember 2006 und 31. Januar 2007), vom 1. Mai 2007 bis zum 30. April 2008 (Bescheide vom 4. Juni 2007, 16. Oktober 2007), vom 1. Mai 2008 bis zum 30. April 2009 (Bescheid vom 22. April 2008) und vom 1. Mai 2009 bis zum 30. April 2010 (Bescheide vom 27. April 2009 und vom 2. Juni 2009) Leistungen unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelleistung und der angemessenen Unterkunfts- und Heizkosten.
Im September 2009 verordnete der Neurologe und Psychiater Dr. N. dem Kläger eine Wärmelampe, jedoch lehnte die Krankenkasse des Klägers, die A. B.-W., eine entsprechende Kostenübernahme ab. Ausweislich eines ärztlichen Attestes von Dr. N. vom 28. April 2010 solle ein beim Kläger bestehendes chronisches Cervikalsyndrom mittels Wärmeapplikation mit einer Rotlichtlampe behandelt werden.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2009 machte der Kläger die Notwendigkeit der Gewährung eines Mehrbedarfs wegen höherer Stromkosten aus medizinischen Gründen geltend. Der Beklagte lehnte eine Änderung seiner Bewilligungsentscheidung für den aktuellen Bewilligungsabschnitt ab (Bescheid vom 7. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Februar 2010; SG Ulm, Gerichtsbescheid vom 19. November 2010 - S 11 AS 500/10 -; Senatsurteil vom 18. November 2011 - L 12 AS 5645/10 -).
Mit Fax vom 16. Februar 2010 beantragte der Kläger die Überprüfung der bisher ergangenen Bewilligungsbescheide wegen medizinisch begründeter Stromkosten. Der Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag durch Bescheid vom 25. Februar 2010 ab. Die Kosten für den Allgemeinstrom seien in der Regelleistung enthalten.
Dagegen hat der Kläger am 26. Februar 2010 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Die Lampe sei medizinisch verordnet und notwendig. Die damit zusammenhängenden Kosten seien einfach zu berechnen.
Das SG hat das Verfahren zur Durchführung des Vorverfahrens ausgesetzt (Beschluss vom 11. Mai 2010). Der Beklagte wies den klägerischen Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2010 als unbegründet zurück.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 9. November 2010 die Klage gegen den Bescheid vom 25. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2010 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass der Beklagte zutreffend die teilweise Rücknahme der in der Vergangenheit erlassenen Bewilligungsbescheide abgelehnt habe, da er bei Erlass der Verwaltungsakte das Recht nicht unrichtig angewandt habe und auch nicht von einem falschen Sachverhalt ausgegangen sei. Dementsprechend seien dem Kläger keine Sozialleistungen zu Unrecht nicht oder in geringerer Höhe erbracht worden, so dass eine Nachzahlung gem. § 44 Abs. 4 S. 1 SGB X nicht in Betracht komme. Der Kläger habe zwar dem Grunde nach einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II (Alg II), denn er sei erwerbsfähig, hilfebedürftig und erfülle sämtliche Anspruchsvoraussetzungen im Sinne der §§ 7, 8, 9 und § 19 Satz 1 SGB II, jedoch habe er keinen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen, denn der etwaige - zu Gunsten des Klägers als wahr unterstellte - erhöhte Stromverbrauch rechtfertige nicht die Bewilligung höherer Leistungen. Maßgebend sei, dass Haushaltsenergiekosten von der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II umfasst seien (unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 26. Mai 2010 - B 4 AS 7/10 B -). Die Regelleistung umfasse insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat und Haushaltsenergie (ohne die auf die Heizung entfallenen Anteile). Bereits unter Geltung des § 20 Abs. 1 SGB II a. F. seien die Kosten für Haushaltsenergie von der Regelleistung mit umfasst gewesen (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/11 AS 15/7 R -). Die Gewährung einer höheren Regelleistung sei aber nach dem SGB II grundsätzlich nicht möglich. Das BSG habe mehrfach zutreffend klargestellt, dass eine abweichende Festsetzung der pauschalierten Regelleistung durch die Gerichte grundsätzlich nicht möglich sei (unter Hinweis auf BSGE 97, 242; BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009 - B 14 AS 44/08 R -). Vorliegend könne auch auf Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09) der streitige Anspruch nicht begründet werden. Das Bundesverfassungsgericht habe zunächst klargestellt, dass es grundsätzlich nicht zu beanstanden sei, dass der Gesetzgeber die Bedarfe der Hilfebedürftigen pauschal mit der Regelleistung nach § 20 SGB II bzw. dem Sozialgeld nach § 28 SGB XII abgegolten habe, und dass hierunter auch die Haushaltsenergie falle. Ob die Regelleistung insgesamt bisher zu niedrig bemessen gewesen sei, könne dahinstehen, denn das Bundesverfassungsgericht habe ausdrücklich bestimmt, dass der Gesetzgeber erst bis spätestens zum 31. Dezember 2010 die Regelleistung mit Wirkung für die Zukunft neu festsetzen müsse. Vor dem Zeitpunkt dieser Entscheidung könnten Hilfebedürftige nicht über die im SGB II normierten Leistungen hinaus Leistungen beanspruchen (unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24. März 2010 - 1 BvL 395/09 -). Schließlich komme die Gewährung höherer Leistungen auch nicht nach § 21 Abs. 6 SGB II in Betracht. Diese Regelung sei zum einen erst am 02. Juni 2010 durch das Gesetz zur Abschaffung des Finanzplanungsrats und zur Übertragung der fortzuführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung weiterer Gesetze im Bundesgesetzblatt verkündet worden und zu diesem Zeitpunkt in Kraft getreten. Vorliegend sei aber selbst unter Anwendung dieser neuen Bestimmung des § 21 Abs. 6 SGB II die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen. Gemäß § 21 Abs. 6 SGB II erhielten erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Mehrbedarf, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf bestehe. Der Mehrbedarf sei nur dann unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch Zuwendung Dritter, sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen gedeckt werden könne und dieser einmalige Bedarf sei nur dann ein besonderer Bedarf, wenn er seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweiche. Gemessen hieran sei der streitige Anspruch des Klägers nicht herzuleiten. Zum einen sei zu berücksichtigen, dass die - als wahr unterstellte zugrunde liegende Erkrankung des Klägers - nicht bzw. keinesfalls ausschließlich mittels des Einsatzes einer ärztlich verordneten Wärmelampe behandelt werden könne (unter Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 09. September 2010 - L 13 AS 3811/10 ER-B). Folglich liege ein unabweisbarer Bedarf nicht vor. Zudem sei auch im Hinblick auf die Höhe etwaiger zusätzlicher Stromkosten § 21 Abs. 6 SGB II nicht einschlägig, denn nach Auffassung der Kammer begründe auch ein etwaiger erhöhter Stromverbrauch keinen besonderen Bedarf. In der Gesetzesbegründung zu § 21 Abs. 6 SGB II werde nämlich vor dem Hintergrund der obigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgeführt, dass der unabweisbare Bedarf so erheblich sein müsse, dass die Gesamtsumme der dem Hilfebedürftigen bewilligten Leistungen das menschenwürdige Existenzminimum nicht mehr gewährleiste. Nach Auffassung der Kammer sei selbst bei einem erhöhten Stromverbrauch das menschenwürdige Existenzminimum des Klägers durchaus noch gewährleistet. Schließlich sei auch eine notwendige sogenannte atypische Bedarfslage, die einen Bezug zu Grundrechten aufweisen müsse, vorliegend nicht gegeben. Die Nutzung einer Wärmelampe wegen eines Wirbelsäulensyndroms begründe nach Auffassung der Kammer nämlich keine atypische Bedarfslage. Denn eine Vielzahl von Leistungsempfängern litten an Wirbelsäulensyndromen und für die Behandlung von Wirbelsäulenbeschwerden stünden diverse Behandlungsmaßnahmen zur Verfügung, deren Kosten durch die Krankenversicherung gedeckt seien (beispielsweise Massage, Fango, medikamentöse Behandlung, Krankengymnastik, etc.). Folglich könne die Nutzung einer Wärmelampe nicht als atypische Bedarfslage anerkannt werden.
Gegen den ihm am 12. November 2010 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am gleichen Tag eingelegte Berufung des Klägers. Es bestehe ein Mehrbedarf aus medizinischen Gründen.
Der Kläger beantragt,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 9. November 2010 aufzuheben, 2. den Bescheid vom 25. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die seit dem 25. November 2005 ergangenen Bewilligungsbescheide zurückzunehmen und dem Kläger höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen eines krankheitsbedingt höheren Bedarfs an Haushaltsenergie für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 16. Dezember 2009 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verweist zur Begründung auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.
1. Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und zulässig, da Berufungsausschlussgründe nicht vorliegen (vgl. § 144 Abs. 1 SGG).
2. Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 25. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2010, mit dem der Beklagte den Antrag auf Überprüfung der in der Vergangenheit erlassenen Bewilligungsbescheide hinsichtlich des zusätzlich zur Regelleistung geltend gemachten Mehrbedarfs abgelehnt hat. Das Vorbringen des Klägers in seinem Schreiben vom 16. Februar 2010 ist dabei dahin auszulegen, dass er die Notwendigkeit der Gewährung eines Mehrbedarfs wegen der Kosten, die aufgrund der chronischen Wirbelsäulenerkrankung behauptet werden, für die Vergangenheit und eine entsprechende Überprüfung der bestandskräftigen Bewilligungsbescheide geltend macht. Auf diesen Antrag hin hat der Beklagte seine Bewilligungsentscheidungen für die Zeit bis zum 16. Dezember 2009 überprüft, nachdem der Zeitraum vom 17. Dezember 2009 bis zum 30. April 2010 bereits Gegenstand der gesonderten Entscheidung (Bescheid vom 7. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Februar 2010; SG Ulm, Gerichtsbescheid vom 19. November 2010 - S 11 AS 500/10 -; Senatsurteil vom 18. November 2011 - L 12 AS 5645/10 -) ist. In der Sache macht der Kläger höhere laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Kosten der Unterkunft und Heizung geltend, was er in der mündlichen Verhandlung vom 18. November 2011 ausdrücklich klargestellt hat. Die Gewährung eines Mehrbedarfs kann von dem Kläger nicht zulässigerweise zum isolierten Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens bestimmt werden, denn die Regelungen des Beklagten über die laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (mit Ausnahme der Kosten der Unterkunft) lassen sich in rechtlich zulässiger Weise nicht in weitere Streitgegenstände aufspalten (vgl. BSGE 104, 48; BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 - B 14 AS 146/10 R -).
3. Der Bescheid des Beklagten vom 25. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2010 stellt sich als rechtmäßig dar und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Rücknahme der in der Zeit seit dem 25. November 2005 erlassenen Bewilligungsbescheide und auf die Gewährung einer höheren Regelleistung oder eines Mehrbedarfs für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 16. Dezember 2009.
§ 40 Abs. 1 S. 1 SGB II i. V. m. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X bestimmt, dass ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften des besonderen Teils dieses Gesetzbuches längstens für ein Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X; § 40 Abs. 1 S. 2 SGB II ist gem. § 77 Abs. 13 SGB II auf den im Februar 2010 gestellten Überprüfungsantrag nicht anwendbar). Die zu überprüfenden Bewilligungsbescheide des Beklagten waren anfänglich, d. h. nach der im Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe gegebenen Sach- und Rechtslage nicht rechtswidrig im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, weil der Kläger in dem Zeitraum vom 01. Januar 2006 bis zum 16. Dezember 2009 im Hinblick auf den behaupteten krankheitsbedingten erhöhten Bedarf an Haushaltsenergie keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hatte. Zwar war der Kläger in diesem Zeitraum Berechtigter im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II, weil er das 15. Lebensjahr vollendet, nicht jedoch die Altersgrenze des § 7a SGB II erreicht hatte, erwerbsfähig und auch durchgehend hilfebedürftig war (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Jedoch ist dem Kläger, wie das SG im Gerichtsbescheid vom 9. November 2010 zurecht festgestellt hat, ALG II in Gestalt des Regelsatzes in der gesetzlichen Höhe bewilligt worden. Ein Mehrbedarf steht ihm nicht zu. Insofern nimmt der Senat auf die Darlegungen des SG Bezug und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend weist der Senat im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren daraufhin, dass das Bundessozialgericht (beispielsweise Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 48/08 R -; Beschluss vom 26. Mai 2010 - B 4 AS 7/10 B -) wiederholt festgestellt hat, dass die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts auch die Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile umfasst (vgl. § 20 Abs. 1 SGB II in der seit 01. August 2006 geänderten Fassung). Bereits für die Rechtslage vor dieser Klarstellung in § 20 Abs. 1 SGB II (in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung) kam eine zusätzliche Übernahme von Stromkosten im Rahmen von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts über die in § 20 SGB II a. F. normierte Regelleistung hinaus nicht in Betracht. Auch unter dem Gesichtspunkt eines Härtefalls im Sinne des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 09. Februar 2010, wonach zwar die typischen Bedarfe zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag gedeckt werden können, jedoch für darüberhinausgehende unabweisbare, laufende, nicht nur einmalige, besondere Bedarfe ein zusätzlicher Leistungsanspruch einzuräumen ist, der sich unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz i. V. mit Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz ergibt und seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geltend gemacht werden kann, bzw. im Sinne der Härtefallregelung des § 73 SGB XII (für die Zeit bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts) oder des § 21 Abs. 6 SGB II in der ab 03. Juni 2010 geltenden Fassung kommt ein Anspruch des Klägers weder gegen den Beklagten noch den Sozialhilfeträger in Betracht, so dass die Beiladung des Sozialhilfeträgers unterbleiben konnte. Wie das SG richtig erkannt hat, fehlt es an einem unabweisbaren Bedarf, da der vom Kläger geltend gemachte medizinische Behandlungsbedarf seiner Wirbelsäulenbeschwerden durch das vorrangige Leistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung (SGB V) abgedeckt wird. Der Kläger, der bei der A. versichert ist und für den der Beklagte Beiträge zur Krankenversicherung erbringt, hat Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn dieses notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Die Krankenbehandlung umfasst unter anderem ärztliche Behandlung und die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 SGB V). Damit ist die ärztliche Behandlung sowohl durch den Hausarzt als auch durch einen Facharzt (Orthopäde, Neurologe, Schmerztherapeut etc.), eine medikamentöse Behandlung und eine Versorgung mit Heilmitteln (beispielsweise physikalische Therapie mit Massagetherapie, Bewegungstherapien etc.) und Hilfsmitteln sichergestellt. Ausweislich der nationalen Versorgungsleitlinie Kreuzschmerzen, herausgegeben von der Bundesärztekammer, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich medizinischen Fachgesellschaften (Stand November 2010), werden bei chronischen nichtspezifischen Kreuzschmerzen Bewegungstherapie, Entspannungsverfahren, ergotherapeutische Maßnahmen im Rahmen multimodaler Behandlungsprogramme, Rückenschule, Verhaltenstherapie, medikamentöse Therapie mit traditionellen nichtsteroidalen Antirheumatika, gegebenenfalls mit Opioid-Analgetika und gegebenenfalls eine multimodale Behandlung empfohlen. Nach dieser Leitlinie soll zur Behandlung chronischer nicht spezifischer Kreuzschmerzen eine Wärmetherapie nicht verordnet werden. Die leitliniengerechte Behandlung des Klägers ist vollständig durch das System der gesetzlichen Krankenversicherung gesichert. Unabhängig davon, dass eine Verschreibung von thermotherapeutischen Maßnahmen aufgrund der fehlenden Wirksamkeitsnachweise nicht gerechtfertigt erscheint und ob die vom Kläger durchgeführte Bestrahlung mit der Wärmelampe überhaupt eine medizinische Behandlungsmaßnahme darstellt, sind die übrigen Kosten für die Gesundheitsfürsorge, die nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse umfasst und dem Bereich der Eigenverantwortung des Versicherten zugeordnet sind, in der Regelleistung abgebildet und vom Hilfebedürftigen nach dem SGB II selbst zu zahlen (vgl. BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 - B 14 AS 146/10 R -). Warum es dem Kläger nicht möglich sein soll, regelmäßig die ihm im System der gesetzlichen Krankenversicherung als Sachleistung zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten an seinem Wohnort, der Stadt L., in der u.a. Allgemeinärzte, Fachärzte und Krankengymnasten niedergelassen sind, in Anspruch zu nehmen und dadurch seinen Gesundheitszustand nachhaltig zu stabilisieren und zu verbessern, ist dem Senat nicht ersichtlich.
Schließlich scheitert ein Anspruch auf einen Mehrbedarf für den Zeitraum der Verbüßung der Freiheitsstrafe vom 9. November 2005 bis zum 5. Mai 2006 bereits daran, dass der Kläger in dieser Zeit in der Justizvollzugsanstalt Ravensburg untergebracht war und ihm keine Aufwendungen für Haushaltsenergie entstanden sind. Zudem ist für die Zeit bis August 2009 eine Notwendigkeit der "Wärmetherapie" mittels Rotlichtlampe nicht nachgewiesen, nachdem dem Kläger erst im September 2009 durch den Neurologen und Psychiater Dr. N. eine Wärmelampe verordnet worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
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