L 3 U 57/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 98 U 485/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 57/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Januar 2009 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt eine Verletztenrente nach einem Arbeitsunfall.

Während seiner Arbeit als Glas- und Gebäudereiniger fiel der Kläger am 22. Juni 2004 von einer Leiter und zog sich eine Calcaneus (Fersenbein)-Trümmerfraktur links zu, die in der Charité – C Klinikum – operativ mit einer Plattenosteosynthese versorgt wurde. In der Folgezeit befand sich der Kläger bei der Fachärztin für Chirurgie Dipl.-Med. K in ambulanter Heilbehandlung. Ab dem 01. April 2005 war der Kläger nach Durchführung einer mehrwöchigen Belastungserprobung nach einer Mitteilung von Dipl.-Med. K (vom 20. April 2005), die vermerkte, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) weniger als 20 v. H. betrage, wieder arbeitsfähig. In einem weiteren Zwischenbericht (vom 18. November 2005) teilte Dipl.-Med. K demgegenüber mit, dass sie von einer MdE in rentenberechtigender Höhe ausgehe.

Die Beklagte beauftragte daraufhin den Facharzt für Chirurgie Dr. G mit der Erstellung eines ersten Rentengutachtens. In seinem gemeinsam mit Dr. S erstellten Gutachten vom 23. Januar 2006 nebst ergänzender Stellungnahme vom 17. Februar 2006 stellte dieser fest, dass beim Kläger eine konsolidierte Calcaneusfraktur links mit abgeflachtem Böhlerwinkel und radiologischen Zeichen einer sekundär posttraumatischen Arthrose im oberen und unteren Sprunggelenk, leichtgradige Bewegungseinschränkungen im oberen Sprunggelenk für die Plantarflexion, eine Weichteilschwellung im Bereich des Sprunggelenkes, eine Muskelumfangsminderung des linken Beines im Ober- und Unterschenkel-Bereich von 1 bzw. 1,5 cm, belastungsabhängige Schmerzen des linken Sprunggelenkes und ein leicht gestörtes Abrollverhalten des linken Fußes vorlägen. Insgesamt müsse von einer entstehenden, posttraumatischen und unter Berücksichtigung des üblichen Verlaufs fortschreitenden Arthrosebildung sowohl im unteren Sprunggelenk als auch im oberen Sprunggelenk ausgegangen werden. Die unfallbedingte MdE betrage ab dem 17. Januar 2005 (Untersuchung des Klägers) 20 v. H ...

Der Facharzt für Chirurgie Dr. H teilte als beratender Arzt der Beklagten (am 21. März 2006) mit, dass die erhobenen Befunde lediglich einer MdE von 10 v. H. entsprechen würden.

Durch Bescheid vom 28. März 2006 erkannte die Beklagte den Unfall als Arbeitsunfall und als dessen Folgen eine geringgradige Bewegungseinschränkung im linken oberen Sprunggelenk, ein gestörtes Abrollverhalten des linken Fußes, eine Muskelminderung im Bereich des linken Ober- und Unterschenkels, eine Weichteilschwellung im Bereich des linken Sprunggelenkes sowie eine beginnende Arthrosebildung im oberen Sprunggelenk und unteren Sprunggelenk nach Fersenbeinfraktur links an, lehnte aber die Zahlung einer Verletztenrente ab, da die MdE weniger als 20 v. H. betrage.

Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch trug der Kläger vor, seine Lebensqualität sei aufgrund der Unfallfolgen stark vermindert, ihm seien keine sportlichen Aktivitäten mehr möglich, er müsse regelmäßig Schmerzmittel einnehmen, außerdem könne er nur noch Schuhe in unterschiedlichen Größen rechts und links tragen.

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2006 als unbegründet zurück. Nach den in der Literatur überlieferten Erfahrungswerten komme eine MdE von wenigstens 20 v. H. bei einer Fersenbeinfraktur erst bei einer deutlichen Abflachung des Tuber-Gelenkwinkels mit einer mittelgradigen Arthrose und schmerzhafter Wackelsteife des unteren Sprunggelenkes in Betracht.

Mit seiner hiergegen vor dem Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.

Das SG Berlin hat den Facharzt für Orthopädie Dr. W mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Der Sachverständige ist in seinem Gutachten vom 18. April 2007 zur Feststellung folgender - unfallbedingter - Gesundheitsstörungen gekommen: Z. n. knöchern konsolidierter Calcaneusfraktur mit geringgradiger Veränderung des Tuber-Gelenkwinkels, posttraumatische Arthrose des linken unteren Sprunggelenk, radiologisch erkennbare, posttraumatische Veränderungen im Rückfußbereich, operativ bedingte Narbe mit umgebenden Weichteilveränderungen (geringgradig). Unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers lasse sich jedoch eine erst nach mehrstündiger körperlicher Belastung auftretende Schmerzhaftigkeit ohne nennenswerte Weichteilreaktionen feststellen, die mit Schmerzmitteln und einer Einlagenversorgung beherrschbar sei. Eine Gehstreckenbegrenzung im Alltag liege nicht vor, jedoch seien spezifische Sportarten (Fußball, Joggen, Volleyball) eingeschränkt. Bis auf eine umschriebene Hypästhesie im Narbenverlauf seien keine weiteren sensomotorischen Veränderungen oder neurologischen Ausfälle im Bereich des Beines feststellbar. Die arterielle Durchblutung sei intakt. Bei der Prüfung der Beweglichkeiten seien lediglich geringe Einschränkungen bei der Fußhebung/-senkung beim oberen Sprunggelenk aufgefallen. Im unteren Sprunggelenk sei anteilmäßig die Fußinnenrandhebung (Supination) hälftig im Seitenvergleich eingeschränkt, was einer Bewegungsbeeinträchtigung von etwa einem Drittel, also in gering- bis mittelgradigem Umfang, entspreche. Bei der Bewegung selbst seien keine Schmerzen genannt worden, Gelenkkrepitationen seien nicht zu vernehmen gewesen. Die Zehenbeweglichkeit und die Funktionalität der Knie- und Hüftgelenke seien altersgemäß gewesen. Äußerlich seien keine Seitendifferenzen der Fußstatik aufgefallen. Die Röntgenaufnahmen zeigten das Fersenbein leichtgradig abgeflacht, was sich auch an dem veränderten Tuber-Gelenkwinkel messen lasse. Die Beschwielung sei seitengleich und normal, ein abnormes Abriebmuster an der linken Fußsohle habe nicht vorgelegen. Die Bandsituation des Fußes sei stabil gewesen, so dass sich ein dekompensierter Zustand der Fußstatik durch die leichtgradige Abflachung des Fersenbeines nicht entwickelt habe. Zwar zeigten die bildgebenden Befunde degenerative, posttraumatische Veränderungen, insbesondere im Bereich des zentralen und hinteren unteren Sprunggelenkes, jedoch sei eine wesentliche Fehlstellung des Rückfußes bzw. eine erhebliche Deformierung im Fersenbereich nicht eingetreten. Die von Dr. G/S hervorgehobene, möglicherweise in den nächsten Jahren entstehende Sprunggelenksdegeneration sei rein spekulativ und könne nicht Grundlage für die aktuelle Bemessung sein. Hiernach lasse sich die MdE mit Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit ab dem 01. April 2005 durchgehend bis heute nur mit 10 v. H. einschätzen.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Fachärztin für Chirurgie Dipl.-Med. K vom SG Berlin mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt worden. Die Sachverständige hat in ihrem am 03. März 2008 erstatteten Gutachten sowie in dem vorab übersandten Schreiben vom 29. August 2007, dem ein Zwischenbericht der Charité – CKlinikum -, Klinik für Orthopädie, vom 21. Februar 2007 betreffend die Implantatentfernung beigefügt war, folgende gesundheitliche Störungen am linken Bein/Fuß festgestellt: Eingeschränkte Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk (fast um die Hälfte) und im unteren Sprungsgelenk (mehr als die Hälfte), Muskelminderung im Bereich des Ober- und Unterschenkels (bis zu 2,5 cm), geringe Sensibilitätsstörungen unterhalb der Narbe, gestörtes Abrollverhalten des linken Fußes beim schnellen Gehen und auf unebenen Flächen, Abflachung des linken Calcaneus und Veränderung des Tuber-Gelenkwinkels, posttraumatische Sprunggelenks-Arthrose links, Schwellung, Schmerzen, Erwärmung nach Belastung, periarticuläre Verkalkungen im Sprunggelenk sowie Luxation und Fehllage der Peronaeussehne mit ausgeprägter Tendinits. Sie habe den Kläger am 28. Juni 2006 und am 15. Juli 2007 untersucht, zuletzt nach einem langen Arbeitstag als Gebäudereiniger. Dabei seien die Schwellungen am linken Knöchel nach Belastung verstärkt gewesen, es habe ein starker Druckschmerz bestanden. Der Vorgutachter Dr. W sei nicht auf die Folgen der Verletzung der Peronaeussehne eingegangen, die sich in einer Fehllage befinde, eine chronische Tendinitis zeige und Schmerzen am Schuhrand und beim Auflegen verursache. Die Schwellung sei deutlich, bei der Messung über dem Kahnbeinrist habe eine Umfangsdifferenz von 2 cm bestanden. Die Beweglichkeit im unteren Sprunggelenk sei bei der Supination um die Hälfte und bei der Pronation um drei Viertel reduziert gewesen. In die Hocke zu gehen, sei dem Kläger nur bei Anheben der linke Ferse möglich gewesen. Es bestehe hiernach eine relevante Funktionsstörung im linken Sprunggelenk und Fersenbein, die jetzt und in Zukunft eine MdE von 20 v. H. - nicht wie ursprünglich versehentlich als unter 20 v. H. liegend angegeben - rechtfertige. Auch im Gutachten Dr. G werde eine MdE von 20 v. H. für angemessen erachtet, dabei werde die eingeschränkte Beweglichkeit im unteren Sprunggelenk gar nicht erwähnt. Demgegenüber gehe Dr. W auf die Muskelverschmälerung, die herabgesetzte Hornhautbeschwielung links, die Schwierigkeiten beim in die Hocke gehen und die starke Schwellung mit Überwärmung und Schmerz nach der Arbeit überhaupt nicht ein. Zusätzlich behindere die luxierte Sehne, die bei Kontakt jeglicher Art schmerze, im täglichen Alltag und bei der Arbeit sehr. Die MdE betrage vom 01. April bis zum 31. Mai 2005 30 v. H., da die Beweglichkeit (Heben/Senken 15-0-15), auch das untere Sprunggelenk und die Zehen in der Beweglichkeit stark eingeschränkt gewesen seien und die Schwellung sich bis auf den distalen Unterschenkel erstreckt habe, und vom 01. Juni 2005 bis zum 31. März 2007 25 v. H., da nur eine langsame Besserung, auch bei Arbeiten auf Leitern, eingetreten sei. Während des stationären Aufenthalts vom 16. bis zum 21. Februar 2007 betrage die MdE 100 v. H. und ab dem 01. April 2007 anhaltend 20 v. H ...

Der Sachverständige Dr. W hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom 19. Mai 2008 ausgeführt, dass er die von Dipl.-Med. K festgestellten Bewegungsdefizite und entzündlichen Veränderungen der Weichteile bei seiner Untersuchung am 18. April 2007 nicht habe feststellen können. Auch bei ihrer Untersuchung sei dem Kläger der Zehen- und Hackengang möglich gewesen, sogar ein Abrollen im Barfußgang unter kontrolliertem Laufen, was definitiv nicht für eine nennenswerte Beeinträchtigung des Gehvermögens spreche. Dipl.-Med. K gehe auch nicht auf die weitestgehend unauffällige Fußstatik ein. Auch sei die plantare Beschwielung der Fußsohlen ebenso wenig seitenunterschiedlich gewesen. Die Muskelumfangsminderung (1,0 bis 1,5 cm) sei nicht hochgradig und durch die chronische Kapselverschwellung (abgeheilte Narbe und reizfreie Situation) bedingt. Die Kriterien für eine MdE von 20 v. H. (deutliche Abflachung des Gelenkwinkels, mittelgradige Arthrose, schmerzhafte Wackelsteifigkeit des unteren Sprunggelenkes, Fehlstellungen im Rückfuß) hätten nicht nachgewiesen werden können.

Dr. W hat auf Anforderung des Sozialgerichts nach erneuter Untersuchung des Klägers zur Abklärung der differierenden Untersuchungsbefunde von Dipl.-Med. K am 31. Oktober 2008 eine weitere Stellungnahme abgegeben. Nach Angaben des Klägers würden sich die Beschwerden am linken Fuß/Knöchel unter mehrstündiger beruflicher Belastung entwickeln, im Alltag ohne berufliche Anforderungen bestünden jedoch keine nennenswerten Probleme, Schmerzmittel würden nur bedarfsweise eingesetzt. Zur Untersuchung am Nachmittag (um 14:00 Uhr) sei der Kläger in Arbeitskleidung erschienen und habe Turnschuhe mit Einlagen getragen. Das Gangbild sei flüssig und ohne ein Entlastungshinken gewesen, Belastungsschmerzen seien nicht genannt worden. Er habe Zehenspitzen-, Fersen- und Einbandstand auch links stehend ohne Schmerzangabe vorgeführt, auch das tiefe Abhocken sei möglich gewesen, wobei der Fersen-Fußbodenabstand hierbei beidseits 2 cm betragen habe. Die Untersuchungen hätten ein Bewegungsdefizit im linken Sprunggelenk um etwa zwei Fünftel ergeben. Bestätigt werden könne die leichtgradige Subluxationsstellung der linken Peronealsehne ohne entzündliche Umgebungsreaktion oder Auswirkung auf die aktive Bewegungsführung und Kraftentwicklung an diesem Gelenk, die in die Untersuchungsergebnisse eingehe und keine einzelne Veränderung darstelle. Hinsichtlich der Messwerte der Dipl.-Med. K sei keine Übereinstimmung erzielt worden. Im Oberschenkel- und im kniegelenksnahen muskulären Bereich habe erneut ein seitengleicher Umfang vorgelegen. Die Differenzen hätten allenfalls max. 0,5 cm betragen, in der Wadenmitte 1,3 cm, aber nicht 2, 5 cm. Die Funktionseinschränkungen entsprächen denjenigen eines Fersenbeinbruchs mit geringfügig verändertem Tuber-Calcaneus-Gelenkwinkel und geringen sekundär-arthrotischen Veränderungen im unteren Sprunggelenk. Hierfür sei eine MdE von 10 v. H. ausreichend.

Der Kläger hat hiergegen eingewandt, dass Dr. W der Beklagten näher zu stehen scheine, als von einem unabhängigen Gutachter zu erwarten. Es sei den zutreffenden Ausführungen von Dipl.-Med. K zu folgen.

Das SG Berlin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27. Januar 2009 Frau Dipl.-Med. K und Herrn Dr. W als Sachverständige zu ihren jeweiligen Gutachten angehört; hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift des SG Berlin vom 27. Januar 2009 Bezug genommen.

Bei seiner persönlichen Anhörung hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung des SG erklärt, er arbeite wieder vollschichtig. Als Gebäudereiniger reinige er vor allen Dingen kleinere Läden oder Boutiquen, wo er die Fenster in der Regel mit der Stange putzen könne. Manchmal müsse er auch eine Anlehnleiter benutzen. Wenn er darauf stehe, habe er teilweise erhebliche Schmerzen. Außerdem sei der Knöchel schmerzempfindlich, Stiefel tragen könne er nicht mehr. Auf Aufforderung des Gerichts hat der Kläger seine Schuhe ausgezogen und seine Absätze gezeigt, die sich nach Feststellungen der Kammer nicht sichtbar unterschiedlich abgelaufenen gezeigt haben. Die Sachverständige Dipl.-Med. K hat dazu erklärt, dass sie bei der Fußstatik keine wesentlichen Unterschiede habe feststellen können.

Mit Urteil vom 27. Januar 2009 hat das SG Berlin die Klage abgewiesen und ausgeführt, beim Kläger seien unter Berücksichtigung des Gutachtens, der ergänzenden Stellungnahmen sowie Angaben in der mündlichen Verhandlung des Dr. W keine Unfallfolgen nachgewiesen, welche die Annahme einer MdE von wenigstens 20 v. H. rechtfertigen könnten. In der unfallversicherungsrechtlichen Literatur werde ein Fersenbeinbruch, welcher mit erheblichen – hier nicht vorliegenden – Funktionsstörungen einhergehe, mit einer MdE von 20 v. H. eingeschätzt (Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 11. Aufl. 2005, S. 171; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. Berlin 2003, S. 746). Beim Kläger lägen jedoch deutlich geringere funktionelle Auswirkungen vor, wie sich auch bereits daran zeige, dass sich der Umfang des verletzten und des gesunden Beines bis auf eine Differenz von 1,5 cm angeglichen hätten. Der Kläger sei in der Lage, seine Arbeit vollschichtig aufzunehmen und zu verrichten, wobei es sich um eine Tätigkeit handele, welche mit ständigem Gehen und Stehen vergleichsweise hohe Anforderungen an die Füße stelle. Als Hilfsmittel benötige er lediglich Einlagen. Dass er nunmehr links und rechts Schuhe unterschiedlicher Größe tragen müsse, sei zwar ärgerlich und mit zusätzlichen Kosten verbunden, welche ggf. die Beklagte zu tragen habe, gleichwohl rechtfertige dies keine höhere MdE, solange sich daraus keine funktionellen Einschränkungen ergeben würden. Auch die – zwar vorhandene – Abflachung des Tuber-Gelenkwinkels zeige keine Auswirkungen auf die Statik des Fußes, wie Dr. W in der mündlichen Verhandlung nochmals nachvollziehbar erläutert habe. Allein die beschriebenen Anlaufschwierigkeiten am Morgen und die Einnahme von Schmerzmitteln begründeten nicht die Annahme einer MdE von wenigstens 20 v. H ... Auch das Gutachten von Dipl.-Med. K rechtfertige keine höhere MdE. Sie habe zwar eine erhebliche Einschränkung der Beweglichkeit um die Hälfte im oberen Sprunggelenk und unteren Sprunggelenk festgestellt, allerdings ergäben sich aus ihrer Anhörung erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Messwerte. Die Sachverständige habe eingeräumt, dass die Messwerte subjektiv geprägt seien. Während dies für die Beweglichkeit im unteren Sprunggelenk (Fußinnen- bzw. -außenrandhebung) nachvollziehbar sei, gelte dies nicht für die Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk. Auch beschreibe Dipl.-Med. K trotz der vermeintlich bestehenden erheblichen Einschränkungen der Beweglichkeit nur vergleichsweise geringe funktionelle Einschränkungen. Zehen- und Hackengang seien möglich gewesen, das Abrollen auf unebener Unterlage ebenfalls. Das Gangbild des Klägers in Schuhen sei unauffällig gewesen, die von ihr festgestellte unterschiedliche Beschwielung der Füße und der Veränderung der Fußstatik habe sie in der mündlichen Verhandlung nicht näher beschreiben können. Die Verlagerung der Peronaeussehne, die dazu führe, dass der Kläger keine Stiefel mehr tragen könne, habe nur geringen Einfluss auf seine Erwerbsfähigkeit. Ebenso seien vor der operativen Entfernung des Osteosynthesematerials im Februar 2007 keine Einschränkungen, die eine MdE von wenigsten 20 v. H. rechtfertigen würden, dokumentiert, auch wenn im OP-Bericht darauf hingewiesen werde, dass die Beweglichkeit durch die Entfernung knöcherner Vorsprünge erheblich verbessert worden sei. Bei der Untersuchung durch Dr. G/Dr. S sei lediglich eine Einschränkung in der Fußsenkung um 10 Grad beschrieben worden. Zudem hätten nach den Befundungen von Frau Dipl. Med. K auch beim gesunden rechten Fuß mittelgradige Einschränkungen der Fußsenkung vorgelegen (20 Grad gegenüber dem normalen Bewegungsausmaß von 40 bis 50 Grad). Ebenso wenig zwinge das Gutachten von Dr. G/Dr. S zu einer Abweichung von der Einschätzung des Dr. W. Trotz des festgestellten Unfallfolgenzustandes würden lediglich leichtgradige funktionelle Defizite im Bereich des linken Sprunggelenkes beschrieben, außerdem werde auf das weiterhin vorhandene Muskeldefizit verwiesen. Bei nur leichtgradigen funktionellen Einschränkungen für Verletzungen im Bereich des Fersenbeines könne keinesfalls eine MdE von 20 v. H. angenommen werden. Dies gelte umso mehr, als Dr. G/Dr. S lediglich eine diskrete Muskelverschmälerung am linken Unterschenkel festgestellt hätten. Dort habe der Kläger ebenfalls den Zehen- und Hackenstand auf einem Bein durchführen, sowie die Hock- und Knieposition problemlos einnehmen können. Soweit im Gutachten darauf verwiesen werde, dass ein Fortschreiten der Arthrose im Bereich des linken Sprunggelenkes zu befürchten sei, rechtfertige dies nicht die Erhöhung der aktuellen MdE. Falls in der Zukunft aufgrund der Arthrose die funktionellen Einschränkungen zunehmen sollten, stehe es dem Kläger frei, einen Verschlimmerungsantrag zu stellen.

Mit seiner hiergegen eingelegten Berufung trägt der Kläger ergänzend vor, das Gericht habe das Gutachten von Dipl.-Med. K vom 03. März 2008 nicht ausreichend gewürdigt. Bei den festgestellten Beeinträchtigungen, insbesondere einer nach Fersenbeinbruch schmerzhaften Restbeweglichkeit, sei bereits die Annahme einer MdE von 20 v. H. angemessen, auch wenn diese nicht zu einer wesentlichen Störung der Achsenverhältnisse führe. Gleiches gelte für eine Abflachung des Tuber-Gelenkwinkels, eine mittelgradige Arthrose bei noch ausreichender Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk und in der Fußwurzel (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 746).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Januar 2009 aufzuheben und unter Abänderung des Bescheides vom 28. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2006 die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigsten 20 v. H. seit dem 01. April 2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG Berlin für überzeugend.

Mit Schreiben vom 26. Mai 2009 ist den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Entscheidung des Senats durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegeben worden. An dieser Absicht hat der Senat in den weiteren Schreiben vom 29. Juni und 30. November 2009 festgehalten. Zuletzt hat der Senat mit Schreiben vom 31. Mai 2011 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass – sofern keine Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter allein gemäß §§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und 4 SGG erteilt werde – im Beschlusswege nach § 153 Abs. 4 SGG entschieden werden soll.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der vorliegenden Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

II.

Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 28. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2006, durch den die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger wegen seines Arbeitsunfalls eine Verletztenrente nach einer MdE von wenigsten 20 v. H. seit dem 01. April 2005 zu zahlen, ist rechtmäßig.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Die Bemessung der MdE hängt nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII vom Umfang der verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten ab. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind.

Hiernach ist zunächst festzustellen, dass der Kläger am 22. Juni 2004 einen - anerkannten - Arbeitsunfall erlitten hat, bei dem er sich eine Fersenbein-Trümmerfraktur links zugezogen hat. Die mit Bescheid vom 28. März 2006 festgestellten Unfallfolgen (geringgradige Bewegungseinschränkung im linken oberen Sprunggelenk, gestörtes Abrollverhalten des linken Fußes, Muskelminderung im Bereich des linken Ober- und Unterschenkels, Weichteilschwellung im Bereich des linken Sprunggelenkes und beginnende Arthrosebildung im oberen Sprunggelenk und unteren Sprunggelenk) bedingen jedoch keine MdE von mindestens 20 v. H ... Der Senat verweist zur Begründung zunächst auf die zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des SG Berlin in dem nach sorgfältiger und überaus gründlicher Sachverhaltsermittlung ergangenen Urteil vom 27. Januar 2009, denen er sich nach eigener Prüfung anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG) Es bleibt hiernach nochmals hervorzuheben, dass es bei der Bemessung der MdE nicht entscheidend auf den Gesundheitsschaden als solchen, sondern auf den daraus folgenden Funktionsverlust nach medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten ankommt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Nicht allein der erlittene Fersenbeinbruch ist daher maßgeblich für die MdE-Bemessung, sondern die sich - nach Konsolidierung der Fraktur - daraus noch ergebenden Funktionsstörungen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Sachverständige Dr. W in seinem Gutachten vom 18. April 2007, den ergänzenden Stellungnahmen vom 19. Mai 2008 und - nach erneuter Untersuchung des Klägers - vom 31. Oktober 2008 sowie den Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung vom 27. Januar 2009 seine Einschätzung der MdE überzeugend und in Übereinstimmung mit der unfallversicherungsrechtlichen Literatur begründet. So entsprachen seine Feststellungen der Annahme eines unter Alltagsbedingungen gut belastbaren Fußes. Bei den zweimaligen klinischen Begutachtungen haben sich die Weichteile bei unauffälliger Achillessehne als reizfrei und ohne akute Entzündung gezeigt, sensomotorischen Veränderungen oder neurologischen Ausfälle im Bereich des Beines haben - bis auf eine umschriebene Hypästhesie im Narbenverlauf - nicht vorgelegen. Bei der Beweglichkeitsprüfung, die ohne Schmerzangabe und ohne Gelenkkrepitationen möglich gewesen ist, haben im oberen Sprunggelenk nur eine geringe Einschränkung bei der Fußhebung/-senkung bestanden, im unteren Sprunggelenk ist anteilmäßig die Fußinnenrandhebung (Supination) hälftig im Seitenvergleich eingeschränkt gewesen, was einer allenfalls mittelgradigen Bewegungseinschränkung von etwa einem Drittel entspricht. Die Röntgenaufnahmen haben bei zwar degenerativen, posttraumatischen Veränderungen eine vollständige Konsolidierung der Fraktur ohne stärkere posttraumatische Arthrose des unteren Sprunggelenkes gezeigt (s. auch Bericht der Charité – CKlinikum – Klinik für Orthopädie vom 21. Februar 2007). Eine wesentliche Fehlstellung des Rückfußes ist radiologisch nicht zu erkennen gewesen, das Fersenbein hat sich zwar als leichtgradig abgeflacht gezeigt, jedoch ohne deutliche Veränderung der Fußstatik. Dass der Kläger beide Füße gleichermaßen benutzt, zeigt sich auch an der seitengleichen, normalen und ebenen Beschwielung. Auch der Kläger selbst hat angegeben, dass sich Belastungsschmerzen im Fuß erst bei mehrstündigen Arbeiten vor allem auf unebenen Böden bzw. Leitern einstellen würden, die jedoch mit der sporadischen Einnahme von Schmerzmitteln und einer Einlagenversorgung beherrschbar seien. Eine Gehstreckenbegrenzung im Alltag liegt nicht vor. Dass bestimmte Sportarten (Fußball, Joggen, Volleyball) nicht mehr uneingeschränkt ausgeübt werden können, ist trotz der damit möglicherweise verbundenen Einbuße bei den Freizeitaktivitäten für die Einschätzung der MdE im Unfallversicherungsrecht nicht von entscheidender Bedeutung.

Aus diesem Grund erscheint auch die Einschätzung der MdE im Gutachten von Dr. G/S im ersten Rentengutachten vom 23. Januar 2006 nicht überzeugend, denn die festgestellten leichten arthrotischen Veränderungen im unteren Sprunggelenk und die ebenfalls nur leichtgradigen, funktionellen Defizite ohne Auswirkung auf die Fußstatik und die angrenzenden Gelenke rechtfertigen keine MdE von 20 v. H ... Eine mögliche zunehmende Sprunggelenksdegeneration in den nächsten Jahren kann nicht Grundlage für die aktuelle MdE-Bemessung sein.

Der Kläger kann sich - wie vom SG mit Recht ausgeführt - auch nicht mit Erfolg auf das Gutachten der nach § 109 SGG beauftragten Fachärztin für Chirurgie Dipl.-Med. K vom 03. März 2008 sowie auf ihre Ausführungen im Schriftsatz vom 29. August 2007 und in der mündlichen Verhandlung vom 27. Januar 2009 stützen. Abgesehen davon, dass die Beurteilungen der behandelnden Ärztin den Anschein nicht restloser Objektivität haben, leidet die MdE-Einschätzung durch Dipl.-Med. K vor allem daran, dass sie ihre Messergebnisse in den Vordergrund stellt, aber auf die für die MdE-Bemessung entscheidenden Beurteilungskriterien, wie sie oben dargestellt wurden, nicht eingeht. So wird weder das flüssige Gangbild ohne Entlastungshinken und Belastungsschmerzen noch die im Wesentlichen - auch nach radiologischem Befund - unauffällige Fußstatik gewürdigt. Auch im Rahmen der Untersuchung durch Dipl.-Med. K war dem Kläger der Zehen- und Hackengang und das Abrollen im Barfußgang möglich, was gegen eine wesentliche Einschränkung der Beweglichkeit spricht. Der Kläger ist auch seit Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit ab dem 01. April 2005 in der Lage, ohne ausgleichende Hilfsmittel eine mehrstündige berufliche Belastung zu tolerieren. Dass ihm allein die tiefe Hocke nicht ganz gelungen ist, stellt kein geeignetes Beurteilungskriterium dar. Wie Dr. W zu Recht ausführt, ist das vollständige Absetzen der Fersen in der Hocke nur entsprechend trainierten Personen möglich, wobei der Ferse-Boden-Abstand beim Kläger mit 2 cm für beide Füße gleich gewesen ist. Die von Dipl.-Med. K hervorgehobene seitenunterschiedliche Beschwielung der Fußsohlen vermochte Dr. W nicht zu bestätigen. Auch bei Inaugenscheinnahme der Schuhe des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Berlin waren keine unterschiedlich abgelaufenen Absätze zu erkennen. Dipl.-Med. K hat in der mündlichen Verhandlung vom 27. Januar 2009 zudem eingeräumt, dass die Messung der Beweglichkeit im Sprunggelenk verhältnismäßig schwierig sei und bei verschiedenen Untersuchern regelmäßig zu verschiedenen Werten führen könne. Dr. W, der den Kläger zweimal, davon ebenfalls einmal nach einem Arbeitstag, untersucht hat, vermochte die von ihr gemessenen Differenzen (im Mittelfußbereich etwa 2 cm, Athrophie der Ober- und Unterschenkelmuskulatur links, Beweglichkeitseinschränkung des unteren Sprunggelenkes um etwa drei Viertel, des oberen Sprunggelenkes um nicht ganz die Hälfte) nicht zu bestätigen. Die Umfangsdifferenzen haben allenfalls max. 0,5 cm und in der Wadenmitte ca. 1,3 cm, nicht aber 2,5 cm, wie von Frau K gemessen, betragen. Zwar liegt eine veränderte Stellung der Peronaeussehne und eine nicht hochgradige Muskelumfangsminderung (1,0 bis 1,5 cm) vor, was jedoch nicht auf eine chronische Entzündung, sondern nach Dr. W auf eine chronische Kapselverschwellung bei abgeheilter Narbe und reizfreier Situation hindeutet.

Nach alledem ist der Senat davon überzeugt, dass zur Abgeltung der festzustellenden Beeinträchtigungen eine MdE von 20 v. H. jedenfalls zu hoch erscheint. In der unfallmedizinischen Literatur wird erst bei Versteifung des oberen und des unteren Sprunggelenkes in Funktionsstellung eine MdE von 25 v. H. angenommen, eine MdE von 20 v. H. etwa bei deutlicher Abflachung des Gelenkwinkels, mittelgradiger Arthrose, schmerzhafter Wackelsteifigkeit des unteren Sprungsgelenkes und Fehlstellungen im Rückfuß. Beim Kläger hingegen waren nach ausgeheiltem Fersenbeinbruch lediglich ein geringfügig erniedrigter Tuber-Gelenkwinkel und eine geringe sekundär arthrotische Veränderung im unteren Sprungsgelenk festzustellen, die mit einer MdE von 10 v. H. als ausreichend bewertet erscheinen (vgl. im einzelnen Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 11. Aufl. 2005, S. 171; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Berlin 2010, zu 8.12.8., Seite 679).

Die Berufung war hiernach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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