S 20 SO 79/11

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SO 79/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 35/12
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Sozialhilfe, speziell des Regelbedarfs des Klägers für die Zeit vom 01.04. bis 31.12.2011; der Kläger begehrt eine Nachzahlung in Höhe der Differenz zwischen der Regelleistung nach der Regelbedarfsstufe 1 und der bewilligten Leistung der Regelbedarfsstufe 3, insgesamt 657,00 EUR.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist – auch im streitbefangenen Zeitraum – dauerhaft voll erwerbsgemindert. Er ist als Schwerbehinderter anerkannt nach einem Grad der Behinderung von 100 und den Merkzeichen B, G und H. Er wohnt im Haushalt seiner Eltern. Er besucht die Stephanus-Förderschule des Kreis E. mit dem Förderschwerpunkt "Geistige Entwicklung". Seit Februar 2010 bezieht er von der Beklagten Leistungen der Grundsicherung (GSi) nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Der Leistung für die Zeit von Februar bis Dezember 2010 legte die Beklagte einen Regelbedarf von 359,00 EUR (= 100 % des sog. Eckregelsatzes) zugrunde (Bescheide vom 28.05. und 30.08.2011). Dieser Regelbedarf wurde auch der Leistung ab 01.01.2011 zugrundegelegt, nachdem die Beklagte die GSi – vorbehaltlich von Änderungen – für den Zeitraum vom 01.01. bis 31.12.2011 bewilligt hatte (Bescheid vom 27.09.2010).

Im Hinblick auf den (rückwirkend) ab 01.01.2011 in Kraft getretenen § 28 SGB XII und die Anlage zu dieser Vorschrift (vgl. Artikel 3 Nrn. 31 und 42 des "Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch" vom 24.03.2011 – BGBl. I, 453) berechnete die Beklagte durch Änderungsbescheid vom 25.03.2011 die GSi-Leistung des Klägers ab 01.04.2011 neu. Sie legte der Leistung nunmehr einen um 73,00 EUR niedrigeren monatlichen Regelbedarf in Höhe von 291,00 EUR (= 80 % des sog. Eckregelsatzes) nach der Regelbedarfsstufe 3 zugrunde.

Dagegen legte der Kläger am 19.04.2011 Widerspruch ein. Er vertrat die Auffassung, die Regelbedarfsstufe 3 erfülle nicht die Pflicht des Gesetzgebers zur realitäts- und bedarfsgerechten Ermittlung der zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen; sie werde der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Urteil vom 09.02.2010 und der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht gerecht.

Durch Widerspruchsbescheid vom 04.05.2011 wies der Kreis Düren den Widerspruch zurück.

Durch Änderungsbescheid vom 19.05.2011 berechnete die Beklagte die GSi-Leistungen des Klägers für die Zeit von Januar bis Juni 2011 neu; bezüglich der Bemessung des Regelbedarfes blieb es bei der Höhe der bisher zugrundegelegten Sätze.

Mit seiner am 08.06.2011 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Er hält die gesetzlichen Bestimmungen, auf deren Grundlage die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden die Regelleistung ab 01.04.2011 abgesenkt hat, für verfassungswidrig. Aus der Begründung zur Anlage zu § 28 SGB XII ergebe sich, dass für die Regelbedarfsstufe 3 auf Grund der Kürze der Zeit keine statistischen Ermittlungen möglich gewesen seien. Der Kläger folgert daraus, dass der Abschlag von 20 % pauschal und nach einer rein politischen Wertentscheidung der Bundesregierung erfolgt sei; diese nicht auf statistischen Erhebungen beruhende Kürzung des Regelbedarfs sei mit den Vorgaben des BVerfG nicht vereinbar. An keiner Stelle begründe der Gesetzgeber, warum für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die weder einen eigenen Haushalt führt, noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führt, ein Abschlag in Höhe von 20 % erfolgen könne. Offensichtlich seien auch keine Verbrauchsausgaben für erwachsene leistungsberechtigte Personen in Familienhaushalten ermittelt worden; die regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben seien lediglich für Ein-Personen-Haushalte sowie für Haushalte, in den Paare mit einem Kind in Familienhaushalten leben, ermittelt worden. Der Gesetzgeber habe den eindeutigen Auftrag des BVerfG, zur Konkretisierung des Anspruchs auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, zu bemessen, in Bezug auf die Regelbedarfsstufe 3 nicht erfüllt. Der Kläger ist desweiteren der Auffassung, die Einführung der Regelbedarfsstufe 3 stelle eine Ungleichbehandlung von Menschen mit Behinderung dar. Während Bezieher von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) nach Vollendung des 25. Lebensjahres unabhängig von ihrem Hausstand eine eigene Bedarfsgemeinschaft bilden und den vollen Regelbedarf der GSi nach dem SGB II in Höhe von 364,00 EUR beanspruchen könnten, auch wenn sie weiterhin mit ihren Eltern zusammen lebten, erhielten Menschen mit Behinderung, die bei ihrem Eltern lebten, nach dem SGB XII nur 291,00 EUR. Wenn der Gesetzgeber dies mit dem Systemunterschied zwischen der GSi für Arbeitssuchende nach dem SGB II und der Sozialhilfe nach dem SGB XII rechtfertige, überzeuge dies nicht und sei realitätsfern. Das BSG habe im Urteil vom 23.03.2010 (B 8 SO 17/09 R) ausgeführt, dass im Hinblick auf die identische sozialrechtliche Funktion beider Leistungen, nämlich die Sicherstellung des Existenzminimums, für eine unterschiedliche Behandlung der Personengruppen der SGB XII- und SGB II-Leistungsempfänger keine sachlichen Gründe erkennbar seien und auch über 25jährigen SGB XII-Leistungsbeziehern der volle Regelsatz zustehe. Der pauschale Abschlag von 20 % der GSi-Leistung treffe gerade Personen, die besonders auf die Unterstützung ihrer Familien und die Solidarität der Gesellschaft angewiesen sei. Gerade behinderte Menschen seien aufgrund ihrer Behinderung zumeist nicht in der Lage, aus eigener Kraft etwas an ihrer Einkommenssituation zu ändern.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 25.03.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.05.2011 sowie des Änderungsbescheides vom 19.05.2011 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.04. bis 31.12.2011 weitere Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung in Höhe von 657,00 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verbleibt bei ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung. Sie weist daraufhin, dass es dem Sozialhilfeträger als vollziehender Gewalt nicht obliege, die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der gesetzlich vorgegebenen Regelbedarfe festzustellen. Er sei gemäß Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) an Recht und Gesetz gebunden. Unabhängigkeit davon hält die Beklagte die Bemessung der Regelbedarfsstufe 3 unter Berücksichtigung der ausführlichen Gesetzesbegründung aber auch für verfassungsgemäß.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Die Beklagte hat die Höhe der dem Kläger für den streitbefangenen Zeitraum zustehenden GSi-Leistung zutreffend berechnet und bewilligt. Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Kosten der Unterkunft in Höhe von 125,60 EUR und den Mehrbedarf gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII in Höhe von 61,88 EUR, die zwischen den Beteiligten unstreitig sind, sondern auch in Bezug auf die – allein streitige – Höhe des Regelbedarfs; dieser beträgt nach der für den Kläger maßgeblichen Regelbedarfsstufe 3 monatlich 291,00 EUR; hieraus ergibt sich die von der Beklagten zuletzt im Änderungsbescheid vom 19.05.2011 bewilligte Gesamtleistung von 478,48 EUR pro Monat. Eine höhere Leistung unter Zugrundelegung der Regelbedarfsstufe 1 (364,00 EUR) steht dem Kläger nicht zu.

Als dauerhaft voll erwerbsgeminderter Person hat der im streitigen Zeitraum 19jährige Kläger Anspruch auf Leistungen der GSi bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII, da er seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus seinem Einkommen und Vermögen bestreiten kann (§§ 41 Abs. 1 und 3, 19 Abs. 2 Satz 1 SGB XII). Hinsichtlich des Umfangs der GSi-Leistungen verweist § 42 Satz 1 Nr. 1 SGB XII auf die sich für leistungsberechtigte Person nach der Anlage zu § 28 SGB XII ergebende Regelbedarfsstufen. Als erwachsene leistungsberechtigte Person, die keinen eigenen Haushalt führt, sondern im Haushalt der Eltern lebt, ist für den Kläger die Regelbedarfsstufe 3 einschlägig.

Der für die Gewährleistung des Existenzminimums notwendige Lebensunterhalt umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile, persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens sowie Unterkunft und Heizung. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehören in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft; dies gilt in besonderem Maß für Kinder und Jugendliche (§ 27a Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XII). Der gesamte notwendige Lebensunterhalt nach Abs. 1 mit Ausnahme der Bedarfe nach dem 2. bis 4. Abschnitt ergibt den monatlichen Regelbedarf. Dieser ist in Regelbedarfsstufen unterteilt, die bei Kindern und Jugendlichen altersbedingte Unterschiede und erwachsenen Personen deren Anzahl im Haushalt sowie die Führung eines Haushalts berücksichtigen (§ 27a Abs. 2 SGB XII). Zur Deckung der Regelbedarfe, die sich nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28 SGB XII ergeben, sind monatliche Regelsätze zu gewähren. Der Regelsatz stellt einen monatlichen Pauschalbetrag zur Bestreitung des Regelbedarfs dar, über dessen Verwendung die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich entscheiden; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen (§ 27a Abs. 3 SGB XII). Im Einzelfall wird der individuelle Bedarf abweichend vom Regelsatz festgelegt, wenn ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt ist oder unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (§ 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII). Wie die Regelbedarfe nach den Regelbedarfsstufen ermittelt werden, ergibt sich aus § 28 SGB XII und dem ab 01.01.2011 geltenden Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) vom 24.03.2011 (BGBl. I, 453). In der Anlage zu § 28 SGB XII ist die Höhe der Regelbedarfsstufen ab 01.01.2011 festgelegt. Danach beträgt der Regelsatz nach der Regelbedarfsstufe 3 monatlich 291,00 EUR. Die Kammer ist der Auffassung, dass die aufgrund des Urteils des BVerfG vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) durch den Gesetzgeber mit Wirkung ab 01.01.2011 vorgenommene Neuregelung der existenzsichernden Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII – hier: der GSi bei Erwerbsminderung – verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich aus Artikel 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 1 GG. Das Sozialstaatsgebot des Artikel 20 Abs. 1 GG wiederum erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, jedem ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern, wobei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum bei den unabweislichen Wertungen zukommt, die mit der Bestimmung der Höhe des Existenzminimums verbunden sind. Das Grundrecht aus Artikel 1 Abs. 1 GG ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und ständigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Dabei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu (BVerfG, a.a.O., Rn. 133 m.w.N.). Der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich nur auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind. Er gewährleistet das gesamte Existenzminimum durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie, die sowohl die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit, als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe an gesellschaftlichem, kulturellem und politischem Leben umfasst, denn der Mensch als Person existiert notwendig in sozialen Bezügen (BVerfG, a.a.O., Rn. 135). Die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums muss durch einen gesetzlichen Anspruch gesichert sein. Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt (BVerfG, a.a.O., Rn. 136, 137). Der Leistungsanspruch aus Artikel 1 Abs. 1 GG ist dem Grunde nach von der Verfassung vorgegeben. Der Umfang dieses Anspruchs kann im Hinblick auf die Arten des Bedarfs und die dafür erforderlichen Mittel jedoch nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden. Er hängt von den gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein erforderliche, der konkreten Lebenssituation des Hilfebedürftigen sowie den jeweiligen wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten ab und ist danach vom Gesetzgeber konkret zu bestimmen. Das Sozialstaatsgebot des Artikel 20 Abs. 1 GG hält den Gesetzgeber an, die soziale Wirklichkeit zeit- und realitätsgerecht im Hinblick auf die Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums zu erfassen, die sich etwa in einer technisierten Informationsgesellschaft anders als früher darstellt. Die hierbei erforderlichen Wertungen kommen dem parlamentarischen Gesetzgeber zu. Ihm obliegt es, den Leistungsanspruch in Tatbestand und Rechtsfolge zu konkretisieren. Ob er das Existenzminimum durch Geld-, Sach- oder Dienstleistungen sichert, bleibt grundsätzlich ihm überlassen. Ihm kommt zudem Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung des Umfanges der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums zu. Dieser umfasst die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs und ist zudem von unterschiedlicher Weite: Er ist enger, soweit der Gesetzgeber das zur Sicherung der physischen Existenz eines Menschen Notwendige konkretisiert, und weiter, wo es um Art und Umfang der Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben geht (BVerfG, a.a.O., Rn. 138). Zur Konkretisierung des Anspruchs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, zu bemessen. Hierzu hat er zunächst die Bedarfsarten sowie die dafür aufzuwendenden Kosten zu ermitteln und auf dieser Basis die Höhe des Gesamtbedarfs zu bestimmen. Das Grundgesetz schreibt ihm dafür keine bestimmte Methode vor; er darf sie vielmehr im Rahmen der Tauglichkeit und Sachgerechtigkeit selbst auswählen (BVerfG, a.a.O., Rn. 139). Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des Existenzminimums entspricht eine zurückhaltende Kontrolle der einfachen gesetzlichen Regelungen durch das BVerfG. Da das Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs erlaubt, beschränkt sich – bezogen auf das Ergebnis – die materielle Kontrolle darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind (BVerfG, a.a.O., Rn. 141). Zur Ermöglichung der verfassungsgerichtlichen Kontrolle, ob der Gesetzgeber das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, in verfassungsmäßiger Weise erfasst und umschrieben hat, besteht für den Gesetzgeber die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen (BVerfG, a.a.O., Rn. 143, 144). Diesen Grundsätzen und Vorgaben des BVerfG ist der Gesetzgeber jedenfalls in Bezug auf die hier entscheidungserheblichen Vorschriften der §§ 27a, 28 SGB XII nebst der Anlage dazu sowie des RBEG in der Fassung des "Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch" vom 24.03.2011 (BGBl. I, S. 453) gerecht geworden.

Der Regelbedarf ist mit Hilfe von Sonderauswertungen der Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) 2008 nach § 28 SGB XII auf der Grundlage nachgewiesener tatsächlicher Verbrauchsausgaben unterer Einkommensgruppen bemessen worden (vgl. § 1 RBEG; § 28 Abs. 2 SGB XII). Der Gesetzgeber bedient sich des Statistikmodells (BT-Drucksache 17/3404, S. 50 ff.), das das Bundesverfassungsgericht nicht nur gebilligt, sondern gegenüber dem so genannten Warenkorbmodell bevorzugt hat (BVerfG, a.a.O., Rn. 163 ff.). Das Statistikmodell stützt sich in Gestalt der EVS auf geeignete empirische Daten, die das Verbrauchsverhalten der Bevölkerung empirisch abbilden. Die Auswahl der Referenzgruppe der Ein-Personen-Haushalte (vgl. § 2 Nr. 1 RBEG), nach deren Ausgaben der Regelbedarf u.a. für alleinstehende Personen ermittelt wird, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Für die Bestimmung der für einen Alleinstehenden notwendigen Leistungen hält das BVerfG die Beschränkung auf Ein-Personen-Haushalte für sachgerecht; der Gesetzgeber hat zur Vermeidung von Zirkelschlüssen sichergestellt, dass diejenigen Haushalte zur Bestimmung der Referenzgruppe ausgeschlossen wurden, die unter dem Existenzminimum leben (BVerfG, a.a.O., Rn. 168 f.). Denn nach § 3 Abs. 1 RBEG sind diejenigen Haushalte nicht als Referenzhaushalte zu berücksichtigen, die Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 27 ff. SGB XII, GSi im Alter und bei Erwerbsminderung nach §§ 41 ff. SGB XII oder Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld nach dem SGB II bezogen haben. Damit hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass das Verbrauchsverhalten von Beziehern existenzsichernder Leistungen nach dem SGB II und SGB XII (auch neben dem Bezug anderer Sozialleistungen) nicht zur Grundlage der Bedarfsermittlung gemacht wird. In der Referenzgruppe verbleiben somit nur Haushalte, die von Einkünften oberhalb der "Sozialhilfeschwelle" leben (so: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.06.2011 – L 12 AS 1077/11) – nicht rechtskräftig; Revision: BSG – B 14 AS 153/11 R).

Das LSG Baden-Württemberg hat in dem zitierten Urteil vom 10.06.2011 (L 12 AS 1077/11) ausführlich dargelegt und begründet, dass es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, wie der Gesetzgeber bestimmte Referenzgruppen gebildet und Referenzhaushalte berücksichtigt hat, dass er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und sich in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb des gewählten Verfahrens und dem Strukturprinzip "Statistikmodell" im Rahmen des Vertretbaren bewegt und der Bestimmung der Höhe des Regelbedarfes statistisch valide Daten zugrundegelegt hat (LSG Baden-Württemberg, a.a.O., Rn. 29 bis 32). Die Kammer schließt sich diesen Erwägungen an.

Die vom Kläger gegen die Regelbedarfsstufe 3 vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken überzeugen die Kammer nicht. Nach der Anlage zu § 28 SGB XII und § 8 Abs. 1 RBEG gilt die Regelbedarfsstufe 3 für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die weder einen eigenen Haushalt führt, noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führt. Dies trifft auf den im entscheidungserheblichen Zeitraum 19jährigen, mithin erwachsenen leistungsberechtigten Kläger zu; er führt keinen eigenen Haushalt, sondern lebt im Haushalt der Eltern. Die Höhe des Regelsatzes nach der Regelbedarfsstufe 3 beträgt 80 % des Regelbedarfes der Regelbedarfsstufe 1 (Eckregelsatz). Der Kläger weist zutreffend darauf hin, dass dem Anteil von 80 % keine spezielle Sonderauswertung der EVS 2008 zugrunde liegt. Dies hat der Gesetzgeber ausdrücklich in der Begründung zu den Regelbedarfsstufen angemerkt (BT-Drucksache 17/3404, S. 130). Er hat jedoch seine Erwägungen zur Regelbedarfsstufe 3 in der weiteren BT-Drucksache 17/4095 (S. 40, 41) ausführlich wie folgt dargelegt: "Zur Regelbedarfsstufe 3 Die Abgrenzung der Regelbedarfsstufe 3 wird dahingehend konkretisiert, dass sie für Erwachsene gilt, die keinen eigenen Haushalt führen, weil sie im Haushalt anderer Personen leben und. weder Ehegatte oder Lebenspartner anderer im Haushalt lebender erwachsener Personen sind. noch mit diesen in einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft leben. Demnach kann für diese Leistungsberechtigten weder Regelbedarfsstufe 1 noch Regelbedarfsstufe 2 gelten.

Der Unterschied zwischen Regelbedarfsstufe 3 und Regelbedarfsstufe 2 liegt darin, dass Regel- bedarfsstufe 2 nur für Paare gilt, bei denen von der gemeinsamen Tragung der anfallenden Ausgaben auszugehen ist. Konsequenz ist die Aufteilung der Regelbedarfe auf beide Partner zu gleichen Teilen. Mit Regelbedarfsstufe 3 sind hingegen Personenkonstellationen umfasst, in denen es keine gemeinsame Tragung von Ausgaben zu gleichen Teilen gibt. Deshalb wird der bisherige Regelsatzanteil von 80 Prozent für einen Haushaltsangehörigen mit der Regelbedarfsstufe 3 beibehalten.

Im Unterschied zum geltenden Recht gilt die sich daraus ergebende Regelbedarfsstufe 3 in Höhe von 80 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 (ergibt 291 Euro) nur für Erwachsene, während der bisherige Regelsatzanteil von 80 Prozent nach § 3 Absatz 2 Regelsatzverordnung für Personen ab Vollendung des 14. Lebensjahres gilt. Für Jugendliche zwischen 14 und bis unter 18 Jahren ergibt sich zukünftig jedoch die Regelbedarfsstufe 4 (nach der Bestandsschutzregelung in § 8 Absatz 2 Nummer 4 RBEG in der Fassung des Gesetzentwurfs: 287 Euro). Da die Regelbedarfe für Kinder und Jugendliche aus den Kindern und Jugendlichen zuzurechnenden Verbrauchsausgaben von Familienhaushalten ermittelt werden, ist die Übertragung der Regelbedarfsstufe 4 auf erwachsene Haushaltsangehörige aus systematischen Gründen nicht möglich. Deshalb wird mit der Regelbedarfsstufe 3 eine eigene Regelbedarfsstufe eingeführt.

Dahinter steht folgende Konzeption:

Eine alleinstehende oder alleinerziehende erwachsene Person muss neben Ernährung und Kleidung auch alle für ihren Haushalt anfallenden Kosten allein finanzieren. Dem wird mit der Regelbedarfsstufe 1 Rechnung getragen, die dem Eckregelsatz im geltenden Recht entspricht. Die Regelbedarfsstufe 1 beläuft sich nach dem Gesetzentwurf auf 364 Euro monatlich und ergibt sich aus den regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben der Einpersonenhaushalte.

Ein Teil der für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erforderlichen Verbrauchsausgaben fällt in Haushalten mit mehreren erwachsenen Personen für jeden Erwachsenen unabhängig von deren Anzahl im Haushalt in gleicher Höhe an. Dies gilt insbesondere für Ernährung und Kleidung. Dabei werden mangels statistischer Grundlagen mögliche Einspareffekte des gemeinsamen Einkaufs in Mehrpersonenhaushalten bei den genannten Bedarfen nicht berücksichtigt. Daneben gibt es aber Verbrauchsausgaben, die mit der Führung eines Haushalts verbunden sind und nur unterproportional von der Zahl der Personen, die in dem Haushalt leben, abhängig sind (haushaltsgebundene Verbrauchsausgaben).

Dies gilt nicht nur für Strom- oder Wasserkosten, sondern auch für die Ausstattung der Wohnung. So erfordert es das menschenwürdige Existenzminimum nicht, dass bei Mehrpersonenhaushalten für jede Person eigene elektrische Großgeräte wie Fernseher, Computer, Kühlschrank oder Herd vorgesehen sind. Gleiches gilt für die Kommunikationsausstattung mit einer Flatrate für jede erwachsene Person.

Der zusätzliche Bedarf eines Haushalts, der durch eine hinzukommende zweite erwachsene Person per Saldo entsteht, muss also niedriger sein als der Bedarf einer alleinstehenden Person. Damit muss für eine zusätzliche erwachsene Person im Haushalt, die in keiner Paarbeziehung zu einer anderen Person in diesem Haushalt steht, vor dem Hintergrund der Regelung für Paare und der Regelbedarfsermittlung für Einpersonenhaushalte gelten, dass diese sozialhilferechtlich nicht als alleinstehende Person betrachtet werden kann. Stattdessen muss der Bedarf dieser erwachsenen Person im Haushaltszusammenhang gesehen werden, weshalb anfallende relative Einsparungen zu berücksichtigen sind. Da der zusätzliche Bedarf eines Partners im Haushalt geringer ist als der Bedarf einer alleinstehenden Person, ist davon auszugehen, dass dies auch für den Bedarf einer weiteren erwachsenen Person in einem Haushalt gilt. Voraussetzung ist, dass die weitere erwachsene Person sich die vorhandene Ausstattung und Einrichtung der Wohnung mit den anderen Personen im Haushalt weitestgehend teilt und sich an den für Anschaffung, Wartung und so weiter anfallenden Kosten nicht oder nur teilweise, in der Gesamtschau aber nur mit einem sehr geringen Anteil beteiligt. Im Ergebnis tragen weit überwiegend die übrige oder die übrigen erwachsenen Personen im Haushalt die Kosten der Haushaltsführung.

Diese Fallkonstellation liegt unter anderem dann vor, wenn eine erwachsene Person die Haushaltsführung nicht mitbestimmt. Dies trifft beispielsweise auf einen Untermieter zu, dessen Beteiligung an Nutzungskosten der Haushaltsausstattung üblicherweise in pauschaler Form über die zu zahlende Miete erfolgt. In diesem Fall ist eine solche indirekte Kostenbeteiligung, sofern die angemessene Höhe der Miete nicht überschritten wird, im Rahmen der Unterkunftskosten zu übernehmen.

Eine weitere Fallkonstellation sind haushaltsführende Eltern oder haushaltsführender Elternteil, wenn ein erwachsenes Kind im elterlichen Haushalt lebt, oder ein haushaltsführender Erwachsener – eventuell mit seinem Partner – einen Elternteil in den Haushalt aufnimmt. In diesen beiden Fällen ist bei einer Leistungsberechtigung nach dem SGB XII regelmäßig davon auszugehen, dass das Kind oder der Elternteil einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Viertes Kapitel SGB XII) hat. Der Leistungsanspruch besteht bei den genannten Personen, die im Haushalt anderer Personen leben, deshalb nur, weil die in der Hilfe zum Lebensunterhalt (Drittes Kapitel SGB XII) geltende Unterhaltsvermutung nicht anwendbar ist. Diese besagt, dass eine Person dann keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt hat, wenn sie mit Personen in einer Wohnung zusammenlebt und aufgrund der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der übrigen Personen unterstellt werden kann, dass diese den Lebensunterhalt der bei ihnen lebenden Person gewährleisten. Folglich führt erst die Nichtanwendbarkeit der Unterhaltsvermutung zu einem Leistungsanspruch nach dem SGB XII. Damit war seitens des Gesetzgebers beabsichtigt, insbesondere von Geburt und früher Kindheit dauerhaft voll erwerbsgeminderten Personen einen elternunabhängigen Anspruch auf ein Mindesteinkommen zu ermöglichen. Die Einsatzgemeinschaft zwischen Eltern und erwachsenem Kind wurde in diesen Fällen also weitestgehend aufgehoben. Allerdings war mit der Einführung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht die Absicht verbunden, diesen im Haushaltszusammenhang lebenden Personen einen Anspruch einzuräumen, wie er Alleinstehenden in Höhe des Eckregelsatzes oder Paaren in Höhe des später eingeführten Partnerregelsatzes zusteht, sondern einen Anspruch in Höhe des Regelsatzanteils eines erwachsenen Haushaltsangehörigen (80 Prozent des Eckregelsatzes).

Die Zuordnung weiterer erwachsener Personen im Haushalt zur Regelbedarfsstufe 3 beruht auf einer dem Gesetzgeber aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität möglichen Typisierung von Sachverhalten. Im Sozialhilferecht gilt allerdings ergänzend der Grundsatz, dass sich die Leistungen nach den Besonderheiten des Einzelfalles zu richten haben (§ 9 Abs. 1 SGB XII). Dies bedeutet konkret, dass der zuständige Sozialhilfeträger die Besonderheiten des Einzelfalles bei der Leistungsbemessung zu berücksichtigen hat. Um den tatsächlichen Verhältnissen in einem Haushalt Rechnung zu tragen ist im Zuge der Ermessensausübung auch eine abweichende Regelsatzfestsetzung nach § 27a Absatz 4 Satz 1 SGB XIII in der Fassung des Gesetzentwurfs möglich."

Der Bemessung des Regelsatzes in der Regelbedarfsstufe 3 liegen also schlüssige und nachvollziehbare Erwägungen des Gesetzgebers zugrunde. Soweit der Kläger unter Hinweis auf die Urteile des BSG vom 19.05.2009 (B 8 SO 8/08 R) und 23.03.2010 (B 8 SO 17/09 R) meint, die Reduzierung des Regelsatzes auf einen Anteil von 80 % in der Regelbedarfsstufe 3 habe bei Verabschiedung des Gesetzes nicht mehr der Rechtslage entsprochen, weshalb die genannte Begründung unrichtig sei, verkennt er , dass die beiden BSG-Urteile ausschließlich eine Auslegung des bis 31.12.2010 geltenden Rechts beinhalten. Mit der Neuregelung des SGB II und des SGB XII und der Einführung des RBEG mit den verschieden Regelbedarfsstufen hat der Gesetzgeber jedoch eine vollständige Neuregelung getroffen, wie sie nach der Entscheidung des BVerfG vom 09.02.2010 geboten war, und insbesondere eine gesetzgeberische Entscheidung getroffen, die sich verfassungsgemäß noch innerhalb des ihm eingeräumten Gestaltungsspielraums bewegt.

Die Regelbedarfsstufe 3 beinhaltet auch keine gegen Artikel 3 GG verstoßende Ungleichbehandlung von Menschen mit Behinderung. Allerdings besteht, worauf der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 17/4095, S. 27) ausdrücklich hingewiesen hat, als Unterschied zwischen dem SGB XII und dem SGB II, dass erwerbsfähige Leistungsberechtigte im SGB II mit Vollendung des 25. Lebensjahres unabhängig von der Haushaltszugehörigkeit eine eigenständige Bedarfsgemeinschaft bilden und demnach für das Arbeitslosengeld II ein Regelbedarf von 364,00 EUR berücksichtigt wird. Ein voll erwerbsgeminderter Erwachsener, der leistungsberechtigt nach dem SGB XII ist, erhält hingegen auch nach Vollendung des 25. Lebensjahres nur den Regelsatz nach der Regelbedarfsstufe 3 (291,00 EUR). Diese unterschiedliche Behandlung beinhaltet jedoch keinen Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 GG. Der Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 GG verbietet es, wesentlich Gleiches ohne zureichende sachliche Gründe ungleich, wesentlich Ungleiches ohne solche Gründe gleich zu behandeln. Damit enthält Artikel 3 Abs. 1 GG über ein Willkürverbot hinaus die an Gesetzgeber und Rechtsprechung gerichtete Verpflichtung, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten nicht anders zu behandeln, falls zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen (BVerfGE 55, 72, 88; ständ. Rspr.). Wie bereits dargelegt ist dem Gesetzgeber der Unterschied zwischen Leistungsberechtigten nach dem SGB XII und solchen nach dem SGB II, die älter als 25 Jahre sind, bewusst gewesen. Er hat jedoch nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass die Ungleichbehandlung unterschiedliche Normadressaten trifft und deshalb gerechtfertigt ist. So heißt es in der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 17/4095, S. 27: "Dieser Unterschied ergibt sich aus den Systemunterschieden zwischen der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der Sozialhilfe und erfordert zur Einordnung eine Gesamtbetrachtung.

Die Grundsicherung für Arbeitsuchende wendet sich ihrer Zielrichtung nach vornehmlich an einen dem Grunde nach erwerbsfähigen Personenkreis, der nur vorübergehend der Unterstützung durch steuerfinanzierte Sozialleistungen bedarf. Aus der Erwerbsfähigkeit ergeben sich im SGB II Pflichten zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Diese gelten insbesondere auch für im Haushalt der Eltern lebende Erwachsene ab 25 Jahren, die Arbeitslosengeld II beziehen. Von ihnen ist deshalb ein erhöhtes Maß an Eigenverantwortung und wirtschaftlicher Beweglichkeit einzufordern, woraus sich auch die Anerkennung wirtschaftlicher Eigenständigkeit durch einen Regelbedarf entsprechend der Regelbedarfsstufe 1 ableitet. Die Systemunterschiede zwischen SGB II und SGB XII – und hier insbesondere bei einer Leistungsberechtigung nach dem Vierten Kapitel SGB XII – zeigen sich auch in der Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen und –erwartungen gegenüber den Eltern bei dem haushaltsangehörigen Leistungsberechtigten. Während nach dem Vierten Kapitel SGB XII Unterhaltsansprüche insbesondere gegenüber den Eltern grundsätzlich unberücksichtigt bleiben (§ 43 Absatz 2 SGB XII), sind sie im SGB II zu berücksichtigen. Besteht hingegen bei einer Leistungsberechtigung nach dem SGB II eine Haushaltsgemeinschaft zwischen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und ihren Eltern, wird unter den Voraussetzungen des § 9 Absatz 5 SGB II der tatsächliche Unterhalt vermutet. Weitere Systemunterschiede ergeben sich aus den genannten Gründen auch beim Einsatz von Vermögen oder der Anrechnung von Erwerbseinkommen."

Diese Erwägungen bewegen sich noch im Rahmen des verfassungsrechtlich Vertretbaren (ebenso: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24.10.2011 – L 8 SO 275/11 B ER).

Nur am Rande merkt die Kammer an, dass der Kläger ohnehin zu keiner der beiden Vergleichsgruppen zählt, da er das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Die Kammer ist nicht zuletzt auch aus folgendem Grund der Überzeugung, dass die Neuregelung des Regelbedarfs, speziell die Regelbedarfsstufe 3 und die ihr zugrunde liegenden gesetzlichen Vorschriften nicht verfassungswidrig sind. Das BVerfG hat in der Entscheidung vom 09.02.2010 anerkannt, dass der Gesetzgeber den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag decken kann; er muss aber für einen darüber hinausgehenden unabweisbaren, laufenden nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen. Dem trägt die Vorschrift des § 27a Abs. 4 SGB XII Rechnung. Nach dieser Vorschrift wird nämlich der individuelle Bedarf abweichend vom Regelsatz festgelegt, wenn ein Bedarf unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Damit hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, dass der Sozialhilfeträger über zusätzliche Bedarfe nach den §§ 30 bis 36 SGB XII hinaus einem laufenden individuellen Bedarf, der über den maßgeblichen Regelsatz hinaus geht, durch die Festsetzung eines (ggf. höheren) individuellen Bedarfs Rechnung trägt. Damit ist gewährleistet, dass auch in einem vom Gesetzgeber im Rahmen der pauschalierenden Regelungen nicht bedachten höheren Bedarfsfall das menschenwürdige Existenzminimum gewährleistet werden kann.

Hat nach alledem die Kammer keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bemessung des Regelbedarfs des Klägers für den streitbefangenen Zeitraum mit monatlich 291,00 EUR auf der Grundlage der Regelbedarfsstufe 3, so besteht kein Anlass für eine Vorlage der Rechtssache gemäß Artikel 100 GG an das Bundesverfassungsgericht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Kammer hat die im Hinblick auf den Streitwert an sich nicht statthafte Berufung zugelassen, weil sie der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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