Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 21 AS 2365/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 97/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 5. Mai 2008 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Beklagte und Berufungskläger wendet sich gegen seine Verurteilung zur Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) an die Klägerin und Berufungsbeklagte.
Die am ... 1985 geborene Klägerin schloss am 12. Juli 2005 ihre erste Ausbildung zur Justizfachangestellten erfolgreich ab, konnte aber in der Folge in ihrem Ausbildungsberuf keine Arbeit finden. Sie bezog bis zum 31. Juli 2006 Arbeitslosengeld iHv 11,60 EUR täglich. Danach begann sie eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten und absolvierte die ersten sechs Monate in einer Rechtsanwaltskanzlei. Ab dem 1. März 2007 setzte sie die bis zum 31. Juli 2009 dauernde Ausbildung bei ihrem Prozessbevollmächtigten unter Anrechnung der bereits absolvierten Ausbildungszeit fort.
Am 5. April 2007 beantragte sie bei dem Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Sie beziehe ein monatliches Ausbildungsgeld iHv 230,00 EUR und Kindergeld iHv 154,00 EUR. Vermögenswerte besitze sie nicht. Ihre Eltern lebten in S. und seien dort erwerbstätig. Sie leisteten keinen Unterhalt. Weiter legte sie ihren Berufsausbildungsvertrag vor.
Mit Bescheid vom 3. Mai 2007 lehnte der Beklagte den Leistungsantrag ab. Da die Klägerin eine Ausbildung absolviere und diese nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) oder nach den §§ 60 bis 62 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) dem Grunde nach förderungsfähig sei, habe sie nach § 7 Abs. 5 und 6 SGB II keinen Leistungsanspruch.
Dagegen legte die Klägerin am 23. Mai 2007 Widerspruch ein. Ihre Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten werde nicht gefördert. Der Antrag auf Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe nach dem SGB III (BAB) sei von der Bundesagentur für Arbeit (BA) letztlich mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2007 abgelehnt worden. Es sei nur eine erste Berufsausbildung durch BAB förderungsfähig. Auch ihr Antrag auf Wohngeld sei mit Bescheid der Landeshauptstadt M. vom 6. Juni 2007 abgelehnt worden. Sie habe die zweite Ausbildung nur begonnen, da sie im erlernten Beruf als Justizfachangestellte keine Anstellung habe finden können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2007 (einem Freitag), der ausweislich eines Vermerks in der Verwaltungsakte des Beklagten am selben Tag an die Klägerin abgesandt wurde, wies dieser den Widerspruch zurück und führte aus, nach § 7 Abs. 5 SGB II hätten Auszubildende, deren Ausbildung dem Grunde nach förderungsfähig sei, keinen Anspruch auf SGB II-Leistungen. Die absolvierte Ausbildung sei dem Grunde nach förderungsfähig.
Am 2. November 2007 (einem Freitag) hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Magdeburg (SG) Klage erhoben, mit der sie die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ihrer Ausbildung begehrt. Ihre Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten werde nach dem bestandskräftigen Widerspruchsbescheid der BA nicht gefördert, weil ein Anspruch auf BAB nach §§ 59 ff. SGB III nur für eine erstmalige Ausbildung bestehe. Der Klage beigefügt war eine Kopie des Widerspruchsbescheids, auf der handschriftlich von der Klägerin vermerkt war: "Eingang 02.10.07".
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 5. Mai 2008 den Bescheid vom 7. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2007 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Weiterbildung und – in der Regel auch – eine Zweitausbildung seien nach dem SGB III nicht förderungsfähig, sodass in diesen Fällen SGB II-Leistungen nicht ausgeschlossen seien. Die von der Klägerin absolvierte Ausbildung sei als Zweitausbildung zu bewerten, die dem Grunde nach nicht förderungsfähig sei. Das SG hat die Berufung zugelassen.
Gegen den ihm am 2. Juni 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Beklagte am 19. Juni 2008 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II greife, wenn entweder das BAföG oder die §§ 60 bis 62 SGB III die "Ausbildung überhaupt – unter welchen Voraussetzungen auch immer – als förderungsfähig regelten". Dies habe bereits das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in seiner Rechtsprechung zu dem in § 26 Abs. 1 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) geregelten Leistungsausschluss entschieden (Beschluss vom 13. Mai 1993, Az.: 5 B 82/92; Urteil vom 14. Oktober 1993, Az.: 5 C 16/91, BVerwGE 94, 224ff.). Mit der Regelung in § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II, die § 26 BSHG entspreche, habe der Gesetzgeber bezweckt, die Grundsicherung für Arbeitsuchende – ebenso wie die Sozialhilfe – von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung frei zu halten. Diese sei sondergesetzlich, z.B. durch das BAföG, abschließend geregelt. Weder die Grundsicherung für Arbeitsuchende noch die Sozialhilfe sollten eine "verdeckte Ausbildungsförderung auf einer zweiten Ebene" ermöglichen.
Nach dem Hinweis der Berichterstatterin vom 4. März 2009 auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. September 2008 (Az.: B 4 AS 28/07 R) und auf die Fragen, ob das Verfahren fortgeführt werden solle, und ob die Beteiligten mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2, § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) einverstanden seien, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 26. März 2009 ausgeführt, sie sei mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden. Zur Sache hat sie ergänzt, das Urteil des BSG treffe in ihren Fall nicht zu. Im entschiedenen Fall habe die Klägerin nach ihrer Erstausbildung zunächst ein Jahr im Ausbildungsberuf gearbeitet und erst danach Arbeitslosengeld bezogen. Zudem habe es sich um eine Ausbildung zur Bürokauffrau gehandelt; dieser Beruf sei deutlich marktgängiger als die von ihr absolvierte Ausbildung zur Justizfachangestellten. Sie sei nach dem Ende der Ausbildung nicht in den Justizdienst des Landes Sachsen-Anhalt übernommen worden. Die justizzentrierte Ausbildung sei auf dem freien Markt kaum vermittlungsfähig. Da sie bundesweit keine Stelle bei Gerichten, Rechtsanwälten oder in der freien Wirtschaft gefunden habe und die BA ihr keine einzige Stelle habe anbieten können, sei eine zweite Ausbildung oder eine Weiterbildung erforderlich geworden. Ihr Fall sei ein Ausnahmefall, denn ohne die Zweitausbildung wäre voraussichtlich keine Eingliederung ins Arbeitsleben möglich gewesen. Im Übrigen habe auch das BSG ausgeführt, dass § 7 Abs. 5 SGB II nicht gelte, wenn die Ausbildung die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt sei. Sie habe daher einen Leistungsanspruch.
Der Beklagte hat sich unter dem 30. März 2009 ebenfalls mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Er hat ausgeführt, die Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten sei keine Maßnahme der beruflichen Weiterbildung. Dabei komme es auf die objektive Ausgestaltung der Maßnahme, nicht aber auf die Sicht des Teilnehmers an. Es greife hier auch keine der in § 7 Abs. 6 SGB II geregelten Ausnahmen. Zudem sei keine besondere Härte gegeben, da die Klägerin unmittelbar nach Ausschöpfen ihres Arbeitslosengeldanspruchs die Zweitausbildung aufgenommen habe. Es sei nicht ersichtlich, dass eine berufliche Eingliederung nicht anderweitig hätte erreicht werden können. Ihr Einsatz sei nicht auf die Justiz beschränkt; er sei aufgrund der bei der Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten auch in Rechtsstellen von Behörden möglich.
Unter dem 23. September 2009 hat die Klägerin mitgeteilt, sie sei nunmehr – seit Beendigung ihrer Ausbildung am 31. Juli 2009 – von ihrem Ausbilder in eine unbefristete Anstellung übernommen worden. Dies beweise, dass der Entschluss, eine weitere Ausbildung aufzunehmen, richtig gewesen sei. Auf weitere Nachfrage hat sie unter dem 3. November 2011 klargestellt, das streitgegenständlich der SGB II-Leistungsanspruch für die Dauer des Ausbildungsverhältnisses ab der Antragstellung am 5. April 2007 bis zum 31. Juli 2009 sei.
Der Beklagte und Berufungskläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 5. Mai 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten ergänzend Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Beratung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt und auch zulässig gemäß § 144 Abs. 2 und 3 SGG. Der Senat ist an die Zulassung der Berufung im Gerichtsbescheid vom 5. Mai 2008 gebunden. Er konnte im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 1 iVm § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Berufung des Beklagten ist begründet. Der Gerichtsbescheid des SG vom 5. Mai 2008 ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die von der Klägerin erhobene Klage beim SG war zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben. Im vorliegenden Fall greift für den ausweislich des Vermerks im Verwaltungsvorgang des Beklagten am 28. September 2007 an die Klägerin versandten Widerspruchsbescheid vom selben Tag die Bekanntgabefiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) nicht. Durch die Vorlage des mit einem Eingangsvermerk vom 2. Oktober 2007 versehenen Widerspruchsbescheids bei Klageerhebung behauptet die Klägerin konkludent einen späteren Bekanntgabezeitpunkt. Ihre insoweit hinreichend konkrete Erklärung weckt Zweifel am Zeitpunkt des Zugangs, sodass die Zugangsfiktion nach § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB X nicht greift. Da der Beklagte den Zeitpunkt des Zugangs nicht beweisen kann, ist von einer fristgerechten Klageerhebung am 2. November 2007 auszugehen.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin ist durch den Bescheid des Beklagten vom 7. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. September 2007 nicht beschwert iSv § 54 Abs. 2 SGG. Denn der Beklagte hat ihren Leistungsantrag zu Recht abgelehnt. Die Klägerin hat wegen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II im hier streitigen Zeitraum vom 5. April 2007 bis zum 31. Juli 2009.
Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen des § 19 iVm § 7 Abs. 1 SGB II, denn sie hatte das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet ( § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II), ist erwerbsfähig iSv § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 8 SGB II), war hilfebedürftig iSv § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 SGB II und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Sie kann gleichwohl im hier streitbefangenen Zeitraum keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beanspruchen, weil sie nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II als Auszubildende von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen gewesen ist.
Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder den §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Ausschlussregelung ist auf die Erwägung zurückzuführen, dass die Ausbildungsförderung nach dem BAföG oder gemäß den §§ 60 bis 62 SGB III auch die Kosten des Lebensunterhalts umfasst und deshalb im Grundsatz die Grundsicherung nicht dazu dienen soll, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach anderweitig förderfähigen Ausbildung zu ermöglichen. Die Ausschlussregelung soll die nachrangige Grundsicherung mithin davon befreien, als eine – versteckte – Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene zu fungieren (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2008, Az.: B 4 AS 28/07 R, juris RN 14; Urteil vom 1. Juli 2009, Az.: B 4 AS 67/08 R, juris RN 13; zuletzt: Urteile vom 27. September 2011, Az.: B 4 AS 160/10 R, juris RN 19, und Az.: B 4 AS 145/10 R, juris RN 5).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber, dass die insgesamt dreijährige Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten grundsätzlich förderungsfähig iSv § 60 Abs. 1 SGB II ist, weil es sich um eine betriebliche Ausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf handelt und der vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen wurde.
Diese Ausbildung kann auch mit Rücksicht auf die von der Klägerin bereits zuvor durchlaufene Berufsausbildung zur Justizfachangestellten begrifflich nicht als Maßnahme der beruflichen Weiterbildung qualifiziert werden. Denn die Abgrenzung zwischen Aus- und Weiterbildung ist unter Berücksichtigung des Charakters der Maßnahme ausschließlich nach objektiven Kriterien vorzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2008, a.a.O. RN 16; Urteil vom 30. August 2010, Az.: B 4 AS 97/09 R, juris RN 23). Maßgeblich ist allein die objektive Ausgestaltung, nicht jedoch die Sicht des Teilnehmers. Weiterbildungsangebote sollen grundsätzlich auf dem bereits vorhandenen beruflichen Wissen aufbauen. Es muss sich insoweit um die Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach dem Abschluss der ersten Ausbildungsphase oder sonstiger beruflicher Betätigung ohne vorherigen Berufsabschluss handeln. Hier hat die Klägerin die reguläre Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten durchlaufen. Diese basierte nicht auf ihrer bereits erworbenen beruflichen Qualifikation. Insbesondere ist in ihrem Fall die vorgesehene Ausbildungszeit nicht verkürzt worden, sondern sie hat die übliche Ausbildungszeit von drei Jahren durchlaufen. Nachdem sie bereits in einer anderen Rechtsanwaltskanzlei sechs Monate der Ausbildungszeit absolviert hatte, ist sie zum 1. März 2007 die Kanzlei ihres späteren Arbeitgebers gewechselt und hat bis zum Juli 2009 die Ausbildung – unter Anrechnung der Ausbildungszeit in dem anderen Ausbildungsbetrieb – durchlaufen. Dies ergibt sich aus dem vorgelegten Berufsausbildungsvertrag.
Im Fall der Klägerin ist auch keine der § 7 Abs. 6 SGB II a.F. geregelten Ausnahmen vom Leistungsausschluss gegeben.
Der Umstand, dass es sich bei der hier streitigen Ausbildung nicht um die erstmalige Ausbildung der Klägerin iSv § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB III gehandelt hat, führt nicht zur Unanwendbarkeit des Leistungsausschlusses (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2008, a.a.O. RN17). Allein die Förderungsfähigkeit einer Ausbildung dem Grunde nach zieht die Folge des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II nach sich. Individuelle Versagensgründe, die im Verhältnis zum Träger der Förderungsleistung eingetreten sind, bleiben außer Betracht (zuletzt: BSG, Urteil vom 27. September 2011, Az.: B 4 AS 145/10 R, juris RN 14).
Um einen solchen individuellen Versagungsgrund handelt es sich, wenn eine Förderung nach dem BAföG oder den §§ 60 bis 62 SGB III deshalb nicht in Betracht kommt, weil es sich für den Auszubildenden um eine Zweitausbildung handelt. Dies hat das BSG für eine auf einen Abschluss als Bürokauffrau folgende weitere Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten (vgl. Urteil vom 30. September 2008, a.a.O.) und auch für die vergleichbare Problematik des Fachrichtungswechsels bei einem nach dem BAföG förderungsfähigen Studiengang (Urteil vom 6. September 2007, Az.: B 14/7 BAS 36/06 R, juris) unter Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und Zweck des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II bereits entschieden. Ist die Förderung einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung schon im primär zuständigen System (hier BAB nach dem SGB III) aufgrund individueller Versagungsgründe ausgeschlossen, führt dies nicht zur Leistungspflicht des grundsätzlich nachrangigen Systems der Grundsicherung nach dem SGB II.
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren geltend macht, ihr Fall sei ein Ausnahmefall und es seien aus Härtefallgesichtspunkten SGB II-Leistungen zu gewähren, könnte dies allenfalls zu einer Leistungsgewährung in Form eines Darlehens führen. Ein Anspruch auf (reguläre) Zuschussleistungen ist gesetzlich nicht vorgesehen. Denn nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II können in besonderen Härtefällen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (nur) als Darlehen gewährt werden.
Insoweit setzte eine nachträgliche Erbringung von Darlehensleistungen, die nicht zu einer dauerhaften Vermögensverschiebung führt, voraus, dass bei der Klägerin Bedürftigkeit iS des SGB II ununterbrochen fortbesteht; war der Hilfebedarf nur temporär (wie hier: für die Dauer der Ausbildung) und mit Ausbildungsende entfallen, scheidet eine nachträgliche Bewilligung von Darlehensleistungen aus (vgl. zum Wegfall des Bedarfs bei zwischenzeitlicher Bedarfsdeckung: BSG, Urteil vom 27. September 2011, Az.: B 4 AS 202/10 R, juris RN 23; für die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und die Sozialhilfe nach dem SGB XII: BSG, Urteil vom 9. Juni 2011, Az.: B 8 AY 1/10 R, juris RN 20). Ein Anspruch auf Gewährung von Darlehensleistungen ist insoweit ein "vergangener Bedarf", der nachträglich nicht mehr zu befriedigen ist. Unabhängig davon lag ein "besonderer Härtefall" als Voraussetzung für eine Leistungsgewährung mittels Darlehen nicht vor.
Die Voraussetzungen des § 22 Abs. 7 SGB II für die Gewährung eines Zuschusses zu den ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung bestehen – mangels faktischen Bezugs von BAB oder BAföG – ebenfalls nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Beklagte und Berufungskläger wendet sich gegen seine Verurteilung zur Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) an die Klägerin und Berufungsbeklagte.
Die am ... 1985 geborene Klägerin schloss am 12. Juli 2005 ihre erste Ausbildung zur Justizfachangestellten erfolgreich ab, konnte aber in der Folge in ihrem Ausbildungsberuf keine Arbeit finden. Sie bezog bis zum 31. Juli 2006 Arbeitslosengeld iHv 11,60 EUR täglich. Danach begann sie eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten und absolvierte die ersten sechs Monate in einer Rechtsanwaltskanzlei. Ab dem 1. März 2007 setzte sie die bis zum 31. Juli 2009 dauernde Ausbildung bei ihrem Prozessbevollmächtigten unter Anrechnung der bereits absolvierten Ausbildungszeit fort.
Am 5. April 2007 beantragte sie bei dem Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Sie beziehe ein monatliches Ausbildungsgeld iHv 230,00 EUR und Kindergeld iHv 154,00 EUR. Vermögenswerte besitze sie nicht. Ihre Eltern lebten in S. und seien dort erwerbstätig. Sie leisteten keinen Unterhalt. Weiter legte sie ihren Berufsausbildungsvertrag vor.
Mit Bescheid vom 3. Mai 2007 lehnte der Beklagte den Leistungsantrag ab. Da die Klägerin eine Ausbildung absolviere und diese nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) oder nach den §§ 60 bis 62 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) dem Grunde nach förderungsfähig sei, habe sie nach § 7 Abs. 5 und 6 SGB II keinen Leistungsanspruch.
Dagegen legte die Klägerin am 23. Mai 2007 Widerspruch ein. Ihre Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten werde nicht gefördert. Der Antrag auf Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe nach dem SGB III (BAB) sei von der Bundesagentur für Arbeit (BA) letztlich mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2007 abgelehnt worden. Es sei nur eine erste Berufsausbildung durch BAB förderungsfähig. Auch ihr Antrag auf Wohngeld sei mit Bescheid der Landeshauptstadt M. vom 6. Juni 2007 abgelehnt worden. Sie habe die zweite Ausbildung nur begonnen, da sie im erlernten Beruf als Justizfachangestellte keine Anstellung habe finden können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2007 (einem Freitag), der ausweislich eines Vermerks in der Verwaltungsakte des Beklagten am selben Tag an die Klägerin abgesandt wurde, wies dieser den Widerspruch zurück und führte aus, nach § 7 Abs. 5 SGB II hätten Auszubildende, deren Ausbildung dem Grunde nach förderungsfähig sei, keinen Anspruch auf SGB II-Leistungen. Die absolvierte Ausbildung sei dem Grunde nach förderungsfähig.
Am 2. November 2007 (einem Freitag) hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Magdeburg (SG) Klage erhoben, mit der sie die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ihrer Ausbildung begehrt. Ihre Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten werde nach dem bestandskräftigen Widerspruchsbescheid der BA nicht gefördert, weil ein Anspruch auf BAB nach §§ 59 ff. SGB III nur für eine erstmalige Ausbildung bestehe. Der Klage beigefügt war eine Kopie des Widerspruchsbescheids, auf der handschriftlich von der Klägerin vermerkt war: "Eingang 02.10.07".
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 5. Mai 2008 den Bescheid vom 7. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2007 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Weiterbildung und – in der Regel auch – eine Zweitausbildung seien nach dem SGB III nicht förderungsfähig, sodass in diesen Fällen SGB II-Leistungen nicht ausgeschlossen seien. Die von der Klägerin absolvierte Ausbildung sei als Zweitausbildung zu bewerten, die dem Grunde nach nicht förderungsfähig sei. Das SG hat die Berufung zugelassen.
Gegen den ihm am 2. Juni 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Beklagte am 19. Juni 2008 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II greife, wenn entweder das BAföG oder die §§ 60 bis 62 SGB III die "Ausbildung überhaupt – unter welchen Voraussetzungen auch immer – als förderungsfähig regelten". Dies habe bereits das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in seiner Rechtsprechung zu dem in § 26 Abs. 1 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) geregelten Leistungsausschluss entschieden (Beschluss vom 13. Mai 1993, Az.: 5 B 82/92; Urteil vom 14. Oktober 1993, Az.: 5 C 16/91, BVerwGE 94, 224ff.). Mit der Regelung in § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II, die § 26 BSHG entspreche, habe der Gesetzgeber bezweckt, die Grundsicherung für Arbeitsuchende – ebenso wie die Sozialhilfe – von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung frei zu halten. Diese sei sondergesetzlich, z.B. durch das BAföG, abschließend geregelt. Weder die Grundsicherung für Arbeitsuchende noch die Sozialhilfe sollten eine "verdeckte Ausbildungsförderung auf einer zweiten Ebene" ermöglichen.
Nach dem Hinweis der Berichterstatterin vom 4. März 2009 auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. September 2008 (Az.: B 4 AS 28/07 R) und auf die Fragen, ob das Verfahren fortgeführt werden solle, und ob die Beteiligten mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2, § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) einverstanden seien, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 26. März 2009 ausgeführt, sie sei mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden. Zur Sache hat sie ergänzt, das Urteil des BSG treffe in ihren Fall nicht zu. Im entschiedenen Fall habe die Klägerin nach ihrer Erstausbildung zunächst ein Jahr im Ausbildungsberuf gearbeitet und erst danach Arbeitslosengeld bezogen. Zudem habe es sich um eine Ausbildung zur Bürokauffrau gehandelt; dieser Beruf sei deutlich marktgängiger als die von ihr absolvierte Ausbildung zur Justizfachangestellten. Sie sei nach dem Ende der Ausbildung nicht in den Justizdienst des Landes Sachsen-Anhalt übernommen worden. Die justizzentrierte Ausbildung sei auf dem freien Markt kaum vermittlungsfähig. Da sie bundesweit keine Stelle bei Gerichten, Rechtsanwälten oder in der freien Wirtschaft gefunden habe und die BA ihr keine einzige Stelle habe anbieten können, sei eine zweite Ausbildung oder eine Weiterbildung erforderlich geworden. Ihr Fall sei ein Ausnahmefall, denn ohne die Zweitausbildung wäre voraussichtlich keine Eingliederung ins Arbeitsleben möglich gewesen. Im Übrigen habe auch das BSG ausgeführt, dass § 7 Abs. 5 SGB II nicht gelte, wenn die Ausbildung die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt sei. Sie habe daher einen Leistungsanspruch.
Der Beklagte hat sich unter dem 30. März 2009 ebenfalls mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Er hat ausgeführt, die Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten sei keine Maßnahme der beruflichen Weiterbildung. Dabei komme es auf die objektive Ausgestaltung der Maßnahme, nicht aber auf die Sicht des Teilnehmers an. Es greife hier auch keine der in § 7 Abs. 6 SGB II geregelten Ausnahmen. Zudem sei keine besondere Härte gegeben, da die Klägerin unmittelbar nach Ausschöpfen ihres Arbeitslosengeldanspruchs die Zweitausbildung aufgenommen habe. Es sei nicht ersichtlich, dass eine berufliche Eingliederung nicht anderweitig hätte erreicht werden können. Ihr Einsatz sei nicht auf die Justiz beschränkt; er sei aufgrund der bei der Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten auch in Rechtsstellen von Behörden möglich.
Unter dem 23. September 2009 hat die Klägerin mitgeteilt, sie sei nunmehr – seit Beendigung ihrer Ausbildung am 31. Juli 2009 – von ihrem Ausbilder in eine unbefristete Anstellung übernommen worden. Dies beweise, dass der Entschluss, eine weitere Ausbildung aufzunehmen, richtig gewesen sei. Auf weitere Nachfrage hat sie unter dem 3. November 2011 klargestellt, das streitgegenständlich der SGB II-Leistungsanspruch für die Dauer des Ausbildungsverhältnisses ab der Antragstellung am 5. April 2007 bis zum 31. Juli 2009 sei.
Der Beklagte und Berufungskläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 5. Mai 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten ergänzend Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Beratung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt und auch zulässig gemäß § 144 Abs. 2 und 3 SGG. Der Senat ist an die Zulassung der Berufung im Gerichtsbescheid vom 5. Mai 2008 gebunden. Er konnte im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 1 iVm § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Berufung des Beklagten ist begründet. Der Gerichtsbescheid des SG vom 5. Mai 2008 ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die von der Klägerin erhobene Klage beim SG war zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben. Im vorliegenden Fall greift für den ausweislich des Vermerks im Verwaltungsvorgang des Beklagten am 28. September 2007 an die Klägerin versandten Widerspruchsbescheid vom selben Tag die Bekanntgabefiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) nicht. Durch die Vorlage des mit einem Eingangsvermerk vom 2. Oktober 2007 versehenen Widerspruchsbescheids bei Klageerhebung behauptet die Klägerin konkludent einen späteren Bekanntgabezeitpunkt. Ihre insoweit hinreichend konkrete Erklärung weckt Zweifel am Zeitpunkt des Zugangs, sodass die Zugangsfiktion nach § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB X nicht greift. Da der Beklagte den Zeitpunkt des Zugangs nicht beweisen kann, ist von einer fristgerechten Klageerhebung am 2. November 2007 auszugehen.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin ist durch den Bescheid des Beklagten vom 7. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. September 2007 nicht beschwert iSv § 54 Abs. 2 SGG. Denn der Beklagte hat ihren Leistungsantrag zu Recht abgelehnt. Die Klägerin hat wegen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II im hier streitigen Zeitraum vom 5. April 2007 bis zum 31. Juli 2009.
Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen des § 19 iVm § 7 Abs. 1 SGB II, denn sie hatte das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet ( § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II), ist erwerbsfähig iSv § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 8 SGB II), war hilfebedürftig iSv § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 SGB II und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Sie kann gleichwohl im hier streitbefangenen Zeitraum keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beanspruchen, weil sie nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II als Auszubildende von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen gewesen ist.
Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder den §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Ausschlussregelung ist auf die Erwägung zurückzuführen, dass die Ausbildungsförderung nach dem BAföG oder gemäß den §§ 60 bis 62 SGB III auch die Kosten des Lebensunterhalts umfasst und deshalb im Grundsatz die Grundsicherung nicht dazu dienen soll, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach anderweitig förderfähigen Ausbildung zu ermöglichen. Die Ausschlussregelung soll die nachrangige Grundsicherung mithin davon befreien, als eine – versteckte – Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene zu fungieren (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2008, Az.: B 4 AS 28/07 R, juris RN 14; Urteil vom 1. Juli 2009, Az.: B 4 AS 67/08 R, juris RN 13; zuletzt: Urteile vom 27. September 2011, Az.: B 4 AS 160/10 R, juris RN 19, und Az.: B 4 AS 145/10 R, juris RN 5).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber, dass die insgesamt dreijährige Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten grundsätzlich förderungsfähig iSv § 60 Abs. 1 SGB II ist, weil es sich um eine betriebliche Ausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf handelt und der vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen wurde.
Diese Ausbildung kann auch mit Rücksicht auf die von der Klägerin bereits zuvor durchlaufene Berufsausbildung zur Justizfachangestellten begrifflich nicht als Maßnahme der beruflichen Weiterbildung qualifiziert werden. Denn die Abgrenzung zwischen Aus- und Weiterbildung ist unter Berücksichtigung des Charakters der Maßnahme ausschließlich nach objektiven Kriterien vorzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2008, a.a.O. RN 16; Urteil vom 30. August 2010, Az.: B 4 AS 97/09 R, juris RN 23). Maßgeblich ist allein die objektive Ausgestaltung, nicht jedoch die Sicht des Teilnehmers. Weiterbildungsangebote sollen grundsätzlich auf dem bereits vorhandenen beruflichen Wissen aufbauen. Es muss sich insoweit um die Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach dem Abschluss der ersten Ausbildungsphase oder sonstiger beruflicher Betätigung ohne vorherigen Berufsabschluss handeln. Hier hat die Klägerin die reguläre Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten durchlaufen. Diese basierte nicht auf ihrer bereits erworbenen beruflichen Qualifikation. Insbesondere ist in ihrem Fall die vorgesehene Ausbildungszeit nicht verkürzt worden, sondern sie hat die übliche Ausbildungszeit von drei Jahren durchlaufen. Nachdem sie bereits in einer anderen Rechtsanwaltskanzlei sechs Monate der Ausbildungszeit absolviert hatte, ist sie zum 1. März 2007 die Kanzlei ihres späteren Arbeitgebers gewechselt und hat bis zum Juli 2009 die Ausbildung – unter Anrechnung der Ausbildungszeit in dem anderen Ausbildungsbetrieb – durchlaufen. Dies ergibt sich aus dem vorgelegten Berufsausbildungsvertrag.
Im Fall der Klägerin ist auch keine der § 7 Abs. 6 SGB II a.F. geregelten Ausnahmen vom Leistungsausschluss gegeben.
Der Umstand, dass es sich bei der hier streitigen Ausbildung nicht um die erstmalige Ausbildung der Klägerin iSv § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB III gehandelt hat, führt nicht zur Unanwendbarkeit des Leistungsausschlusses (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2008, a.a.O. RN17). Allein die Förderungsfähigkeit einer Ausbildung dem Grunde nach zieht die Folge des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II nach sich. Individuelle Versagensgründe, die im Verhältnis zum Träger der Förderungsleistung eingetreten sind, bleiben außer Betracht (zuletzt: BSG, Urteil vom 27. September 2011, Az.: B 4 AS 145/10 R, juris RN 14).
Um einen solchen individuellen Versagungsgrund handelt es sich, wenn eine Förderung nach dem BAföG oder den §§ 60 bis 62 SGB III deshalb nicht in Betracht kommt, weil es sich für den Auszubildenden um eine Zweitausbildung handelt. Dies hat das BSG für eine auf einen Abschluss als Bürokauffrau folgende weitere Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten (vgl. Urteil vom 30. September 2008, a.a.O.) und auch für die vergleichbare Problematik des Fachrichtungswechsels bei einem nach dem BAföG förderungsfähigen Studiengang (Urteil vom 6. September 2007, Az.: B 14/7 BAS 36/06 R, juris) unter Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und Zweck des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II bereits entschieden. Ist die Förderung einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung schon im primär zuständigen System (hier BAB nach dem SGB III) aufgrund individueller Versagungsgründe ausgeschlossen, führt dies nicht zur Leistungspflicht des grundsätzlich nachrangigen Systems der Grundsicherung nach dem SGB II.
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren geltend macht, ihr Fall sei ein Ausnahmefall und es seien aus Härtefallgesichtspunkten SGB II-Leistungen zu gewähren, könnte dies allenfalls zu einer Leistungsgewährung in Form eines Darlehens führen. Ein Anspruch auf (reguläre) Zuschussleistungen ist gesetzlich nicht vorgesehen. Denn nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II können in besonderen Härtefällen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (nur) als Darlehen gewährt werden.
Insoweit setzte eine nachträgliche Erbringung von Darlehensleistungen, die nicht zu einer dauerhaften Vermögensverschiebung führt, voraus, dass bei der Klägerin Bedürftigkeit iS des SGB II ununterbrochen fortbesteht; war der Hilfebedarf nur temporär (wie hier: für die Dauer der Ausbildung) und mit Ausbildungsende entfallen, scheidet eine nachträgliche Bewilligung von Darlehensleistungen aus (vgl. zum Wegfall des Bedarfs bei zwischenzeitlicher Bedarfsdeckung: BSG, Urteil vom 27. September 2011, Az.: B 4 AS 202/10 R, juris RN 23; für die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und die Sozialhilfe nach dem SGB XII: BSG, Urteil vom 9. Juni 2011, Az.: B 8 AY 1/10 R, juris RN 20). Ein Anspruch auf Gewährung von Darlehensleistungen ist insoweit ein "vergangener Bedarf", der nachträglich nicht mehr zu befriedigen ist. Unabhängig davon lag ein "besonderer Härtefall" als Voraussetzung für eine Leistungsgewährung mittels Darlehen nicht vor.
Die Voraussetzungen des § 22 Abs. 7 SGB II für die Gewährung eines Zuschusses zu den ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung bestehen – mangels faktischen Bezugs von BAB oder BAföG – ebenfalls nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
SAN
Saved