L 8 AL 5181/11 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AL 2119/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 5181/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 9. November 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn (SG) vom 09.11.2011, mit der er sich gegen die Ablehnung seines Antrages auf Prozesskostenhilfe (PKH) im Rechtsstreit S 6 AL 2119/11 wendet, ist gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, weil das SG nicht die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH (§ 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG), sondern eine hinreichende Erfolgsaussicht der gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 16.02.2011 gerichteten Anfechtungsklage verneint hat. Die Beschwerde ist auch zulässig (§ 173 SGG), sie ist aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH. Die Klage hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (ständige Rechtsprechung des Senats unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) BVerfGE 81, 347, 357). Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Ausgang des Rechtsschutzverfahrens als offen zu bezeichnen ist. Dies gilt namentlich dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang nicht geklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. BVerfG NJW 1997, 2102, 2103; Bundesgerichtshof NJW 1998, 1154; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27. November 1998 - VI B 120/98 (juris)) oder eine weitere Sachaufklärung, insbesondere durch Beweisaufnahme, ernsthaft in Betracht kommt (vgl. BVerfG NJW-RR 2002, 1069; NJW 2003, 2976, 2977).

Der in Rede stehende Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 16.02.2011 (Widerspruchsbescheid vom 05.05.2011) dürfte rechtmäßig sein. Die Beklagte hatte dem Kläger mit Bescheid vom 24.08.2009 Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 01.01.2010 auf der Grundlage der in der Lohnsteuerkarte für das Jahr 2009 angegebenen Lohnsteuerklasse I bewilligt. Am 11.12.2009 wurde auf der Lohnsteuerkarte des Klägers für das Jahr 2010 die Lohnsteuerklasse V für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.12.2010 eingetragen. Dem Kläger stand folglich für den streitigen Zeitraum vom 01.01.2010 bis 18.07.2010 lediglich Alg auf der Grundlage der Steuerklasse V zu ( § 133 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - SGB III). Die dem Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 24.08.2009 zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnisse haben sich mithin infolge der danach erfolgten Eintragung einer für den Kläger ungünstigeren Steuerklasse (V statt I) wesentlich geändert, so dass die (objektiven) Voraussetzungen des zur (teilweisen) Aufhebung der Bewilligung berechtigenden § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB - Zehntes Buch - (SGB X) erfüllt sind. Dies bestreitet auch der Kläger selbst nicht.

Die für die rückwirkend erfolgte teilweise Aufhebung der Bewilligung erforderlichen subjektiven Voraussetzungen des hier anzuwendenden § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X dürften ebenfalls erfüllt sein. Der Kläger hat die am 11.12.2009 für das Jahr 2010 vorgenommene Änderung der Lohnsteuerklasse (von I in V) nicht mitgeteilt, obwohl er hierzu aufgrund § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB I verpflichtet war. Dieser Verpflichtung dürfte er zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen sein. Grobe Fahrlässigkeit liegt gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies ist hier wohl zu bejahen. Dem Kläger musste ohne Weiteres klar sein, dass sich die Höhe des Alg nach der in der Lohnsteuerkarte eingetragenen Steuerklasse richtet und die Leistungen bei Steuerklasse V niedriger sind als bei Steuerklasse I. Im Übrigen enthält das Merkblatt 1 für Arbeitslose, dessen Erhalt der Kläger bei der Antragstellung am 01.07.2009 unterschriftlich bestätigt hat, deutliche und unmissverständliche Hinweise darauf, dass die Höhe des Alg von der Lohnsteuerklasse abhängig ist und dass eine Änderung der Steuerklasse der Beklagten unverzüglich mitzuteilen ist. Bereits eingangs des Merkblatts (Stand März 2009) heißt es auf Seite 6 unter 4. der Rubrik "Das Wichtigste vorweg: 11 Punkte, die Sie sich merken sollten !", dass insbesondere ein Lohnsteuerklassenwechsel unverzüglich mitgeteilt werden muß. Ferner wird in diesem Merkblatt auf den Seiten 32 f. die Bedeutung der Lohnsteuerklasse dargestellt und - durch Fettschrift zusätzlich hervorgehoben - darauf hingewiesen, dass ein Steuerklassenwechsel zu einer niedrigeren Leistung führen kann (S. 32). Der mit der Beschwerde vorgebrachte Einwand des Klägers, dass derartige Merkblätter erfahrungsgemäß nicht aufmerksam gelesen bzw. im konkreten Fall nicht erinnerlich seien, geht fehl. Es ist nämlich grob fahrlässig, solche Hinweise nicht zu beachten, zumal wenn der Arbeitslose - wie hier - solche deutliche und hervorgehobene Hinweise erhalten hat. Im Übrigen ist der Kläger auch auf Seite 2 des Bewilligungsbescheides vom 24.08.2009 unter der Überschrift "Wichtig für Sie:" darum gebeten worden, vor einem Steuerklassenwechsel stets mit der Arbeitsagentur Kontakt aufzunehmen, damit ihm keine finanziellen Nachteile entstehen. Die Bedeutung des Steuerklassenwechsels musste dem Kläger auch dadurch klar sein. Der im Dezember 2009 eingetragene Lohnsteuerklassenwechsel erfolgte auch nicht lange Zeit nach der Bescheiderteilung Ende August 2009, weshalb der Hinweis hätte leicht aus dem Blick geraten können.

Soweit der Kläger ferner geltend macht, er habe die erhaltenen Leistungen in gutem Glauben zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verbraucht, so dass ihm der zurückgeforderte Betrag jetzt nicht mehr zur Verfügung stehe, berührt dies die Rechtmäßigkeit der teilweisen Aufhebung der Bewilligung und des auf § 50 Abs. 1 SGB X beruhenden Erstattungsverlangens der Beklagten nicht. Auf den Wegfall der Bereicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB kann sich der Kläger im Hinblick auf die hier geltenden sozialrechtlichen Vorschriften der §§ 48, 50 SGB X nicht mit Erfolg berufen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved