Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 22 SO 294/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 568/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren (§ 63 Abs. 2 SGB X) vor dem Hintergrund von sogenannten "unechten Musterverfahren".
Die Beschwerde des Klägers gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.10.2011 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht Prozesskostenhilfe verweigert. Die Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO).
Der vom Kläger verfolgte Anspruch auf Erstattung der Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts scheitert jedenfalls an § 63 Abs. 2 SGB X. Danach sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren dann erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Das war nicht der Fall.
Die Beklagte hat dem Kläger mit Bescheid vom 27.01.2010 u.a. Leistungen nach dem SGB XII für den Bewilligungszeitraum März bis Oktober 2010 bewilligt. Für die Einlegung des Widerspruchs gegen diesen Bescheid am 02.02.2010 war die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten, hier insbesondere des vom Betreuer des Klägers beauftragten Rechtsanwalts, nicht notwendig. Abzustellen ist dabei auf die Sicht eines verständigen Beteiligten im Zeitpunkt der Beauftragung unter Berücksichtigung seiner individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten. Maßgeblich ist auch hier der Standpunkt einer vernünftigen Person ohne spezifische Rechtskenntnisse in der gegebenen Konstellation (BSG, Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 42/00 R). Gerade die hier bestehende Konstellation der Einlegung des Widerspruchs wenige Tage vor dem seit längerem bekannten Datum der Verkündung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Verfassungsbeschwerden hinsichtlich der Höhe der Regelleistung nach dem SGB II steht der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten entgegen. Dabei kommt es weniger darauf an, dass es sich hierbei um eine durchaus schwierig zu beurteilende Rechtsfrage handelte. Vielmehr die hier bestehende zeitliche Konstellation schließt die Notwendigkeit aus. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sollte sieben Tage später verkündet werden. Es war offenkundig, dass diese Entscheidung, die schon im Vorfeld ein erhebliches Medieninteresse und entsprechende Publikationen nahezu täglich hervorgerufen hatte, wahrscheinlich bereits am Tag der Verkündung der Entscheidung, spätestens aber in den folgenden Tagen ausführlich diskutiert und erörtert wurde. Auch ein Beteiligter ohne besondere Rechtskenntnisse konnte unschwer erkennen, ob das Verfahren beim Bundesverfassungsgericht seine Situation unmittelbar beeinflussen würde. Dies hätte der Kläger bzw. sein Betreuer unschwer erkennen können. Selbst wenn dann noch Unklarheiten bestanden hätten, wäre die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Einlegung eines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 27.01.2009 ohne weiteres leicht möglich gewesen.
Darüber hinaus muss sich der Kläger auch entgegenhalten lassen, dass ein kostenbewusster Rechtsuchender insbesondere prüfen muss, inwieweit er fremde Hilfe zur effektiven Ausübung seiner Verfahrensrechte braucht oder selbst dazu in der Lage ist (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 02.09.2010, 1 BvR 1974/08, juris). Bei der beschriebenen Konstellation hätte ein Bemittelter die Einschaltung eines Anwalts vernünftigerweise zu diesem späten Zeitpunkt, kurz vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, nicht in Erwägung gezogen. Dahinstehen kann, ob es nicht auch aus anwaltlicher Fürsorge zur Vermeidung unnötiger Kosten hätte geboten sein können, die Einlegung des Widerspruchs aus den dargestellten Gründen vorübergehend zurückzustellen.
Auch das vom Kläger bemühte Verfassungsrecht begründet kein anderes Ergebnis. Mit dem 19. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 21.01.2010, L 19 B 388/09 AS, Juris) ist der Senat gleichfalls der Auffassung, dass ein sein Kostenrisiko vernünftig abwägender Bürger, der die Prozesskosten aus eigenen Mitteln finanzieren muss, ein Verfahren nicht weiter betreiben wird, solange die Rechtsfrage bereits in anderen Verfahren anhängig ist (sog. unechte Musterverfahren). Im Fall einer positiven Entscheidung kann er vom Ausgang dieser Verfahren profitieren, ohne selbst einem Kostenrisiko zu unterliegen. Geht das Musterverfahren aus Sicht des Betroffenen negativ aus, ist er nicht gehindert, sein Rechtsschutzziel weiter zu verfolgen. Es reicht nämlich aus verfassungsrechtlicher Sicht aus, wenn dem Betroffenen nach Ergehen der "Musterentscheidung" noch alle Möglichkeiten offenstehen, umfassenden Rechtsschutz zu erlangen (vgl. hierzu auch Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18.11.2009, 1 BvR 2455/08, Juris).
Kosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht Prozesskostenhilfe verweigert. Die Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO).
Der vom Kläger verfolgte Anspruch auf Erstattung der Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts scheitert jedenfalls an § 63 Abs. 2 SGB X. Danach sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren dann erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Das war nicht der Fall.
Die Beklagte hat dem Kläger mit Bescheid vom 27.01.2010 u.a. Leistungen nach dem SGB XII für den Bewilligungszeitraum März bis Oktober 2010 bewilligt. Für die Einlegung des Widerspruchs gegen diesen Bescheid am 02.02.2010 war die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten, hier insbesondere des vom Betreuer des Klägers beauftragten Rechtsanwalts, nicht notwendig. Abzustellen ist dabei auf die Sicht eines verständigen Beteiligten im Zeitpunkt der Beauftragung unter Berücksichtigung seiner individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten. Maßgeblich ist auch hier der Standpunkt einer vernünftigen Person ohne spezifische Rechtskenntnisse in der gegebenen Konstellation (BSG, Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 42/00 R). Gerade die hier bestehende Konstellation der Einlegung des Widerspruchs wenige Tage vor dem seit längerem bekannten Datum der Verkündung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Verfassungsbeschwerden hinsichtlich der Höhe der Regelleistung nach dem SGB II steht der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten entgegen. Dabei kommt es weniger darauf an, dass es sich hierbei um eine durchaus schwierig zu beurteilende Rechtsfrage handelte. Vielmehr die hier bestehende zeitliche Konstellation schließt die Notwendigkeit aus. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sollte sieben Tage später verkündet werden. Es war offenkundig, dass diese Entscheidung, die schon im Vorfeld ein erhebliches Medieninteresse und entsprechende Publikationen nahezu täglich hervorgerufen hatte, wahrscheinlich bereits am Tag der Verkündung der Entscheidung, spätestens aber in den folgenden Tagen ausführlich diskutiert und erörtert wurde. Auch ein Beteiligter ohne besondere Rechtskenntnisse konnte unschwer erkennen, ob das Verfahren beim Bundesverfassungsgericht seine Situation unmittelbar beeinflussen würde. Dies hätte der Kläger bzw. sein Betreuer unschwer erkennen können. Selbst wenn dann noch Unklarheiten bestanden hätten, wäre die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Einlegung eines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 27.01.2009 ohne weiteres leicht möglich gewesen.
Darüber hinaus muss sich der Kläger auch entgegenhalten lassen, dass ein kostenbewusster Rechtsuchender insbesondere prüfen muss, inwieweit er fremde Hilfe zur effektiven Ausübung seiner Verfahrensrechte braucht oder selbst dazu in der Lage ist (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 02.09.2010, 1 BvR 1974/08, juris). Bei der beschriebenen Konstellation hätte ein Bemittelter die Einschaltung eines Anwalts vernünftigerweise zu diesem späten Zeitpunkt, kurz vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, nicht in Erwägung gezogen. Dahinstehen kann, ob es nicht auch aus anwaltlicher Fürsorge zur Vermeidung unnötiger Kosten hätte geboten sein können, die Einlegung des Widerspruchs aus den dargestellten Gründen vorübergehend zurückzustellen.
Auch das vom Kläger bemühte Verfassungsrecht begründet kein anderes Ergebnis. Mit dem 19. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 21.01.2010, L 19 B 388/09 AS, Juris) ist der Senat gleichfalls der Auffassung, dass ein sein Kostenrisiko vernünftig abwägender Bürger, der die Prozesskosten aus eigenen Mitteln finanzieren muss, ein Verfahren nicht weiter betreiben wird, solange die Rechtsfrage bereits in anderen Verfahren anhängig ist (sog. unechte Musterverfahren). Im Fall einer positiven Entscheidung kann er vom Ausgang dieser Verfahren profitieren, ohne selbst einem Kostenrisiko zu unterliegen. Geht das Musterverfahren aus Sicht des Betroffenen negativ aus, ist er nicht gehindert, sein Rechtsschutzziel weiter zu verfolgen. Es reicht nämlich aus verfassungsrechtlicher Sicht aus, wenn dem Betroffenen nach Ergehen der "Musterentscheidung" noch alle Möglichkeiten offenstehen, umfassenden Rechtsschutz zu erlangen (vgl. hierzu auch Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18.11.2009, 1 BvR 2455/08, Juris).
Kosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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