Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 10 R 1222/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 434/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 381/11 B
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 13. September 2007 abgeändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Beteiligten haben sich keine Verfahrenskosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Kläger – wie vom Sozialgericht ausgeurteilt – einen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung hat oder ob ihm jedenfalls eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zusteht.
Der am ... 1947 geborene Kläger erlernte vom 01. September 1964 bis zum 15. Juli 1967 den Beruf eines Schlossers und war anschließend – unterbrochen durch den Wehrdienst – bis zum 21. Oktober 1969 in diesem Beruf tätig. Vom 01. November 1969 bis zum 15. August 1972 besuchte er die Ingenieurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik M., die er mit Zeugnis vom 28. Juli 1972 erfolgreich abschloss. Ab dem 16. August 1972 war der Kläger in dem VEB Harzer Werke B. als Technologe, ab dem 01. Januar 1980 als Abteilungsleiter TVP, ab dem 01. Januar 1982 als Investvorbereiter und ab dem 01. Januar 1984 als Gruppenleiter tätig. Mit Wirkung vom 01. August 1986 arbeitete er für den VEB Metallgußwerk W. als Mitarbeiter Invest und ab dem 01. Januar 1990 bis Mai 1996 als Technologe und Abteilungsleiter wieder für den VEB Harzer Werke bzw. deren Rechtsnachfolgerin, der Harzer Werke GmbH. Ab September 1996 war der Kläger – mit Unterbrechungen – bis September 2001 als Betriebsleiter einer Pulverbeschichtungsfirma, als kaufmännischer Geschäftsführer einer Metallrecyclingfirma, Betriebsleiter einer Ladenbaufirma und kaufmännischer Leiter eines Planungsbüros tätig. Von Januar 2003 bis Mai 2003 führte er eine Weiterbildung Automatisierungstechnik durch. Davor und danach war er arbeitslos bzw. arbeitsunfähig erkrankt und erhielt Sozialleistungen.
Am 04. Januar 2005 beantragte der Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte holte einen Befundbericht ein von dem Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. E. ohne Datum (Eingang bei der Beklagten am 02. Februar 2005) und lies den Arzt für Nervenheilkunde Dr. S. das Gutachten vom 26. Januar 2005, den Arzt für Innere Medizin Dr. R. das Gutachten vom 04. Februar 2005 und den Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. R. ein Gutachten aufgrund einer Untersuchung am 09. März 2005 erstellen. Dr. S. schätzte ein, dass der Kläger als Ingenieur für Maschinenbau noch drei bis unter sechs Stunden und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch sechs Stunden und mehr tätig sein könnte. Nach Dr. R. lag das Leistungsvermögen als kaufmännischer Leiter und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter drei Stunden. Dr. R. hielt eine Tätigkeit als Diplom-Ingenieur in Leitungsfunktionen und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für sechs Stunden und mehr für möglich.
Mit Bescheid vom 27. Mai 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 01. August 2005 bis zum 30. Juni 2006. In seinem Beruf und in vergleichbaren Tätigkeiten sei dieser nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich einsetzbar. Unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes könne er aber noch eine Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Die Rente sei zu befristen, da es nach den medizinischen Untersuchungsbefunden nicht unwahrscheinlich sei, dass die Berufsunfähigkeit behoben werden könne. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 14. Juni 2005 Widerspruch ein, mit dem er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrte. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte Befundberichte ein von der Diplompsychologin O. vom 18. August 2005, dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 19. August 2005, dem Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. E. vom 18. August 2005 und der Fachärztin für Innere Medizin/Pneumologie Dr. H. vom 13. September 2005. Mit Widerspruchsbescheid vom 08. Dezember 2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Nach der getroffenen sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung könne er noch mindestens sechs Stunden täglich Tätigkeiten verrichten. Damit sei er nicht voll erwerbsgemindert.
Daraufhin hat der Kläger am 19. Dezember 2005 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben. Er sei seit vier Jahren chronisch erkrankt, in ständiger ärztlicher Behandlung und lebe mit erheblichen Einschränkungen. Deshalb stehe ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu. Das SG hat Befundberichte eingeholt von der Medizinischen Klinik des H.-Klinikums W.-B. GmbH vom 14. Februar 2006, dem Facharzt für Neurologie/Psychiatrie Dr. E. vom 16. Februar 2006, dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 18. Februar 2006, der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde des AMEOS Klinikums St. Salvator H. vom 03. März 2006, der Psychologischen Psychotherapeutin O. vom 09. Juni 2006 und dem Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. E. vom 19. Juni 2006. Vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt hat es das sozialmedizinische Gutachten vom 04. Dezember 2003 beigezogen.
Mit Bescheid vom 19. Mai 2006 hat die Beklagte die Weiterzahlung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für die Zeit ab 01. Juli 2006 abgelehnt und ein in diesem Zusammenhang eingeholtes Gutachten des Arztes für Psychiatrie/Psychotherapie Dr. R. von der Privat-Nerven-Klinik Dr. F. vom 18. April 2006 vorgelegt. Gegenüber dem Gutachter hat der Kläger angegeben, dass er seine Eltern pflege. Der Gutachter hat mitgeteilt, dass keine psychische Erkrankung oder Funktionsbeeinträchtigung vorliege. Als Geschäftsführer einer Laden-/Inneneinrichtungsfirma könne der Kläger täglich noch sechs Stunden und mehr tätig sein. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien mittelschwere Arbeiten für sechs Stunden und mehr möglich.
Das SG hat zunächst den Ärztlichen Direktor der Lungenklinik L. Prof. Dr. L. mit der Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser hat den Auftrag mit Schreiben vom 22. August 2006 mit der Begründung zurückgegeben, dass es durch eine nochmalige körperliche Untersuchung zu keiner Erweiterung des bisher aktenkundigen Geschehens kommen könne. Sodann hat das SG den Facharzt für Innere Medizin, Allergologie, Umweltmedizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. L. das Sachverständigengutachten vom 13. November 2006 erstellen lassen. Der Sachverständige hat folgenden Diagnosen gestellt:
Obstruktive Atemwegserkrankung.
Aktuell Nachweis einer leichten obstruktiven Ventilationsstörung mit peripherer Flusslimitation und Lungenüberblähung.
Aktuell Ausschluss einer nasalen Obstruktion.
Chronischrezidivierende Nasennebenhöhlenentzündung.
Analgetikaintoleranz (ASS).
Depressive Episoden.
Der Kläger könne mindestens vier bis unter sechs Stunden täglich körperlich mittelschwere Arbeiten mit weiteren Einschränkungen verrichten. Die Einschränkung auf Arbeiten unter sechs Stunden bestehe seit dem 01. Oktober 2005. – Die Beklagte ist dem Gutachten entgegengetreten. Bei den erhobenen Befunden bestehe keine länger dauernde Leistungsminderung.
Mit Urteil vom 13. September 2007 hat das SG die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen und unter Abänderung des Bescheides vom 19. Mai 2006 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 01. Juni 2007 bis zum 31. Mai 2010 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu zahlen. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten würde die obstruktive Atemwegserkrankung bei chronisch rezidivierenden Nasennebenhöhlenentzündungen ab November 2006 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit auf weniger als sechs Stunden täglich ergeben. Da dem Kläger kein adäquater Arbeitsplatz zur Verfügung stehe und der Arbeitsmarkt insoweit auch als verschlossen anzusehen sei, habe er einen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, wobei sich Leistungsbeginn und Leistungsdauer aus den §§ 101 Abs. 1 und 102 Abs. 1 und 2 SGB VI ergeben würden. Ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Antragstellung bzw. auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit über den 01. Juli 2006 hinaus könne demgegenüber nicht mit der dafür notwendigen Gewissheit begründet werden.
Gegen das am 17. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14. November 2007 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und eine Stellungnahme ihres ärztlichen Dienstes vom 09. November 2007 vorgelegt. Das Gutachten von Dr. L. entspreche weder formal noch in der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung den dazu vorliegenden Leitlinien. Eine ordnungsgemäße Anamnese und eine Prüfung auf Konsistenz habe nicht stattgefunden, obwohl unübersehbare Aggravationstendenzen mitgeteilt würden. Die erhobenen Laborbefunde würden gegen eine wesentliche allergische Reaktion sprechen, die Lungenfunktionsuntersuchungen hätten nur eine leichte Funktionsstörung ergeben. Die ergometrische Belastbarkeit des Klägers habe 100 Watt betragen, was einem körperlichen Leistungsvermögen für mittelschwere Arbeiten entspreche.
Einen Antrag der Beklagten auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem Urteil des SG hat das Landessozialgericht mit Beschluss vom 29. Dezember 2007 abgelehnt. Mit Bescheid vom 18. Januar 2008 hat die Beklagte das Urteil des SG ausgeführt und mit weiterem Bescheid vom 22. Februar 2010 die Bezugsdauer der dem Kläger gezahlten Rente bis zum 31. Mai 2013 verlängert.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 13. September 2007 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom
13. September 2007 abzuweisen;
hilfsweise, ihm über den 30. Juni 2006 hinaus weiterhin eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Er hält das Urteil des SG für zutreffend.
Das Landessozialgericht hat von dem Sachverständigen Dr. L. eine ergänzende Stellungnahme vom 03. April 2008 eingeholt. Die Einschätzung einer reduzierten Arbeitszeit von vier bis unter sechs Stunden folge aus einem Vergleich der Lungenfunktionstestergebnisse der Jahre 2006 und 2005. Sodann hat es Befundberichte – denen teilweise weitere medizinische Unterlagen beigefügt waren – eingeholt von der Fachärztin für Innere Medizin Dr. H. vom 12. Februar 2009 und 10. Juni 2010, der Psychologischen Psychotherapeutin O. vom 22. Februar 2009, dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 28. Februar 2009 und 03. Juli 2010, von dem Facharzt für HNO – Stimm- und Sprachstörungen Dr. E. vom 30. März 2009 sowie von dem Facharzt für Neurochirurgie Dr. W. vom 24. November 2010.
Anschließend hat der Senat den Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie, Allergologie, Notfallmedizin, Medikamentöse Tumortherapie und Internistische Intensivmedizin Dr. A. (Ärztlicher Direktor der Klinik für Pneumologie, Allergologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin und Thorakale Onkologie der Lungenklinik L. gGmbH) das Sachverständigengutachten vom 14. April 2011 erstatten lassen. Der Sachverständige hat folgende Diagnosen erhoben:
Samter-Trias mit Polyposis nasi (Zustand nach mehreren HNO-ärztlichen operativen Eingriffen), intrinsischem Asthma bronchiale.
Allergische Sensibilisierung der Haut gegen früh- und mittelblühende Bäume bei Atopie.
Anpassungsstörung mit depressiven Reaktionen (nach fremden Befunden).
Die sonstige Laborwertanalyse habe keine relevanten pathologischen Befunde ergeben. Nach der funktionellen Diagnostik ergebe sich hinsichtlich der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit ein altersentsprechender Normalbefund. Für die geklagte Luftnot gebe es kein organisches Korrelat. In der Belastbarkeitsprüfung sei ein Wert von 149 Watt erreicht worden. Der Sachverständige diskutiert sodann die in dem Verfahren eingeholten ärztlichen Stellungnahmen. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf Bl. 399 bis 412 der Gerichtsakte Bezug genommen. Zu dem Gutachten von Dr. L. sei anzumerken, dass seine Einschätzung des zeitlichen Leistungsvermögens des Klägers nicht zu den tatsächlich erhobenen Befunden passe. Die mitgegebenen Lungenfunktionsprotokolle seien nur unvollständig wiedergegeben. Die Flussvolumenkurven würden Zweifel an der Durchführungsqualität bzw. auch der Dokumentation aufkommen lassen. Die Rhinomanometrie zeige keinen pathologischen Befund. Es sei von einer ausreichenden Leistungsfähigkeit für eine berufliche Betätigung im bisherigen Arbeitsfeld auszugehen. Der Kläger könne noch leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten von sechs Stunden und mehr an fünf Wochentagen täglich verrichten. Körperlich schwere Arbeiten sollten nicht mehr verrichtet werden. Die Arbeiten seien in jeder Haltung denkbar. Erhebliche Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe sollten vermieden werden. Dies gelte auch für Arbeiten mit Einwirkung von Staub, Gas, Dampf oder Rauch, an laufenden Maschinen, auf Gerüsten oder Leitern. Die Gehfähigkeit des Klägers sei nicht eingeschränkt. Für eine Strecke von 500 Metern habe er etwas über 10 Minuten benötigt. Die durchgeführte Operation im Bereich der Halswirbelsäule habe keinen bleibenden Defekt relevanten Ausmaßes hinterlassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch in der Form und Frist des § 151 SGG eingelegte Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat sie zu Unrecht verurteilt, dem Kläger ab dem 01. Juni 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu zahlen (nachfolgend 1.). Dieser hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit über den 30. Juni 2006 hinaus (nachfolgend 2.).
Streitgegenständlich ist zunächst ein Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01. Juni 2007, wie dies das SG ausgeurteilt hat. Denn gegen das Urteil des SG hat nur die Beklagte Berufung eingelegt, so dass das Urteil für den Zeitraum davor ab Antragstellung rechtskräftig geworden ist. Weiter ist hilfsweise ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im Streit, weil der während des sozialgerichtlichen Verfahrens ergangene Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2006 gemäß § 96 SGG Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens geworden ist.
1.
Gemäß § 43 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) haben Versicherte, wenn die entsprechenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen, dann einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift ist derjenige teilweise erwerbsgemindert, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarklage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Absatz 3 zweiter Halbsatz SGB VI).
Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Kläger in dem zu beurteilenden Zeitraum seit November 2006 (Untersuchung bei Dr. L.) bis heute noch in der Lage war und ist, für sechs und mehr Stunden täglich einer körperlich leichten und gelegentlich mittelschweren Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Nicht möglich sind körperlich schwere Arbeiten. Die Arbeiten sind in jeder Haltung denkbar. Arbeiten mit erheblichen Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe sind zu vermeiden. Dies gilt auch für Tätigkeiten mit Einwirkung von Staub, Gas, Dampf oder Rauch, an laufenden Maschinen und auf Leitern oder Gerüsten. Insoweit folgt der Senat aufgrund eigener Überzeugungsbildung den schlüssigen, fundierten und nachvollziehbaren Ausführungen in dem Sachverständigengutachten des Facharztes für Innere Medizin und Pneumologie Dr. A. vom 14. April 2011 sowie dem von der Beklagten eingeholten Gutachten des Facharztes für Psychiatrie/Psychotherapie Dr. R. vom 18. April 2006. In diesen ärztlichen Stellungnahmen wird dem Kläger ein zumindest noch sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte und gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten bescheinigt.
Nach diesen ärztlichen Unterlagen liegen bei dem Kläger auf internistischem/pulmologischem Fachgebiet ein Zustand nach mehreren HNO-ärztlichen operativen Eingriffen, ein intrinsisches Asthma bronchiale sowie eine allergische Sensibilisierung der Haut gegen früh- und mittelblühende Bäume im Rahmen einer Überempfindlichkeitsreaktion vor. Laboranalytisch konnten keine weiteren pathologischen Befunde erhoben werden. Für die vom Kläger geklagte Luftnot konnte ein organisches Korrelat nicht ermittelt werden. Bei der durchgeführten Leistungsprüfung hat er einen Wert von fast 150 Watt erreicht. Die Ärzte der Beklagten haben zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger danach auch noch schwere körperliche Arbeiten verrichten könnte. Auf psychiatrischem Fachgebiet liegen nach dem Gutachten des Facharztes für Psychiatrie/Psychotherapie Dr. R. keine psychiatrischen Diagnosen und damit auch keine daraus folgenden Funktions- und Leistungsbeeinträchtigungen vor. Dem Kläger gelingt es offenkundig, seinen Tagesablauf zu strukturieren und in diesem Tagesablauf Aufgaben im Haushalt zu bewältigen. Etwas anderes verlangt auch eine sechsstündige Beschäftigung nicht.
Auch die im Berufungsverfahren von den behandelnden Ärzten eingeholten Befunde geben keinen Anlass an diesem Ergebnis zu zweifeln. Die Fachärztin für Innere Medizin Dr. H. spricht in ihrem Bericht vom 12. Februar 2009 von einem stabilen Befund. Nach dem Bericht der Medizinischen Klinik des Harz-Klinikums W.-B. GmbH vom 20. Februar 2008 war die Lungenfunktion zu diesem Zeitpunkt nicht eingeschränkt. Der Facharzt für HNO – Stimm- und Sprachstörungen Dr. E. spricht in seinem Bericht vom 30. März 2009 von einem konstanten Befund, so dass seine Schlussfolgerung einer schrittweisen Verschlechterung nicht schlüssig ist.
Die im September 2010 im Bereich der Halswirbelsäule durchgeführte Operation hat nach dem Bericht der behandelnden Einrichtung keine bleibenden Defekte in einem für das körperliche Leistungsvermögen relevanten Ausmaß hinterlassen.
Nicht nachvollziehbar für den Senat sind die Schlussfolgerungen, die der erstinstanzliche Sachverständige Dr. L. hinsichtlich des zeitlichen Leistungsvermögens des Klägers gezogen hat. Dort hat dieser auf dem Fahrradergometer 100 Watt getreten, was Dr. L. zutreffend mit einem Leistungsvermögen für bis zu mittelschwere körperliche Arbeiten bewertet hat. Das Gutachten ist aber unschlüssig, soweit es von einem quantitativen Leistungsvermögen von mehr als vier bis unter sechs Stunden ausgeht. Der im Berufungsverfahren gehörte Sachverständige Dr. A. hat für den Senat überzeugend dargelegt, dass diese Einschätzung des zeitlichen Leistungsvermögens des Klägers nicht zu den von Dr. L. erhobenen Befunden passt. Hinsichtlich der Einschätzung des zeitlichen Leistungsvermögens folgt der Senat deshalb Dr. A ...
Danach ergibt sich das eingangs geschilderte Leistungsbild. Mit einem Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich ist der Kläger aber nicht teilweise erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Absatz 1 Satz 2 SGB VI.
2.
Ist der Kläger danach schon nicht teilweise erwerbsgemindert, so ist er erst recht nicht voll erwerbsgemindert. Denn dies erfordert gemäß § 43 Absatz 2 Satz 2 SGB VI, dass ein Versicherter wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Da der Kläger, wie dargelegt, noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, erfüllt er dieses Kriterium nicht.
Der Kläger ist auch nicht deshalb voll erwerbsgemindert, weil er wegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein kann. Eine konkrete Verweisungstätigkeit ist daher nicht zu benennen. Sein Restleistungsvermögen reicht vielmehr noch für leichte körperliche Verrichtungen im Wechsel der drei Körperhaltungen aus (z.B. Bürohilfsarbeiten wie Öffnen und Sortieren der eingehenden Post, Frankieren der ausgehenden Post, Aktenführung oder Archivierung; vgl. den Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 19. Dezember 1996 – GS 2/95 –, BSGE 80, 24, 33f.).
Dem Kläger ist der Arbeitsmarkt auch nicht deshalb verschlossen, weil er nicht wegefähig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt Erwerbsfähigkeit grundsätzlich die Fähigkeit eines Versicherten voraus, vier mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand (bis 20 Minuten) bewältigen und zwei mal täglich während der Hauptverkehrszeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können (Urteil vom 28. August 2002 – B 5 RJ 8/02 R –, dokumentiert in juris). Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm zur Verfügung stehenden Hilfsmittel und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Nach dem überzeugenden Urteil des Sachverständigen Dr. A. kann der Kläger viermal täglich einen Fußweg von mehr als 500 Metern bewältigen und benötigt für eine solche Strecke maximal 10 Minuten. Mit einem solchen Gehvermögen ist er aber wegefähig.
3.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Absatz 1 SGB VI über den 30. Juni 2006 hinaus. Danach haben Versicherte bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (Fassung ab 01. Januar 2008: bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze ) auch Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Der Kläger ist zwar vor diesem Zeitpunkt geboren worden (nämlich am 10. August 1947), er ist aber nicht berufsunfähig.
Auszugehen ist dabei von dem bisherigen Beruf des Versicherten. Dies ist in der Regel die letzte nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Mit dem von Dr. A. festgestellten körperlichen Leistungsbild ist der Kläger ohne weiteres in der Lage, in seiner letzten beruflichen Tätigkeit als Geschäftsführer einer Ladenbau- bzw. Inneneinrichtungsfirma tätig zu sein, da es sich dabei um Bürotätigkeiten innerhalb geschlossener Räume und ohne Einwirkung von Temperaturschwankungen, Zugluft, Nässe, Staub, Gas, Dampf oder Rauch handelt. Der psychiatrische Sachverständige Dr. R. hat dies ausdrücklich bestätigt. Somit kann der Kläger seinen bisherigen Beruf noch ausüben und ist deshalb auch nicht berufsunfähig.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Absatz 2 SGG liegen nicht vor.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Beteiligten haben sich keine Verfahrenskosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Kläger – wie vom Sozialgericht ausgeurteilt – einen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung hat oder ob ihm jedenfalls eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zusteht.
Der am ... 1947 geborene Kläger erlernte vom 01. September 1964 bis zum 15. Juli 1967 den Beruf eines Schlossers und war anschließend – unterbrochen durch den Wehrdienst – bis zum 21. Oktober 1969 in diesem Beruf tätig. Vom 01. November 1969 bis zum 15. August 1972 besuchte er die Ingenieurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik M., die er mit Zeugnis vom 28. Juli 1972 erfolgreich abschloss. Ab dem 16. August 1972 war der Kläger in dem VEB Harzer Werke B. als Technologe, ab dem 01. Januar 1980 als Abteilungsleiter TVP, ab dem 01. Januar 1982 als Investvorbereiter und ab dem 01. Januar 1984 als Gruppenleiter tätig. Mit Wirkung vom 01. August 1986 arbeitete er für den VEB Metallgußwerk W. als Mitarbeiter Invest und ab dem 01. Januar 1990 bis Mai 1996 als Technologe und Abteilungsleiter wieder für den VEB Harzer Werke bzw. deren Rechtsnachfolgerin, der Harzer Werke GmbH. Ab September 1996 war der Kläger – mit Unterbrechungen – bis September 2001 als Betriebsleiter einer Pulverbeschichtungsfirma, als kaufmännischer Geschäftsführer einer Metallrecyclingfirma, Betriebsleiter einer Ladenbaufirma und kaufmännischer Leiter eines Planungsbüros tätig. Von Januar 2003 bis Mai 2003 führte er eine Weiterbildung Automatisierungstechnik durch. Davor und danach war er arbeitslos bzw. arbeitsunfähig erkrankt und erhielt Sozialleistungen.
Am 04. Januar 2005 beantragte der Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte holte einen Befundbericht ein von dem Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. E. ohne Datum (Eingang bei der Beklagten am 02. Februar 2005) und lies den Arzt für Nervenheilkunde Dr. S. das Gutachten vom 26. Januar 2005, den Arzt für Innere Medizin Dr. R. das Gutachten vom 04. Februar 2005 und den Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. R. ein Gutachten aufgrund einer Untersuchung am 09. März 2005 erstellen. Dr. S. schätzte ein, dass der Kläger als Ingenieur für Maschinenbau noch drei bis unter sechs Stunden und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch sechs Stunden und mehr tätig sein könnte. Nach Dr. R. lag das Leistungsvermögen als kaufmännischer Leiter und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter drei Stunden. Dr. R. hielt eine Tätigkeit als Diplom-Ingenieur in Leitungsfunktionen und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für sechs Stunden und mehr für möglich.
Mit Bescheid vom 27. Mai 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 01. August 2005 bis zum 30. Juni 2006. In seinem Beruf und in vergleichbaren Tätigkeiten sei dieser nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich einsetzbar. Unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes könne er aber noch eine Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Die Rente sei zu befristen, da es nach den medizinischen Untersuchungsbefunden nicht unwahrscheinlich sei, dass die Berufsunfähigkeit behoben werden könne. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 14. Juni 2005 Widerspruch ein, mit dem er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrte. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte Befundberichte ein von der Diplompsychologin O. vom 18. August 2005, dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 19. August 2005, dem Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. E. vom 18. August 2005 und der Fachärztin für Innere Medizin/Pneumologie Dr. H. vom 13. September 2005. Mit Widerspruchsbescheid vom 08. Dezember 2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Nach der getroffenen sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung könne er noch mindestens sechs Stunden täglich Tätigkeiten verrichten. Damit sei er nicht voll erwerbsgemindert.
Daraufhin hat der Kläger am 19. Dezember 2005 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben. Er sei seit vier Jahren chronisch erkrankt, in ständiger ärztlicher Behandlung und lebe mit erheblichen Einschränkungen. Deshalb stehe ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu. Das SG hat Befundberichte eingeholt von der Medizinischen Klinik des H.-Klinikums W.-B. GmbH vom 14. Februar 2006, dem Facharzt für Neurologie/Psychiatrie Dr. E. vom 16. Februar 2006, dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 18. Februar 2006, der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde des AMEOS Klinikums St. Salvator H. vom 03. März 2006, der Psychologischen Psychotherapeutin O. vom 09. Juni 2006 und dem Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. E. vom 19. Juni 2006. Vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt hat es das sozialmedizinische Gutachten vom 04. Dezember 2003 beigezogen.
Mit Bescheid vom 19. Mai 2006 hat die Beklagte die Weiterzahlung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für die Zeit ab 01. Juli 2006 abgelehnt und ein in diesem Zusammenhang eingeholtes Gutachten des Arztes für Psychiatrie/Psychotherapie Dr. R. von der Privat-Nerven-Klinik Dr. F. vom 18. April 2006 vorgelegt. Gegenüber dem Gutachter hat der Kläger angegeben, dass er seine Eltern pflege. Der Gutachter hat mitgeteilt, dass keine psychische Erkrankung oder Funktionsbeeinträchtigung vorliege. Als Geschäftsführer einer Laden-/Inneneinrichtungsfirma könne der Kläger täglich noch sechs Stunden und mehr tätig sein. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien mittelschwere Arbeiten für sechs Stunden und mehr möglich.
Das SG hat zunächst den Ärztlichen Direktor der Lungenklinik L. Prof. Dr. L. mit der Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser hat den Auftrag mit Schreiben vom 22. August 2006 mit der Begründung zurückgegeben, dass es durch eine nochmalige körperliche Untersuchung zu keiner Erweiterung des bisher aktenkundigen Geschehens kommen könne. Sodann hat das SG den Facharzt für Innere Medizin, Allergologie, Umweltmedizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. L. das Sachverständigengutachten vom 13. November 2006 erstellen lassen. Der Sachverständige hat folgenden Diagnosen gestellt:
Obstruktive Atemwegserkrankung.
Aktuell Nachweis einer leichten obstruktiven Ventilationsstörung mit peripherer Flusslimitation und Lungenüberblähung.
Aktuell Ausschluss einer nasalen Obstruktion.
Chronischrezidivierende Nasennebenhöhlenentzündung.
Analgetikaintoleranz (ASS).
Depressive Episoden.
Der Kläger könne mindestens vier bis unter sechs Stunden täglich körperlich mittelschwere Arbeiten mit weiteren Einschränkungen verrichten. Die Einschränkung auf Arbeiten unter sechs Stunden bestehe seit dem 01. Oktober 2005. – Die Beklagte ist dem Gutachten entgegengetreten. Bei den erhobenen Befunden bestehe keine länger dauernde Leistungsminderung.
Mit Urteil vom 13. September 2007 hat das SG die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen und unter Abänderung des Bescheides vom 19. Mai 2006 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 01. Juni 2007 bis zum 31. Mai 2010 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu zahlen. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten würde die obstruktive Atemwegserkrankung bei chronisch rezidivierenden Nasennebenhöhlenentzündungen ab November 2006 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit auf weniger als sechs Stunden täglich ergeben. Da dem Kläger kein adäquater Arbeitsplatz zur Verfügung stehe und der Arbeitsmarkt insoweit auch als verschlossen anzusehen sei, habe er einen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, wobei sich Leistungsbeginn und Leistungsdauer aus den §§ 101 Abs. 1 und 102 Abs. 1 und 2 SGB VI ergeben würden. Ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Antragstellung bzw. auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit über den 01. Juli 2006 hinaus könne demgegenüber nicht mit der dafür notwendigen Gewissheit begründet werden.
Gegen das am 17. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14. November 2007 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und eine Stellungnahme ihres ärztlichen Dienstes vom 09. November 2007 vorgelegt. Das Gutachten von Dr. L. entspreche weder formal noch in der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung den dazu vorliegenden Leitlinien. Eine ordnungsgemäße Anamnese und eine Prüfung auf Konsistenz habe nicht stattgefunden, obwohl unübersehbare Aggravationstendenzen mitgeteilt würden. Die erhobenen Laborbefunde würden gegen eine wesentliche allergische Reaktion sprechen, die Lungenfunktionsuntersuchungen hätten nur eine leichte Funktionsstörung ergeben. Die ergometrische Belastbarkeit des Klägers habe 100 Watt betragen, was einem körperlichen Leistungsvermögen für mittelschwere Arbeiten entspreche.
Einen Antrag der Beklagten auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem Urteil des SG hat das Landessozialgericht mit Beschluss vom 29. Dezember 2007 abgelehnt. Mit Bescheid vom 18. Januar 2008 hat die Beklagte das Urteil des SG ausgeführt und mit weiterem Bescheid vom 22. Februar 2010 die Bezugsdauer der dem Kläger gezahlten Rente bis zum 31. Mai 2013 verlängert.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 13. September 2007 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom
13. September 2007 abzuweisen;
hilfsweise, ihm über den 30. Juni 2006 hinaus weiterhin eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Er hält das Urteil des SG für zutreffend.
Das Landessozialgericht hat von dem Sachverständigen Dr. L. eine ergänzende Stellungnahme vom 03. April 2008 eingeholt. Die Einschätzung einer reduzierten Arbeitszeit von vier bis unter sechs Stunden folge aus einem Vergleich der Lungenfunktionstestergebnisse der Jahre 2006 und 2005. Sodann hat es Befundberichte – denen teilweise weitere medizinische Unterlagen beigefügt waren – eingeholt von der Fachärztin für Innere Medizin Dr. H. vom 12. Februar 2009 und 10. Juni 2010, der Psychologischen Psychotherapeutin O. vom 22. Februar 2009, dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 28. Februar 2009 und 03. Juli 2010, von dem Facharzt für HNO – Stimm- und Sprachstörungen Dr. E. vom 30. März 2009 sowie von dem Facharzt für Neurochirurgie Dr. W. vom 24. November 2010.
Anschließend hat der Senat den Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie, Allergologie, Notfallmedizin, Medikamentöse Tumortherapie und Internistische Intensivmedizin Dr. A. (Ärztlicher Direktor der Klinik für Pneumologie, Allergologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin und Thorakale Onkologie der Lungenklinik L. gGmbH) das Sachverständigengutachten vom 14. April 2011 erstatten lassen. Der Sachverständige hat folgende Diagnosen erhoben:
Samter-Trias mit Polyposis nasi (Zustand nach mehreren HNO-ärztlichen operativen Eingriffen), intrinsischem Asthma bronchiale.
Allergische Sensibilisierung der Haut gegen früh- und mittelblühende Bäume bei Atopie.
Anpassungsstörung mit depressiven Reaktionen (nach fremden Befunden).
Die sonstige Laborwertanalyse habe keine relevanten pathologischen Befunde ergeben. Nach der funktionellen Diagnostik ergebe sich hinsichtlich der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit ein altersentsprechender Normalbefund. Für die geklagte Luftnot gebe es kein organisches Korrelat. In der Belastbarkeitsprüfung sei ein Wert von 149 Watt erreicht worden. Der Sachverständige diskutiert sodann die in dem Verfahren eingeholten ärztlichen Stellungnahmen. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf Bl. 399 bis 412 der Gerichtsakte Bezug genommen. Zu dem Gutachten von Dr. L. sei anzumerken, dass seine Einschätzung des zeitlichen Leistungsvermögens des Klägers nicht zu den tatsächlich erhobenen Befunden passe. Die mitgegebenen Lungenfunktionsprotokolle seien nur unvollständig wiedergegeben. Die Flussvolumenkurven würden Zweifel an der Durchführungsqualität bzw. auch der Dokumentation aufkommen lassen. Die Rhinomanometrie zeige keinen pathologischen Befund. Es sei von einer ausreichenden Leistungsfähigkeit für eine berufliche Betätigung im bisherigen Arbeitsfeld auszugehen. Der Kläger könne noch leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten von sechs Stunden und mehr an fünf Wochentagen täglich verrichten. Körperlich schwere Arbeiten sollten nicht mehr verrichtet werden. Die Arbeiten seien in jeder Haltung denkbar. Erhebliche Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe sollten vermieden werden. Dies gelte auch für Arbeiten mit Einwirkung von Staub, Gas, Dampf oder Rauch, an laufenden Maschinen, auf Gerüsten oder Leitern. Die Gehfähigkeit des Klägers sei nicht eingeschränkt. Für eine Strecke von 500 Metern habe er etwas über 10 Minuten benötigt. Die durchgeführte Operation im Bereich der Halswirbelsäule habe keinen bleibenden Defekt relevanten Ausmaßes hinterlassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch in der Form und Frist des § 151 SGG eingelegte Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat sie zu Unrecht verurteilt, dem Kläger ab dem 01. Juni 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu zahlen (nachfolgend 1.). Dieser hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit über den 30. Juni 2006 hinaus (nachfolgend 2.).
Streitgegenständlich ist zunächst ein Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01. Juni 2007, wie dies das SG ausgeurteilt hat. Denn gegen das Urteil des SG hat nur die Beklagte Berufung eingelegt, so dass das Urteil für den Zeitraum davor ab Antragstellung rechtskräftig geworden ist. Weiter ist hilfsweise ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im Streit, weil der während des sozialgerichtlichen Verfahrens ergangene Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2006 gemäß § 96 SGG Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens geworden ist.
1.
Gemäß § 43 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) haben Versicherte, wenn die entsprechenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen, dann einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift ist derjenige teilweise erwerbsgemindert, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarklage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Absatz 3 zweiter Halbsatz SGB VI).
Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Kläger in dem zu beurteilenden Zeitraum seit November 2006 (Untersuchung bei Dr. L.) bis heute noch in der Lage war und ist, für sechs und mehr Stunden täglich einer körperlich leichten und gelegentlich mittelschweren Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Nicht möglich sind körperlich schwere Arbeiten. Die Arbeiten sind in jeder Haltung denkbar. Arbeiten mit erheblichen Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe sind zu vermeiden. Dies gilt auch für Tätigkeiten mit Einwirkung von Staub, Gas, Dampf oder Rauch, an laufenden Maschinen und auf Leitern oder Gerüsten. Insoweit folgt der Senat aufgrund eigener Überzeugungsbildung den schlüssigen, fundierten und nachvollziehbaren Ausführungen in dem Sachverständigengutachten des Facharztes für Innere Medizin und Pneumologie Dr. A. vom 14. April 2011 sowie dem von der Beklagten eingeholten Gutachten des Facharztes für Psychiatrie/Psychotherapie Dr. R. vom 18. April 2006. In diesen ärztlichen Stellungnahmen wird dem Kläger ein zumindest noch sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte und gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten bescheinigt.
Nach diesen ärztlichen Unterlagen liegen bei dem Kläger auf internistischem/pulmologischem Fachgebiet ein Zustand nach mehreren HNO-ärztlichen operativen Eingriffen, ein intrinsisches Asthma bronchiale sowie eine allergische Sensibilisierung der Haut gegen früh- und mittelblühende Bäume im Rahmen einer Überempfindlichkeitsreaktion vor. Laboranalytisch konnten keine weiteren pathologischen Befunde erhoben werden. Für die vom Kläger geklagte Luftnot konnte ein organisches Korrelat nicht ermittelt werden. Bei der durchgeführten Leistungsprüfung hat er einen Wert von fast 150 Watt erreicht. Die Ärzte der Beklagten haben zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger danach auch noch schwere körperliche Arbeiten verrichten könnte. Auf psychiatrischem Fachgebiet liegen nach dem Gutachten des Facharztes für Psychiatrie/Psychotherapie Dr. R. keine psychiatrischen Diagnosen und damit auch keine daraus folgenden Funktions- und Leistungsbeeinträchtigungen vor. Dem Kläger gelingt es offenkundig, seinen Tagesablauf zu strukturieren und in diesem Tagesablauf Aufgaben im Haushalt zu bewältigen. Etwas anderes verlangt auch eine sechsstündige Beschäftigung nicht.
Auch die im Berufungsverfahren von den behandelnden Ärzten eingeholten Befunde geben keinen Anlass an diesem Ergebnis zu zweifeln. Die Fachärztin für Innere Medizin Dr. H. spricht in ihrem Bericht vom 12. Februar 2009 von einem stabilen Befund. Nach dem Bericht der Medizinischen Klinik des Harz-Klinikums W.-B. GmbH vom 20. Februar 2008 war die Lungenfunktion zu diesem Zeitpunkt nicht eingeschränkt. Der Facharzt für HNO – Stimm- und Sprachstörungen Dr. E. spricht in seinem Bericht vom 30. März 2009 von einem konstanten Befund, so dass seine Schlussfolgerung einer schrittweisen Verschlechterung nicht schlüssig ist.
Die im September 2010 im Bereich der Halswirbelsäule durchgeführte Operation hat nach dem Bericht der behandelnden Einrichtung keine bleibenden Defekte in einem für das körperliche Leistungsvermögen relevanten Ausmaß hinterlassen.
Nicht nachvollziehbar für den Senat sind die Schlussfolgerungen, die der erstinstanzliche Sachverständige Dr. L. hinsichtlich des zeitlichen Leistungsvermögens des Klägers gezogen hat. Dort hat dieser auf dem Fahrradergometer 100 Watt getreten, was Dr. L. zutreffend mit einem Leistungsvermögen für bis zu mittelschwere körperliche Arbeiten bewertet hat. Das Gutachten ist aber unschlüssig, soweit es von einem quantitativen Leistungsvermögen von mehr als vier bis unter sechs Stunden ausgeht. Der im Berufungsverfahren gehörte Sachverständige Dr. A. hat für den Senat überzeugend dargelegt, dass diese Einschätzung des zeitlichen Leistungsvermögens des Klägers nicht zu den von Dr. L. erhobenen Befunden passt. Hinsichtlich der Einschätzung des zeitlichen Leistungsvermögens folgt der Senat deshalb Dr. A ...
Danach ergibt sich das eingangs geschilderte Leistungsbild. Mit einem Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich ist der Kläger aber nicht teilweise erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Absatz 1 Satz 2 SGB VI.
2.
Ist der Kläger danach schon nicht teilweise erwerbsgemindert, so ist er erst recht nicht voll erwerbsgemindert. Denn dies erfordert gemäß § 43 Absatz 2 Satz 2 SGB VI, dass ein Versicherter wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Da der Kläger, wie dargelegt, noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, erfüllt er dieses Kriterium nicht.
Der Kläger ist auch nicht deshalb voll erwerbsgemindert, weil er wegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein kann. Eine konkrete Verweisungstätigkeit ist daher nicht zu benennen. Sein Restleistungsvermögen reicht vielmehr noch für leichte körperliche Verrichtungen im Wechsel der drei Körperhaltungen aus (z.B. Bürohilfsarbeiten wie Öffnen und Sortieren der eingehenden Post, Frankieren der ausgehenden Post, Aktenführung oder Archivierung; vgl. den Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 19. Dezember 1996 – GS 2/95 –, BSGE 80, 24, 33f.).
Dem Kläger ist der Arbeitsmarkt auch nicht deshalb verschlossen, weil er nicht wegefähig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt Erwerbsfähigkeit grundsätzlich die Fähigkeit eines Versicherten voraus, vier mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand (bis 20 Minuten) bewältigen und zwei mal täglich während der Hauptverkehrszeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können (Urteil vom 28. August 2002 – B 5 RJ 8/02 R –, dokumentiert in juris). Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm zur Verfügung stehenden Hilfsmittel und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Nach dem überzeugenden Urteil des Sachverständigen Dr. A. kann der Kläger viermal täglich einen Fußweg von mehr als 500 Metern bewältigen und benötigt für eine solche Strecke maximal 10 Minuten. Mit einem solchen Gehvermögen ist er aber wegefähig.
3.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Absatz 1 SGB VI über den 30. Juni 2006 hinaus. Danach haben Versicherte bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (Fassung ab 01. Januar 2008: bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze ) auch Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Der Kläger ist zwar vor diesem Zeitpunkt geboren worden (nämlich am 10. August 1947), er ist aber nicht berufsunfähig.
Auszugehen ist dabei von dem bisherigen Beruf des Versicherten. Dies ist in der Regel die letzte nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Mit dem von Dr. A. festgestellten körperlichen Leistungsbild ist der Kläger ohne weiteres in der Lage, in seiner letzten beruflichen Tätigkeit als Geschäftsführer einer Ladenbau- bzw. Inneneinrichtungsfirma tätig zu sein, da es sich dabei um Bürotätigkeiten innerhalb geschlossener Räume und ohne Einwirkung von Temperaturschwankungen, Zugluft, Nässe, Staub, Gas, Dampf oder Rauch handelt. Der psychiatrische Sachverständige Dr. R. hat dies ausdrücklich bestätigt. Somit kann der Kläger seinen bisherigen Beruf noch ausüben und ist deshalb auch nicht berufsunfähig.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Absatz 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
SAN
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