S 96 AS 7837/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
96
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 96 AS 7837/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

Der Antrag des Klägers vom 18. März 2011, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin K zu gewähren, war abzulehnen. Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gelten für die Gewährung von Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Danach ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 ZPO). Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht reicht "die reale Chance zum Obsiegen", nicht hingegen eine "nur entfernte Erfolgschance". Prozesskostenhilfe darf also nur verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, aber fernliegend ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. April 2000, 1 BvR 81/00, NJW 2000, S. 1936). Ein Klageerfolg war im vorliegenden Fall nicht fernliegend, denn der Kläger hat vorgetragen, einen Widerspruchsbescheid auf den von ihm eingelegten Widerspruch nicht erhalten zu haben. Bei dieser Sachlage liegt die Beweislast für den Zugang eines Widerspruchsbescheides grundsätzlich beim Beklagten, so dass eine reale Chance zum Obsiegen bestand. Ergänzend bestimmt jedoch § 121 Abs. 2 ZPO, dass einer Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt nur dann beigeordnet wird, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Eine solche Erforderlichkeit war hier nicht gegeben. Die Erforderlichkeit der Beiordnung richtet sich nach Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage, den sprachlichen und intellektuellen Fähigkeiten des um Prozesskostenhilfe Nachsuchenden sowie danach, ob auch ein Bemittelter in einer vergleichbaren Situation vernünftigerweise einen Rechtsanwalt beauftragt hätte (vgl. hierzu etwa auch Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 73a Rn. 9b). Die Sach- und Rechtslage ist im Falle einer Untätigkeitsklage stets überschaubar, was jedoch allein noch nicht die Erforderlichkeit einer Beiordnung entfallen lässt. Zusätzlich aber sprechen vorliegend die sprachlichen und intellektuellen Fähigkeiten sowie die Prozesserfahrung des Klägers gegen die Erforderlichkeit einer Beiordnung. Denn der Kläger führt am Sozialgericht Berlin eine Vielzahl von Prozessen. Er zeigt dabei häufig, dass er über juristische Grundkenntnisse verfügt und bringt vielfach juristische Argumente und Rechtsprechungszitate in die Verfahren ein, die eine intensive Auseinandersetzung mit seinen Positionen erforderlich machen. Ein deutliches Ungleichgewicht in Kenntnisstand und Fähigkeiten der Prozessbeteiligten ist vorliegend daher nicht gegeben. Teilweise wird für die Erforderlichkeit einer Beiordnung im Fall einer Untätigkeitsklage vorgebracht, das Rechtsinstitut der Untätigkeitsklage im sozialgerichtlichen Verfahren und deren Voraussetzungen seien dem juristischen Laien regelmäßig nicht bekannt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. November 2009, Az: L 12 B 45/09 SO, juris). Auch dieses Argument spricht im vorliegenden Fall nicht für die Erforderlichkeit der Beiordnung. Denn der Kläger hat bereits eine Vielzahl von Untätigkeitsklagen vor dem Sozialgericht geführt – teilweise auch ohne einen Prozessbevollmächtigten – und hat auch aktuell diverse solcher Verfahren anhängig. Es bedurfte im Falle des Klägers daher keiner anwaltlichen Beratung, um von der Möglichkeit einer Untätigkeitsklage Kenntnis zu erlangen. Schließlich führt auch der Vergleich mit einem bemittelten Kläger nicht zu einer Erforderlichkeit der Beiordnung. Es liegt jedenfalls kein Fall vor, in dem ohnehin ein Rechtsanwalt tätig war, so dass die Kontrolle der von der Verwaltung zu wahrenden Fristen diesem oblag und die Erhebung der Untätigkeitsklage in diesem Zusammenhang zweckmäßigerweise durch den bereits tätigen Rechtsanwalt erfolgte (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. Februar 2009, Az: L 20 B 165/08 SO, juris, Rz. 6). Denn der Kläger hat den Widerspruch vorliegend selbst erhoben. Auch hätte ein dem Kostenrisiko ausgesetzter Kläger ggf. vor Beauftragung eines Rechtsanwaltes selbst bei dem Beklagten nachgefragt, ob ein Bescheid schon ergangen ist, um sein Kostenrisiko zu minimieren, und so im vorliegenden Fall eine Klage vermieden (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Dezember 2009, Az: L 18 AS 1572/09 B PKH). Insbesondere ein bemittelter Kläger mit den prozessualen Kenntnissen des Klägers hätte keinen (prozesskostenhilferechtlich anerkennenswerten) Grund, einen Rechtsanwalt mit der Erhebung einer Untätigkeitsklage zu beauftragen. Die Kammer ist der Auffassung, dass die Tatsache, dass sich eventuell ein Teil der bemittelten Kläger wegen des relativ geringen Kostenrisikos auch zur Erhebung einer Untätigkeitsklage eines Rechtsanwaltes bedient, nicht allein zur Erforderlichkeit der Beiordnung führen kann. Wenn – wie hier – weder die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage noch die individuellen Fähigkeiten des Klägers für die Erforderlichkeit der Beiordnung sprechen, sondern der Kläger im Gegenteil über umfangreiche Erfahrung auf dem Gebiet des Sozialgerichtlichen Verfahrens und mit dem Rechtsinstitut der Untätigkeitsklage verfügt, kann nicht eine Gleichbehandlung mit einem Teil der bemittelten Kläger das ausschlaggebende Kriterium sein. Andernfalls würde der eigentliche Wortsinn des Tatbestandsmerkmals der Erforderlichkeit im Grunde aufgegeben. Nach alledem war der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abzulehnen.
Rechtskraft
Aus
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