L 1 AS 2632/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 5440/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 2632/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24.05.2011 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme einer Mietkaution im Streit.

Der.1974 geborene, erwerbsfähige Kläger bezog bis zum 28.02.2009 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Landkreis L. (GAL) als für die Gemeinde S. zuständigem Träger nach dem SGB II. Aufgrund der Trennung von seiner Lebensgefährtin, mit der er bis dahin einen gemeinsamen Haushalt geführt hatte, suchte der Kläger eine neue Wohnung in B. S., wo seine Eltern wohnen. Der Kläger, der gesundheitlich eingeschränkt ist, hatte hierbei die Absicht, von seinen Eltern die Unterstützung bei der Bewältigung seines Alltags zu erhalten, welche er zuvor von seiner Lebensgefährtin erhalten hatte.

Der Kläger unterschrieb am 17.01.2009 für die Zeit ab dem 01.03.2009 einen Mietvertrag über eine 2-Zimmer-Wohnung mit 38 qm Grundfläche in B. S., für die eine Monatsmiete von insgesamt 395 EUR zu entrichten ist (280 EUR Netto-Kaltmiete, 90 EUR Betriebskostenvorschuss und 25 EUR Küchennutzung). In dem Mietvertrag verpflichtete der Kläger sich unter anderem zur Zahlung einer Kaution in Höhe von 840 EUR, zahlbar in einer ersten Rate ab der Wohnungsübernahme.

Am 30.01.2009 beantragte es die Weitergewährung der SGB II-Leistungen Leistung mit Wirkung ab dem 01.03.2009 bei dem Beklagten, in dessen Zuständigkeitsbereich B. S. liegt. Hierbei handelte es sich um die erste Kontaktaufnahme mit dem Beklagten.

Mit seinem Antrag legte er unter anderem ein ärztliches Attest seiner Hausarztpraxis Dres. W., H., P., D. und M. vom 02.02.2009 vor, wonach der Umzug nach B. S. wegen einer schwierigen privaten Situation erforderlich sei. Beim Kläger bestünden schwere chronische körperliche Erkrankungen und ein ausgeprägtes kardio-vaskuläres Risikoprofil, weswegen der Umzug aus medizinischen Gründen so schnell wie möglich erfolgen solle. In einem weiteren Attest vom 10.02.2009 ist angegeben, der Kläger könne wegen seiner gesundheitlichen Einschränkungen nur noch wenige Berufe ausüben, und zwar nur noch solche in Innenräumen, ohne schweres Heben über 5 kg und ohne sonstige starke körperliche Belastung.

Die GAL als bisher zuständiger Träger für Leistungen nach dem SGB II anerkannte mit Schreiben vom 03.02.2009 gegenüber dem Kläger die Notwendigkeit des Umzugs nach B. S. aus ärztlicher Sicht, da die Eltern des Klägers diesem an seinem neuen Wohnort helfen könnten. Der Kläger wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für die weitere Bearbeitung des Leistungsantrags ab dem Umzug der Beklagte örtlich zuständig sei und vor der Anmietung einer Wohnung eine Kontaktaufnahme mit dem Beklagten erfolgen solle. Die Übernahme der Kaution sei beim neuen Träger zu beantragen. Ausweislich der Akten des Beklagten legte der Kläger erstmalig bei einer Vorsprache am 09.02.2009 den bereits am 17.01.2009 abgeschlossenen Mietvertrag vor.

Der Kläger zog zum 01.03.2009 nach B. S. um und legte dem Beklagten eine entsprechende Meldebescheinigung vor.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 25.02.2009 für die Zeit vom 01.03.2009 bis 31.08.2009 monatliche Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 739,37 EUR (351,00 EUR Regelleistung, 280,00 EUR Mietanteil, 63,91 EUR Nebenkostenanteil und 44,46 EUR Heizkostenanteil). Mit weiterem Bescheid vom 03.04.2009 wurde die Bewilligung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II wegen der beim Kläger vorhandenen Erkrankungen (Adipositas, Hyperurikämie, Hyperlipidämie und pathol. Glucosetoleranz) abgelehnt.

Am 11.05.2009 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Übernahme der in seinem Mietvertrag vereinbarten Mietkaution in Höhe von 840 EUR. Den Akten sei zu entnehmen, dass es sich bei seinem Umzug um eine medizinisch erforderliche Maßnahme wegen Gefahr eines Schlaganfalls bzw. Herzinfarkts gehandelt habe. Er sei davon ausgegangen, dass sein Antrag auf Erstattung der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) auch die fällige Mietkaution erfasst habe, da diese im Mietvertrag erwähnt sei. Sein Vermieter übe Druck auf ihn aus und habe auch bereits mit der Kündigung der Wohnung gedroht, falls die Mietkaution nicht überwiesen werde.

Mit Bescheid vom 15.06.2009 lehnte der Beklagte die Übernahme der Mietkaution ab. Diese könne grundsätzlich nur darlehensweise übernommen werden. Werde ein Antrag erst gestellt, nachdem die Zahlungsverpflichtungen eingegangen worden seien, seien die bezahlten oder unbezahlten Rechnungen als Schulden anzusehen, die direkt mit dem Vermieter zu klären seien. Eine Absprache mit dem Amt für berufliche Eingliederung W. sei nicht erfolgt, der Mietvertrag sei bereits am 17.01.2009 geschlossen und ein Antrag auf Übernahme der Mietkaution nicht gestellt worden. Die Entscheidung ergehe nach § 37 Abs. 2 SGB II und berücksichtige die persönlichen Lebensumstände des Klägers.

Der Bevollmächtigte des Klägers hat am 02.07.2009 Widerspruch eingelegt und hierzu die Auffassung vertreten, dass es sich bei der nach dem Bezug einer Wohnung noch zu zahlenden Mietkaution nicht um Kosten der Wohnungsbeschaffung handele, sondern um KdU, welche ebenso wie die laufende Miete oder die dem Vertrag nach zu erbringenden Schönheitsreparaturen zu übernehmen seien. Es handele sich um eine mietvertragliche Pflicht, welche wie alle aus dem Mietvertrag resultierenden Pflichten zu beurteilen sei. Außerdem sei der Umzug des Klägers nach B. S. als notwendig anerkannt worden. Hieraus ergebe sich die konkludente Bereitschaft, auch die regelmäßig entstehenden Kosten einer Mietkaution zu übernehmen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.10.2009 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Gemäß § 22 Abs. 3 SGB II könnten Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger übernommen werden; eine Mietkaution könne bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger übernommen werden. Die Zusicherung solle erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig sei und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden könne. Eine Mietkaution solle als Darlehen erbracht werden. Der Kläger habe vor Abschluss des Mietvertrags keine Zusicherung zur Übernahme der Mietkaution eingeholt. Vor Abschluss des Mietvertrages habe er auch keine Genehmigung der konkreten Wohnung eingeholt, welche eine Zusicherung der Kaution hätte beinhalten können. Obwohl der Kläger im Schreiben des früheren Trägers ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass vor Abschluss eines etwaigen Mietvertrages der neue Träger zu kontaktieren sei, habe er dies nicht getan und ohne Rücksprache bzw. Einholung der Zusicherung die aktuelle Wohnung angemietet. Eine Genehmigung dieser Wohnung und eine damit verbundene Zusicherung zur Übernahme der Mietkaution hätte vorliegend auch nicht erfolgen können, da die angemietete Wohnung mit einer Kaltmiete von 280,00 EUR unangemessen teuer sei; hätte der Kläger sich vorab beim Amt für berufliche Eingliederung erkundigt, hätte ihm mitgeteilt werden können, dass lediglich 252,90 EUR als Kaltmiete für Einzelpersonen als angenommen übernommen werden könnten. Eine Übernahme der Mietkaution als Darlehen scheide daher mangels Einholung der vorherigen Zusicherung aus.

Der Kläger hat über seinen Bevollmächtigten am 28.10.2009 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung der Klage hat sein Bevollmächtigter unter anderem auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin vom 30.11.2007 (Aktenzeichen L 32b 1912/07) hingewiesen, welche die Rechtsansicht des Klägers unterstütze. Einer vorherigen Zustimmung bedürfe es für die Übernahme einer Mietkaution in einem laufenden Mietverhältnis nicht. Die Anforderungen an einen Antrag richteten sich daher nach § 22 Abs. 1 SGB II und nicht nach Abs. 3 dieser Vorschrift. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger den Umzug nach B. S. auf dringenden ärztlichen Rat vollzogen habe. Der Kläger habe nach der Trennung von seiner damaligen Lebensgefährtin am früheren Wohnort aus der bis dahin bestehenden gemeinsamen Wohnung ausziehen müssen. Da er wegen seines Krankheitszustandes Unterstützung im Alltag benötigte, habe er seine Wohnung dort nehmen müssen, wo eine solche Möglichkeit bestehe, weswegen der Wohnort der Eltern des Klägers gewählt worden sei.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24.05.2011 abgewiesen. Bei der für die Übernahme einer Mietkaution erforderlichen vorherigen Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger nach § 22 Abs. 3 SGB II handele es sich um eine Anspruchsvoraussetzung (mit Hinweis auf BSG vom 07.11.2006 - B 7 B AS 10/06 R -). Die Zusicherung müsse vor dem Zeitpunkt erfolgen, in dem die durch § 22 Abs. 3 SGB II ersetzbaren Kosten in rechtlich relevanter Weise begründet würden (mit Hinweis auf LSG Nordrhein-Westfalen vom 21.07.2008 - L 19 B 100/08 AS - u.a.). Eine solche Zusicherung sei durch den Beklagten vor Unterzeichnung des Mietvertrags am 17.01.2009 jedoch nicht erfolgt. Der vom LSG Berlin-Brandenburg in dessen Beschluss vom 30.11.2007 (Aktenzeichen L 32 B 1912/07 AS-ER) obiter dictum geäußerten Rechtsauffassung, nach der eine Mietkaution für eine bereits bezogene Wohnung zu den KdU nach § 22 Abs.1 SGB II gehöre, werde nicht gefolgt. Denn § 22 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II stelle insoweit eine vorrangige Spezialregelung für Mietkautionen dar, selbst wenn diese unter die KdU zu subsumieren seien. Die vorherige Zusicherung sei auch deswegen erforderlich, weil der Leistungsbezieher es ansonsten in der Hand hätte, durch alsbaldigen Bezug der Wohnung das Erfordernis der vorherigen Zusicherung gemäß § 22 Abs. 3 SGB II praktisch leerlaufen zu lassen. Die vorherige Zusicherung sei im Falle des Klägers auch nicht entbehrlich, da Anhaltspunkte für eine treuwidrige Verzögerung der rechtzeitigen Entscheidung über eine Zusicherung nicht ersichtlich seien (mit Hinweis auf BSG vom 06.05.2010 - B 14 AS 7/09 R -). Dies ergebe sich vorliegend bereits daraus, dass die erstmalige Leistungsantragstellung und damit der frühestmögliche Zeitpunkt, in dem der Beklagte hätte tätig werden können, nach bereits erfolgter Unterzeichnung des Mietvertrags stattgefunden habe. Auch seien keine Anhaltspunkte für eine Entbehrlichkeit der Zusicherung aus Gründen einer eventuellen Unzumutbarkeit für den Kläger ersichtlich. Zwar habe der Kläger behauptet, die Unterzeichnung des Mietvertrags sei aus medizinischen Gründen unaufschiebbar gewesen, jedoch sei dies nicht ausreichend dargelegt worden. Da die früheste Befassung des Beklagten mit dem Leistungsbegehren des Klägers am 30.01.2009 und damit bereits nach der Entstehung der Kautionsverpflichtung erfolgt sei, scheide auch eine Übernahme der Mietkaution im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs aus.

Der Bevollmächtigte des Klägers hat am 24.06.2011 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt, die auf die bereits vorgetragene Rechtsauffassung gestützt wird. Da die Verpflichtung zur Zahlung der Kaution erst mit der Unterzeichnung des Mietvertrags entstehe, handele es sich nicht um Wohnungsbeschaffungskosten, sondern um KdU nach § 22 Abs. 1 SGB II. Entgegen der Auffassung des SG seien auch bei dieser Auslegung weiterhin typische Wohnungsbeschaffungskosten möglich, wie etwa Maklerkosten. Beim Kläger sei auch entgegen der Auffassung des SG ein wichtiger Grund gegeben gewesen, den Mietvertrag vor einer Kontaktierung des Beklagten abzuschließen. Der behandelnde Arzt des Klägers habe die Notwendigkeit eines unverzüglichen Umzugs bestätigt. Eine vorherige Einholung einer Zustimmung der künftig zuständigen Behörde in W.-T. hätte zu einer nicht zumutbaren Verzögerung des erforderlichen Umzugs geführt.

Der Kläger beantragt, teils sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24.05.2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15.06.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 01.10.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die von ihm geschuldete Mietkaution für die Wohnung im Haus M. in B. S. in Höhe von 840 EUR zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und verweist auf dessen Entscheidungsgründe.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des LSG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 f. und 151 SGG statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Senat hat vorliegend mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden.

Streitgegenstand ist vorliegend ausgehend vom klägerischen Begehren und den ablehnenden Bescheiden des Beklagten vom 15.06.2009 und 01.10.2009 ausschließlich die Frage, ob der Beklagte zur Übernahme der Mietkaution für die neue Wohnung des Klägers verpflichtet ist. Insofern liegt ein abgrenzbarer Streitgegenstand vor, der sich auf eine eigene Anspruchsnorm und isolierte, nur diesen Streitgegenstand betreffende Bescheide des Beklagten stützen kann. An der Zulässigkeit derart beschränkter Rechtsmittel hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs. 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl. I 453 - RBEG), das insofern zum 01.01.2011 in Kraft getreten ist, zumindest für laufende Verfahren über vorher abgeschlossene Bewilligungsabschnitte nichts geändert, weil für diese das damals geltende Recht zugrunde zu legen ist (vgl. BSG, Urteil vom 07.07.2011 - B 14 AS 154/10 R - für SozR 4-0000 vorgesehen - und BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217). Der Kläger hat auch seit seiner Klageerhebung beim SG ausdrücklich immer nur die genannten Bescheide und die genannte Leistungsablehnung angegriffen, zumal ihm im Übrigen KdU antragsgemäß gewährt worden sind.

Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II in der hier anzuwendenden, vom 01.01.2009 bis zum 27.10.2010 geltenden Fassung (nunmehr: § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II) können Wohnungsbeschaffungskosten sowie eine Mietkaution und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den kommunalen Träger übernommen werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann, § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II. Eine Mietkaution soll als Darlehen erbracht werden, § 22 Abs. 3 Satz 3 SGB II. Bei den Leistungen nach § 22 Abs. 3 SGB II handelt es sich um ergänzende Leistungen im Hinblick auf den Bedarf des Wohnens (BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 49/07 R - BSGE 102, 194 = SozR 4-4200 § 22 Nr 16; BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 4 AS 28/09 R - info also 2010, 186).

Zu Recht ist das SG nicht der Argumentation des Klägerbevollmächtigten gefolgt, dass eine Übernahme von Mietkautionen im Rahmen der allgemeinen Regelung über die KdU nach § 22 Abs. 1 SGB II erfolgen könne. Denn § 22 Abs. 3 SGB II (bzw. nunmehr § 22 Abs. 6 SGB II) enthält hierzu eine gesetzliche Spezialregelung, welche den allgemeinen Regelungen über die Gewährung von KdU vorgeht und diese verdrängt. Zutreffend hat das SG darauf hingewiesen, dass ansonsten eine Umgehung der strengeren Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 SGB II zu befürchten wäre. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit nach § 153 Abs. 2 SGG auf die überzeugenden Ausführungen des SG Bezug genommen, die der Senat sich zu eigen macht. Die Spezialregelung in § 22 Abs. 3 SGB II verdrängt insbesondere auch die Regelung in § 22 Abs. 5 SGB II über eine mögliche Schuldenübernahme im Rahmen von KdU, weil ansonsten in gleicher Weise eine Umgehung der strengeren Anspruchsvoraussetzungen zu befürchten wäre.

Im Übrigen ist der Senat der Auffassung, dass die von dem Klägerbevollmächtigten zitierte Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 30.11.2007 - L 32 B 1912/07 AS ER) die Argumentation des Klägers bereits deswegen nicht stützen kann, weil vorliegend im Sinne des Meistbegünstigungsprinzips von einem Antrag des Klägers nach § 37 SGB II beim Beklagten bereits am 09.02.2009 auszugehen ist, bevor die neue Wohnung bezogen worden ist. Denn in dem Antrag ist bereits die neue Anschrift in B.S. angegeben worden, und mit der Vorlage des Mietvertrags vom 17.01.2009 am 09.02.2009 konnte erstmals davon ausgegangen werden, dass der Kläger - der beim Verlassen seiner alten Wohnung, welche von seiner früheren Lebensgefährtin beibehalten worden ist, keine alte Kaution ausgezahlt erhalten hat - einen Antrag auf Übernahme der neuen Kaution stellen wollte. Es dürfte zur Vermeidung von willkürlichen Ergebnissen indes nicht zulässig sein, die Anwendbarkeit von § 22 Abs. 1 oder Abs. 3 (bzw. nunmehr Abs. 6) SGB II ohne Beachtung des Antragszeitpunkts alleine davon abhängig zu machen, ob über die Kautionsübernahme vor oder nach dem Einzug in eine neue Wohnung entschieden wird.

Der Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen für eine Mietkaution nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II setzt demnach voraus, dass der Grundsicherungsträger vor der Entstehung der Mietkautionsforderung eine Zusicherung über die Übernahme dieser Kosten erteilt hat (vgl. BSG, Urteile vom 06.05.2010 - B 14 AS 7/09 R = juris Rn. 12 f. und vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - juris Rn. 7). Hat der Hilfebedürftige die vorherige Zusicherung des Grundsicherungsträgers für Wohnungsbeschaffungskosten ohne triftige Gründe nicht vor der Unterzeichnung des Mietvertrages eingeholt, so liegen die Voraussetzungen für ein Darlehen für die Mietkaution nach § 22 Abs. 3 SGB II nicht vor. Bei der nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II erforderlichen vorherigen Zusicherung handelt es sich um eine Anspruchsvoraussetzung (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.11.2009 - L 19 B 297/09 AS ER -; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 22 Rn. 82). Eine solche Zusicherung hat der Beklagte unstreitig nicht erteilt. Es sind auch keine nachvollziehbaren Gründe dafür ersichtlich, dass der Kläger diese Zusicherung nicht rechtzeitig eingeholt hat. Denn der Kläger hatte den neuen Mietvertrag bereits am 17.01.2009 und damit zwei Wochen vor seinem ersten Kontakt mit dem Beklagten am 30.01.2009 unterschrieben. Auch die GAL als bis zum 28.02.2009 zuständige Leistungsträgerin war am 30.01.2009 noch in Unkenntnis über den bereits abgeschlossenen neuen Mietvertrag, wie aus dem Hinweisschreiben vom 03.02.2009 hervorgeht; demnach kann der GAL auch wegen der verspäteten Antragstellung des Klägers kein - dem Beklagten eventuell zuzurechnendes - Fehlverhalten angelastet werden.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Tatbestandsmerkmal "vorherig" sich auf den Zeitpunkt bezieht, in dem die Kautionsverpflichtung in rechtlich relevanter Weise begründet wird, also durch den Abschluss des Mietvertrags. Dies beruht darauf, dass dem zuständigen Grundsicherungsträger die Möglichkeit eingeräumt werden soll, die Höhe der Kosten zu überprüfen und ggf. einen rechtzeitigen Hinweis geben zu können, mit dem die Entstehung unangemessener Kosten vermieden werden kann. Es kommt deswegen maßgeblich auf den Abschluss des Mietvertrags am 17.01.2009 an und nicht auf die erst mit dem Einzug in die Wohnung eintretende Fälligkeit (vgl. § 16 Abs. 3 des Mietvertrags) der Verpflichtung zur Zahlung der Kaution (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.05.2010 - L 6 AS 41/10 - für die Zusicherung zur Übernahme von Kosten eines Umzugsunternehmens mit Hinweis auf BSG, Urteile vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R = BSGE 97, 231 und vom 06.05.2010 - B 14 AS 7/09 R = BSGE 106, 135).

Weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Vortrag des Klägers ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte die Entscheidung über die Erteilung einer Zusicherung treuwidrig verzögert hat (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 06.05.2010 - B 14 AS 7/09 R = juris Rn. 13). Der Kläger hat die Erteilung einer solchen Zusicherung vor der Unterzeichnung des Mietvertrages nicht im Sinne von § 37 SGB II beantragt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger durch einen von einem Bediensteten des Beklagten hervorgerufenen Rechtsirrtum von der Antragstellung abgehalten worden ist (vgl. hierzu Berlit in LPK-SGB II , 3. Aufl., § 22 Rn. 106).

Die Argumentation des Klägerbevollmächtigten, dass eine vorherige Einholung der Zusicherung des Beklagten bei einem medizinisch gebotenen Umzug zu einer unzumutbaren Verzögerung geführt hätte, lässt sich anhand der Chronologie der Ereignisse nicht nachvollziehen. Bereits ein Versuch, den Beklagten rechtzeitig in das Verfahren einzubeziehen, lässt sich nicht feststellen. Dem Kläger wäre es jedenfalls möglich gewesen, vor der Unterzeichnung des Mietvertrags wenigstens die GAL als früheren Träger in Kenntnis zu setzen, so dass diese die Möglichkeit gehabt hätte, rechtzeitig auf die Rechtslage nach § 22 Abs. 3 SGB II a.F. hinzuweisen. Insoweit ist es unverständlich, dass der Kläger den Mietvertrag bereits am 17.01.2009 unterschrieben und weder bei der Antragsstellung am 30.01.2009 beim Beklagten oder bei der GAL auf den bereits vorliegenden Mietvertrag hingewiesen, sondern diesen erst am 09.02.2009 bei seiner vorletzten Vorsprache bei der GAL vorgelegt hat. Der Kläger hat in seinem Schreiben vom 11.05.2009 eingeräumt, vor dem 11.05.2009 keinen ausdrücklichen Antrag auf Kautionsübernahme gestellt zu haben, da er davon ausgegangen sei, dass sein Antrag auf Erstattung der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) auch die fällige Mietkaution erfasst habe; hieraus ergibt sich aber, dass ein Antrag vor der Vorlage des Mietvertrags am 09.02.2009 nicht angenommen werden kann.

Ein Anspruch des Klägers auf Übernahme der Aufwendungen für die Leistung seiner Mietkaution als Darlehen lässt sich auch nicht aus § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F. bzw. § 24 Abs. 1 n.F. SGB II ableiten. Wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden kann, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sach- oder als Geldleistung und gewährt dem Hilfesuchenden ein entsprechendes Darlehen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Denn der geltend gemachte Bedarf - Aufwendungen für eine Mietkaution - ist nicht von der Regelleistung umfasst, es handelt sich um Kosten der Unterkunft i.S.v. § 22 SGB II (vgl. BSG Urteil vom 01.06.2010 - B 4 AS 63/09 R - zu den Voraussetzungen eines Darlehens nach § 23 Abs. 1 SGB II a.F.).

Der Kläger kann sich auch nicht auf einen sozialen Herstellungsanspruch berufen. Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder des konkreten Sozialrechtsverhältnisses gegenüber dem Berechtigten obliegenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 SGB I), ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Er setzt demnach eine dem Sozialleistungsträger zurechenbare behördliche Pflichtverletzung voraus, die (als wesentliche Bedingung) kausal für einen sozialrechtlichen Nachteil des Berechtigten ist. Außerdem ist erforderlich, dass durch Vornahme einer zulässigen Amtshandlung der Zustand hergestellt werden kann, der bestehen würde, wenn die Behörde ihre Verpflichtungen gegenüber dem Berechtigten nicht verletzt hätte (BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 4 AS 28/09 R - info also 2010, 186 m.w.N.). Vorliegend wäre jedenfalls die Kausalität einer eventuellen Pflichtverletzung deswegen ausgeschlossen, weil sowohl der Beklagte als auch die GAL erst nach dem Abschluss des Mietvertrags Kenntnis hiervon erhalten hatten, also zu einem Zeitpunkt, als eine vorherige Zusicherung über die Kaution nicht mehr erteilt werden konnte (vgl. hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.06.2010 - L 7 AS 506/10 B -).

Auch aus dem Schreiben der GAL vom 03.02.2009 kann der Kläger keinen Anspruch auf Übernahme der Mietkaution als Darlehen ableiten. Ein Antrag auf Erteilung einer Zusicherung muss sich stets auf ein nach Lage der Wohnung, Zeitpunkt des Einzuges und den aufzuwendenden Kosten, insbesondere einem bezifferten Mietzins und einer der Höhe nach feststehenden Kaution, konkretisiertes Wohnungsangebot beziehen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass erst bei Vorliegen eines bestimmten Wohnungsangebots geklärt werden kann, welcher andere kommunaler Träger zuständig oder zu beteiligen ist (Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 26.10.2009 - L 3 AS 20/09 - m.w.N.; vgl. auch BSG, Urteil vom 06.05.2010 - B 14 AS 7/09 R - juris Rn. 14 f.). Das Schreiben der GAL vom 03.02.2009 bezog sich jedoch nur auf die Erforderlichkeit eines Umzugs an sich - also weg aus der bisherigen Wohnung - und nicht auf einen Umzug in die konkrete neue Wohnung, wie aus dem Schreiben ersichtlich ist. Außerdem enthielt dieses Schreiben auch den ausdrücklichen und unmissverständlichen Hinweis, dass für die weitere Bearbeitung des Leistungsantrags ab dem Umzug der Beklagte örtlich zuständig war, vor der Anmietung einer Wohnung eine Kontaktaufnahme mit dem Beklagten erfolgen solle und die Übernahme der Kaution beim neuen Träger zu beantragen sei.

Eine andere Entscheidung ist auch nicht mit der Begründung möglich, dass der Beklagte in dem angegriffenen Widerspruchsbescheid die angebliche Unangemessenheit der neuen Wohnung als Argument dafür angeführt hat, die Kaution nicht zu übernehmen, obwohl die tatsächliche Nettokaltmiete des Klägers in der vollständigen Höhe übernommen worden ist. Ein entscheidungserheblicher Ermessensfehler ist hierin nicht zu sehen, weil wegen des Fehlens einer vorherigen Zusicherung als Anspruchsvoraussetzung (s.o.) das Ermessen bezüglich einer Übernahme der Mietkaution bereits nicht eröffnet worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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