Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 1160/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3163/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 23. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Erstattung von Aufwendungen in Höhe eines Gesamtbetrages von EUR 5.925,94 für ambulante Behandlungen im Zeitraum vom 27. Juni 2000 bis zum 19. Juni 2007 durch den nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Hautarzt und Umweltmediziner Dr. M ...
Der am 1972 geborene Kläger ist seit 1987 freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse. Ab 27. Juni 2000 befand er sich in Behandlung bei dem Dermatologen und Umweltmediziners Dr. M., I., der nicht zur vertragsärztlichen Versorgung von Versicherten zugelassen war und ist. Die Eingangsdiagnose von Dr. M. lautete: Hypercortisolismus, Hyperprolaktinämie, Verdacht auf resorptive Quecksilberbelastung, Tierhaarallergie und Seborrhoisches Ekzem. Im weiteren Verlauf der Behandlung kamen folgende Diagnosen hinzu: über der Hintergrundbelastung durch Nahrung liegende Quecksilberbelastung aus Amalgamfüllungen, Immunkomplexvaskulitis, grenzwertige Hypertonie, chronische Borreliose, chronisch persistierender Borna-Virus-Infekt, Störung der neuroendokrinen Stressachse sowie heterozygoter Polymorphismus der Katechol-O-Methyltransferase (COMT) mit reduzierter Enzymtätigkeit. Der Kläger nahm Dr. M. von Beginn der Behandlung an als Privatarzt in Anspruch und erhielt von diesem (sowie durch diesen beauftragte Labors sowie einen mitbehandelnden Arzt) privatärztliche Rechnungen.
Mit Schreiben vom 04. November 2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erstattung der Kosten für Beratung, Therapie sowie Laboruntersuchungen für die Behandlung bei Dr. M. in der Zeit vom 27. Juni 2000 bis 19. Juni 2007 in Höhe von insgesamt EUR 5.925,94. Er gab an, im Januar 2000 hätten bei ihm diverse gesundheitliche Probleme begonnen. Haus- und fachärztliche Untersuchungen hätten bis zum Juli 2000 keinen Befund ergeben, der seine Problematik habe erklären können. Dr. M. habe er erst nach ausweglosen fachärztlichen Untersuchungen konsultiert. Nach dem ersten Beratungstermin habe sich zunächst der Verdacht und in weiteren Untersuchungen dann die Diagnose einer Schwermetallvergiftung herausgestellt. Diese sei durch Amalgamfüllungen in den Zähnen verursacht worden. Weitere Zusammenhänge wie z.B. die Atlasverschiebung hätten die Auswirkungen der Vergiftung komplexer und in der Therapie langwieriger gemacht. Die Behandlung bei Dr. M. habe bis Juli 2007 gedauert und sei nun in weiten Teilen abgeschlossen. Kosten für Beratung, Therapie und Laboruntersuchungen habe er in der gesamten Zeit privat übernommen, da Dr. M. nicht Mitglied der Kassenärztlichen Vereinigung sei. Mit Bescheid vom 12. November 2007 lehnte die Beklagte eine Kostenerstattung ab. Dr. M. verfüge nicht über die erforderliche Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, und es habe sich auch nicht um eine Notfallbehandlung gehandelt. Im Versorgungsgebiet des Klägers stünden ausreichend zugelassene Behandler zur Verfügung. Eine Unterversorgung habe offensichtlich weder die zuständige Kassenärztliche Vereinigung noch die zuständige Aufsichtsbehörde festgestellt.
Hiergegen legte der Kläger am 16. November 2007 Widerspruch ein. Die Beklagte habe seinen Fall nur oberflächlich beurteilt. Es gebe gerade nicht genügend zugelassene Behandler mit dem Schwerpunkt der Schwermetallvergiftung in seinem Versorgungsbereich. Keiner der von ihm besuchten Vertragsärzte habe überhaupt feststellen können, an welcher Erkrankung er gelitten habe. Soweit sich die Beklagte darauf stützen wolle, dass es sich bei einer Quecksilberbelastung nicht um eine Krankheit handele, zeuge dies davon, dass ihr Medizinischer Dienst "nicht den Hauch einer Ahnung habe".
Die Beklagte holte ein sozialmedizinisches Gutachten beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein. Gutachterin Dr. S.-Mu. gelangte in ihrem Gutachten vom 04. Dezember 2007 zu der Auffassung, von einer Quecksilbervergiftung könne im Falle des Klägers sicher grundsätzlich gar keine Rede sein, da klinische Symptome einer Vergiftung erst bei sehr hohen Werten, laut WHO zwischen 70 bis 140 µg HG/l Blut und 300 bis 600 µg HG/l Urin, begännen und solche Befunde hier nicht nachgewiesen worden seien. Eine resorptive Quecksilberbelastung gelte nicht als Erkrankung und falle damit auch nicht in den Leistungszuständigkeitsbereich einer gesetzlichen Krankenkasse. Die medizinischen Voraussetzungen für eine Kostenübernahme seien nicht erfüllt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03. April 2008 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Der Kläger habe eine Erklärung, am Kostenerstattungsverfahren im Sinne von § 13 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) teilzunehmen, nicht abgegeben. Ein Kostenerstattungsanspruch könne sich daher nur nach § 13 Abs. 3 SGB V ergeben. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lägen jedoch nicht vor. Die danach erforderliche Annahme einer Notfallsituation setze voraus, dass eine Leistung unaufschiebbar und ohne Verzögerung notwendig gewesen sei. Dies bestimme sich ausschließlich nach medizinischen Gesichtspunkten; nur da, wo eine vorherige Einschaltung der Krankenkasse vom Versicherten nach den Umständen des Falls nicht hätte verlangt werden können, dürfe die Unfähigkeit zur rechtzeitigen Leistungserbringung unterstellt werden. Hierfür ergäben sich vorliegend keine Anhaltspunkte. Auch die Fallgruppe einer zu Unrecht erfolgten Ablehnung von Leistungen durch sie (die Beklagte) liege nicht vor. Der Kläger habe sich im gesamten Zeitraum von Juli 2000 bis Juli 2007 mit ihr (der Beklagten) nicht in Verbindung gesetzt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei ein Versicherter grundsätzlich verpflichtet, sich vor Inanspruchnahme der Leistung außerhalb der vertraglichen Versorgung zunächst an seine Krankenkasse zu wenden, um sich über die bestehenden Möglichkeiten der vertragsärztlichen Behandlung beraten zu lassen. Dem habe der Kläger nicht entsprochen. Es fehle daher schon an der Kausalität zwischen ablehnender Entscheidung und Kostenentstehung. Ergänzend werde mitgeteilt, dass eine Kostenübernahme bzw. -erstattung auch dann nicht möglich gewesen wäre, wenn ihre (der Beklagten) Entscheidung abgewartet worden wäre. Nach § 76 SGB V könnten Versicherte unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten wählen; andere Ärzte dürften nur in Notfällen in Anspruch genommen werden. Der MDK habe jedoch in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme bestätigt, dass beim Kläger von einer Quecksilbervergiftung keine Rede sein könne, da die hierfür erforderlichen Grenzwerte nicht nachgewiesen worden seien. Schließlich ergäben sich auch keine Anhaltspunkte für eine ärztliche Unterversorgung im ambulanten Bereich, da jedenfalls insgesamt fünf zugelassene Ärzte mit der Zusatzqualifikation Umweltmedizin (unter Benennung von drei Umweltmedizinern in Wangen sowie jeweils einem solchen in Isny und Ravensburg) zur Verfügung gestanden hätten. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass die Erstattung für den Zeitraum von Juli 2000 bis 31. Dezember 2002 auch deshalb nicht in Betracht komme, weil Ansprüche aus diesem Zeitraum nach § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) verjährt seien.
Der Kläger erhob am 23. April 2008 zum Sozialgericht Konstanz (SG) Klage. Er berief sich auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren und trug ergänzend vor, seine ungeklärten Beschwerden seien im Jahr 2000 letztlich physisch wie auch psychisch derart massiv gewesen, dass er unter einer gestörten Sinneswahrnehmung gelitten habe, nur noch beschränkt handlungsfähig gewesen sei und Suizidgedanken gehegt habe. Lediglich zufällig sei ihm in dieser Situation die Konsultation bei Dr. M. angeraten worden, welcher ihn nach einer Erstuntersuchung am 27. Juni 2000 und ab dem 07. Dezember 2000 dann regelmäßig u.a. auf eine resorptive Quecksilberbelastung, zirkulierende Immunkomplexe und später zusätzlich auch auf eine Borna-Virus-Infektion untersucht und behandelt habe. Angesichts der enttäuschenden Erfahrungen, welche er bei seinen ebenso zahlreichen wie erfolglosen Behandlungen zuvor gemacht habe, sei es ihm nicht in den Sinn gekommen, die Behandlung bei Dr. M. vorzeitig abzubrechen. Dort habe er mittels Infusionstherapie erstmals eine schleichende Besserung seiner Beschwerden erfahren; auch im weiteren Verlauf sei eine Linderung zwar in kleinen Schritten, aber fortwährend festzustellen gewesen. Ein zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Arzt hätte selbst bei entsprechender Diagnose einer Quecksilberbelastung nicht die von Dr. M. angewandte Infusionstherapie durchgeführt. Es bleibe damit festzuhalten, dass keiner der von den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzte im für ihn zumutbaren Umkreis die letztlich erfolgversprechende Behandlung von Dr. M. angewandt und auch keine sonstige Behandlung durchgeführt hätte, welche eine vergleichbare Genesung zur Folge gehabt hätte. Damit stelle sich seine Situation dauerhaft als Notfall im Sinne von § 13 Abs. 3 1. Alternative SGB V dar. Im Übrigen wäre ihm - selbst bei der theoretischen Annahme, dass die von Dr. M. begonnene Behandlung von einem zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt hätte fortgesetzt werden können - aufgrund der erfolglosen Behandlungen verschiedener Ärzte zuvor ein Wechsel von Dr. M. zu einem anderen Arzt nicht zumutbar gewesen. Soweit die Beklagte sich auf den Standpunkt stelle, dass eine Quecksilbervergiftung nicht als Erkrankung gelte und somit auch nicht in den Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung falle, sei dem entgegenzuhalten, dass bei ihm keine isolierte Quecksilbervergiftung vorgelegen habe, er daneben vielmehr auch unter zirkulierenden Immunkomplexen sowie einer Borna-Virus-Infektion gelitten habe und erst das gleichzeitige Vorliegen aller drei pathologischer Umstände in ihrem Zusammenspiel seine Erkrankungen zur Folge gehabt habe.
Die Beklagte trat dem Vorbringen entgegen.
Das SG hörte (mit Ausnahme des zwischenzeitlich im Ruhestand und im Ausland befindlichen ehemaligen Hausarztes) die vom Kläger benannten Vertragsärzte, die dieser wegen seiner Beschwerden zunächst in Anspruch genommen hatte, sowie Dr. M. schriftlich als sachverständige Zeugen an. Facharzt für Radiologie und Nuklearmedizin Dr. L. gab in seiner Auskunft vom 15. Januar 2009 an, er habe den Kläger am 18. August 2000 untersucht. Der Kläger habe damals bei der Anamnese angegeben, an innerer Unruhe, Wahrnehmungsstörungen, Schwindel, Nacken- und Hinterkopfschmerzen zu leiden. Daneben seien auch Hirnleistungsstörungen in Form von Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit angegeben worden. In der daraufhin von ihm durchgeführten SPECT-Hirnstamm-Rezeptorszintigraphie sei eine normale Dichte der Dopamin-D2-Rezeptoren festgestellt worden, sodass sich kein Hinweis für ein toxisch bedingtes Parkinsonsyndrom ergeben habe. Insgesamt sei kein pathologischer Befund erhoben worden. Internist G. (Auskunft vom 15. Januar 2009) gab an, beim Kläger sei im Februar 2000 eine Gastroskopie wegen Oberbauchbeschwerden erfolgt. Dabei habe sich eine funktionelle Kardia-Insuffizienz mit Reflux ergeben. Bei der Kardia-Insuffizienz mit Reflux ohne Refluxösophagitis handele es sich um eine unangenehme, aber harmlose Gesundheitsstörung. Eine Behandlung sei erfolglos mit H2-Blockern erfolgt. Über den weiteren Verlauf könne er keine Auskunft geben. Neurologin Dr. B.-La. (Auskunft vom 20. Januar 2009) gab an, den Kläger im Januar und Mai 2000 wegen eines ungerichteten Schwindels bzw. Abschlaffungsphasen einer vegetativen Dysregulation entsprechend untersucht zu haben. Eine dritte Untersuchung sei im August 2000 wegen Kribbelparästhesien am rechten Unterschenkel erfolgt, die neurologisch nicht hätten geklärt werden können. Bei der Erstuntersuchung im Januar 2000 habe der Kläger über Störungen seines Gleichgewichtsorgans, das er mehrfach nicht habe kontrollieren können, über ein Gefühl der weichen Knie sowie immer wiederkehrende Beklemmungsgefühle in der Brust und dem Gefühl, nicht durchatmen zu können, geklagt. Des Weiteren habe er von einem Zitteranfall mit Schwindel berichtet. Bei der Untersuchung im Mai 2000 habe der Kläger über zweimal täglich auftretende Abschlaffungsphasen am Morgen sowie gegen Nachmittag und im August 2000 über ein teils kribbelndes, teils pelziges Gefühl an der rechten Wade berichtet. Bei der Erst- und Zweituntersuchung sei das Erlernen eines autogenen Trainings empfohlen worden. Bei der Drittuntersuchung sei keine Therapieempfehlung erfolgt. Die Ergebnisse des weiteren Krankheitsverlaufes seien, da der Kläger nicht mehr erschienen sei, unbekannt. Diabetologe und Schmerztherapeut Prof. Dr. He. gab in seiner Auskunft vom 21. Januar 2009 an, der Kläger habe sich bei ihm im März 2000 erstmalig vorgestellt. Er habe damals über Übelkeit, innere Unruhe, Schwindel, angeregte Darmfunktion, gelegentlich mit Erbrechen seit Januar 2000 berichtet. Es hätten sich zunächst Verdacht auf ein zentrales Cushing-Syndrom (ACTH), Borreliose, Parasitenbefall nach Auslandsaufenthalt, Phäochromozytom und Karzinoidsyndrom ergeben. Es seien verschiedene Tests durchgeführt worden. Die Diagnostik habe jedoch insgesamt unauffällige Befunde ergeben; sämtliche Verdachtsdiagnosen seien ausgeschlossen worden. Der letzte Patientenkontakt sei am 10. April 2000 erfolgt. Prof. Dr. He. fügte seinem Schreiben die ihm vorliegenden Befundberichte über die durchgeführten Blut- und anderen Tests bei. Augenarzt Dr. Bü. (Auskunft vom 21. Januar 2009) gab an, der Kläger habe bei der einzigen Vorstellung bei ihm im März 2000 über einen Tunnelblick geklagt. Sämtliche durchgeführten Untersuchungen (einschließlich einer Gesichtsfelduntersuchung) hätten keinen pathologischen Befund ergeben. Eine Therapie sei daher nicht erforderlich gewesen. HNO-Arzt Dr. D. (Auskunft vom 09. Februar 2009) berichtete von einer Erstuntersuchung im Oktober 2008. Andere Vorstellungen seien nicht erfolgt.
Dr. M. gab in seiner Auskunft vom 12. November 2009 an, der Kläger habe ihm gegenüber von einem erstmaligen Auftreten von Beschwerden im Juli 1999 berichtet. Bei der Aufnahmeuntersuchung sei u.a. eine Untersuchung des Quecksilbergehalts des Stuhls erfolgt bei 100 µg HG/kg sowie des Speichels bei 234,6 µg HG/l. Daraus habe sich eine über der Hintergrundbelastung durch Nahrung liegende Quecksilberbelastung aus Amalgamfüllungen bei vorhandenen sieben Amalgamfüllungen ergeben. Aufgrund der vorliegenden Befunde sei eine Zahnsanierung unter adäquatem Schutz durchgeführt und eine Quecksilber ausscheidende Behandlung mit Chelat bildenden Medikamenten angeschlossen worden. Die Beschwerden des Klägers hätten sich danach zunächst gebessert, und er hätte ein vorübergehend gutes Befinden erreicht. In der weiteren Folge sei zunehmende Müdigkeit aufgetreten, der Kläger sei beruflich und privat durch Stress in geringerem Umfang belastbar gewesen, die Stimmungslage habe gewechselt, und innere Unruhe habe sich wiederum verstärkt bemerkbar gemacht. Daher sei die Diagnostik auf mögliche chronifizierte Infekte ausgedehnt worden. Hierbei seien die Befunde einer chronischen Borreliose (dann erfolgreich behandelt mit einer Antibiotika-Therapie), eines chronisch persistierenden Borna-Virus-Infekts (mit Amixx über viele Wochen erfolgreich behandelt), einer Störung der neuroendokrinen Stressachse und eines heterozygoten Polymorphismus erhoben worden. Der Kläger sei bereits bei der Terminvereinbarung darauf hingewiesen worden, dass seine (Dr. M.) Praxis eine privatärztliche sei. Er habe bei Wahrnehmung des ersten Termins diesen Sachverhalt schriftlich bestätigen müssen, da ansonsten keine Abrechnung möglich gewesen wäre. Der Kläger sei in seinem Leistungsprofil erheblich eingeschränkt gewesen, da es sonst eines Arztbesuches nicht bedurft hätte. Er sei jedoch jederzeit handlungs- und zurechnungsfähig gewesen. Aufgrund des hohen intellektuellen Standes, wie es bei Patienten mit einem Polymorphismus vom Typ COMT die Regel sei, sei der Kläger immer in der Lage gewesen, die mit ihm besprochenen und dargestellten Sachverhalte gut zu begreifen. Er habe sich immer konstruktiv bei den ergänzenden Anamnesen verhalten, habe sich trotz mitunter erheblicher Beschwerden durch seine Distanz zum eigenen Krankheitsgeschehen ausgezeichnet und sei bis jetzt von ausgezeichneter Compliance gewesen. Der Kläger hätte anderweitige Behandlungsmöglichkeiten nicht gehabt. Üblicherweise wäre er mit der Diagnose einer somatoformen Störung durch Psychopharmaka fehlbehandelt worden. Die tatsächlich vorliegenden Sachverhalte hätte man nicht aufgeklärt. Der Polymorphismus der Katechol-0-Methyltransferase stelle auch künftig ein erhebliches Risiko dar. Die daraus sich entwickelnden Erkrankungen würden drei Stufen der Schwere durchlaufen, wobei der Kläger mit der Reduktion des Noradrenalins in die dritte und schwerste Stufe eingetreten sei.
Mit Urteil vom 23. Februar 2010 wies das SG die Klage ab. Einzig in Betracht kommende Rechtsgrundlage sei § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lägen jedoch nicht vor. Eine Kostenerstattung für die vom Kläger selbst beschaffte Behandlung durch Dr. M. und für die von Dr. M. veranlassten Maßnahmen scheide im Grundsatz aus, weil diese dadurch entstanden seien, dass der Kläger einen nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt in Anspruch genommen habe, ohne dass er hierzu durch einen Mangel im System (Alternative 1) oder eine zu Unrecht erfolgte Ablehnung seitens der Beklagten (Alternative 2) veranlasst worden wäre. Da sich der Kläger weder zu Beginn noch während der Behandlung durch Dr. M. an die Beklagte gewandt habe, seien die Voraussetzungen der Alternative 2 des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V ersichtlich nicht erfüllt. Es fehle an dem notwendigen ursächlichen Zusammenhang zwischen zu Unrecht erfolgter Ablehnung eines Antrags auf Kostenübernahme einerseits und der beim Kläger eingetretenen Kostenlast andererseits. Aber auch die Voraussetzungen der Alternative 1 seien nicht erfüllt. Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V könnten die Versicherten nur unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten frei wählen. Andere Ärzte dürften nur in Notfällen in Anspruch genommen werden (§ 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Der Kläger habe sich jedoch in die Behandlung von Dr. M. begeben, ohne dass ein Notfall vorgelegen habe. Es sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die erste Inanspruchnahme von Dr. M. in einer Situation erfolgt sei, in welcher ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort habe befriedigt werden müssen und ein fachlich zuständiger Vertragsarzt nicht in der gebotenen Eile habe herbeigerufen oder aufgesucht werden können. Hinsichtlich der späteren Konsultation könne von einer derart dringenden Eilbedürftigkeit ohnehin nicht ausgegangen werden. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Kostenerstattung ergebe sich aber auch nicht aus dem Gesichtspunkt eines Systemversagens. Zwar mache der Kläger geltend, Dr. M. erst in Anspruch genommen zu haben, nachdem alle zuvor aufgesuchten Vertragsärzte nicht in der Lage gewesen seien, auch nur die wahren Ursachen seiner Beschwerden zu ermitteln. Abgesehen davon, dass der Kläger in einer solchen Situation gehalten gewesen wäre, sich an die Beklagte zu wenden, bevor er Dr. M. in Anspruch nahm, verkenne er dabei, dass die subjektiv empfundene Erfolgslosigkeit der Bemühungen der Vertragsärzte nicht gleichzusetzen sei mit objektivem Systemversagen. Da auch Dr. M. beim Kläger keine in der medizinischen Wissenschaft noch nicht oder nur ganz wenigen Spezialisten bekannte Erkrankung diagnostiziert habe, stehe es für die Kammer außer Frage, dass seine Beschwerden mit den in der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung stehenden Mitteln erkenn- und behandelbar gewesen seien. Selbst bei analoger Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Beschluss vom 06. Dezember 2005 (Az. 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25) aufgestellten Grundsätze könne der Klage nicht zum Erfolg verholfen werden. Denn eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung habe beim Kläger nicht vorgelegen.
Gegen dieses ihm am 15. Juni 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08. Juli 2010 Berufung eingelegt. Es sei in seinem Falle sowohl von einem Notfall als auch einem Systemversagen im Sinne von § 13 Abs. 3 Alternative 1 SGB V auszugehen. Das Vorliegen eines Systemversagens ergebe sich nicht zuletzt aus dem Umstand, dass er (der Kläger) seit geraumer Zeit versuche, mit den ihm von der Beklagten benannten Ärzten eine zielgerichtete Fortbehandlung seiner Beschwerden zu erreichen. Die ihm angeratenen Ärzte hätten sich jedoch entweder außerstande gesehen, ihn überhaupt zu behandeln, hätten ihm eine Behandlung durch den zuvor konsultierten Dr. M. angeraten oder hätten sich auf die Empfehlung der Einnahme von Psychopharmaka beschränkt. Ungeachtet des Systemversagens seien seine Beschwerden zu dem Zeitpunkt, als er sich zur Behandlung bei Dr. M. begeben habe, sowohl physisch als auch psychisch derart massiv gewesen, dass bereits Suizidgedanken bestanden hätten. Daher ergebe sich ein Anspruch auf Kostenerstattung jedenfalls aufgrund einer gebotenen grundrechtsorientierten Auslegung (unter Verweis auf das BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005, aaO; BSG, Urteil vom 07. November 2006 - B 1 KR 24/06 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 12).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 23. Februar 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 12. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. April 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 5.925,94 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Ein Systemversagen habe ersichtlich nicht vorgelegen. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass auch im Falle einer Notfallbehandlung ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers nicht in Betracht komme. Nähmen Versicherte Privatärzte unmittelbar in Anspruch, weil sie auf akute Behandlung angewiesen seien und ein zugelassener Leistungserbringer zumutbar nicht erreichbar sei, seien diese Ärzte auf die Abrechnung aus der Gesamtvergütung zu verweisen. Auch in einem solchen Fall sei eine Kostenerstattung des Versicherten ausgeschlossen, da der Leistungserbringer seine Vergütung nicht vom Versicherten, sondern nur von der Kassenärztlichen Vereinigung verlangen könne. Die Notfallbehandlung erfolge dann nämlich als Naturalleistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (unter Verweis auf BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 24/05 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 9). Auch wenn Versicherte erst im Nachhinein behaupteten, es habe sich um eine Notfallbehandlung gehandelt, seien ihnen keine erstattungsfähigen Kosten entstanden (unter Verweis auf BSG, Beschluss vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 114/06 B - in juris). Abschließend werde vorsorglich die Einrede der Verjährung erhoben.
Mit Schreiben vom 04. Oktober 2010 sowie vom 01. September 2011 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte und die Gerichtsakten in beiden Instanzenzügen Bezug genommen.
II.
Da der Senat die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält, entscheidet er gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zur beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) zu Recht abgewiesen. Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 12. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. April 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen in Höhe eines Gesamtbetrages von EUR 5.925,94 für ambulante Behandlungen im Zeitraum vom 27. Juni 2000 bis zum 19. Juni 2007 durch Dr. M ...
1. Der Kläger hat nicht nach § 13 Abs. 2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt. Als Anspruchsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch kommt damit nur § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen indes nicht vor.
2. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind einem Versicherten von der Krankenkasse Kosten für eine selbst beschaffte Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig war.
a) Es fehlt hier an der Voraussetzung, dass dem Kläger dadurch Kosten entstanden sind, dass die Beklagte die Leistung abgelehnt hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V).
Ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch scheidet nach ständiger Rechtsprechung aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne die Krankenkasse einzuschalten und deren Entscheidung abzuwarten. § 13 Abs. 3 SGB V soll einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall gewähren, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen. Daran fehlt es, wenn die Kasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteil vom 15. April 1997 - 1 BK 31/96 - SozR 3-2500 § 13 Nr. 15; Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 5/05 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 8; Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 12). Dieses Verfahren ist entgegen früherer Andeutung (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 1993 - 1 RK 37/92 - SozR 3-2500 § 34 Nr. 2) auch zu fordern in Fällen, in denen von vornherein feststand, dass eine durch Gesetz oder Verordnung von der Versorgung ausgeschlossene Sachleistung verweigert werden würde und sich der Versicherte dadurch gezwungen gesehen hat, die Leistung selbst zu beschaffen (vgl. eingehend BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 12). Nur bei einer Vorabprüfung können die Krankenkassen ihre - Gesundheitsgefahren und wirtschaftlichen Risiken vorbeugenden - Beratungsaufgaben erfüllen, die Versicherten vor dem Risiko der Beschaffung nicht zum Leistungskatalog gehörender Leistungen zu schützen und ggf. aufzeigen, welche Leistungen an Stelle der begehrten in Betracht kommen. Dem kann nicht der Einwand der "Förmelei" entgegengehalten werden, weil der Wortlaut des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V unmissverständlich einen Ursachenzusammenhang zwischen rechtswidriger Ablehnung und Kostenlast verlangt (vgl. BSG, Urteile vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R - aaO und 02. November 2007 - B 1 KR 14/07 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 15)
Der Kläger hat seinen Antrag auf Kostenerstattung, eine Behandlung durch Dr. M. im Zeitraum vom 27. Juni 2000 bis zum 19. Juni 2007 betreffend, erst im November 2007 gestellt. In seinem Antragsschriftsatz hat er überdies angegeben, dass diese Behandlung schon im Wesentlichen abgeschlossen sei. Die von ihm geltend gemachte Kostenerstattung betrifft damit einen Zeitraum, der bereits bei Antragstellung vollständig in der Vergangenheit lag. In der gesamten Zeit seiner Behandlung hatte er keinerlei Kontakt mit der Beklagten aufgenommen, um sie über die durch Dr. M. durchgeführte Behandlung zu unterrichten. Dadurch hat er der Beklagten die Möglichkeit genommen, die Notwendigkeit und Übernahmefähigkeit der Behandlung durch Dr. M. sowie die von diesem gestellte Diagnose zu überprüfen und ggfs. andere Behandlungsmethoden vorzuschlagen. Der Kläger hat sich folglich eine Leistung besorgt, ohne die Krankenkasse einzuschalten und deren Entscheidung abzuwarten
b) Die Behandlungen durch Dr. M. im Zeitraum vom 27. Juni 2000 bis zum 19. Juni 2007 waren auch nicht unaufschiebbar im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V.
Eine Leistung ist unaufschiebbar, wenn eine Leistungserbringung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bis zu einer Entscheidung der Krankenkasse mehr besteht. Die medizinische Dringlichkeit ist indessen nicht allein ausschlaggebend. Denn neben der Unaufschiebbarkeit wird vorausgesetzt, dass die Krankenkasse die in Rede stehenden Leistungen nicht rechtzeitig erbringen konnte. Davon kann im Regelfall nur ausgegangen werden, wenn sie mit dem Leistungsbegehren konfrontiert war und sich dabei ihr Unvermögen herausgestellt hat. Nur da, wo eine vorherige Einschaltung der Krankenkasse vom Versicherten nach den Umständen des Falles nicht verlangt werden konnte, darf die Unfähigkeit zur rechtzeitigen Leistungserbringung unterstellt werden (BSG, Urteil vom 25. September 2000 - B 1 KR 5/99 R - SozR 3-2500 § 13 Nr. 22; Urteil vom 02. November 2007 - B 1 KR 14/07 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 15). Nur bei einer Vorabprüfung können die Krankenkassen ihre Gesundheitsgefahren und wirtschaftlichen Risiken vorbeugenden Beratungsaufgaben erfüllen, die Versicherten vor dem Risiko der Beschaffung nicht zum Leistungskatalog gehörender Leistungen zu schützen und ggf. aufzeigen, welche Leistungen an Stelle der begehrten in Betracht kommen
Die Behandlung bei Dr. M. musste nicht derart kurzfristig erbracht werden. Dies ergibt sich anhand sämtlicher vom SG eingeholter sachverständiger Zeugenauskünfte einschließlich derjenigen des Dr. M ... Dr. L. hat in seiner Auskunft vom 15. Januar 2009 angegeben, der Kläger habe im August 2000 (also erst kurz nach Antritt der Behandlung bei Dr. M.) über innere Unruhe, Wahrnehmungsstörungen, Schwindel, Nacken- und Hinterkopfschmerzen sowie Hirnleistungsstörungen in Form von Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit geklagt. Identische Klagen sind auch der Auskunft des Prof. Dr. He. vom 21. Januar 2009 über eine Behandlung des Klägers dort im März und April 2000 zu entnehmen. Dieser Auskunft zufolge fingen die Beschwerden des Klägers zudem zu Beginn des Jahres 2000 an. Der Auskunft von Dr. B.-La. vom 20. Januar 2009 zufolge hatte der Kläger im Januar und Mai 2000 ihr gegenüber von ungerichtetem Schwindel bzw. Abschlaffungsphasen, einer vegetativen Dysregulation entsprechend, und im August 2000 von Kribbelparästhesien berichtet. Schon dies ergibt das Gesamtbild einer insgesamt ernst zu nehmenden, nicht jedoch keinerlei zeitlichen Aufschub duldenden Erkrankung des Klägers. Die bestehenden Symptome erlaubten durchaus eine gewisse zeitliche Verzögerung in der Aufnahme der Behandlung insbesondere vor dem Hintergrund keinerlei auffälliger Labor- oder sonstiger Testbefunde. Überdies handelte es sich - nach den Angaben sowohl von Dr. M. in seiner Auskunft vom 12. November 2009 als auch des Klägers selbst - durchweg um Erkrankungen, die im Rahmen eines länger andauernden Behandlungsplans zu behandeln waren. Der Kläger hat insoweit angegeben, dass der Genesungsprozess bei Dr. M. kleinschrittig und über eine Dauer von insgesamt sieben Jahren, nicht also im Sinne einer Sofortbehandlung erfolgt sei. Die Behandlung bei Dr. M. zielte damit nicht auf die Linderung akuter, erheblicher Beschwerden, sondern war langfristig angelegt. Einen Teil der Erkrankungen hat Dr. M. sogar erst im Verlaufe seiner Behandlung diagnostiziert. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass die Behandlung im Juni 2000, als der Kläger erstmals Dr. M. in Anspruch nahm, unaufschiebbar sofort einsetzen musste. Anderes gilt auch nicht vor dem Hintergrund, dass der Kläger vorgetragen hat, er habe damals bereits Suizidgedanken gehegt. Dabei hält der Senat - obwohl die Beschwerden des Klägers nach seinen eigenen Angaben erst im Januar 2000 (frühestens aber, der Auskunft des Dr. M. zufolge: im November 1999) begonnen hatten und er damit zum Zeitpunkt seines Erstbesuchs bei Dr. M. gerade mal (etwas mehr als) ein halbes Jahr in ärztlicher Behandlung stand - nicht für ausgeschlossen, dass sich beim Kläger eine gewisse Verzweiflung eingestellt hatte. Jedoch hat keiner der damals behandelnde Ärzte und insbesondere auch Dr. M. eine ernstzunehmende akute Suizidgefahr, die ggf. sogar zu einer Einweisung des Klägers hätte führen müssen, festzustellen vermocht. Dr. M. hat vielmehr in seiner Auskunft vom 12. November 2009 - gerade gegenteilig - ausgeführt, der Kläger sei jederzeit handlungs- und zurechnungsfähig gewesen und habe sich trotz mitunter erheblicher Beschwerden durch seine Distanz zum Krankheitsgeschehen ausgezeichnet. Dies lässt auf eine keinen Aufschub duldende Suizidalität des Klägers im Sommer 2000 nicht schließen.
Hinzu kommt, dass der Kläger die Beklagte nicht rechtzeitig mit der privatärztlichen Behandlung durch Dr. M. befasst hat.
c) Ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V scheitert außerdem an einem weiteren Umstand:
Nach ständiger Rechtsprechung reicht der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 12; Urteil vom 07. November 2006 - B 1 KR 24/06 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 12). Zu diesen Voraussetzungen gehört auch § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach können Versicherte, soweit sie sich ambulant durch Ärzte behandeln lassen, - nur - unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten wählen. Zu dieser Gruppe gehörte Dr. M. nach den übereinstimmenden Angaben von Beklagter, Kläger und Dr. M. selbst nicht.
Andere als die zugelassenen Ärzte dürfen Versicherte nur im Notfall in Anspruch nehmen (§ 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Ausnahmsweise kann überdies auch der Fall einer Systemstörung zur Übernahmefähigkeit von Kosten aufgrund einer Behandlung durch einen nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt führen. Die Erfüllung eines Sachleistungsanspruchs setzt voraus, dass für eine in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung fallende Behandlung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte nicht oder nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Beide Ausnahmekonstellationen waren nicht gegeben.
Ein Notfall liegt nur dann vor, wenn ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden muss und ein fachlich zuständiger Vertragsarzt nicht in der gebotenen Eile herbeigerufen oder aufgesucht werden kann (vgl. BSG, Urteile vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 24/05 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 9 und 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R - = SozR 4-2500 § 13 Nr. 12). Behandlungsbedürftigkeit mit der Erforderlichkeit baldiger Entscheidung bedingt noch keine Behandlungsdringlichkeit in diesem Sinne. Eine derart dringende Eilbedürftigkeit lag beim Kläger zu keiner Zeit vor. Auch insoweit ist relevant, dass die Behandlung bei Dr. M. nicht auf die Linderung akuter, erheblicher Beschwerden zielte, sondern langfristig angelegt war, und dass zudem nach Einschätzung des Dr. M. der Kläger jederzeit handlungs- und zurechnungsfähig war sowie sich trotz mitunter erheblicher Beschwerden durch seine Distanz zum Krankheitsgeschehen ausgezeichnet hat (vgl. dazu ausführlich unter b).
Im Übrigen hätte Dr. M., wenn ein Notfall vorgelegen hätte, unmittelbar mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung abrechnen müssen und dem Kläger selbst keine Rechnungen über durchgeführte Notfallbehandlungen stellen dürfen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 9/05 R - mwN; Beschluss vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 114/06 B -; beide veröffentlicht in Juris). Außerdem wäre bei Vorliegen eines Notfalls allein die Notfallbehandlung als solche - also bis zur umgehenden Verlegung des Patienten zu einem zugelassenen Leistungserbringer - zulässig gewesen (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juli 2008 - B 1 KR 5/08 R - SozR 4-2500 § 109 Nr. 6).
Auch eine Systemstörung in dem Sinne, dass keine oder keine hinreichende Anzahl von Ärzten zur Verfügung stand, die zur Behandlung der beim Kläger diagnostizierten Erkrankungen in der Lage gewesen wären, lag nicht vor. Die Beklagte hat dem Kläger allein fünf unmittelbar in seinem Einzugsbereich wohnende Ärzte genannt, die als Umweltmediziner zur Behandlung insbesondere von Quecksilbervergiftungen in Frage gekommen wären. Die Behauptung des Klägers, dass eine dort begonnene Behandlung erfolglos gewesen wäre, ist hypothetisch, weil der Kläger im hier streitigen Zeitraum diese Ärzte nicht einmal aufgesucht hat. Dass sich im Nachgang zu einer zwischenzeitlich erfolgten siebenjährigen Behandlung bei Dr. M. die Möglichkeiten einer Neu- oder Weiterbehandlung durch die - vom Kläger nunmehr nach eigenem Bekunden aufgesuchten - von der Beklagten genannten Ärzte möglicherweise schwierig gestaltet, begründet keine Anhaltspunkte für eine Systemstörung im hier streitigen Zeitraum. Der Senat hatte daher insoweit keinerlei Anhaltspunkte zur Durchführung weiterer Ermittlungen.
d) Der Kläger kann sich schließlich auch nicht auf die Rechtsprechung des BVerfG zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung berufen (Beschluss vom 06. Dezember 2005, BVerfGE 115,25). Das BSG hat die verfassungsgerichtlichen Vorgaben der Rechtsprechung des BVerfG näher konkretisiert (z.B. BSG, Urteile vom 04. April 2006 - B 1 KR 12/05 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 8, 07. November 2006 - B 1 KR 24/06 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 12 und 14. Dezember 2006 - B 1 KR 12/06 R - SozR 4-2500 § 31 Nr. 8). Gerechtfertigt ist hiernach eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird. Ähnliches kann für den gleichzustellenden nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten. Eine solche Situation bestand beim Kläger nicht. Dabei lässt der Senat dahingestellt, ob eine Suizidgefahr infolge einer Erkrankung überhaupt die vom BVerfG aufgezeigten Maßstäbe erfüllen kann. Denn wie ausgeführt, waren hinreichende Anhaltspunkte einer konkreten Suizidalität des Klägers aus keiner der vom SG eingeholten Arztauskünfte ersichtlich.
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG lagen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Erstattung von Aufwendungen in Höhe eines Gesamtbetrages von EUR 5.925,94 für ambulante Behandlungen im Zeitraum vom 27. Juni 2000 bis zum 19. Juni 2007 durch den nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Hautarzt und Umweltmediziner Dr. M ...
Der am 1972 geborene Kläger ist seit 1987 freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse. Ab 27. Juni 2000 befand er sich in Behandlung bei dem Dermatologen und Umweltmediziners Dr. M., I., der nicht zur vertragsärztlichen Versorgung von Versicherten zugelassen war und ist. Die Eingangsdiagnose von Dr. M. lautete: Hypercortisolismus, Hyperprolaktinämie, Verdacht auf resorptive Quecksilberbelastung, Tierhaarallergie und Seborrhoisches Ekzem. Im weiteren Verlauf der Behandlung kamen folgende Diagnosen hinzu: über der Hintergrundbelastung durch Nahrung liegende Quecksilberbelastung aus Amalgamfüllungen, Immunkomplexvaskulitis, grenzwertige Hypertonie, chronische Borreliose, chronisch persistierender Borna-Virus-Infekt, Störung der neuroendokrinen Stressachse sowie heterozygoter Polymorphismus der Katechol-O-Methyltransferase (COMT) mit reduzierter Enzymtätigkeit. Der Kläger nahm Dr. M. von Beginn der Behandlung an als Privatarzt in Anspruch und erhielt von diesem (sowie durch diesen beauftragte Labors sowie einen mitbehandelnden Arzt) privatärztliche Rechnungen.
Mit Schreiben vom 04. November 2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erstattung der Kosten für Beratung, Therapie sowie Laboruntersuchungen für die Behandlung bei Dr. M. in der Zeit vom 27. Juni 2000 bis 19. Juni 2007 in Höhe von insgesamt EUR 5.925,94. Er gab an, im Januar 2000 hätten bei ihm diverse gesundheitliche Probleme begonnen. Haus- und fachärztliche Untersuchungen hätten bis zum Juli 2000 keinen Befund ergeben, der seine Problematik habe erklären können. Dr. M. habe er erst nach ausweglosen fachärztlichen Untersuchungen konsultiert. Nach dem ersten Beratungstermin habe sich zunächst der Verdacht und in weiteren Untersuchungen dann die Diagnose einer Schwermetallvergiftung herausgestellt. Diese sei durch Amalgamfüllungen in den Zähnen verursacht worden. Weitere Zusammenhänge wie z.B. die Atlasverschiebung hätten die Auswirkungen der Vergiftung komplexer und in der Therapie langwieriger gemacht. Die Behandlung bei Dr. M. habe bis Juli 2007 gedauert und sei nun in weiten Teilen abgeschlossen. Kosten für Beratung, Therapie und Laboruntersuchungen habe er in der gesamten Zeit privat übernommen, da Dr. M. nicht Mitglied der Kassenärztlichen Vereinigung sei. Mit Bescheid vom 12. November 2007 lehnte die Beklagte eine Kostenerstattung ab. Dr. M. verfüge nicht über die erforderliche Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, und es habe sich auch nicht um eine Notfallbehandlung gehandelt. Im Versorgungsgebiet des Klägers stünden ausreichend zugelassene Behandler zur Verfügung. Eine Unterversorgung habe offensichtlich weder die zuständige Kassenärztliche Vereinigung noch die zuständige Aufsichtsbehörde festgestellt.
Hiergegen legte der Kläger am 16. November 2007 Widerspruch ein. Die Beklagte habe seinen Fall nur oberflächlich beurteilt. Es gebe gerade nicht genügend zugelassene Behandler mit dem Schwerpunkt der Schwermetallvergiftung in seinem Versorgungsbereich. Keiner der von ihm besuchten Vertragsärzte habe überhaupt feststellen können, an welcher Erkrankung er gelitten habe. Soweit sich die Beklagte darauf stützen wolle, dass es sich bei einer Quecksilberbelastung nicht um eine Krankheit handele, zeuge dies davon, dass ihr Medizinischer Dienst "nicht den Hauch einer Ahnung habe".
Die Beklagte holte ein sozialmedizinisches Gutachten beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein. Gutachterin Dr. S.-Mu. gelangte in ihrem Gutachten vom 04. Dezember 2007 zu der Auffassung, von einer Quecksilbervergiftung könne im Falle des Klägers sicher grundsätzlich gar keine Rede sein, da klinische Symptome einer Vergiftung erst bei sehr hohen Werten, laut WHO zwischen 70 bis 140 µg HG/l Blut und 300 bis 600 µg HG/l Urin, begännen und solche Befunde hier nicht nachgewiesen worden seien. Eine resorptive Quecksilberbelastung gelte nicht als Erkrankung und falle damit auch nicht in den Leistungszuständigkeitsbereich einer gesetzlichen Krankenkasse. Die medizinischen Voraussetzungen für eine Kostenübernahme seien nicht erfüllt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03. April 2008 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Der Kläger habe eine Erklärung, am Kostenerstattungsverfahren im Sinne von § 13 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) teilzunehmen, nicht abgegeben. Ein Kostenerstattungsanspruch könne sich daher nur nach § 13 Abs. 3 SGB V ergeben. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lägen jedoch nicht vor. Die danach erforderliche Annahme einer Notfallsituation setze voraus, dass eine Leistung unaufschiebbar und ohne Verzögerung notwendig gewesen sei. Dies bestimme sich ausschließlich nach medizinischen Gesichtspunkten; nur da, wo eine vorherige Einschaltung der Krankenkasse vom Versicherten nach den Umständen des Falls nicht hätte verlangt werden können, dürfe die Unfähigkeit zur rechtzeitigen Leistungserbringung unterstellt werden. Hierfür ergäben sich vorliegend keine Anhaltspunkte. Auch die Fallgruppe einer zu Unrecht erfolgten Ablehnung von Leistungen durch sie (die Beklagte) liege nicht vor. Der Kläger habe sich im gesamten Zeitraum von Juli 2000 bis Juli 2007 mit ihr (der Beklagten) nicht in Verbindung gesetzt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei ein Versicherter grundsätzlich verpflichtet, sich vor Inanspruchnahme der Leistung außerhalb der vertraglichen Versorgung zunächst an seine Krankenkasse zu wenden, um sich über die bestehenden Möglichkeiten der vertragsärztlichen Behandlung beraten zu lassen. Dem habe der Kläger nicht entsprochen. Es fehle daher schon an der Kausalität zwischen ablehnender Entscheidung und Kostenentstehung. Ergänzend werde mitgeteilt, dass eine Kostenübernahme bzw. -erstattung auch dann nicht möglich gewesen wäre, wenn ihre (der Beklagten) Entscheidung abgewartet worden wäre. Nach § 76 SGB V könnten Versicherte unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten wählen; andere Ärzte dürften nur in Notfällen in Anspruch genommen werden. Der MDK habe jedoch in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme bestätigt, dass beim Kläger von einer Quecksilbervergiftung keine Rede sein könne, da die hierfür erforderlichen Grenzwerte nicht nachgewiesen worden seien. Schließlich ergäben sich auch keine Anhaltspunkte für eine ärztliche Unterversorgung im ambulanten Bereich, da jedenfalls insgesamt fünf zugelassene Ärzte mit der Zusatzqualifikation Umweltmedizin (unter Benennung von drei Umweltmedizinern in Wangen sowie jeweils einem solchen in Isny und Ravensburg) zur Verfügung gestanden hätten. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass die Erstattung für den Zeitraum von Juli 2000 bis 31. Dezember 2002 auch deshalb nicht in Betracht komme, weil Ansprüche aus diesem Zeitraum nach § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) verjährt seien.
Der Kläger erhob am 23. April 2008 zum Sozialgericht Konstanz (SG) Klage. Er berief sich auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren und trug ergänzend vor, seine ungeklärten Beschwerden seien im Jahr 2000 letztlich physisch wie auch psychisch derart massiv gewesen, dass er unter einer gestörten Sinneswahrnehmung gelitten habe, nur noch beschränkt handlungsfähig gewesen sei und Suizidgedanken gehegt habe. Lediglich zufällig sei ihm in dieser Situation die Konsultation bei Dr. M. angeraten worden, welcher ihn nach einer Erstuntersuchung am 27. Juni 2000 und ab dem 07. Dezember 2000 dann regelmäßig u.a. auf eine resorptive Quecksilberbelastung, zirkulierende Immunkomplexe und später zusätzlich auch auf eine Borna-Virus-Infektion untersucht und behandelt habe. Angesichts der enttäuschenden Erfahrungen, welche er bei seinen ebenso zahlreichen wie erfolglosen Behandlungen zuvor gemacht habe, sei es ihm nicht in den Sinn gekommen, die Behandlung bei Dr. M. vorzeitig abzubrechen. Dort habe er mittels Infusionstherapie erstmals eine schleichende Besserung seiner Beschwerden erfahren; auch im weiteren Verlauf sei eine Linderung zwar in kleinen Schritten, aber fortwährend festzustellen gewesen. Ein zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Arzt hätte selbst bei entsprechender Diagnose einer Quecksilberbelastung nicht die von Dr. M. angewandte Infusionstherapie durchgeführt. Es bleibe damit festzuhalten, dass keiner der von den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzte im für ihn zumutbaren Umkreis die letztlich erfolgversprechende Behandlung von Dr. M. angewandt und auch keine sonstige Behandlung durchgeführt hätte, welche eine vergleichbare Genesung zur Folge gehabt hätte. Damit stelle sich seine Situation dauerhaft als Notfall im Sinne von § 13 Abs. 3 1. Alternative SGB V dar. Im Übrigen wäre ihm - selbst bei der theoretischen Annahme, dass die von Dr. M. begonnene Behandlung von einem zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt hätte fortgesetzt werden können - aufgrund der erfolglosen Behandlungen verschiedener Ärzte zuvor ein Wechsel von Dr. M. zu einem anderen Arzt nicht zumutbar gewesen. Soweit die Beklagte sich auf den Standpunkt stelle, dass eine Quecksilbervergiftung nicht als Erkrankung gelte und somit auch nicht in den Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung falle, sei dem entgegenzuhalten, dass bei ihm keine isolierte Quecksilbervergiftung vorgelegen habe, er daneben vielmehr auch unter zirkulierenden Immunkomplexen sowie einer Borna-Virus-Infektion gelitten habe und erst das gleichzeitige Vorliegen aller drei pathologischer Umstände in ihrem Zusammenspiel seine Erkrankungen zur Folge gehabt habe.
Die Beklagte trat dem Vorbringen entgegen.
Das SG hörte (mit Ausnahme des zwischenzeitlich im Ruhestand und im Ausland befindlichen ehemaligen Hausarztes) die vom Kläger benannten Vertragsärzte, die dieser wegen seiner Beschwerden zunächst in Anspruch genommen hatte, sowie Dr. M. schriftlich als sachverständige Zeugen an. Facharzt für Radiologie und Nuklearmedizin Dr. L. gab in seiner Auskunft vom 15. Januar 2009 an, er habe den Kläger am 18. August 2000 untersucht. Der Kläger habe damals bei der Anamnese angegeben, an innerer Unruhe, Wahrnehmungsstörungen, Schwindel, Nacken- und Hinterkopfschmerzen zu leiden. Daneben seien auch Hirnleistungsstörungen in Form von Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit angegeben worden. In der daraufhin von ihm durchgeführten SPECT-Hirnstamm-Rezeptorszintigraphie sei eine normale Dichte der Dopamin-D2-Rezeptoren festgestellt worden, sodass sich kein Hinweis für ein toxisch bedingtes Parkinsonsyndrom ergeben habe. Insgesamt sei kein pathologischer Befund erhoben worden. Internist G. (Auskunft vom 15. Januar 2009) gab an, beim Kläger sei im Februar 2000 eine Gastroskopie wegen Oberbauchbeschwerden erfolgt. Dabei habe sich eine funktionelle Kardia-Insuffizienz mit Reflux ergeben. Bei der Kardia-Insuffizienz mit Reflux ohne Refluxösophagitis handele es sich um eine unangenehme, aber harmlose Gesundheitsstörung. Eine Behandlung sei erfolglos mit H2-Blockern erfolgt. Über den weiteren Verlauf könne er keine Auskunft geben. Neurologin Dr. B.-La. (Auskunft vom 20. Januar 2009) gab an, den Kläger im Januar und Mai 2000 wegen eines ungerichteten Schwindels bzw. Abschlaffungsphasen einer vegetativen Dysregulation entsprechend untersucht zu haben. Eine dritte Untersuchung sei im August 2000 wegen Kribbelparästhesien am rechten Unterschenkel erfolgt, die neurologisch nicht hätten geklärt werden können. Bei der Erstuntersuchung im Januar 2000 habe der Kläger über Störungen seines Gleichgewichtsorgans, das er mehrfach nicht habe kontrollieren können, über ein Gefühl der weichen Knie sowie immer wiederkehrende Beklemmungsgefühle in der Brust und dem Gefühl, nicht durchatmen zu können, geklagt. Des Weiteren habe er von einem Zitteranfall mit Schwindel berichtet. Bei der Untersuchung im Mai 2000 habe der Kläger über zweimal täglich auftretende Abschlaffungsphasen am Morgen sowie gegen Nachmittag und im August 2000 über ein teils kribbelndes, teils pelziges Gefühl an der rechten Wade berichtet. Bei der Erst- und Zweituntersuchung sei das Erlernen eines autogenen Trainings empfohlen worden. Bei der Drittuntersuchung sei keine Therapieempfehlung erfolgt. Die Ergebnisse des weiteren Krankheitsverlaufes seien, da der Kläger nicht mehr erschienen sei, unbekannt. Diabetologe und Schmerztherapeut Prof. Dr. He. gab in seiner Auskunft vom 21. Januar 2009 an, der Kläger habe sich bei ihm im März 2000 erstmalig vorgestellt. Er habe damals über Übelkeit, innere Unruhe, Schwindel, angeregte Darmfunktion, gelegentlich mit Erbrechen seit Januar 2000 berichtet. Es hätten sich zunächst Verdacht auf ein zentrales Cushing-Syndrom (ACTH), Borreliose, Parasitenbefall nach Auslandsaufenthalt, Phäochromozytom und Karzinoidsyndrom ergeben. Es seien verschiedene Tests durchgeführt worden. Die Diagnostik habe jedoch insgesamt unauffällige Befunde ergeben; sämtliche Verdachtsdiagnosen seien ausgeschlossen worden. Der letzte Patientenkontakt sei am 10. April 2000 erfolgt. Prof. Dr. He. fügte seinem Schreiben die ihm vorliegenden Befundberichte über die durchgeführten Blut- und anderen Tests bei. Augenarzt Dr. Bü. (Auskunft vom 21. Januar 2009) gab an, der Kläger habe bei der einzigen Vorstellung bei ihm im März 2000 über einen Tunnelblick geklagt. Sämtliche durchgeführten Untersuchungen (einschließlich einer Gesichtsfelduntersuchung) hätten keinen pathologischen Befund ergeben. Eine Therapie sei daher nicht erforderlich gewesen. HNO-Arzt Dr. D. (Auskunft vom 09. Februar 2009) berichtete von einer Erstuntersuchung im Oktober 2008. Andere Vorstellungen seien nicht erfolgt.
Dr. M. gab in seiner Auskunft vom 12. November 2009 an, der Kläger habe ihm gegenüber von einem erstmaligen Auftreten von Beschwerden im Juli 1999 berichtet. Bei der Aufnahmeuntersuchung sei u.a. eine Untersuchung des Quecksilbergehalts des Stuhls erfolgt bei 100 µg HG/kg sowie des Speichels bei 234,6 µg HG/l. Daraus habe sich eine über der Hintergrundbelastung durch Nahrung liegende Quecksilberbelastung aus Amalgamfüllungen bei vorhandenen sieben Amalgamfüllungen ergeben. Aufgrund der vorliegenden Befunde sei eine Zahnsanierung unter adäquatem Schutz durchgeführt und eine Quecksilber ausscheidende Behandlung mit Chelat bildenden Medikamenten angeschlossen worden. Die Beschwerden des Klägers hätten sich danach zunächst gebessert, und er hätte ein vorübergehend gutes Befinden erreicht. In der weiteren Folge sei zunehmende Müdigkeit aufgetreten, der Kläger sei beruflich und privat durch Stress in geringerem Umfang belastbar gewesen, die Stimmungslage habe gewechselt, und innere Unruhe habe sich wiederum verstärkt bemerkbar gemacht. Daher sei die Diagnostik auf mögliche chronifizierte Infekte ausgedehnt worden. Hierbei seien die Befunde einer chronischen Borreliose (dann erfolgreich behandelt mit einer Antibiotika-Therapie), eines chronisch persistierenden Borna-Virus-Infekts (mit Amixx über viele Wochen erfolgreich behandelt), einer Störung der neuroendokrinen Stressachse und eines heterozygoten Polymorphismus erhoben worden. Der Kläger sei bereits bei der Terminvereinbarung darauf hingewiesen worden, dass seine (Dr. M.) Praxis eine privatärztliche sei. Er habe bei Wahrnehmung des ersten Termins diesen Sachverhalt schriftlich bestätigen müssen, da ansonsten keine Abrechnung möglich gewesen wäre. Der Kläger sei in seinem Leistungsprofil erheblich eingeschränkt gewesen, da es sonst eines Arztbesuches nicht bedurft hätte. Er sei jedoch jederzeit handlungs- und zurechnungsfähig gewesen. Aufgrund des hohen intellektuellen Standes, wie es bei Patienten mit einem Polymorphismus vom Typ COMT die Regel sei, sei der Kläger immer in der Lage gewesen, die mit ihm besprochenen und dargestellten Sachverhalte gut zu begreifen. Er habe sich immer konstruktiv bei den ergänzenden Anamnesen verhalten, habe sich trotz mitunter erheblicher Beschwerden durch seine Distanz zum eigenen Krankheitsgeschehen ausgezeichnet und sei bis jetzt von ausgezeichneter Compliance gewesen. Der Kläger hätte anderweitige Behandlungsmöglichkeiten nicht gehabt. Üblicherweise wäre er mit der Diagnose einer somatoformen Störung durch Psychopharmaka fehlbehandelt worden. Die tatsächlich vorliegenden Sachverhalte hätte man nicht aufgeklärt. Der Polymorphismus der Katechol-0-Methyltransferase stelle auch künftig ein erhebliches Risiko dar. Die daraus sich entwickelnden Erkrankungen würden drei Stufen der Schwere durchlaufen, wobei der Kläger mit der Reduktion des Noradrenalins in die dritte und schwerste Stufe eingetreten sei.
Mit Urteil vom 23. Februar 2010 wies das SG die Klage ab. Einzig in Betracht kommende Rechtsgrundlage sei § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lägen jedoch nicht vor. Eine Kostenerstattung für die vom Kläger selbst beschaffte Behandlung durch Dr. M. und für die von Dr. M. veranlassten Maßnahmen scheide im Grundsatz aus, weil diese dadurch entstanden seien, dass der Kläger einen nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt in Anspruch genommen habe, ohne dass er hierzu durch einen Mangel im System (Alternative 1) oder eine zu Unrecht erfolgte Ablehnung seitens der Beklagten (Alternative 2) veranlasst worden wäre. Da sich der Kläger weder zu Beginn noch während der Behandlung durch Dr. M. an die Beklagte gewandt habe, seien die Voraussetzungen der Alternative 2 des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V ersichtlich nicht erfüllt. Es fehle an dem notwendigen ursächlichen Zusammenhang zwischen zu Unrecht erfolgter Ablehnung eines Antrags auf Kostenübernahme einerseits und der beim Kläger eingetretenen Kostenlast andererseits. Aber auch die Voraussetzungen der Alternative 1 seien nicht erfüllt. Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V könnten die Versicherten nur unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten frei wählen. Andere Ärzte dürften nur in Notfällen in Anspruch genommen werden (§ 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Der Kläger habe sich jedoch in die Behandlung von Dr. M. begeben, ohne dass ein Notfall vorgelegen habe. Es sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die erste Inanspruchnahme von Dr. M. in einer Situation erfolgt sei, in welcher ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort habe befriedigt werden müssen und ein fachlich zuständiger Vertragsarzt nicht in der gebotenen Eile habe herbeigerufen oder aufgesucht werden können. Hinsichtlich der späteren Konsultation könne von einer derart dringenden Eilbedürftigkeit ohnehin nicht ausgegangen werden. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Kostenerstattung ergebe sich aber auch nicht aus dem Gesichtspunkt eines Systemversagens. Zwar mache der Kläger geltend, Dr. M. erst in Anspruch genommen zu haben, nachdem alle zuvor aufgesuchten Vertragsärzte nicht in der Lage gewesen seien, auch nur die wahren Ursachen seiner Beschwerden zu ermitteln. Abgesehen davon, dass der Kläger in einer solchen Situation gehalten gewesen wäre, sich an die Beklagte zu wenden, bevor er Dr. M. in Anspruch nahm, verkenne er dabei, dass die subjektiv empfundene Erfolgslosigkeit der Bemühungen der Vertragsärzte nicht gleichzusetzen sei mit objektivem Systemversagen. Da auch Dr. M. beim Kläger keine in der medizinischen Wissenschaft noch nicht oder nur ganz wenigen Spezialisten bekannte Erkrankung diagnostiziert habe, stehe es für die Kammer außer Frage, dass seine Beschwerden mit den in der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung stehenden Mitteln erkenn- und behandelbar gewesen seien. Selbst bei analoger Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Beschluss vom 06. Dezember 2005 (Az. 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25) aufgestellten Grundsätze könne der Klage nicht zum Erfolg verholfen werden. Denn eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung habe beim Kläger nicht vorgelegen.
Gegen dieses ihm am 15. Juni 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08. Juli 2010 Berufung eingelegt. Es sei in seinem Falle sowohl von einem Notfall als auch einem Systemversagen im Sinne von § 13 Abs. 3 Alternative 1 SGB V auszugehen. Das Vorliegen eines Systemversagens ergebe sich nicht zuletzt aus dem Umstand, dass er (der Kläger) seit geraumer Zeit versuche, mit den ihm von der Beklagten benannten Ärzten eine zielgerichtete Fortbehandlung seiner Beschwerden zu erreichen. Die ihm angeratenen Ärzte hätten sich jedoch entweder außerstande gesehen, ihn überhaupt zu behandeln, hätten ihm eine Behandlung durch den zuvor konsultierten Dr. M. angeraten oder hätten sich auf die Empfehlung der Einnahme von Psychopharmaka beschränkt. Ungeachtet des Systemversagens seien seine Beschwerden zu dem Zeitpunkt, als er sich zur Behandlung bei Dr. M. begeben habe, sowohl physisch als auch psychisch derart massiv gewesen, dass bereits Suizidgedanken bestanden hätten. Daher ergebe sich ein Anspruch auf Kostenerstattung jedenfalls aufgrund einer gebotenen grundrechtsorientierten Auslegung (unter Verweis auf das BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005, aaO; BSG, Urteil vom 07. November 2006 - B 1 KR 24/06 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 12).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 23. Februar 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 12. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. April 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 5.925,94 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Ein Systemversagen habe ersichtlich nicht vorgelegen. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass auch im Falle einer Notfallbehandlung ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers nicht in Betracht komme. Nähmen Versicherte Privatärzte unmittelbar in Anspruch, weil sie auf akute Behandlung angewiesen seien und ein zugelassener Leistungserbringer zumutbar nicht erreichbar sei, seien diese Ärzte auf die Abrechnung aus der Gesamtvergütung zu verweisen. Auch in einem solchen Fall sei eine Kostenerstattung des Versicherten ausgeschlossen, da der Leistungserbringer seine Vergütung nicht vom Versicherten, sondern nur von der Kassenärztlichen Vereinigung verlangen könne. Die Notfallbehandlung erfolge dann nämlich als Naturalleistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (unter Verweis auf BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 24/05 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 9). Auch wenn Versicherte erst im Nachhinein behaupteten, es habe sich um eine Notfallbehandlung gehandelt, seien ihnen keine erstattungsfähigen Kosten entstanden (unter Verweis auf BSG, Beschluss vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 114/06 B - in juris). Abschließend werde vorsorglich die Einrede der Verjährung erhoben.
Mit Schreiben vom 04. Oktober 2010 sowie vom 01. September 2011 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte und die Gerichtsakten in beiden Instanzenzügen Bezug genommen.
II.
Da der Senat die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält, entscheidet er gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zur beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) zu Recht abgewiesen. Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 12. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. April 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen in Höhe eines Gesamtbetrages von EUR 5.925,94 für ambulante Behandlungen im Zeitraum vom 27. Juni 2000 bis zum 19. Juni 2007 durch Dr. M ...
1. Der Kläger hat nicht nach § 13 Abs. 2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt. Als Anspruchsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch kommt damit nur § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen indes nicht vor.
2. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind einem Versicherten von der Krankenkasse Kosten für eine selbst beschaffte Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig war.
a) Es fehlt hier an der Voraussetzung, dass dem Kläger dadurch Kosten entstanden sind, dass die Beklagte die Leistung abgelehnt hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V).
Ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch scheidet nach ständiger Rechtsprechung aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne die Krankenkasse einzuschalten und deren Entscheidung abzuwarten. § 13 Abs. 3 SGB V soll einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall gewähren, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen. Daran fehlt es, wenn die Kasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteil vom 15. April 1997 - 1 BK 31/96 - SozR 3-2500 § 13 Nr. 15; Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 5/05 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 8; Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 12). Dieses Verfahren ist entgegen früherer Andeutung (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 1993 - 1 RK 37/92 - SozR 3-2500 § 34 Nr. 2) auch zu fordern in Fällen, in denen von vornherein feststand, dass eine durch Gesetz oder Verordnung von der Versorgung ausgeschlossene Sachleistung verweigert werden würde und sich der Versicherte dadurch gezwungen gesehen hat, die Leistung selbst zu beschaffen (vgl. eingehend BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 12). Nur bei einer Vorabprüfung können die Krankenkassen ihre - Gesundheitsgefahren und wirtschaftlichen Risiken vorbeugenden - Beratungsaufgaben erfüllen, die Versicherten vor dem Risiko der Beschaffung nicht zum Leistungskatalog gehörender Leistungen zu schützen und ggf. aufzeigen, welche Leistungen an Stelle der begehrten in Betracht kommen. Dem kann nicht der Einwand der "Förmelei" entgegengehalten werden, weil der Wortlaut des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V unmissverständlich einen Ursachenzusammenhang zwischen rechtswidriger Ablehnung und Kostenlast verlangt (vgl. BSG, Urteile vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R - aaO und 02. November 2007 - B 1 KR 14/07 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 15)
Der Kläger hat seinen Antrag auf Kostenerstattung, eine Behandlung durch Dr. M. im Zeitraum vom 27. Juni 2000 bis zum 19. Juni 2007 betreffend, erst im November 2007 gestellt. In seinem Antragsschriftsatz hat er überdies angegeben, dass diese Behandlung schon im Wesentlichen abgeschlossen sei. Die von ihm geltend gemachte Kostenerstattung betrifft damit einen Zeitraum, der bereits bei Antragstellung vollständig in der Vergangenheit lag. In der gesamten Zeit seiner Behandlung hatte er keinerlei Kontakt mit der Beklagten aufgenommen, um sie über die durch Dr. M. durchgeführte Behandlung zu unterrichten. Dadurch hat er der Beklagten die Möglichkeit genommen, die Notwendigkeit und Übernahmefähigkeit der Behandlung durch Dr. M. sowie die von diesem gestellte Diagnose zu überprüfen und ggfs. andere Behandlungsmethoden vorzuschlagen. Der Kläger hat sich folglich eine Leistung besorgt, ohne die Krankenkasse einzuschalten und deren Entscheidung abzuwarten
b) Die Behandlungen durch Dr. M. im Zeitraum vom 27. Juni 2000 bis zum 19. Juni 2007 waren auch nicht unaufschiebbar im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V.
Eine Leistung ist unaufschiebbar, wenn eine Leistungserbringung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bis zu einer Entscheidung der Krankenkasse mehr besteht. Die medizinische Dringlichkeit ist indessen nicht allein ausschlaggebend. Denn neben der Unaufschiebbarkeit wird vorausgesetzt, dass die Krankenkasse die in Rede stehenden Leistungen nicht rechtzeitig erbringen konnte. Davon kann im Regelfall nur ausgegangen werden, wenn sie mit dem Leistungsbegehren konfrontiert war und sich dabei ihr Unvermögen herausgestellt hat. Nur da, wo eine vorherige Einschaltung der Krankenkasse vom Versicherten nach den Umständen des Falles nicht verlangt werden konnte, darf die Unfähigkeit zur rechtzeitigen Leistungserbringung unterstellt werden (BSG, Urteil vom 25. September 2000 - B 1 KR 5/99 R - SozR 3-2500 § 13 Nr. 22; Urteil vom 02. November 2007 - B 1 KR 14/07 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 15). Nur bei einer Vorabprüfung können die Krankenkassen ihre Gesundheitsgefahren und wirtschaftlichen Risiken vorbeugenden Beratungsaufgaben erfüllen, die Versicherten vor dem Risiko der Beschaffung nicht zum Leistungskatalog gehörender Leistungen zu schützen und ggf. aufzeigen, welche Leistungen an Stelle der begehrten in Betracht kommen
Die Behandlung bei Dr. M. musste nicht derart kurzfristig erbracht werden. Dies ergibt sich anhand sämtlicher vom SG eingeholter sachverständiger Zeugenauskünfte einschließlich derjenigen des Dr. M ... Dr. L. hat in seiner Auskunft vom 15. Januar 2009 angegeben, der Kläger habe im August 2000 (also erst kurz nach Antritt der Behandlung bei Dr. M.) über innere Unruhe, Wahrnehmungsstörungen, Schwindel, Nacken- und Hinterkopfschmerzen sowie Hirnleistungsstörungen in Form von Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit geklagt. Identische Klagen sind auch der Auskunft des Prof. Dr. He. vom 21. Januar 2009 über eine Behandlung des Klägers dort im März und April 2000 zu entnehmen. Dieser Auskunft zufolge fingen die Beschwerden des Klägers zudem zu Beginn des Jahres 2000 an. Der Auskunft von Dr. B.-La. vom 20. Januar 2009 zufolge hatte der Kläger im Januar und Mai 2000 ihr gegenüber von ungerichtetem Schwindel bzw. Abschlaffungsphasen, einer vegetativen Dysregulation entsprechend, und im August 2000 von Kribbelparästhesien berichtet. Schon dies ergibt das Gesamtbild einer insgesamt ernst zu nehmenden, nicht jedoch keinerlei zeitlichen Aufschub duldenden Erkrankung des Klägers. Die bestehenden Symptome erlaubten durchaus eine gewisse zeitliche Verzögerung in der Aufnahme der Behandlung insbesondere vor dem Hintergrund keinerlei auffälliger Labor- oder sonstiger Testbefunde. Überdies handelte es sich - nach den Angaben sowohl von Dr. M. in seiner Auskunft vom 12. November 2009 als auch des Klägers selbst - durchweg um Erkrankungen, die im Rahmen eines länger andauernden Behandlungsplans zu behandeln waren. Der Kläger hat insoweit angegeben, dass der Genesungsprozess bei Dr. M. kleinschrittig und über eine Dauer von insgesamt sieben Jahren, nicht also im Sinne einer Sofortbehandlung erfolgt sei. Die Behandlung bei Dr. M. zielte damit nicht auf die Linderung akuter, erheblicher Beschwerden, sondern war langfristig angelegt. Einen Teil der Erkrankungen hat Dr. M. sogar erst im Verlaufe seiner Behandlung diagnostiziert. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass die Behandlung im Juni 2000, als der Kläger erstmals Dr. M. in Anspruch nahm, unaufschiebbar sofort einsetzen musste. Anderes gilt auch nicht vor dem Hintergrund, dass der Kläger vorgetragen hat, er habe damals bereits Suizidgedanken gehegt. Dabei hält der Senat - obwohl die Beschwerden des Klägers nach seinen eigenen Angaben erst im Januar 2000 (frühestens aber, der Auskunft des Dr. M. zufolge: im November 1999) begonnen hatten und er damit zum Zeitpunkt seines Erstbesuchs bei Dr. M. gerade mal (etwas mehr als) ein halbes Jahr in ärztlicher Behandlung stand - nicht für ausgeschlossen, dass sich beim Kläger eine gewisse Verzweiflung eingestellt hatte. Jedoch hat keiner der damals behandelnde Ärzte und insbesondere auch Dr. M. eine ernstzunehmende akute Suizidgefahr, die ggf. sogar zu einer Einweisung des Klägers hätte führen müssen, festzustellen vermocht. Dr. M. hat vielmehr in seiner Auskunft vom 12. November 2009 - gerade gegenteilig - ausgeführt, der Kläger sei jederzeit handlungs- und zurechnungsfähig gewesen und habe sich trotz mitunter erheblicher Beschwerden durch seine Distanz zum Krankheitsgeschehen ausgezeichnet. Dies lässt auf eine keinen Aufschub duldende Suizidalität des Klägers im Sommer 2000 nicht schließen.
Hinzu kommt, dass der Kläger die Beklagte nicht rechtzeitig mit der privatärztlichen Behandlung durch Dr. M. befasst hat.
c) Ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V scheitert außerdem an einem weiteren Umstand:
Nach ständiger Rechtsprechung reicht der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 12; Urteil vom 07. November 2006 - B 1 KR 24/06 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 12). Zu diesen Voraussetzungen gehört auch § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach können Versicherte, soweit sie sich ambulant durch Ärzte behandeln lassen, - nur - unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten wählen. Zu dieser Gruppe gehörte Dr. M. nach den übereinstimmenden Angaben von Beklagter, Kläger und Dr. M. selbst nicht.
Andere als die zugelassenen Ärzte dürfen Versicherte nur im Notfall in Anspruch nehmen (§ 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Ausnahmsweise kann überdies auch der Fall einer Systemstörung zur Übernahmefähigkeit von Kosten aufgrund einer Behandlung durch einen nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt führen. Die Erfüllung eines Sachleistungsanspruchs setzt voraus, dass für eine in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung fallende Behandlung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte nicht oder nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Beide Ausnahmekonstellationen waren nicht gegeben.
Ein Notfall liegt nur dann vor, wenn ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden muss und ein fachlich zuständiger Vertragsarzt nicht in der gebotenen Eile herbeigerufen oder aufgesucht werden kann (vgl. BSG, Urteile vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 24/05 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 9 und 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R - = SozR 4-2500 § 13 Nr. 12). Behandlungsbedürftigkeit mit der Erforderlichkeit baldiger Entscheidung bedingt noch keine Behandlungsdringlichkeit in diesem Sinne. Eine derart dringende Eilbedürftigkeit lag beim Kläger zu keiner Zeit vor. Auch insoweit ist relevant, dass die Behandlung bei Dr. M. nicht auf die Linderung akuter, erheblicher Beschwerden zielte, sondern langfristig angelegt war, und dass zudem nach Einschätzung des Dr. M. der Kläger jederzeit handlungs- und zurechnungsfähig war sowie sich trotz mitunter erheblicher Beschwerden durch seine Distanz zum Krankheitsgeschehen ausgezeichnet hat (vgl. dazu ausführlich unter b).
Im Übrigen hätte Dr. M., wenn ein Notfall vorgelegen hätte, unmittelbar mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung abrechnen müssen und dem Kläger selbst keine Rechnungen über durchgeführte Notfallbehandlungen stellen dürfen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 9/05 R - mwN; Beschluss vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 114/06 B -; beide veröffentlicht in Juris). Außerdem wäre bei Vorliegen eines Notfalls allein die Notfallbehandlung als solche - also bis zur umgehenden Verlegung des Patienten zu einem zugelassenen Leistungserbringer - zulässig gewesen (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juli 2008 - B 1 KR 5/08 R - SozR 4-2500 § 109 Nr. 6).
Auch eine Systemstörung in dem Sinne, dass keine oder keine hinreichende Anzahl von Ärzten zur Verfügung stand, die zur Behandlung der beim Kläger diagnostizierten Erkrankungen in der Lage gewesen wären, lag nicht vor. Die Beklagte hat dem Kläger allein fünf unmittelbar in seinem Einzugsbereich wohnende Ärzte genannt, die als Umweltmediziner zur Behandlung insbesondere von Quecksilbervergiftungen in Frage gekommen wären. Die Behauptung des Klägers, dass eine dort begonnene Behandlung erfolglos gewesen wäre, ist hypothetisch, weil der Kläger im hier streitigen Zeitraum diese Ärzte nicht einmal aufgesucht hat. Dass sich im Nachgang zu einer zwischenzeitlich erfolgten siebenjährigen Behandlung bei Dr. M. die Möglichkeiten einer Neu- oder Weiterbehandlung durch die - vom Kläger nunmehr nach eigenem Bekunden aufgesuchten - von der Beklagten genannten Ärzte möglicherweise schwierig gestaltet, begründet keine Anhaltspunkte für eine Systemstörung im hier streitigen Zeitraum. Der Senat hatte daher insoweit keinerlei Anhaltspunkte zur Durchführung weiterer Ermittlungen.
d) Der Kläger kann sich schließlich auch nicht auf die Rechtsprechung des BVerfG zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung berufen (Beschluss vom 06. Dezember 2005, BVerfGE 115,25). Das BSG hat die verfassungsgerichtlichen Vorgaben der Rechtsprechung des BVerfG näher konkretisiert (z.B. BSG, Urteile vom 04. April 2006 - B 1 KR 12/05 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 8, 07. November 2006 - B 1 KR 24/06 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 12 und 14. Dezember 2006 - B 1 KR 12/06 R - SozR 4-2500 § 31 Nr. 8). Gerechtfertigt ist hiernach eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird. Ähnliches kann für den gleichzustellenden nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten. Eine solche Situation bestand beim Kläger nicht. Dabei lässt der Senat dahingestellt, ob eine Suizidgefahr infolge einer Erkrankung überhaupt die vom BVerfG aufgezeigten Maßstäbe erfüllen kann. Denn wie ausgeführt, waren hinreichende Anhaltspunkte einer konkreten Suizidalität des Klägers aus keiner der vom SG eingeholten Arztauskünfte ersichtlich.
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG lagen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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