Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 2370/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 3637/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 7. Juli 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch für das Berufungsverfahren.
Tatbestand:
Im Streit steht ein Anspruch der Klägerin auf Witwenrente nach dem am 13. September 2008 verstorbenen Versicherten H ...H.
Die 1956 geborene Klägerin ist die zweite Ehefrau und Witwe des am 18. Dezember 1947 geborenen und am 13. September 2008 verstorbenen Versicherten H. H ... Die Eheleute hatten am 10. April 2008 die Ehe geschlossen. Die erste Ehefrau des Versicherten war im Juni 2002 an einem Krebsleiden verstorben; ab Ende Dezember 2003 lebten die Klägerin und der Versicherte zusammen in dessen Haus.
Beim Versicherten hatte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Juli 2001 ein Pleuramesotheliom als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anerkannt und als Folge der BK ein "nach Bauchspiegelung gesichertes Mesotheliom des Bauchfelles". Nicht als Folge der BK wurde anerkannt eine chronische Entzündung des Dickdarms. Verletztengeld wurde dem Versicherten ab 27. März 2001 bis zum Ablauf der 78. Woche bewilligt. Mit Bescheid vom 24. Oktober 2002 bewilligte die Beklagte ab 11. September 2002 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v.H.
Im Januar 2002 wurde der Versicherte von dem Arzt für Allgemein- und Sozialmedizin Dr. F., Beratender Arzt der Beklagten, zu Hause besucht. Im damaligen Zeitpunkt fühlte sich dieser nach eigenen Angaben einigermaßen wohl. Er würde gerne an dem von der Beklagten angebotenen stationären Rehabilitationsverfahren in Begleitung seiner Ehefrau teilnehmen.
Im Juni 2002 teilte der Versicherte der Beklagten mit, seine Ehefrau sei verstorben, er werde das für Mitte August geplante Heilverfahren - wenn nunmehr auch alleine - aber antreten. Im Reha-Entlassungsbericht vom 12. September 2002 der Berufsgenossenschaftlichen Klinik für Berufskrankheiten F./V. ist ausgeführt, der Kläger habe über schubweise Schmerzen von der rechten Flanke ausstrahlend sowie über Atembeschwerden geklagt, die auch schmerzverstärkend wirken würden. Das Heilverfahren sei aber komplikationslos verlaufen, die Blutwerte hätten im Normbereich gelegen. Weitgehend unveränderte Beschwerden schilderte der Versicherte gegenüber Dr. F. am 14. Februar 2003. Vom 10. Juni bis 8. Juli 2003 befand sich der Versicherte erneut in einem stationären Heilverfahren. Die Beschwerden wurden wie 2002 geschildert, das Heilverfahren gut vertragen und eine guter Allgemeinerholungseffekt erzielt.
Bei einem weiteren Außendienstbesuch am 18. März 2004 schilderte der Versicherte, es gehe ihm zur Zeit vergleichsweise gut seitens des Darms. Hinsichtlich des Mesothelioms sei kein Fortschreiten festzustellen, er leide aber immer wieder unter heftigen Schmerzen im thorakalen Rückenbereich. Das Heilverfahren habe ihm sehr gut getan, er würde es gerne wiederholen.
Die Beklagte zog Unterlagen beim behandelnden Arzt Dr. M. bei (u.a. Gutachten und Arztbriefe aus den Akten des Rentenversicherungsträgers aus Anlass des dort geführten Verfahrens um die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente).
Vom 10. August bis 7. September 2004 befand sich der Versicherte, zusammen mit der Klägerin, als Begleitperson und Lebensgefährtin bezeichnet, im dritten Heilverfahren. Die Beschwerden schilderte er nur bei stärkeren körperlichen Belastungen als ziehend im Bereich der rechten Thoraxseite. Das Heilverfahren führte (so der Entlassungsbericht vom 16. September 2004) zu einer guten Allgemeinerholung, die körperliche Belastbarkeit habe etwas gesteigert werden können. Im Oktober 2004 bestätigte der Versicherte gegenüber Dr. F. den sehr guten Erholungseffekt der Rehamaßnahme sowie Schmerzfreiheit, gute Leistungsfähigkeit und sehr gute Allgemeinerholung.
In einem weiteren stationären Rehabilitationsverfahren befand sich der Versicherte in Begleitung der Klägerin vom 15. August bis 12. September 2005. Der Versicherte schilderte erneut belastungsabhängige Schmerzen. Der Heilungseffekt wurde im Entlassungsbericht vom 26. September 2005 als gut beschrieben, die Beschwerden seien gelindert worden, die Sporttherapie habe zu einer Steigerung der Belastbarkeit geführt.
Auf Anfrage des Klägers, ob auch im Jahr 2006 ein stationäres Heilverfahren erfolgen könne, übersandte der behandelnde Arzt Dr. M. zahlreiche Arztbriefe, u.a. den des behandelnden Onkologen Dr. K. vom 1. Juni 2005 und 4. Oktober 2005, der mitteilte, es bestehe kein Anhalt für ein Krankheitsrezidiv. Es bestehe klinisch eine anhaltende Vollremission des Mesothelioms. Im Arztbrief vom Februar 2006 berichtete dieser von einem sehr günstigen Verlauf. Aus onkologischer Sicht bestehe keine Therapieintervention.
Vom 8. August bis 18. August 2006 befand sich der Versicherte in Begleitung der Klägerin erneut in einem stationären Heilverfahren. Dieses musste jedoch vorzeitig abgebrochen werden. Im Entlassungsbericht ist ausgeführt, der Versicherte leide seit April 2006 unter einer zunehmenden Schmerzsymptomatik und habe sich in reduziertem Allgemeinzustand präsentiert. Eine am 15. August 2006 durchgeführte Abdomensonographie habe reichlich Aszites im gesamten Abdomen gezeigt. Dieses müsse diagnostisch abgeklärt werden, da nicht festgestellt werden könne, ob es sich um Beschwerden infolge des Mesothelioms oder um einen akuten Schub des bekannten Morbus Crohn handle. In dem von Dr. K.-L. aus Anlass des Rehabilitationsverfahren erstellten Gutachten vom 30. November 2006 zu der von der Beklagten veranlassten Prüfung der Heilungsbewährung führte diese aus, dass aufgrund der im Heilverfahren beschriebenen Symptomatik nicht davon ausgegangen werden könne, dass das Mesotheliom sicher abgeheilt sei. Die MdE belaufe sich unverändert auf 100 v.H.; zur Linderung der Beschwerden sei ein stationäres Heilverfahren in einem Jahr angezeigt.
Im Entlassungsbericht des S.-B. Klinikums vom 12. September 2006, in dem sich der Versicherte zur diagnostischen Abklärung seiner Beschwerden vom 23. August bis 25. August 2006 befunden hatte, ist ausgeführt, dass sich der Kläger bei Aufnahme wohlgefühlt und nicht mehr über Schmerzen geklagt habe. Man habe nur zum Teil minimale Aszites um die Leber festgestellt und die Neuanpassung der Cortisontherapie wegen des Morbus Crohn empfohlen.
Auf Nachfrage der Beklagten im März 2007 teilte der Versicherte mit, man habe im Februar 2007 einen Tumor in der Größe 4,5 x 1 cm festgestellt, eine besondere Therapie werde nicht durchgeführt. Eine Nachfrage im Mai 2007 bei der Klägerin ergab, dass sich der Gesundheitszustand wieder stabilisiert habe. Dies bestätigte der Versicherte telefonisch auch auf Nachfrage der Beklagten am 14. August 2007. Er habe zwar thorakale Schmerzen, sei aber medikamentös gut eingestellt. Im Frühjahr würde er gerne wieder ein stationäres Heilverfahren durchführen.
Im Januar 2008 teilte der Versicherte der Beklagten mit, man habe im CT wieder Verschattungen entdeckt. Bevor er sich zu einem Heilverfahren entscheide, wolle er die weiteren Untersuchungen abwarten. Im Februar berichtete er über eine starke Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit und lehnte ein Heilverfahren deshalb ab.
Im April 2008 teilte die Klägerin der Beklagten die Heirat mit dem Versicherten mit. Ihm sei eine Chemotherapie empfohlen worden. Man wolle aber noch die Zweitmeinung in einem Tumorzentrum einholen. Anfang Mai 2008 berichtete die Klägerin, ihrem Mann sei es in den letzten Wochen sehr schlecht gegangen, er habe körperlich stark nachgelassen und befinde sich nunmehr in der Tumorklinik Freiburg. Dort sei eine Entzündung der Pleura festgestellt und mit Infusionen behandelt worden. Seitdem gehe es ihrem Mann zunehmend besser. Es sei eine Medikamententherapie vorgesehen, die drei Monate dauern werde. Danach werde man gerne das Angebot eines stationären Rehaverfahrens annehmen.
Die Beklagte zog die Berichte über die stationären Behandlungen des Versicherten in der Klinik für Tumorbiologie F. vom 21. Mai und 21. Juni 2008 bei. Danach sei der Versicherte ab Mai 2008 in die sog. Phosphood-Studie aufgenommen. Seitdem habe sich sein Allgemeinzustand deutlich verbessert. Die Erkrankungssituation habe sich im Juni 2008 stabil gezeigt, die Behandlung sei angepasst und ein Wiederaufnahmetermin zur Kontrolle in 6 Wochen vereinbart worden.
Im August 2011 teilte der Versicherte auf Nachfrage der Beklagten mit, ihm gehe es schlecht, er komme aber mit Hilfe seiner Ehefrau zurecht. Am 20. August 2008 finde eine Vorbesprechung wegen einer angedachten Operation statt.
Am 15. September 2008 teilte die Klägerin der Beklagten mit, ihr Mann sei am Samstag, 13. September 2008, in der Klinik verstorben. Ein OP-Versuch sei unternommen worden, jedoch der Körper wegen Inoperabilität des Pleuratumors gleich wieder verschlossen worden.
In dem von der Beklagten eingeleiteten Verfahren um die Gewährung einer Witwenrente ließ die Klägerin über ihren Bevollmächtigten erklären, dass sich die Eheleute über gemeinsame Freunde schon seit 1998 gekannt hätten, eine Partnerschaft seit 2003 bestanden habe. Heiratsabsichten hätten seit einem gemeinsamen Urlaub am Gardasee 2006 bestanden und als mögliche Hochzeitsdaten seien der 50. Geburtstag der Klägerin (2006) oder der 60. Geburtstag des Versicherten (2007) ins Auge gefasst worden. Im Februar 2008 habe man dann das Aufgebot bestellt.
Mit Bescheid vom 28. November 2008 lehnte die Deutsche Rentenversicherung die Gewährung einer Witwenrente gegenüber der Klägerin ab. Die objektiven Umstände sprächen für das Vorliegen einer Versorgungsehe, so dass bei einer Ehedauer von weniger als einem Jahr keine Witwenrente zu gewähren sei. Den Eheleuten sei seit einiger Zeit die lebensbedrohliche Entwicklung der Krankheit bekannt gewesen, dennoch habe man sich zu einer Legalisierung der Beziehung erst am 10. April 2008 entschlossen. Daher sei naheliegend, dass die Versorgung ein wesentlicher Grund für die Eheschließung gewesen sei.
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2008 lehnte auch die Beklagte die Gewährung einer Witwenrente ab, da sie die gesetzliche "Beweisvermutung" einer Witwenrente nicht als widerlegt ansehe. Man habe erst zu einem Zeitpunkt geheiratet, in dem sich der Gesundheitszustand des Versicherten massiv verschlechtert habe. Dafür spreche auch der Umstand, dass Heiratsabsichten bereits seit 2006 bestanden hätten.
Dagegen erhob die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Widerspruch und brachte vor, man habe aus Liebe geheiratet und habe damit den Beschluss besiegeln wollen, die Krankheit gemeinsam durchzustehen. Denn man sei sich sicher gewesen, dass Heilungsaussicht bestehe. Dies habe sich durch die Untersuchungen in der Klinik für Tumorbiologie in Freiburg ergeben. Denn der Versicherte sei ja gerade im Mai 2008 in eine Studie aufgenommen worden, die seinen Allgemeinzustand deutlich verbessert habe. Man habe eine operative Tumorreduktion als sinnvolle Therapiemethode angesehen. Die Klägerin sei im Übrigen durch ihre Vollzeiterwerbstätigkeit wirtschaftlich unabhängig, so dass auch dieser Gesichtspunkt gegen die Annahme einer Versorgungsehe spreche.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2009 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Angesichts der Schwere der Erkrankung des Versicherten bedürfte es keiner besonderen medizinischen Kenntnisse um zu erkennen, dass eine langfristige Überlebenswahrscheinlichkeit gering sei. Die in der Klinik für Tumorbiologie F. ergriffenen Maßnahmen hätten allein der Besserung der Lebensqualität, nicht aber der Heilung gedient. Dass der Versicherte nach der Diagnose im Jahr 2001 überhaupt 7 Jahre überlebt habe, sei unüblich und ein Einzelfall. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Eheleute nach der Verschlimmerung des Leidens Ende 2007 mit einem baldigen Ableben rechnen mussten. Die eigene Erwerbstätigkeit spreche nicht gegen eine Versorgungsehe, da zu den eigenen Einkünften Einnahmen aus einer Witwenrente durchaus attraktiv gewesen wären. Die gegen eine Versorgungsehe aufgeführten Gesichtspunkte überzeugten nicht.
Dagegen hat die Klägerin am 21. Juli 2009 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Ergänzend zum Vorbringen im Widerspruchsverfahren führt die Klägerin aus, sie sei wirtschaftlich unabhängig und habe auch zugunsten der Kinder des Versicherten auf einen Teil der ihr zustehenden Erbansprüche verzichtet. Hätte die Ehe nur der Versorgung der Klägerin gegolten, dann wäre zu erwarten gewesen, dass diese schon viel früher geschlossen worden wäre, da beiden die Krankheit des Versicherten bekannt gewesen sei.
Das SG hat den behandelnden Arzt des Verstorbenen Dr. M. als sachverständigen Zeugen schriftlich befragt. In seiner Stellungnahme vom 5. Januar 2010 hat er ausgeführt, im Zeitpunkt der Eheschließung sei nicht zu erwarten gewesen, dass der Versicherte so bald sterben werde. Prof. Dr. U., Klinik für Tumorbiologie der Universität F., hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 26. April 2010 ausgeführt, das Ableben des Versicherten in absehbarer Zeit nach der Eheschließung sei nicht zu erwarten gewesen. Für das im Januar 2008 infolge einer Routinekontrolle festgestellte Tumorwachstum habe eine Behandlungsmöglichkeit bestanden. Die peritonealen Mesotheliome seien dafür bekannt, dass sie in aller Regel langsam wachsen würden und über viele Jahre überhaupt nicht behandlungsbedürftig seien. Dies gelte insbesondere bei einem hochdifferenzierten Mesotheliom wie beim Versicherten. Allerdings könne ein Tumor nach einer bestimmten Zeit eine Malignisierung erfahren, was den beim Versicherten geplanten operativen Eingriff bedingt habe.
Die Beklagte hat die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. T. vom 11. Juli 2010 vorgelegt. Danach habe sich der Gesundheitszustand des Versicherten seit Anfang 2006 kontinuierlich verschlechtert. Schon im Herbst 2007 sei eine Tumorprogression festgestellt worden. Die Operationsindikation sei deutlich zu spät gestellt worden, man hätte schon im Jahr 2001 multimodal behandeln müssen. Dazu nahm Prof. Dr. U. unter dem 27. September 2010 nochmals Stellung. Bereits im Jahr 2001 sei die Erkrankung nicht mehr heilbar gewesen, Ende 2007 seien tumorbedingte Probleme aufgetreten, der Tumor habe damals eine große Dimension besessen und bereits die Darmwände infiltriert. Die beabsichtigte Operation habe nicht der Heilung, sondern im besten Fall der Lebensverlängerung gedient.
Das SG hat im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 11. November 2010 die Klägerin ausführlich angehört. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 2011 hat das SG weiter die Söhne des verstorbenen Versicherten als Zeugen vernommen. Auf die jeweiligen Niederschriften wird inhaltlich Bezug genommen.
Mit Urteil vom 7. Juli 2011 hat das SG die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Witwenrente zu gewähren. Eine Versorgungsehe liege nicht vor. Dagegen sprächen bereits die Einlassungen der den Versicherten behandelnden Ärzte, die nicht von einem raschen Ableben des Versicherten im Zeitpunkt der Eheschließung ausgegangen seien, auch wenn diese Prognose sich im Nachhinein als unzutreffend herausgestellt hätte. Dies hätten aber weder die Klägerin noch der Verstorbene erkennen können. Auch die Zeugenaussagen der Söhne des Verstorbenen bestätigten dies, denn auch sie hatten nicht mit dem Versterben ihres Vaters gerechnet. Die Klägerin und der Verstorbenen seien bereits 2003 zusammengezogen. Gegenüber seinen Söhnen habe der Verstorbene seine Heiratsabsicht mit Liebe begründet und sie auch ausdrücklich um ihre Zustimmung zur Eheschließung gebeten. In einer Gesamtabwägung sei die Vermutung einer Versorgungsehe daher als widerlegt anzusehen.
Gegen das der Beklagten am 3. August 2011 zugestellte Urteil hat sie am 25. August 2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, der Verstorbene habe seine Heiratsabsicht auch seinen Söhnen erst Mitte 2007 mitgeteilt, als sich sein Gesundheitszustand bereits verschlechtert habe. Allein das Bestehen einer Liebesbeziehung schließe die Annahme einer Versorgungsehe nicht aus, da eine Liebesbeziehung nicht zwangsläufig in eine Ehe münden müsse. Die Behauptung der Klägerin, die behandelnden Ärzte hätten angegeben, der Versicherte könne mit seinem Krebs 100 Jahre alt werden, widerspreche medizinischer Lehrmeinung und sei vom SG nicht hinreichend, auch vor dem Hintergrund der beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. T., überprüft worden. Im Übrigen habe auch Prof. Dr. U. die Operation nicht mit dem Ziel der Heilung angestrebt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 7. Juli 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung im Wesentlichen auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen im Urteil des SG. Ergänzend führt sie, dass es nicht auf die retrospektive Betrachtung durch die Ärzte, sondern auf den Kenntnis- und Wissensstand der Klägerin und des Versicherten ankomme. Wenn sich aber der behandelnde und der Facharzt darin einig seien, dass mit einem zeitnahen Ableben nicht zu rechnen gewesen sei, könne der Klägerin und dem Versicherten das Eingehen einer Versorgungsehe nicht vorgeworfen werden. Diese hätten den ärztlichen Aussagen vertraut.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist unbegründet. Das SG hat zu Recht festgestellt, dass zwischen der Klägerin und dem verstorbenen Versicherten keine Versorgungsehe bestanden hat.
Witwen oder Witwer erhalten nach § 65 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) eine Witwen- oder Witwerrente, solange sie nicht wieder geheiratet haben und der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Witwen und Witwer haben allerdings dann keinen Anspruch, wenn die Ehe erst nach dem Versicherungsfall geschlossen worden ist und der Tod innerhalb des ersten Jahres dieser Ehe eingetreten ist, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Einzelfalls die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen (§ 65 Abs. 6 SGB VII).
Die Klägerin hat seit dem Tod des Versicherten nicht wieder geheiratet. Zwischen den Beteiligten ist darüber hinaus nicht umstritten, dass der Versicherte infolge des Versicherungsfalls verstorben ist. Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten ist zwar erst nach dem Versicherungsfall (26. Februar 2001) geschlossen worden und noch vor Ablauf eines Jahres ab Eheschließung ist der Versicherte verstorben. Allerdings sieht der Senat in Übereinstimmung mit dem SG aufgrund der in § 65 Abs. 6 SGB VII aufgeführten "besonderen Umstände" die Annahme einer Versorgungsehe widerlegt.
Zur Parallelvorschrift im Rentenversicherungsrecht (§ 46 Abs. 2a Halbsatz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI]), die den Begriff der "besonderen Umstände des Falles" verwendet, aber wie die Formulierung in § 65 Abs. 6 SGB VII als unbestimmter Rechtsbegriff der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt, hat das Bundessozialgericht in einer grundlegenden Entscheidung (Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R = BSGE 103,99 = SozR 4-2600 § 46 Nr. 6 m.w.N.) Grundsätze zur Auslegung und Anwendung des es unbestimmten Rechtsbegriffs aufgestellt. Danach sind als "besondere Umstände des Falles" (so die Gesetzesformulierung in § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI) alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls zu prüfen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Die vom Gesetzgeber selbst intendierte Einzelfallprüfung lasse eine abschließende abstrakt-generelle (normgleiche) Einordnung einzelner denkbarer Ehemotive nicht zu. Vielmehr komme es nach dem Gesetz auf die - gegebenenfalls auch voneinander abweichenden - Beweggründe beider Ehegatten im konkreten Einzelfall an. Dabei seien die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände unter Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten (vgl. BSG vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 33/11 R) in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Falls zu bewerten.
In der Rechtsprechung der Landessozialgerichte sind nach dieser allgemeinen Maßgabe die für und gegen die Vermutung einer Versorgungsehe sprechenden Gesichtspunkte unterschiedlich bewertet worden.
Teilweise wird davon ausgegangen, dass eine länger dauernde nichteheliche Lebensgemeinschaft vor der Eheschließung als besonderer Umstand gegen die Versorgungsvermutung sprechen könne (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 7. März 2007 - L 8 R 207/06). Dem kann jedoch entgegen gehalten werden, dass einer langjährig bestehenden nichtehelichen Lebensgemeinschaft auch eine bewusste Entscheidung für diese Form des Zusammenlebens zugrunde gelegen haben kann und dass unter diesen Umständen dem Entschluss, diese Form des Zusammenlebens zu beenden und eine Ehe einzugehen, das Motiv der Erlangung einer Versorgung im Todesfall eines Partners zugrunde liegen kann (so Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 21. März 2007 - L 8 R 112/06; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Mai 2008 - L 21 R 39/05; Bayerisches LSG, Urteil vom 2. Februar 1972 - L 2 U 98/70, Breithaupt 1972, S. 742).
Angesichts des Umstands, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft im Zeitpunkt des Versterbens des Versicherten etwas mehr als 4 Jahre bestanden hatte, kommt diesem Umstand nach Auffassung des Senats bei der Prüfung, ob eine Versorgungsehe widerlegt werden kann, im vorliegenden keine maßgebliche Bedeutung bei, denn die Dauer der nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann als Argument für oder gegen die Vermutung einer Versorgungsehe herangezogen werden.
Entsprechendes gilt für die Höhe der zu erwartenden Witwenrente. Die Klägerin ist durch ihre Vollzeiterwerbstätigkeit wirtschaftlich abgesichert. Ihr Verdienst wird zudem in bestimmtem Umfang (auf die von der Beklagten erbetenen vorläufigen Berechnungen vom 2. Januar 2012 wird inhaltlich verwiesen) auf die Witwenrente angerechnet. Insoweit verbessert sich zwar durch die Witwenrente die wirtschaftliche Situation der Klägerin, aber nicht in einem Maß, das eine Versorgungsehe hinreichend wahrscheinlich macht. Auch das vom Versicherten (erst) nach der Heirat abgefasste Testament, das der Klägerin - im Wege des Vermächtnisses - jedenfalls ein Wohnrecht in der zuletzt gemeinsam bewohnten Wohnung einräumte, das Eigentum hinsichtlich seiner Immobilien aber den Söhnen übertrug, ist seinem Inhalt nach sicherlich auch abgefasst worden, um die Klägerin abzusichern, aber vor allem, um die Verteilung des Eigentums zwischen den Söhnen sicher zu stellen. Hätte der Versicherte die Klägerin umfassend absichern wollen, hätte ihm die Möglichkeit des sog. Berliner Testaments oblegen, das die Klägerin wirtschaftlich als Erbin (und nicht bloße Vermächtnisnehmerin) in eine deutlich bessere Position gesetzt hätte. Diesen Weg hat der Versicherte aber gerade nicht bestritten. Auch die Klägerin hat nicht, worauf sie vom Notar hingewiesen worden ist, die für sie wirtschaftlich günstigere Lösung gewählt, das Vermächtnis auszuschlagen und den Pflichtteil zu verlangen. Sie hat sich vielmehr mit dem Wohnrecht zufrieden gegeben.
Der Umstand, dass das Testament erst nach der Hochzeit abgefasst worden ist, spricht weder für noch gegen die Vermutung einer Versorgungsehe. Es ist vielmehr gerichtsbekannt, dass die testamentarische Regelung zwischen nicht verheirateten Partnern äußerst schwierig ist, insbesondere, wenn Kinder aus einer anderen Beziehung existieren. Insoweit erscheint es dem Senat durchaus nachvollziehbar, dass der Versicherte bis nach der Heirat abgewartet hat, um seine Angelegenheiten testamentarisch zu regeln, auch wenn er das Vermächtnis der Klägerin durchaus hätte zuwenden können, wenn sie nicht verheiratet gewesen wären.
Eine gewichtige Bedeutung im Rahmen der Gesamtbetrachtung der tatsächlichen Umstände ist in der Regel dem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Versicherten beizumessen (vgl. statt vieler: Landessozialgericht Berlin Brandenburg, Urteile vom 17. Juli 2008 - L 8 R 583/08-, vom 17. Mai 2006 - L 17 R 2024/05 - und vom 31. März 2007 - L 16 R 1487/06 -; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. März 2007 - L 8 R 112/06 -; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. November 2007 - L 5 R 133/07; vgl. auch Kamprad in: Hauck/Noftz, SGB VI, K § 46 Rz. 38; Butzer in: GK-SGB VI, § 46 Rz. 113). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass bei einer fehlenden Vorhersehbarkeit des baldigen Versterbens des Versicherten, sei es infolge eines plötzlichen Unglücks oder einer unerwarteten Krankheitsentwicklung, die Vermutung nicht gerechtfertigt ist, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat in der Versorgung des überlebenden Partners bestanden hat. Deshalb spricht jedenfalls das Vorliegen einer konkreten Heiratsabsicht bereits vor dem Auftreten einer lebensbedrohlichen Erkrankung gegen die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe.
Sofern der Versicherte an einer Krankheit gelitten hat, ist zu würdigen, ob diese Krankheit chronisch und ggf. lebensbedrohlich war und ob nach Art der Krankheit und den objektiven Umständen des Krankheitsverlaufs in einer erkennbaren Weise mit einem baldigen Ableben des Versicherten zu rechnen war. Die Heirat eines offenkundig an einer lebensbedrohlichen Krankheit erkrankten Versicherten kann in der Regel als ein die gesetzliche Vermutung bestätigender Umstand angesehen werden, weil in einer solchen Situation nach allgemeiner Lebenserfahrung Vieles dafür spricht, dass die Ehe aus Versorgungszwecken geschlossen wurde. Jedoch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Prognose der Nachweis nicht schlechterdings ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Februar 2007 - L 16 R 610/06 -; LSG Schleswig-Holstein vom 19. August 2008 - L 7 R 187/07).
Allerdings müssen dann bei einer Gesamtbewertung diejenigen Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten im Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom Hinterbliebenen zu beweisenden Umstände, die für die Widerlegung der Vermutung angeführt werden.
Der Senat ist aufgrund einer Würdigung der Gesamtumstände, insbesondere aufgrund des glaubwürdigen Vorbringens der Söhne des Versicherten vor dem SG, davon überzeugt, dass im Zeitpunkt der Aufgebotsbestellung und Eheschließung weder die Klägerin noch der Versicherte mit einem baldigen Ableben rechneten. Wie die Söhne des Versicherten vor dem SG schilderten, war die Krankheitsgeschichte des Versicherten seit der Entdeckung des Mesothelioms sehr schwankend; Zeiten akuter Beschwerden lösten sich mit Zeiten allgemeinen Wohlbefindens und einer Stabilisierung des Gesundheitszustands ab. Dies kann den Akten, insbesondere den Entlassungsberichten aus den Rehabilitationsmaßnahmen, ebenfalls entnommen werden. Dem entsprechend erscheint es dem Senat glaubhaft und nachvollziehbar, wenn auch die Klägerin vorträgt, dass sich zwar der Gesundheitszustand des Versicherten Ende Anfang 2008 verschlechtert hatte, dass man aber davon ausgegangen sei, dass es sich nur um eine vorübergehende Phase handelte. Dieser Auffassung war auch der Versicherte, der gegenüber den Mitarbeitern der Beklagten die Erwartung äußerte, alsbald - im Jahr 2008 - eine Rehabilitationsbehandlung antreten zu können, wenn die Ursachen der akuten Beschwerden behoben sind und sich der Allgemeinzustand wieder stabilisiert hat. In dieses Bild passt auch, dass die Beklagte selbst anlässlich der im Jahr 2006 durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme in die Prüfung einer Heilungsbewährung eingetreten war, was durchaus in Widerspruch zum Vorbringen im Klage- und Berufungsverfahren zu sehen ist, wonach der Kläger eigentlich schon seit 2001 mit seinem jederzeitigen Ableben hätte rechnen müssen. Wenn die Beklagte aufgrund der aktenkundigen ärztlichen Unterlagen und den regelmäßig mit dem Versicherten geführten Gesprächen davon ausgegangen ist, dass eine lebensbedrohliche Entwicklung nicht droht, so spricht nichts dafür, dass der Versicherte und die Klägerin von einem anderen Informations- und Wissensstand ausgehen mussten.
Berücksichtigt man zudem den Umstand, dass beim Kläger neben dem Mesotheliom auch eine entzündliche Darmerkrankung behandelt worden war (auch wenn im Nachhinein, wie Prof. Dr. U. vom Tumorzentrum F. zuletzt ausgeführt hat, gar nicht mehr mit Sicherheit gesagt werden kann, ob diese Diagnose wirklich gesichert ist oder die darauf zurückgeführten Beschwerden tatsächlich schon zu einem viel früheren Zeitpunkt auf dem Mesotheliom (und nur darauf) beruhten) und eine Vielzahl akuter Beschwerden weit überwiegend darauf zurückgeführt worden waren, erscheint es dem Senat naheliegend, dass der Kläger im Frühjahr 2008 nicht von einer lebensbedrohlichen Entwicklung des Mesothelioms ausgegangen war. Auch der Umstand, dass im Januar 2008 eine Verschattung festgestellt worden war, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Denn bereits im Frühjahr 2007 war ein Tumor entdeckt worden, ohne dass dieser dem Kläger besondere Beschwerden verursacht hätte oder einer besonderen Therapie unterzogen worden wäre.
Ob die ab Mai 2008 durchgeführte Therapie mit einem Nahrungsergänzungsmittel oder die im September 2008 durchgeführte Operation, in deren Folge der Versicherte verstarb, der Heilung oder der Lebensverlängerung diente, ist nicht entscheidend. Es kann angesichts der Erkrankung des Versicherten und auch der Aussagen der behandelnden Ärzte nicht ernsthaft davon ausgegangen worden sein, dass der Krebs tatsächlich zur Heilung gebracht werden könnte. Denn auch die Ärzte haben dem Versicherten nach den glaubwürdigen Angaben der Klägerin nur gesagt, dass er MIT dem Krebs alt werden könne, nicht ohne.
Da die Operation nach den ärztlichen Aussagen jedenfalls der Stabilisierung des Gesundheitszustands dienen sollte, wäre sie aus ärztlicher Sicht wohl kaum durchgeführt worden, wenn von vornherein festgestanden hätte, dass der Versicherte ohnehin nur noch wenige Zeit zu leben hat. Ebensowenig wäre zu erwarten gewesen, dass sich die Klägerin und der Versicherte auf diesen schweren Eingriff eingelassen hätten. Auch wenn sich im Nachhinein betrachtet der Eingriff angesichts der fortgeschrittenen Erkrankungen als sinnlos herausgestellt hat, haben auch die operierenden Ärzte dies erst nach der Körperöffnung festgestellt, nicht vorher.
Dass sowohl der Versicherte als auch die Klägerin nicht ohne Grund davon ausgehen konnten, der Versicherte habe noch länger zu leben, wird durch die Aussagen des Prof. Dr. U. Tumorbiologie F., bestätigt. Dieser hat für den Senat schlüssig ausgeführt, dass der Versicherte zwar an einem gefährlichen Krebs erkrankt war, dieser sich aber über längere Zeit latent ruhig verhalten hatte, der Krankheit jedoch eigen ist, dass irgendwann der Umschwung zur Malignität erfolgt. Wenn die Beklagte, gestützt auf den Beratungsarzt, dem entgegen hält, dass an einem Mesotheliom Erkrankte statistisch eine Lebenserwartung von nur 1-2 Jahren nach der Entdeckung der Erkrankung hätten und weder die eingeschlagene Behandlung noch die durchgeführte Operation eine Hoffnung auf Heilung begründet hätten, vermag dies eine abweichende Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Beim Versicherten war bereits 2001 im Rahmen einer Darmoperation als Zufallsbefund ein Mesotheliom entdeckt worden, das letztlich bis Mitte 2008 keinen besonderen Therapiebedarf nach sich gezogen hatte. Damit hatte der Versicherte nicht nur die statistische Überlebenszeit weit überschritten, sondern es wird auch deutlich, dass der Versicherte lange Jahre mit seinem Krebs gelebt hat - Schwankungen im Gesundheitszustand (hervorgerufen durch die entzündliche Darmerkrankung) eingerechnet. Wie bereits ausgeführt kommt es auf die Frage, ob äußere, objektive Umstände das Eingehen einer Versorgungsehe im April 2008 widerlegen, nicht darauf an, ob die geplanten Behandlungsmaßnahmen das Ziel der Heilung oder nur der Verbesserung des Wohlbefindens hatten. Denn in jedem Fall waren sie beabsichtigt, um die Lebenszeit des Versicherten zu verbessern.
Keine abweichende Beurteilung ist durch die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. T., vorgelegt vor dem SG, geboten. So hat er zwar zutreffend und in Übereinstimmung mit der aktuellen wissenschaftlichen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010 S. 1104 ff, insbesondere 1106; Triebig/Kentner/Schiele, Arbeitsmedizin, 2. Auflage 2008 S. 293 ff) ausgeführt, dass es sich bei einem asbeststaubinduzierten Mesotheliom des Bauchfells um eine prognostisch sehr ungünstige Krebserkrankung handelt mit einer durchschnittlichen Überlebenszeit nach Diagnosestellung von nur 8 Monaten bzw. bis zu einem Jahr. Daher hat er auch zu Recht angemerkt, dass die von den behandelnden Ärzten des Versicherten ihm und der Klägerin gegenüber gemachten Angaben zur Überlebenswahrscheinlichkeit ( ... kann bis zu 100 Jahre alt werden ...) nicht mit der statistischen Erfahrung in Einklang stehen. Allerdings berücksichtigt er bei seiner Stellungnahme nicht, dass bereits der Krankheitsverlauf (Entdeckung des Mesothelioms bereits 2001) keiner statistischen Erfahrung entspricht und daher im Fall des Klägers durchaus von einem abnormen Krankheitsverlauf ausgegangen werden konnte. Daher verfängt auch nicht die von Dr. T. geäußerte Kritik an der Behandlung des Versicherten im Jahr 2008 durch die Klinik für Tumorbiologie F. nicht, die nach Dafürhalten des Dr. T. nicht standardisierten Vorgaben entsprochen habe. Ob die im August vor dem Versterben des Versicherten durchgeführte Operation nach Sugarbaker tatsächlich (noch) indiziert war oder nicht (wie Dr. T. meint), kann der Senat offen lassen. Denn tatsächlich ist sie durchgeführt worden und dem Versicherten war von den behandelnden Spezialisten zumindest die Stabilisierung des Gesundheitszustands in Aussicht gestellt worden. Deshalb hatte sich der Versicherte auf diese schwerwiegende Operation auch einlassen können. Dass während der Operation das Stadium der Erkrankung offenbar abweichend von der präoperativen Diagnostik eingeschätzt worden und die Operation daher nicht zu Ende geführt worden war, kann aus diesem Grund ebenfalls auf sich beruhen. Denn maßgeblich ist für die Beurteilung des Senats, welche Motive wesentlich für die Eheschließung der Klägerin und des Versicherten waren, deren - subjektive - Sicht, soweit sie sich anhand objektiver Kriterien nachvollziehen lässt. Dies ist hier, wie ausgeführt, der Fall.
Der Umstand, dass die Klägerin und der Versicherte ihren Hochzeitstermin immer wieder verschoben habe, um nicht "in Konkurrenz" zu anderen bedeutenden Familienfesten zu stehen, ist nach Auffassung des Senats weder ein Argument für noch gegen eine Versorgungsehe, sondern anhand der von der Klägerin vorgelegten Aufstellung der Familienfeiern durchaus nachvollziehbar und als persönliche Lebensentscheidung zu akzeptieren. Jedenfalls aber hat der Versicherte gegenüber seinen Kindern bereits im Sommer 2007 seine Heiratsabsichten bekundet, als sein Gesundheitszustand, die Schwankungen und Entwicklungen seit 2001 berücksichtigt, nicht derart schlecht war, dass er mit seinem baldigen Ableben rechnen musste. Gestorben ist der Versicherte auch erst längere Zeit nach dieser Bekundung; ob er zu diesem Zeitpunkt auch gestorben wäre, wenn er die Operation nicht hätte durchführen lassen, ist Spekulation.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch für das Berufungsverfahren.
Tatbestand:
Im Streit steht ein Anspruch der Klägerin auf Witwenrente nach dem am 13. September 2008 verstorbenen Versicherten H ...H.
Die 1956 geborene Klägerin ist die zweite Ehefrau und Witwe des am 18. Dezember 1947 geborenen und am 13. September 2008 verstorbenen Versicherten H. H ... Die Eheleute hatten am 10. April 2008 die Ehe geschlossen. Die erste Ehefrau des Versicherten war im Juni 2002 an einem Krebsleiden verstorben; ab Ende Dezember 2003 lebten die Klägerin und der Versicherte zusammen in dessen Haus.
Beim Versicherten hatte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Juli 2001 ein Pleuramesotheliom als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anerkannt und als Folge der BK ein "nach Bauchspiegelung gesichertes Mesotheliom des Bauchfelles". Nicht als Folge der BK wurde anerkannt eine chronische Entzündung des Dickdarms. Verletztengeld wurde dem Versicherten ab 27. März 2001 bis zum Ablauf der 78. Woche bewilligt. Mit Bescheid vom 24. Oktober 2002 bewilligte die Beklagte ab 11. September 2002 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v.H.
Im Januar 2002 wurde der Versicherte von dem Arzt für Allgemein- und Sozialmedizin Dr. F., Beratender Arzt der Beklagten, zu Hause besucht. Im damaligen Zeitpunkt fühlte sich dieser nach eigenen Angaben einigermaßen wohl. Er würde gerne an dem von der Beklagten angebotenen stationären Rehabilitationsverfahren in Begleitung seiner Ehefrau teilnehmen.
Im Juni 2002 teilte der Versicherte der Beklagten mit, seine Ehefrau sei verstorben, er werde das für Mitte August geplante Heilverfahren - wenn nunmehr auch alleine - aber antreten. Im Reha-Entlassungsbericht vom 12. September 2002 der Berufsgenossenschaftlichen Klinik für Berufskrankheiten F./V. ist ausgeführt, der Kläger habe über schubweise Schmerzen von der rechten Flanke ausstrahlend sowie über Atembeschwerden geklagt, die auch schmerzverstärkend wirken würden. Das Heilverfahren sei aber komplikationslos verlaufen, die Blutwerte hätten im Normbereich gelegen. Weitgehend unveränderte Beschwerden schilderte der Versicherte gegenüber Dr. F. am 14. Februar 2003. Vom 10. Juni bis 8. Juli 2003 befand sich der Versicherte erneut in einem stationären Heilverfahren. Die Beschwerden wurden wie 2002 geschildert, das Heilverfahren gut vertragen und eine guter Allgemeinerholungseffekt erzielt.
Bei einem weiteren Außendienstbesuch am 18. März 2004 schilderte der Versicherte, es gehe ihm zur Zeit vergleichsweise gut seitens des Darms. Hinsichtlich des Mesothelioms sei kein Fortschreiten festzustellen, er leide aber immer wieder unter heftigen Schmerzen im thorakalen Rückenbereich. Das Heilverfahren habe ihm sehr gut getan, er würde es gerne wiederholen.
Die Beklagte zog Unterlagen beim behandelnden Arzt Dr. M. bei (u.a. Gutachten und Arztbriefe aus den Akten des Rentenversicherungsträgers aus Anlass des dort geführten Verfahrens um die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente).
Vom 10. August bis 7. September 2004 befand sich der Versicherte, zusammen mit der Klägerin, als Begleitperson und Lebensgefährtin bezeichnet, im dritten Heilverfahren. Die Beschwerden schilderte er nur bei stärkeren körperlichen Belastungen als ziehend im Bereich der rechten Thoraxseite. Das Heilverfahren führte (so der Entlassungsbericht vom 16. September 2004) zu einer guten Allgemeinerholung, die körperliche Belastbarkeit habe etwas gesteigert werden können. Im Oktober 2004 bestätigte der Versicherte gegenüber Dr. F. den sehr guten Erholungseffekt der Rehamaßnahme sowie Schmerzfreiheit, gute Leistungsfähigkeit und sehr gute Allgemeinerholung.
In einem weiteren stationären Rehabilitationsverfahren befand sich der Versicherte in Begleitung der Klägerin vom 15. August bis 12. September 2005. Der Versicherte schilderte erneut belastungsabhängige Schmerzen. Der Heilungseffekt wurde im Entlassungsbericht vom 26. September 2005 als gut beschrieben, die Beschwerden seien gelindert worden, die Sporttherapie habe zu einer Steigerung der Belastbarkeit geführt.
Auf Anfrage des Klägers, ob auch im Jahr 2006 ein stationäres Heilverfahren erfolgen könne, übersandte der behandelnde Arzt Dr. M. zahlreiche Arztbriefe, u.a. den des behandelnden Onkologen Dr. K. vom 1. Juni 2005 und 4. Oktober 2005, der mitteilte, es bestehe kein Anhalt für ein Krankheitsrezidiv. Es bestehe klinisch eine anhaltende Vollremission des Mesothelioms. Im Arztbrief vom Februar 2006 berichtete dieser von einem sehr günstigen Verlauf. Aus onkologischer Sicht bestehe keine Therapieintervention.
Vom 8. August bis 18. August 2006 befand sich der Versicherte in Begleitung der Klägerin erneut in einem stationären Heilverfahren. Dieses musste jedoch vorzeitig abgebrochen werden. Im Entlassungsbericht ist ausgeführt, der Versicherte leide seit April 2006 unter einer zunehmenden Schmerzsymptomatik und habe sich in reduziertem Allgemeinzustand präsentiert. Eine am 15. August 2006 durchgeführte Abdomensonographie habe reichlich Aszites im gesamten Abdomen gezeigt. Dieses müsse diagnostisch abgeklärt werden, da nicht festgestellt werden könne, ob es sich um Beschwerden infolge des Mesothelioms oder um einen akuten Schub des bekannten Morbus Crohn handle. In dem von Dr. K.-L. aus Anlass des Rehabilitationsverfahren erstellten Gutachten vom 30. November 2006 zu der von der Beklagten veranlassten Prüfung der Heilungsbewährung führte diese aus, dass aufgrund der im Heilverfahren beschriebenen Symptomatik nicht davon ausgegangen werden könne, dass das Mesotheliom sicher abgeheilt sei. Die MdE belaufe sich unverändert auf 100 v.H.; zur Linderung der Beschwerden sei ein stationäres Heilverfahren in einem Jahr angezeigt.
Im Entlassungsbericht des S.-B. Klinikums vom 12. September 2006, in dem sich der Versicherte zur diagnostischen Abklärung seiner Beschwerden vom 23. August bis 25. August 2006 befunden hatte, ist ausgeführt, dass sich der Kläger bei Aufnahme wohlgefühlt und nicht mehr über Schmerzen geklagt habe. Man habe nur zum Teil minimale Aszites um die Leber festgestellt und die Neuanpassung der Cortisontherapie wegen des Morbus Crohn empfohlen.
Auf Nachfrage der Beklagten im März 2007 teilte der Versicherte mit, man habe im Februar 2007 einen Tumor in der Größe 4,5 x 1 cm festgestellt, eine besondere Therapie werde nicht durchgeführt. Eine Nachfrage im Mai 2007 bei der Klägerin ergab, dass sich der Gesundheitszustand wieder stabilisiert habe. Dies bestätigte der Versicherte telefonisch auch auf Nachfrage der Beklagten am 14. August 2007. Er habe zwar thorakale Schmerzen, sei aber medikamentös gut eingestellt. Im Frühjahr würde er gerne wieder ein stationäres Heilverfahren durchführen.
Im Januar 2008 teilte der Versicherte der Beklagten mit, man habe im CT wieder Verschattungen entdeckt. Bevor er sich zu einem Heilverfahren entscheide, wolle er die weiteren Untersuchungen abwarten. Im Februar berichtete er über eine starke Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit und lehnte ein Heilverfahren deshalb ab.
Im April 2008 teilte die Klägerin der Beklagten die Heirat mit dem Versicherten mit. Ihm sei eine Chemotherapie empfohlen worden. Man wolle aber noch die Zweitmeinung in einem Tumorzentrum einholen. Anfang Mai 2008 berichtete die Klägerin, ihrem Mann sei es in den letzten Wochen sehr schlecht gegangen, er habe körperlich stark nachgelassen und befinde sich nunmehr in der Tumorklinik Freiburg. Dort sei eine Entzündung der Pleura festgestellt und mit Infusionen behandelt worden. Seitdem gehe es ihrem Mann zunehmend besser. Es sei eine Medikamententherapie vorgesehen, die drei Monate dauern werde. Danach werde man gerne das Angebot eines stationären Rehaverfahrens annehmen.
Die Beklagte zog die Berichte über die stationären Behandlungen des Versicherten in der Klinik für Tumorbiologie F. vom 21. Mai und 21. Juni 2008 bei. Danach sei der Versicherte ab Mai 2008 in die sog. Phosphood-Studie aufgenommen. Seitdem habe sich sein Allgemeinzustand deutlich verbessert. Die Erkrankungssituation habe sich im Juni 2008 stabil gezeigt, die Behandlung sei angepasst und ein Wiederaufnahmetermin zur Kontrolle in 6 Wochen vereinbart worden.
Im August 2011 teilte der Versicherte auf Nachfrage der Beklagten mit, ihm gehe es schlecht, er komme aber mit Hilfe seiner Ehefrau zurecht. Am 20. August 2008 finde eine Vorbesprechung wegen einer angedachten Operation statt.
Am 15. September 2008 teilte die Klägerin der Beklagten mit, ihr Mann sei am Samstag, 13. September 2008, in der Klinik verstorben. Ein OP-Versuch sei unternommen worden, jedoch der Körper wegen Inoperabilität des Pleuratumors gleich wieder verschlossen worden.
In dem von der Beklagten eingeleiteten Verfahren um die Gewährung einer Witwenrente ließ die Klägerin über ihren Bevollmächtigten erklären, dass sich die Eheleute über gemeinsame Freunde schon seit 1998 gekannt hätten, eine Partnerschaft seit 2003 bestanden habe. Heiratsabsichten hätten seit einem gemeinsamen Urlaub am Gardasee 2006 bestanden und als mögliche Hochzeitsdaten seien der 50. Geburtstag der Klägerin (2006) oder der 60. Geburtstag des Versicherten (2007) ins Auge gefasst worden. Im Februar 2008 habe man dann das Aufgebot bestellt.
Mit Bescheid vom 28. November 2008 lehnte die Deutsche Rentenversicherung die Gewährung einer Witwenrente gegenüber der Klägerin ab. Die objektiven Umstände sprächen für das Vorliegen einer Versorgungsehe, so dass bei einer Ehedauer von weniger als einem Jahr keine Witwenrente zu gewähren sei. Den Eheleuten sei seit einiger Zeit die lebensbedrohliche Entwicklung der Krankheit bekannt gewesen, dennoch habe man sich zu einer Legalisierung der Beziehung erst am 10. April 2008 entschlossen. Daher sei naheliegend, dass die Versorgung ein wesentlicher Grund für die Eheschließung gewesen sei.
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2008 lehnte auch die Beklagte die Gewährung einer Witwenrente ab, da sie die gesetzliche "Beweisvermutung" einer Witwenrente nicht als widerlegt ansehe. Man habe erst zu einem Zeitpunkt geheiratet, in dem sich der Gesundheitszustand des Versicherten massiv verschlechtert habe. Dafür spreche auch der Umstand, dass Heiratsabsichten bereits seit 2006 bestanden hätten.
Dagegen erhob die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Widerspruch und brachte vor, man habe aus Liebe geheiratet und habe damit den Beschluss besiegeln wollen, die Krankheit gemeinsam durchzustehen. Denn man sei sich sicher gewesen, dass Heilungsaussicht bestehe. Dies habe sich durch die Untersuchungen in der Klinik für Tumorbiologie in Freiburg ergeben. Denn der Versicherte sei ja gerade im Mai 2008 in eine Studie aufgenommen worden, die seinen Allgemeinzustand deutlich verbessert habe. Man habe eine operative Tumorreduktion als sinnvolle Therapiemethode angesehen. Die Klägerin sei im Übrigen durch ihre Vollzeiterwerbstätigkeit wirtschaftlich unabhängig, so dass auch dieser Gesichtspunkt gegen die Annahme einer Versorgungsehe spreche.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2009 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Angesichts der Schwere der Erkrankung des Versicherten bedürfte es keiner besonderen medizinischen Kenntnisse um zu erkennen, dass eine langfristige Überlebenswahrscheinlichkeit gering sei. Die in der Klinik für Tumorbiologie F. ergriffenen Maßnahmen hätten allein der Besserung der Lebensqualität, nicht aber der Heilung gedient. Dass der Versicherte nach der Diagnose im Jahr 2001 überhaupt 7 Jahre überlebt habe, sei unüblich und ein Einzelfall. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Eheleute nach der Verschlimmerung des Leidens Ende 2007 mit einem baldigen Ableben rechnen mussten. Die eigene Erwerbstätigkeit spreche nicht gegen eine Versorgungsehe, da zu den eigenen Einkünften Einnahmen aus einer Witwenrente durchaus attraktiv gewesen wären. Die gegen eine Versorgungsehe aufgeführten Gesichtspunkte überzeugten nicht.
Dagegen hat die Klägerin am 21. Juli 2009 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Ergänzend zum Vorbringen im Widerspruchsverfahren führt die Klägerin aus, sie sei wirtschaftlich unabhängig und habe auch zugunsten der Kinder des Versicherten auf einen Teil der ihr zustehenden Erbansprüche verzichtet. Hätte die Ehe nur der Versorgung der Klägerin gegolten, dann wäre zu erwarten gewesen, dass diese schon viel früher geschlossen worden wäre, da beiden die Krankheit des Versicherten bekannt gewesen sei.
Das SG hat den behandelnden Arzt des Verstorbenen Dr. M. als sachverständigen Zeugen schriftlich befragt. In seiner Stellungnahme vom 5. Januar 2010 hat er ausgeführt, im Zeitpunkt der Eheschließung sei nicht zu erwarten gewesen, dass der Versicherte so bald sterben werde. Prof. Dr. U., Klinik für Tumorbiologie der Universität F., hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 26. April 2010 ausgeführt, das Ableben des Versicherten in absehbarer Zeit nach der Eheschließung sei nicht zu erwarten gewesen. Für das im Januar 2008 infolge einer Routinekontrolle festgestellte Tumorwachstum habe eine Behandlungsmöglichkeit bestanden. Die peritonealen Mesotheliome seien dafür bekannt, dass sie in aller Regel langsam wachsen würden und über viele Jahre überhaupt nicht behandlungsbedürftig seien. Dies gelte insbesondere bei einem hochdifferenzierten Mesotheliom wie beim Versicherten. Allerdings könne ein Tumor nach einer bestimmten Zeit eine Malignisierung erfahren, was den beim Versicherten geplanten operativen Eingriff bedingt habe.
Die Beklagte hat die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. T. vom 11. Juli 2010 vorgelegt. Danach habe sich der Gesundheitszustand des Versicherten seit Anfang 2006 kontinuierlich verschlechtert. Schon im Herbst 2007 sei eine Tumorprogression festgestellt worden. Die Operationsindikation sei deutlich zu spät gestellt worden, man hätte schon im Jahr 2001 multimodal behandeln müssen. Dazu nahm Prof. Dr. U. unter dem 27. September 2010 nochmals Stellung. Bereits im Jahr 2001 sei die Erkrankung nicht mehr heilbar gewesen, Ende 2007 seien tumorbedingte Probleme aufgetreten, der Tumor habe damals eine große Dimension besessen und bereits die Darmwände infiltriert. Die beabsichtigte Operation habe nicht der Heilung, sondern im besten Fall der Lebensverlängerung gedient.
Das SG hat im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 11. November 2010 die Klägerin ausführlich angehört. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 2011 hat das SG weiter die Söhne des verstorbenen Versicherten als Zeugen vernommen. Auf die jeweiligen Niederschriften wird inhaltlich Bezug genommen.
Mit Urteil vom 7. Juli 2011 hat das SG die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Witwenrente zu gewähren. Eine Versorgungsehe liege nicht vor. Dagegen sprächen bereits die Einlassungen der den Versicherten behandelnden Ärzte, die nicht von einem raschen Ableben des Versicherten im Zeitpunkt der Eheschließung ausgegangen seien, auch wenn diese Prognose sich im Nachhinein als unzutreffend herausgestellt hätte. Dies hätten aber weder die Klägerin noch der Verstorbene erkennen können. Auch die Zeugenaussagen der Söhne des Verstorbenen bestätigten dies, denn auch sie hatten nicht mit dem Versterben ihres Vaters gerechnet. Die Klägerin und der Verstorbenen seien bereits 2003 zusammengezogen. Gegenüber seinen Söhnen habe der Verstorbene seine Heiratsabsicht mit Liebe begründet und sie auch ausdrücklich um ihre Zustimmung zur Eheschließung gebeten. In einer Gesamtabwägung sei die Vermutung einer Versorgungsehe daher als widerlegt anzusehen.
Gegen das der Beklagten am 3. August 2011 zugestellte Urteil hat sie am 25. August 2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, der Verstorbene habe seine Heiratsabsicht auch seinen Söhnen erst Mitte 2007 mitgeteilt, als sich sein Gesundheitszustand bereits verschlechtert habe. Allein das Bestehen einer Liebesbeziehung schließe die Annahme einer Versorgungsehe nicht aus, da eine Liebesbeziehung nicht zwangsläufig in eine Ehe münden müsse. Die Behauptung der Klägerin, die behandelnden Ärzte hätten angegeben, der Versicherte könne mit seinem Krebs 100 Jahre alt werden, widerspreche medizinischer Lehrmeinung und sei vom SG nicht hinreichend, auch vor dem Hintergrund der beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. T., überprüft worden. Im Übrigen habe auch Prof. Dr. U. die Operation nicht mit dem Ziel der Heilung angestrebt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 7. Juli 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung im Wesentlichen auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen im Urteil des SG. Ergänzend führt sie, dass es nicht auf die retrospektive Betrachtung durch die Ärzte, sondern auf den Kenntnis- und Wissensstand der Klägerin und des Versicherten ankomme. Wenn sich aber der behandelnde und der Facharzt darin einig seien, dass mit einem zeitnahen Ableben nicht zu rechnen gewesen sei, könne der Klägerin und dem Versicherten das Eingehen einer Versorgungsehe nicht vorgeworfen werden. Diese hätten den ärztlichen Aussagen vertraut.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist unbegründet. Das SG hat zu Recht festgestellt, dass zwischen der Klägerin und dem verstorbenen Versicherten keine Versorgungsehe bestanden hat.
Witwen oder Witwer erhalten nach § 65 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) eine Witwen- oder Witwerrente, solange sie nicht wieder geheiratet haben und der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Witwen und Witwer haben allerdings dann keinen Anspruch, wenn die Ehe erst nach dem Versicherungsfall geschlossen worden ist und der Tod innerhalb des ersten Jahres dieser Ehe eingetreten ist, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Einzelfalls die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen (§ 65 Abs. 6 SGB VII).
Die Klägerin hat seit dem Tod des Versicherten nicht wieder geheiratet. Zwischen den Beteiligten ist darüber hinaus nicht umstritten, dass der Versicherte infolge des Versicherungsfalls verstorben ist. Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten ist zwar erst nach dem Versicherungsfall (26. Februar 2001) geschlossen worden und noch vor Ablauf eines Jahres ab Eheschließung ist der Versicherte verstorben. Allerdings sieht der Senat in Übereinstimmung mit dem SG aufgrund der in § 65 Abs. 6 SGB VII aufgeführten "besonderen Umstände" die Annahme einer Versorgungsehe widerlegt.
Zur Parallelvorschrift im Rentenversicherungsrecht (§ 46 Abs. 2a Halbsatz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI]), die den Begriff der "besonderen Umstände des Falles" verwendet, aber wie die Formulierung in § 65 Abs. 6 SGB VII als unbestimmter Rechtsbegriff der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt, hat das Bundessozialgericht in einer grundlegenden Entscheidung (Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R = BSGE 103,99 = SozR 4-2600 § 46 Nr. 6 m.w.N.) Grundsätze zur Auslegung und Anwendung des es unbestimmten Rechtsbegriffs aufgestellt. Danach sind als "besondere Umstände des Falles" (so die Gesetzesformulierung in § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI) alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls zu prüfen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Die vom Gesetzgeber selbst intendierte Einzelfallprüfung lasse eine abschließende abstrakt-generelle (normgleiche) Einordnung einzelner denkbarer Ehemotive nicht zu. Vielmehr komme es nach dem Gesetz auf die - gegebenenfalls auch voneinander abweichenden - Beweggründe beider Ehegatten im konkreten Einzelfall an. Dabei seien die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände unter Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten (vgl. BSG vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 33/11 R) in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Falls zu bewerten.
In der Rechtsprechung der Landessozialgerichte sind nach dieser allgemeinen Maßgabe die für und gegen die Vermutung einer Versorgungsehe sprechenden Gesichtspunkte unterschiedlich bewertet worden.
Teilweise wird davon ausgegangen, dass eine länger dauernde nichteheliche Lebensgemeinschaft vor der Eheschließung als besonderer Umstand gegen die Versorgungsvermutung sprechen könne (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 7. März 2007 - L 8 R 207/06). Dem kann jedoch entgegen gehalten werden, dass einer langjährig bestehenden nichtehelichen Lebensgemeinschaft auch eine bewusste Entscheidung für diese Form des Zusammenlebens zugrunde gelegen haben kann und dass unter diesen Umständen dem Entschluss, diese Form des Zusammenlebens zu beenden und eine Ehe einzugehen, das Motiv der Erlangung einer Versorgung im Todesfall eines Partners zugrunde liegen kann (so Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 21. März 2007 - L 8 R 112/06; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Mai 2008 - L 21 R 39/05; Bayerisches LSG, Urteil vom 2. Februar 1972 - L 2 U 98/70, Breithaupt 1972, S. 742).
Angesichts des Umstands, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft im Zeitpunkt des Versterbens des Versicherten etwas mehr als 4 Jahre bestanden hatte, kommt diesem Umstand nach Auffassung des Senats bei der Prüfung, ob eine Versorgungsehe widerlegt werden kann, im vorliegenden keine maßgebliche Bedeutung bei, denn die Dauer der nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann als Argument für oder gegen die Vermutung einer Versorgungsehe herangezogen werden.
Entsprechendes gilt für die Höhe der zu erwartenden Witwenrente. Die Klägerin ist durch ihre Vollzeiterwerbstätigkeit wirtschaftlich abgesichert. Ihr Verdienst wird zudem in bestimmtem Umfang (auf die von der Beklagten erbetenen vorläufigen Berechnungen vom 2. Januar 2012 wird inhaltlich verwiesen) auf die Witwenrente angerechnet. Insoweit verbessert sich zwar durch die Witwenrente die wirtschaftliche Situation der Klägerin, aber nicht in einem Maß, das eine Versorgungsehe hinreichend wahrscheinlich macht. Auch das vom Versicherten (erst) nach der Heirat abgefasste Testament, das der Klägerin - im Wege des Vermächtnisses - jedenfalls ein Wohnrecht in der zuletzt gemeinsam bewohnten Wohnung einräumte, das Eigentum hinsichtlich seiner Immobilien aber den Söhnen übertrug, ist seinem Inhalt nach sicherlich auch abgefasst worden, um die Klägerin abzusichern, aber vor allem, um die Verteilung des Eigentums zwischen den Söhnen sicher zu stellen. Hätte der Versicherte die Klägerin umfassend absichern wollen, hätte ihm die Möglichkeit des sog. Berliner Testaments oblegen, das die Klägerin wirtschaftlich als Erbin (und nicht bloße Vermächtnisnehmerin) in eine deutlich bessere Position gesetzt hätte. Diesen Weg hat der Versicherte aber gerade nicht bestritten. Auch die Klägerin hat nicht, worauf sie vom Notar hingewiesen worden ist, die für sie wirtschaftlich günstigere Lösung gewählt, das Vermächtnis auszuschlagen und den Pflichtteil zu verlangen. Sie hat sich vielmehr mit dem Wohnrecht zufrieden gegeben.
Der Umstand, dass das Testament erst nach der Hochzeit abgefasst worden ist, spricht weder für noch gegen die Vermutung einer Versorgungsehe. Es ist vielmehr gerichtsbekannt, dass die testamentarische Regelung zwischen nicht verheirateten Partnern äußerst schwierig ist, insbesondere, wenn Kinder aus einer anderen Beziehung existieren. Insoweit erscheint es dem Senat durchaus nachvollziehbar, dass der Versicherte bis nach der Heirat abgewartet hat, um seine Angelegenheiten testamentarisch zu regeln, auch wenn er das Vermächtnis der Klägerin durchaus hätte zuwenden können, wenn sie nicht verheiratet gewesen wären.
Eine gewichtige Bedeutung im Rahmen der Gesamtbetrachtung der tatsächlichen Umstände ist in der Regel dem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Versicherten beizumessen (vgl. statt vieler: Landessozialgericht Berlin Brandenburg, Urteile vom 17. Juli 2008 - L 8 R 583/08-, vom 17. Mai 2006 - L 17 R 2024/05 - und vom 31. März 2007 - L 16 R 1487/06 -; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. März 2007 - L 8 R 112/06 -; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. November 2007 - L 5 R 133/07; vgl. auch Kamprad in: Hauck/Noftz, SGB VI, K § 46 Rz. 38; Butzer in: GK-SGB VI, § 46 Rz. 113). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass bei einer fehlenden Vorhersehbarkeit des baldigen Versterbens des Versicherten, sei es infolge eines plötzlichen Unglücks oder einer unerwarteten Krankheitsentwicklung, die Vermutung nicht gerechtfertigt ist, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat in der Versorgung des überlebenden Partners bestanden hat. Deshalb spricht jedenfalls das Vorliegen einer konkreten Heiratsabsicht bereits vor dem Auftreten einer lebensbedrohlichen Erkrankung gegen die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe.
Sofern der Versicherte an einer Krankheit gelitten hat, ist zu würdigen, ob diese Krankheit chronisch und ggf. lebensbedrohlich war und ob nach Art der Krankheit und den objektiven Umständen des Krankheitsverlaufs in einer erkennbaren Weise mit einem baldigen Ableben des Versicherten zu rechnen war. Die Heirat eines offenkundig an einer lebensbedrohlichen Krankheit erkrankten Versicherten kann in der Regel als ein die gesetzliche Vermutung bestätigender Umstand angesehen werden, weil in einer solchen Situation nach allgemeiner Lebenserfahrung Vieles dafür spricht, dass die Ehe aus Versorgungszwecken geschlossen wurde. Jedoch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Prognose der Nachweis nicht schlechterdings ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Februar 2007 - L 16 R 610/06 -; LSG Schleswig-Holstein vom 19. August 2008 - L 7 R 187/07).
Allerdings müssen dann bei einer Gesamtbewertung diejenigen Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten im Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom Hinterbliebenen zu beweisenden Umstände, die für die Widerlegung der Vermutung angeführt werden.
Der Senat ist aufgrund einer Würdigung der Gesamtumstände, insbesondere aufgrund des glaubwürdigen Vorbringens der Söhne des Versicherten vor dem SG, davon überzeugt, dass im Zeitpunkt der Aufgebotsbestellung und Eheschließung weder die Klägerin noch der Versicherte mit einem baldigen Ableben rechneten. Wie die Söhne des Versicherten vor dem SG schilderten, war die Krankheitsgeschichte des Versicherten seit der Entdeckung des Mesothelioms sehr schwankend; Zeiten akuter Beschwerden lösten sich mit Zeiten allgemeinen Wohlbefindens und einer Stabilisierung des Gesundheitszustands ab. Dies kann den Akten, insbesondere den Entlassungsberichten aus den Rehabilitationsmaßnahmen, ebenfalls entnommen werden. Dem entsprechend erscheint es dem Senat glaubhaft und nachvollziehbar, wenn auch die Klägerin vorträgt, dass sich zwar der Gesundheitszustand des Versicherten Ende Anfang 2008 verschlechtert hatte, dass man aber davon ausgegangen sei, dass es sich nur um eine vorübergehende Phase handelte. Dieser Auffassung war auch der Versicherte, der gegenüber den Mitarbeitern der Beklagten die Erwartung äußerte, alsbald - im Jahr 2008 - eine Rehabilitationsbehandlung antreten zu können, wenn die Ursachen der akuten Beschwerden behoben sind und sich der Allgemeinzustand wieder stabilisiert hat. In dieses Bild passt auch, dass die Beklagte selbst anlässlich der im Jahr 2006 durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme in die Prüfung einer Heilungsbewährung eingetreten war, was durchaus in Widerspruch zum Vorbringen im Klage- und Berufungsverfahren zu sehen ist, wonach der Kläger eigentlich schon seit 2001 mit seinem jederzeitigen Ableben hätte rechnen müssen. Wenn die Beklagte aufgrund der aktenkundigen ärztlichen Unterlagen und den regelmäßig mit dem Versicherten geführten Gesprächen davon ausgegangen ist, dass eine lebensbedrohliche Entwicklung nicht droht, so spricht nichts dafür, dass der Versicherte und die Klägerin von einem anderen Informations- und Wissensstand ausgehen mussten.
Berücksichtigt man zudem den Umstand, dass beim Kläger neben dem Mesotheliom auch eine entzündliche Darmerkrankung behandelt worden war (auch wenn im Nachhinein, wie Prof. Dr. U. vom Tumorzentrum F. zuletzt ausgeführt hat, gar nicht mehr mit Sicherheit gesagt werden kann, ob diese Diagnose wirklich gesichert ist oder die darauf zurückgeführten Beschwerden tatsächlich schon zu einem viel früheren Zeitpunkt auf dem Mesotheliom (und nur darauf) beruhten) und eine Vielzahl akuter Beschwerden weit überwiegend darauf zurückgeführt worden waren, erscheint es dem Senat naheliegend, dass der Kläger im Frühjahr 2008 nicht von einer lebensbedrohlichen Entwicklung des Mesothelioms ausgegangen war. Auch der Umstand, dass im Januar 2008 eine Verschattung festgestellt worden war, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Denn bereits im Frühjahr 2007 war ein Tumor entdeckt worden, ohne dass dieser dem Kläger besondere Beschwerden verursacht hätte oder einer besonderen Therapie unterzogen worden wäre.
Ob die ab Mai 2008 durchgeführte Therapie mit einem Nahrungsergänzungsmittel oder die im September 2008 durchgeführte Operation, in deren Folge der Versicherte verstarb, der Heilung oder der Lebensverlängerung diente, ist nicht entscheidend. Es kann angesichts der Erkrankung des Versicherten und auch der Aussagen der behandelnden Ärzte nicht ernsthaft davon ausgegangen worden sein, dass der Krebs tatsächlich zur Heilung gebracht werden könnte. Denn auch die Ärzte haben dem Versicherten nach den glaubwürdigen Angaben der Klägerin nur gesagt, dass er MIT dem Krebs alt werden könne, nicht ohne.
Da die Operation nach den ärztlichen Aussagen jedenfalls der Stabilisierung des Gesundheitszustands dienen sollte, wäre sie aus ärztlicher Sicht wohl kaum durchgeführt worden, wenn von vornherein festgestanden hätte, dass der Versicherte ohnehin nur noch wenige Zeit zu leben hat. Ebensowenig wäre zu erwarten gewesen, dass sich die Klägerin und der Versicherte auf diesen schweren Eingriff eingelassen hätten. Auch wenn sich im Nachhinein betrachtet der Eingriff angesichts der fortgeschrittenen Erkrankungen als sinnlos herausgestellt hat, haben auch die operierenden Ärzte dies erst nach der Körperöffnung festgestellt, nicht vorher.
Dass sowohl der Versicherte als auch die Klägerin nicht ohne Grund davon ausgehen konnten, der Versicherte habe noch länger zu leben, wird durch die Aussagen des Prof. Dr. U. Tumorbiologie F., bestätigt. Dieser hat für den Senat schlüssig ausgeführt, dass der Versicherte zwar an einem gefährlichen Krebs erkrankt war, dieser sich aber über längere Zeit latent ruhig verhalten hatte, der Krankheit jedoch eigen ist, dass irgendwann der Umschwung zur Malignität erfolgt. Wenn die Beklagte, gestützt auf den Beratungsarzt, dem entgegen hält, dass an einem Mesotheliom Erkrankte statistisch eine Lebenserwartung von nur 1-2 Jahren nach der Entdeckung der Erkrankung hätten und weder die eingeschlagene Behandlung noch die durchgeführte Operation eine Hoffnung auf Heilung begründet hätten, vermag dies eine abweichende Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Beim Versicherten war bereits 2001 im Rahmen einer Darmoperation als Zufallsbefund ein Mesotheliom entdeckt worden, das letztlich bis Mitte 2008 keinen besonderen Therapiebedarf nach sich gezogen hatte. Damit hatte der Versicherte nicht nur die statistische Überlebenszeit weit überschritten, sondern es wird auch deutlich, dass der Versicherte lange Jahre mit seinem Krebs gelebt hat - Schwankungen im Gesundheitszustand (hervorgerufen durch die entzündliche Darmerkrankung) eingerechnet. Wie bereits ausgeführt kommt es auf die Frage, ob äußere, objektive Umstände das Eingehen einer Versorgungsehe im April 2008 widerlegen, nicht darauf an, ob die geplanten Behandlungsmaßnahmen das Ziel der Heilung oder nur der Verbesserung des Wohlbefindens hatten. Denn in jedem Fall waren sie beabsichtigt, um die Lebenszeit des Versicherten zu verbessern.
Keine abweichende Beurteilung ist durch die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. T., vorgelegt vor dem SG, geboten. So hat er zwar zutreffend und in Übereinstimmung mit der aktuellen wissenschaftlichen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010 S. 1104 ff, insbesondere 1106; Triebig/Kentner/Schiele, Arbeitsmedizin, 2. Auflage 2008 S. 293 ff) ausgeführt, dass es sich bei einem asbeststaubinduzierten Mesotheliom des Bauchfells um eine prognostisch sehr ungünstige Krebserkrankung handelt mit einer durchschnittlichen Überlebenszeit nach Diagnosestellung von nur 8 Monaten bzw. bis zu einem Jahr. Daher hat er auch zu Recht angemerkt, dass die von den behandelnden Ärzten des Versicherten ihm und der Klägerin gegenüber gemachten Angaben zur Überlebenswahrscheinlichkeit ( ... kann bis zu 100 Jahre alt werden ...) nicht mit der statistischen Erfahrung in Einklang stehen. Allerdings berücksichtigt er bei seiner Stellungnahme nicht, dass bereits der Krankheitsverlauf (Entdeckung des Mesothelioms bereits 2001) keiner statistischen Erfahrung entspricht und daher im Fall des Klägers durchaus von einem abnormen Krankheitsverlauf ausgegangen werden konnte. Daher verfängt auch nicht die von Dr. T. geäußerte Kritik an der Behandlung des Versicherten im Jahr 2008 durch die Klinik für Tumorbiologie F. nicht, die nach Dafürhalten des Dr. T. nicht standardisierten Vorgaben entsprochen habe. Ob die im August vor dem Versterben des Versicherten durchgeführte Operation nach Sugarbaker tatsächlich (noch) indiziert war oder nicht (wie Dr. T. meint), kann der Senat offen lassen. Denn tatsächlich ist sie durchgeführt worden und dem Versicherten war von den behandelnden Spezialisten zumindest die Stabilisierung des Gesundheitszustands in Aussicht gestellt worden. Deshalb hatte sich der Versicherte auf diese schwerwiegende Operation auch einlassen können. Dass während der Operation das Stadium der Erkrankung offenbar abweichend von der präoperativen Diagnostik eingeschätzt worden und die Operation daher nicht zu Ende geführt worden war, kann aus diesem Grund ebenfalls auf sich beruhen. Denn maßgeblich ist für die Beurteilung des Senats, welche Motive wesentlich für die Eheschließung der Klägerin und des Versicherten waren, deren - subjektive - Sicht, soweit sie sich anhand objektiver Kriterien nachvollziehen lässt. Dies ist hier, wie ausgeführt, der Fall.
Der Umstand, dass die Klägerin und der Versicherte ihren Hochzeitstermin immer wieder verschoben habe, um nicht "in Konkurrenz" zu anderen bedeutenden Familienfesten zu stehen, ist nach Auffassung des Senats weder ein Argument für noch gegen eine Versorgungsehe, sondern anhand der von der Klägerin vorgelegten Aufstellung der Familienfeiern durchaus nachvollziehbar und als persönliche Lebensentscheidung zu akzeptieren. Jedenfalls aber hat der Versicherte gegenüber seinen Kindern bereits im Sommer 2007 seine Heiratsabsichten bekundet, als sein Gesundheitszustand, die Schwankungen und Entwicklungen seit 2001 berücksichtigt, nicht derart schlecht war, dass er mit seinem baldigen Ableben rechnen musste. Gestorben ist der Versicherte auch erst längere Zeit nach dieser Bekundung; ob er zu diesem Zeitpunkt auch gestorben wäre, wenn er die Operation nicht hätte durchführen lassen, ist Spekulation.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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