L 5 AS 435/11 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 22 AS 518/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 435/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe wird als unzulässig verworfen.

Die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg (SG), das seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sowie seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in vorigen Stand im PKH-Verfahren abgelehnt hat.

Am 21. Februar 2011 stellte der Antragsteller beim SG einen einstweiligen Rechtsschutzantrag, mit dem er die Gewährung weiterer Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Berücksichtigung des vollen Regelsatzes eines Alleinstehenden erreichen wollte. Zwischen den Beteiligten war streitig, ob der Antragsteller mit Frau B. P ..., die am 21. Februar 2011 ebenfalls eine einstweilige Anordnung beim SG beantragt hatte, eine nichteheliche Lebensgemeinschaft und mithin eine Bedarfsgemeinschaft bildete. Frau P wurde für ihr Verfahren auf Antrag mit Schriftsatz vom 16. Februar 2011, der am 21. Februar 2011 bei dem SG eingegangen war, vom SG mit Beschluss vom 5. April 2011 PKH gewährt.

Das SG führte am 14. April 2011 einen Erörterungstermin durch, in dem es den Antragsteller zu seinen Lebensumständen befragte und Frau P und deren Tochter als Zeuginnen vernahm. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 19. Mai 2011, der dem Antragsteller am 25. Mai 2011 zugestellt wurde, lehnte das SG dessen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ab.

Mit am 18. Juli 2011 bei dem SG eingegangenem Schriftsatz vom 12. Juli 2011 hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers "um Entscheidung über den hiesigen Prozesskostenhilfeantrag oder um Zusendung eines möglicherweise schon vorliegenden Beschlusses gebeten". Auf den Hinweis des SG, im Verfahren sei kein PKH-Antrag gestellt worden, hat er mit Schriftsatz vom 4. August 2011 hinsichtlich des PKH-Begehrens Wiedereinsetzung in vorigen Stand beantragt und in Kopie einen PKH-Antrag vom 16. Februar 2011 sowie eine unter dem 15. Februar 2011 unterschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Der PKH-Antrag des Antragstellers müsse so behandelt werden, als sei er rechtzeitig gestellt worden. Die Originale habe der Prozessbevollmächtigte zusammen mit denjenigen im parallel laufenden Verfahren der Frau P an das SG versandt. Möglicherweise sei der Schriftsatz auf dem Postweg verloren gegangen oder versehentlich in die Akte des Parallelverfahrens geheftet worden. Der Antragsteller habe dies nicht verschuldet.

Das SG hat die Gerichtsakte des Verfahrens der Frau P durchgesehen und festgestellt, dass sie keinen PKH-Antrag des Antragstellers enthält.

Mit Beschluss vom 7. September 2011 hat es den PKH-Antrag und Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt. Für den Zugang des PKH-Antrags vom 16. Februar 2011 sei der Antragsteller beweispflichtig. Der Beweis sei nicht dadurch erbracht worden, dass im Parallelverfahren ein PKH-Antrag gestellt worden sei. Es sei zu beachten, dass im Parallelverfahren mit gesonderten Schriftsätzen der einstweilige Rechtsschutzantrag und der PKH-Antrag, die beide vom 16. Februar 2011 stammten, gestellt worden seien. Es sei denkbar, dass ein gesonderter PKH-Antrag für den Antragsteller nicht erstellt bzw. nicht beim SG eingereicht worden sei. Der PKH-Antrag vom 16. Februar 2011 sei dem SG erst durch die Übersendung der Kopie des Antrags mit dem Schriftsatz vom 4. August 2011 bekannt geworden. Lege man dies oder den Zeitpunkt der erstmaligen Nachfrage am 18. Juli 2011 als PKH-Antragstellung zu Grunde, sei eine Bewilligung nicht möglich. Zu beiden Zeitpunkten sei das einstweilige Rechtsschutzverfahren des Antragstellers bereits rechtskräftig beendet gewesen, sodass keine Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung mehr hätten festgestellt werden können. Der Wiedereinsetzungsantrag setze gemäß § 67 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Versäumen einer gesetzlichen Frist voraus. Indes seien der Antrag auf PKH und die Vorlage der Unterlagen nicht fristgebunden, weshalb eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich sei.

Gegen den Beschluss hat der Antragsteller am 9. Oktober 2011 Beschwerde eingelegt. Ihm sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er habe seinen PKH-Antrag zusammen mit dem PKH-Antrag im Parallelverfahren versandt. Es könne nicht geklärt werden, an welcher Stelle im Postlauf der Antrag abhanden gekommen sei. Ihn treffe keine Schuld an der verspäteten Antragstellung. Die PKH-Gesuche seien durchaus fristgebunden, denn sie müssten rechtzeitig gestellt werden. Wenn das SG den PKH-Antrag wegen Verspätung ablehne, mache dies deutlich, dass es sehr wohl von einer Fristgebundenheit dieses Antrags ausgehe.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 7. September 2011 aufzuheben und ihm unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Prozesskostenhilfe für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (S 22 AS 518/11 ER) zu gewähren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und das PKH-Beiheft ergänzend Bezug genommen. Die genannten Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats.

II.

1. Die Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH ist unzulässig.

Nach § 172 SGG ist gegen Beschlüsse des SG die Beschwerde grundsätzlich statthaft, es sei denn, das SGG enthält eine abweichende Regelung. § 172 Abs. 3 Nr. 1 zweiter Halbsatz SGG, der durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 5. August 2010 (BGBl. I Seite 1127) ab dem 11. August 2010 eingefügt worden ist, bestimmt, dass die Beschwerde – sowohl gegen die Entscheidung in der Sache als auch gegen die im PKH-Verfahren – in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen ist, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Dieser Beschwerdeausschluss greift hier. Das PKH-Beschwerdeverfahren wäre nur dann statthaft, wenn auch die Beschwerde gegen einen den einstweiligen Rechtsschutz versagenden Beschluss des SG – als Berufung gedacht – zulassungsfrei möglich gewesen wäre. Dies ist nicht der Fall. Denn gegen die Sachentscheidung des SG mit Beschluss vom 19. Mai 2011 war – wie in dem Beschluss auch zutreffend ausgeführt ist – die Beschwerde nicht statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstands den gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG maßgeblichen Schwellenwert von 750,00 EUR nicht überstiegen hat.

§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ist nach seiner Systematik dahingehend zu verstehen, dass die Beschwerde dann ausgeschlossen ist, wenn die Berufung in der Hauptsache nicht kraft Gesetzes ohne Weiteres zulässig wäre, sondern erst noch der Zulassung bedürfte (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 7. Oktober 2009, Az.: L 5 AS 293/09 B ER).

Es ging dem Antragsteller im einstweiligen Rechtschutzverfahren um die Bewilligung weiterer Leistungen nach dem SGB II durch Berücksichtigung des vollen Regelsatzes (iHv 364,00 EUR) für einen Alleinstehenden anstelle der bewilligten 90%igen Leistung iHv 328,00 EUR monatlich. Mithin ging es um eine monatliche Differenz iHv 36,00 EUR. Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung waren in beantragter Höhe gewährt worden.

Weder für den vom 1. November 2010 bis zum 30. April 2011 laufenden Bewilligungsabschnitt noch für den in der Antragsbegründung angesprochenen Zeitraum ab Oktober 2010 bis zum Ende des Bewilligungsabschnitts erreichte der Gesamtbetrag der Beschwer iHv 216,00 EUR bzw. 252,00 EUR den Schwellenwert.

2. Soweit sich der Antragsteller im Wege der Beschwerde gegen die Ablehnung seines Wiedereinsetzungsantrags im PKH-Verfahren wendet, ist die Beschwerde unbegründet. Insoweit ist die Beschwerde gemäß § 172 SGG statthaft, denn das SGG hält keine Regelung zum Beschwerdeausschluss bei Wiedereinsetzungsanträgen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 67 RN 19a; Leitherer, a.a.O., § 172 RN 3).

Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Die Vorschrift gilt für alle gesetzlichen Fristen des Prozessrechts, soweit nichts Besonderes bestimmt ist. Eine Wiedereinsetzung ist insbesondere möglich bei der Versäumung von Rechtsbehelfsfristen. § 67 SGG gilt nicht für materiell-rechtliche oder richterliche Fristen.

Im PKH-Verfahren geht ein Wiedereinsetzungsantrag schon deshalb ins Leere, weil die insoweit erforderlichen Prozesshandlungen (Antragstellung, Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, Vorlage von Belegen) keiner gesetzlichen Verfahrensfrist iSv § 67 Abs. 1 SGG unterliegen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 24. Oktober 2007, Az.: B 5a R 340/07 B, juris RN 3; BSG, Beschluss vom 18. Oktober 2007, Az.: B 3 P 24/07 B, juris RN 14; Keller, a.a.O., § 67 RN 7b). Die vom Antragsteller zitierte Rechtsprechung betrifft den Fall des nach Ablauf der Klage- oder Berufungsfrist gestellten PKH-Antrags und damit die Wiedereinsetzung in diese versäumte gesetzliche Verfahrensfrist.

Die Auffassung des Antragstellers, es sei inkonsequent, einerseits eine gesetzliche Frist zu verneinen und andererseits einen PKH-Antrag wegen "Verspätung" abzulehnen, trifft nicht zu. Die Stellung des PKH-Antrags ist nicht fristgebunden, sie kann jederzeit erfolgen. Materielle Voraussetzung für eine Bewilligung von PKH ist gemäß § 114 ZPO die hinreichende Aussicht auf Erfolg einer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Erfolgsaussichten können jedoch nur für ein laufendes Verfahren festgestellt werden. Ist ein Verfahren bei Stellung des PKH-Antrags – wie hier – bereits rechtskräftig beendet, findet keine Rechtsverfolgung mehr statt, für die Kosten entstehen können; das PKH-Gesuch kommt "zu spät". Es ist in der Sache aus Gründen des materiellen Rechts (fehlende Erfolgsaussicht) abzulehnen. Die "Verspätung" führt nicht zu einer formellen Entscheidung wie eine Verwerfung des Antrags.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG, bzw. für die PKH-Beschwerde auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved