L 7 SO 5708/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 SO 7058/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 5708/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Der Antrag wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die gem. § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit - wie hier - nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch im Hinblick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen. Die beiden Voraussetzungen stellen ein bewegliches System dar: Je nach Wahrscheinlichkeit des Erfolges in der Hauptsache können die Anforderungen an den Anordnungsgrund geringer sein. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

Gegenstand des Verfahrens ist das vom Sozialgericht (SG) abgelehnte Begehren des Antragsteller auf Übernahme der Kosten der Unterkunft. Nachdem sich der Antragsteller mittlerweile aufgrund richterlicher Anordnung in Untersuchungshaft befindet, ist er zwar nicht mehr als dem Grunde nach nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) Leistungsberechtigter gem. § 21 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) von Leistungen zum Lebensunter halt nach dem SGB XII ausgeschlossen. Denn nach § 7 Abs. 4 SGB II erhält Leistungen nach diesem Buch nicht, wer u.a. in einer stationären Einrichtung untergebracht ist. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des Abs. 4 Satz 3 sind für die Untersuchungshaft nicht erfüllt. Es kann jedoch offen bleiben, ob dem Antragsteller materiell-rechtlich ein Anspruch auf Übernahme der Kosten des von ihm zuletzt bewohnten Hotelzimmers als Leistung für die Unterkunft gem. § 35 SGB XII in der ab 1. Januar 2011 geltenden Fassung zusteht. Es fehlt mit Beginn der Untersuchungshaft jedenfalls am Anordnungsgrund i.S.e. besonderen Eilbedürftigkeit. Auf gerichtliche Anfrage hat der Antragsteller eine solche nicht bezeichnet. Anhaltspunkte dafür sind auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere ist kein dringendes Bedürfnis zu erkennen, ein ohnehin erst kurz zuvor bezogenes Hotelzimmer für die unbestimmte Dauer der Untersuchungshaft beizubehalten. Das SG hat mithin den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht zurückgewiesen.

Soweit der Antragsteller erstmals in der Beschwerde Schadenersatzansprüche geltend macht, fehlt es insoweit an einer Beschwer aus dem erstinstanzlichem Beschluss, der hierzu keinerlei Entscheidung getroffen hat. Diese als Antragsänderung anzusehende Antragserweiterung wäre in entsprechender Anwendung des § 99 Abs. 1 SGG nur zulässig, wenn entweder die Antragsgegnerin eingewilligt oder der Senat die Änderung für sachdienlich hielte. Beides liegt nicht vor. Die Antragsgegnerin hat ausdrücklich eingewandt, eine Entscheidungszuständigkeit des Senats bestehe nicht. Eine Sachdienlichkeit der Erweiterung ist nicht gegeben. Nicht sachdienlich ist eine Klage- bzw. Antragsänderung, wenn es sich um Anträge handelt, bei denen erkennbar nicht alle Prozessvoraussetzungen gegeben sind und über die daher ohnehin nicht in der Sache entschieden werden kann. Letzteres gilt auch für den Fall der Unzulässigkeit des Rechtswegs, dessen Prüfung nicht vorab, sondern erst im Rahmen der Sachdienlichkeit erfolgt, so dass bei Klage- bzw. Antragserweiterungen eine Rechtswegverweisung regelmäßig nicht in Betracht kommt. Soweit ersichtlich könnte als Grundlage für das Begehren des Antragstellers auf Schadensersatz allenfalls eine Amtspflichtverletzung nach Artikel 34 des Grundgesetzes, § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches in Betracht kommen, für deren Geltendmachung nach § 17 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes der Rechtsweg zu den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit eröffnet wäre. Eine Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit (vgl. § 51 SGG) hierfür ist nicht gegeben, so dass über dieses Begehren ohnehin nicht in der Sache entschieden werden könnte. Eine Sachdienlichkeit im dargestellten Sinne liegt damit nicht vor. Die im Begehren auf Schadensersatz zu sehende Antragsänderung ist somit mangels Sachdienlichkeit unzulässig, der hierauf gerichtete Antrag (als unzulässig) abzulehnen (zum Ganzen Senatsurteil vom 26. Januar 2012 - L 7 AS 1161/11 - m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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