S 10 KA 7851/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Stuttgart (BWB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KA 7851/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Honorarkürzungen auf Grundlage der in Baden-Württemberg zum 01.01.2009 abgeschlossenen Konvergenzvereinbarung sind rechtswidrig.

2. Die Fristversäumnis bei Zuweisung des Regelleistungsvolumen für das erste Quartal 2009 bleibt sanktionslos. § 87b Abs. 5 Satz 4 SGB V ist auf den Fall der erstmaligen Zuweisung des Regelleistungsvolumen nicht anwendbar.
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Honorarbescheide für die Quartale I/2009 und II/2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.11.2010 verurteilt, über die Honoraransprüche des Klägers für die Quartale I/2009 und II/2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. 2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand:

Im Streit stehen die rechtzeitige Zuweisung des Regelleistungsvolumen (RLV) für das Quartal I/2009 sowie Honorarkürzungen auf Grundlage der sogenannten Konvergenzvereinbarung in den Quartalen I/2009 und II/2009.

Der Kläger ist als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in K. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Am 23.12.2008 ging dem Kläger der Bescheid der Beklagten über die Zuweisung des RLV für das Quartal I/2009 zu. Mit diesem Bescheid wurde dem Kläger ein RLV in Höhe von xxx EUR zugewiesen.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 30.12.2008, eingegangen bei der Beklagten am 02.01.2009, Widerspruch ein. Das RLV sei zu niedrig bemessen.

Mit Bescheid vom 07.10.2009 setzte die Beklagte das Honorar des Klägers für das Quartal I/2009 in Höhe von insgesamt xxx EUR fest. Dabei wurde das RLV mit xxx EUR ausgewiesen. Dieses RLV hat der Kläger um einen Betrag in Höhe von 714,95 EUR überschritten. Insoweit stand dem Kläger laut Honorarabrechnung eine Vergütung mit abgestaffelten Preisen in Höhe von insgesamt 149,28 EUR zu. Neben den Leistungen innerhalb und außerhalb des RLV wurden freie Leistungen und Einzelleistungen vergütet. Von dem so errechneten Gesamthonoraranspruch zog die Beklagte sodann einen Betrag in Höhe von 24.876,35 EUR ab. Diesen Betrag errechnete die Beklagte aus der Differenz zwischen dem Honorar des Klägers für das Quartal I/2008 (abzüglich Laborleistungen, Kosten, Wegegebühren, Leistungen genehmigungspflichtiger Psychotherapie, Einzelleistungen, HzV-Bereinigungsbetrag) und dem sogenannten Grenzwert für den Honorarzuwachs. Letzterer wurde bei 105 % des Honorars des Klägers für das Quartal I/2008 angesetzt.

Die Honorarkürzung stützte die Beklagte auf die am 09.11.2009 mit Wirkung zum 01.01.2009 zwischen der Beklagten und den Krankenkassen abgeschlossene "Vereinbarung über Verfahrensregelungen zur Vermeidung von überproportionalen Honorarverlusten, bedingt durch die Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung in 2009 (Konvergenzvereinbarung)". Nach § 2 Ziff. 1 dieser Vereinbarung erfolgt eine Ausgleichszahlung, wenn sich das Honorar einer Arztpraxis und das Honorar je Fall für ambulant erbrachte Leistungen der Morbiditätsbedingten Gesamtvergütung ((MGV), ohne Laborleistungen und -kosten des Kapitels 32 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM), Kosten und Wegegebühren, Leistungen des Kapitels 35.2 EBM) um mehr als 5 % gegenüber dem Vorjahresquartal - bezogen auf die im entsprechenden Quartal des Jahres 2009 gültige Definition der Leistungsbereiche - verringert. Die Ausgleichszahlung wird bis 95 % des Fallwertes, maximal jedoch bis 95 % des Honorars, jeweils bezogen auf das entsprechende Vorjahresquartal und den nach 1. definierten Leistungsbereichen, geleistet (§ 2 Ziff. 2 Satz 1 der Konvergenzvereinbarung). Voraussetzung für eine Ausgleichszahlung ist, dass das RLV der betroffenen Arztpraxis ausgeschöpft ist (§ 2 Ziff. 2 Satz 2 der Konvergenzvereinbarung). Honorarsteigerungen im Bereich der Leistungen außerhalb der MGV sowie der Leistungen des Kapitels 35.2 EBM werden nach § 2 Ziff. 3 der Konvergenzvereinbarung mit dem Ausgleichsbetrag verrechnet, wobei dies nicht für Leistungen aus Selektivverträgen gilt. Unter § 2 Ziff. 7 der Konvergenzvereinbarung heißt es: "Die Ausgleichszahlung nach 2. wird quartalsweise unter Berücksichtigung der nachfolgenden Bestimmungen durch die KVBW im Rahmen der Honorarverteilung sichergestellt: a) Zur Finanzierung der Ausgleichszahlungen nach 2. werden die Honorarumsätze derjenigen Praxen einer Quotierung zugeführt, deren Honorarumsätze für Leistungen der Morbiditätsorientierten Gesamtvergütung (ohne Laborleistungen und -kosten des Kapitels 32 EBM, Kosten und Wegegebühren, Leistungen nach Kap. 35.2 EBM) im aktuellen Abrechnungsquartal um 5 % über den entsprechenden Vorjahreshonorarumsätzen liegen. Verluste im Bereich der Leistungen außerhalb der MGV - bezogen auf die im entsprechenden Quartal des Jahres 2009 gültige Definition der Leistungsbereiche - sowie der Leistungen des Kap. 35.2 EBM werden hierbei berücksichtigt. b) Die Ausgleichszahlungen nach 2. werden aus dem jeweiligen Versorgungsbereich unter Verwendung sämtlicher im Rahmen der Honorarverteilung nicht ausgeschöpfter Finanzmittel geleistet."

Gegen den Honorarbescheid für das Quartal I/2009 legte der Kläger mit Schreiben vom 21.10.2009, eingegangen bei der Beklagten am 27.10.2009, Widerspruch ein. Zur Begründung gab der Kläger an, die Honorarkürzung aufgrund der Konvergenzvereinbarung sei nicht rechtmäßig. Es fehle eine rechtliche Grundlage. Soweit eine solche nachträglich geschaffen worden sei, werde die Rechtmäßigkeit angezweifelt. Das Gesetz schreibe verbindliche Regelungen der Honorierung vertragsärztlicher Leistungen vor. Weder der Bewertungsausschuss noch die Beklagte dürften die gesetzlichen Regelungen - auch nur zeitweise- außer Kraft setzen. Andernfalls liege ein erheblicher Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit vor. Jedenfalls sei eine rückwirkende Konvergenzvereinbarung nicht möglich gewesen. Zudem hätte die Vereinbarung zwingend in den Honorarverteilungsvertrag (HVV) der Beklagten aufgenommen werden müssen. Es widerspreche außerdem der Honorarverteilungsgerechtigkeit, wenn die Ausgleichszahlungen wegen reformbedingten Honorarverlusten durch sämtliche, nicht nur reformbedingte Honorarsteigerungen finanziert würden. Die Beklagte habe zudem den gesamten Honorarzuwachs abgezogen, obwohl in der Vereinbarung von einer Quotierung gesprochen werde. Ausnahmen von der Honorarkürzung sehe die Vereinbarung nicht vor. Derartige Vorgaben ohne Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten verstießen gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit und die Berufsausübungsfreiheit. Der Honorarabzug berücksichtige nicht die Veränderungen der klägerischen Praxis. Im Quartal I/2009 sei im Gegensatz zum Vorjahresquartal ein Weiterbildungsassistent beschäftigt gewesen. Außerdem seien anders als im Vorjahr Akkupunkturleistungen erbracht worden. Außerdem stimme die Fallzahl nicht. Im Quartal I/2009 sei ein deutlicher Zuwachs an Schmerzpatienten zu verzeichnen gewesen. Der Honorarzuwachs sei nicht durch die neue Honorarverteilung sondern durch die Praxisbesonderheiten verursacht worden.

Mit Bescheid vom 14.12.2009 setzte die Beklagte das Honorar des Klägers für das Quartal II/2009 in Höhe von insgesamt xxx EUR fest. Dabei wurde das RLV mit xxx EUR ausgewiesen. Dieses RLV hat der Kläger um einen Betrag in Höhe von 441,88 EUR überschritten. Insoweit stand dem Kläger laut Honorarabrechnung eine Vergütung mit abgestaffelten Preisen in Höhe von insgesamt 46,80 EUR zu. Neben den Leistungen innerhalb und außerhalb des RLV wurden freie Leistungen und Einzelleistungen vergütet. Von dem Gesamthonoraranspruch zog die Beklagte einen Betrag in Höhe von 4.508,05 EUR ab. Diesen Betrag errechnete die Beklagte aus der Differenz zwischen dem Honorar des Klägers für das Quartal II/2008 (abzüglich Laborleistungen, Kosten, Wegegebühren, Leistungen genehmigungspflichtiger Psychotherapie, Einzelleistungen, HzV-Bereinigungsbetrag) und dem Grenzwert für den Honorarzuwachs. Letzterer wurde bei 105 % des Honorars des Klägers für das Quartal II/2008 angesetzt.

Gegen diesen Honorarbescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 28.12.2009, eingegangen bei der Beklagten am 04.01.2010, Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2010 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der RLV-Zuweisungsbescheid für das Quartal I/2009 sei nicht zu beanstanden. Dem Kläger sei nach den Regelungen des HVV ein RLV zugewiesen worden. Auch die Honorarkürzungen aufgrund der Konvergenzregelungen seien rechtmäßig. Der Erweiterte Bewertungsausschuss sei berechtigt gewesen, Regelungen über das Konvergenzverfahren zu beschließen. Die Konvergenzvereinbarung diene dazu, überproportionale Honorarverluste infolge der Honorarreform zu vermeiden und damit die flächendeckende Versorgung sicherzustellen. Der Erweiterte Bewertungsausschuss habe Vorgaben zur Umsetzung und Weiterentwicklung von arzt- und praxisbezogenen RLV gemacht und zugleich die Partner der Gesamtverträge ermächtigt, Verfahren zur schrittweisen Anpassung der RLV zu beschließen, sofern die Honorarverluste nicht durch von der Praxis zu verantwortende Gründe entstanden und durch die Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik begründet seien. Die Vorgaben des Erweiterten Bewertungsausschusses seien im HVV für 2009 umgesetzt worden. § 12 HVV lasse Ausgleichszahlungen bei Honorarverlusten zu. Da nach § 12 Abs. 3 HVV die nähere Regelung der KVBW zugewiesen sei, habe die Beklagte mit ihren Vertragspartnern eine Konvergenzvereinbarung geschlossen. Dabei sei eine rückwirkende Vereinbarung zulässig gewesen. Die Konvergenzvereinbarung sei nicht zu beanstanden. Der Erweiterte Bewertungsausschuss habe beschlossen, dass eine Nachschusspflicht für die Krankenkassen nicht bestünde. Zur Finanzierung der Ausgleichszahlungen sei daher eine Quotierung für positive Honorarveränderungen vereinbart worden. Die Quotierung sei notwendige Voraussetzung, um das Solidargefüge der Vertragsärzte aufrechtzuerhalten. Dabei sei zu beachten, dass nicht jeglicher Honorarzuwachs unterbunden werde, da die Wachstumstoleranzgrenze bei 105 % des Vorjahresquartals angesetzt worden sei. Dadurch würde auch einem eventuell geänderten Leistungsspektrum - wenn auch nicht in vollem Umfang - Rechnung getragen.

Am 15.12.2010 erhob der Kläger zum Sozialgericht Stuttgart Klage. Zur Begründung lässt der Kläger im Wesentlichen Folgendes vortragen:

Der RLV-Zuweisungsbescheid sei deshalb rechtswidrig, weil er verspätet bekanntgegeben worden sei. Das Gesetz schreibe in einem solchen Fall verbindlich vor, dass dann das bisherige RLV vorläufig fortgelte. Da bisher kein vergleichbares RLV bestanden habe, habe der Kläger Anspruch auf Zuweisung des RLV des Fachgruppendurchschnitts. Alternativ sei für das Quartal I/2009 überhaupt kein RLV zum Ansatz zu bringen.

Die Honorarkürzungen aufgrund der Konvergenzvereinbarung seien ebenfalls rechtswidrig. Es fehle eine Ermächtigungsgrundlage für derartige Abzüge. Die Befugnisse des (Erweiterten) Bewertungsausschusses seien auf Regelungen für die Verteilung der Gesamtvergütung unter den einzelnen Arztgruppen begrenzt. Weitergehende Kompetenzen, insbesondere die Aussetzung der Vergütung sehe das Gesetz nicht vor. Die Beklagte könne die Honorarkürzungen auch nicht auf ihren HVV stützen. Die Konvergenzvereinbarung ginge über das im HVV geregelte hinaus. Zumindest hätte die Vereinbarung als unmittelbarer Bestandteil in den HVV integriert werden müssen. Zudem hätte eine rückwirkende Vereinbarung nicht erfolgen dürfen. Die Konvergenzvereinbarung verstoße ferner gegen die Berufsausübungsfreiheit und das Gebot der leistungsproportionalen Vergütung. Wichtige Gründe des Gemeinwohls, die derartige Eingriffe rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Die Beklagte habe nicht aufgezeigt, dass durch eine leistungsgerechte und leistungsproportionale Vergütung der Vertragsärzte anhand der gesetzlichen Vorgaben ein Zusammenbruch des Systems bzw. Unterdeckungen mit finanziellen Auswirkungen auf das gesamte vertragsärztliche System in Baden-Württemberg drohten. Jedenfalls hätte die Beklagte aber nur dann Honorarkürzungen vornehmen dürfen, wenn die Honorarzuwächse auf die Honorarreform zurückzuführen seien. Honorarsteigerungen, die - wie beim Kläger - auf eine Umstellung seines Therapieverhaltens zurückzuführen seien, dürften nicht mit einbezogen werden. Die Konvergenzvereinbarung hätte Ausnahmeregelungen vorsehen müssen.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte unter Aufhebung des RLV-Zuweisungsbescheids für das Quartal I/2009 und der Honorarbescheide für die Quartale I/2009 und II/2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.11.2010 zu verurteilen, über die Honoraransprüche des Klägers für die Quartale I/2009 und II/2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

2. die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte erwidert im Wesentlichen, der RLV-Zuweisungsbescheid sei zwar erst nach der gesetzlich vorgesehenen Frist ergangen. Dabei handele es sich jedoch um eine bloße Ordnungsfrist bzw. Absichtserklärung des Gesetzgebers. Diese könne die Gültigkeit von RLV, die vor Beginn des Quartals zugewiesen würden, nicht beeinträchtigen. Eine Weitergeltung der bis zum 31.12.2008 gültigen RLV sei ohnehin nicht möglich, da diese auf ganz anderen Voraussetzungen beruht hätten.

Auch die Honorarkürzungen im Rahmen der Konvergenz seien nicht zu beanstanden. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht liege nicht vor. Die Konvergenzvereinbarung basiere auf Beschlüssen des Erweiterten Bewertungsausschusses. Danach könnten die Partner der Gesamtverträge zur Vermeidung überproportionaler Honorarverluste und zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung ein Konvergenzverfahren beschließen. Ziel sei eine schrittweise Anpassung der RLV. Der Erweiterte Bewertungsausschuss habe keine verbindlichen Vorgaben, wie die Konvergenzregelungen konkrete auszugestalten seien, gemacht. Den Partnern der Gesamtverträge sollte eine größtmögliche regionale Flexibilität ermöglicht werden. Der Erweiterte Bewertungsausschuss habe die - zeitlich befristete - Konvergenzphase als Phase zur "schrittweisen Anpassung der RLV" bezeichnet. Er habe damit ausdrücklich geregelt, dass die überproportionalen Honorarverluste nicht über Rückstellungen, sondern über Honorarzuwächse bei sogenannten Gewinnerpraxen zu finanzieren sei. Dies werde auch daran deutlich, dass nach den Vorgaben des Erweiterten Bewertungsausschusses die Auswirkungen der Konvergenzphase bei der Bildung von Rückstellungen und bei den Vorwegabzügen zum Zwecke der Vermeidung von Unterdeckungen zu berücksichtigen seien. Die Beschlüsse des Bewertungsausschusses genügten den gesetzlichen Anforderungen. Dem Bewertungsausschuss stünde eine Gestaltungsfreiheit zu, die von der Rechtsprechung zu respektieren sei. Anderes gelte nur dann, wenn zweifelsfrei feststünde, dass die Entscheidung von sachfremden Erwägungen getragen sei. Dies sei nicht der Fall. Dabei sei zu berücksichtigen, dass dem Normgeber unter dem Gesichtspunkt der Anfangs- und Erprobungsregelung ein besonders weiter Gestaltungsspielraum zustünde. Es handele sich nicht um ein Instrument der Mengensteuerung. Grund der Konvergenzvereinbarung sei die angemessen Versorgung als Gemeinwohlbelang von überragender Wichtigkeit. Dabei dürften auch Honorarsteigerungen durch Änderungen der Leistungsausrichtung berücksichtigt werden, da andernfalls die Regelungen der Konvergenzphase umgangen werden könnten. Die Konvergenzvereinbarung habe auch nicht in den HVV integriert werden müssen. Schließlich liege kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vor.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere des Beteiligtenvortrages, wird auf die Sozialgerichtsakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.12.2011 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht beim örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Stuttgart erhobene Klage ist zulässig und überwiegend begründet. Die angefochtenen Honorarbescheide für die Quartale I/2009 und II/2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.11.2010 sind hinsichtlich der Honorarkürzungen zur Finanzierung der Ausgleichszahlungen nach der Konvergenzvereinbarung rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat insoweit Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Im Übrigen war die Klage abzuweisen. Der RLV-Zuweisungsbescheids für das Quartal I/2009 ist rechtlich nicht zu beanstanden.

I. Die vorgenommenen Honorarkürzungen basieren auf § 2 Ziff. 7 a) der Konvergenzvereinbarung zwischen der Beklagten und den Krankenkassen vom 09.11.2009. Diese Regelung ist unwirksam, da sie nicht mit höherrangigem Recht vereinbar ist.

Gemäß § 87b Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) werden ab dem 1. Januar 2009 (abweichend von § 85 SGB V) die vertragsärztlichen Leistungen von der Beklagten auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs. 2 SGB V vergütet. Zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis sind nach § 87b Abs. 2 Satz 1 SGB V arzt- und praxisbezogene RLV festzulegen. Ein RLV ist die von einem Arzt oder der Arztpraxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit den in der Euro-Gebührenordnung gemäß § 87a Abs. 2 SGB V enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten ist (§ 87b Abs. 2 Satz 2 SGB V). Abweichend hiervon ist gemäß § 87b Abs. 2 Satz 3 SGB V die das RLV überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Preisen zu vergüten. Die Werte für die RLV sind morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und nach Versorgungsgraden sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen festzulegen (§ 87b Abs. 3 Satz 1 SGB V). Der Bewertungsausschuss bestimmt erstmalig bis zum 31. August 2008 das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der RLV (§ 87b Abs. 4 Satz 1 SGB V).

Der (Erweiterte) Bewertungsausschuss hat mit Beschluss in seiner 7. Sitzung am 27. und 28.08.2008 (Teil F) detailliert Vorgaben zur Berechnung und zur Anpassung von arzt- und praxisbezogenen RLV nach § 87b Abs. 2 und Abs. 3 SGB V gemacht. Die Beklagte ist hieran gebunden. Dies ergibt sich aus § 87b Abs. 4 Satz 1 SGB V, wonach die Zuständigkeit für die Bestimmung des Verfahrens zur Berechnung und Anpassung der RLV dem Bewertungsausschuss zugewiesen ist. Die Beklagte stellt zwar mit den Krankenkassen unter Verwendung der erforderlichen regionalen Daten die für die Zuweisung der RLV konkret anzuwendende Berechnungsformel fest, ist dabei aber an die Vorgaben des Bewertungsausschusses gebunden (§ 87b Abs. 4 Satz 3 SGB V).

Der Gesetzgeber hat mit diesen Regelungen das Ziel verfolgt, die regional unterschiedlichen Kriterien der Honorarverteilung zu beseitigen. Die Vergütung der Ärzte sollte künftig in allen Regionen nach bundeseinheitlichen Regelungen des Bewertungsausschusses erfolgen (vgl. Gesetzentwurf zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, BT-Drucks. 16/3100, S. 126). Von diesen Bestimmungen darf daher durch die Partner der Honorarverteilungsverträge nicht ohne normative Grundlage auf Bundesebene abgewichen werden.

Die Beklagte ist mit den Bestimmungen der Konvergenzvereinbarung zur Honorarkürzung bei den sogenannten "Gewinnerpraxen" von den Vorgaben des Bundesgesetzgebers und des (Erweiterten) Bewertungsausschusses abgewichen. Sie hat unter Anwendung des § 2 Ziff. 7 der Konvergenzvereinbarung einen Teil der von dem Kläger erbrachten Leistungen entgegen der bundesrechtlichen Vorgaben nicht vergütet. Dabei hat sich die Beklagte im Ergebnis weder an die Bestimmung zur abgestaffelten Vergütung der Leistungsmenge, die das RLV überschreitet, noch an die Regelungen zur Vergütung der innerhalb des RLV liegenden Leistungsmenge gehalten. Die streitgegenständlichen Honorarkürzungen umfassten betragsmäßig jeweils die gesamte abgestaffelte Vergütung sowie einen Teil des zugewiesenen RLV. Dem Kläger wurden damit realiter ein Teil seines RLV sowie die gesamte abgestaffelte Vergütung für Leistungen, die über das RLV hinausgingen, vorenthalten. Mit dieser Vorgehensweise haben die Vertragspartner der Konvergenzvereinbarung die Anwendung der bundeseinheitlich vorgegebenen Regelungen zu den RLV faktisch ausgesetzt. Zwar sieht der Honorarverteilungsvertrag für den Bezirk der Beklagten (gültig ab 01.01.2009) in Erfüllung der gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben Bestimmungen zum RLV vor. Die Beklagte hat diese Regelungen laut Honorarbescheid auch zunächst zur Anwendung gebracht. Dadurch, dass die Beklagte aber im Anschluss eine Kürzung des Honorars nach der Konvergenzvereinbarung vorgenommen hat, konterkarierte sie die Regelungen zum RLV. Anstelle einer Vergütung auf Grundlage von RLV erfolgte tatsächlich eine Vergütung in Orientierung an den Honorarumsätzen der Vorjahresquartale. Damit hat die Beklagte eine praxisindividuelle Budgetierung zum Ansatz gebracht, die mit den für die Zeit ab 01.01.2009 geltenden normativen Vorgaben nicht vereinbar war.

Eine Ermächtigungsgrundlage für diese Vorgehensweise existierte auf Bundesebene nicht. Die Beklagte kann sich zur Rechtfertigung insbesondere nicht auf Beschlüsse des (Erweiterten) Bewertungsausschusses berufen.

Der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses in seiner 9. Sitzung am 15.01.2009 (Teil A) kann bereits deshalb keine Grundlage für die Konvergenzvereinbarung bilden, da er noch vor Abschluss der Vereinbarung zwischen der Beklagten und den Krankenkassen durch Beschluss in der 10. Sitzung des Erweiterten Bewertungsausschusses am 27.02.2009 umfassend abgeändert wurde. Die Bestimmungen im Beschluss vom 15.01.2009, auf welche die Beklagte ihre Auslegung stützt, haben dadurch ihre Gültigkeit verloren.

Der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses in seiner 10. Sitzung am 27.02.2009 (Teil A - Konvergenzphase für die Steuerung der Auswirkungen der Umsetzung des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung) bildet ebenfalls keine hinreichende normative Grundlage für die streitgegenständlichen Honorarkürzungen.

Nach Ziff. 1 des Beschlusses können die Partner der Gesamtverträge einvernehmlich zur Vermeidung von überproportionalen Honorarverlusten und zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung "ein Verfahren zur schrittweisen Anpassung der Steuerung der vertragsärztlichen Leistungen, insbesondere der arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen (Konvergenzverfahren)" beschließen, sofern die Honorarverluste durch die Umstellung der Steuerung auf die neue Systematik begründet sind. Das Konvergenzverfahren dient mithin den Zielen, reformbedingte Honorarverluste in größerem Umfang und Versorgungsdefizite abzuwenden. Honorarsteigerungen infolge der Neuordnung der Vergütung werden im Beschluss nicht thematisiert. Eine Regelung zur Vornahme von Honorarkürzungen existiert nicht.

Die Befugnis zur Vornahme von pauschalen Honorarkürzungen bei sog. "Gewinnerpraxen" lässt sich auch nicht durch Auslegung der Regelungen ermitteln. Insbesondere kann eine Ermächtigung - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht Ziff. 8 des Beschlusses entnommen werden. Nach dieser Bestimmung lösen die Konvergenzregelungen keine Nachschusspflicht der Krankenkassen aus. Die Konvergenzregelungen sind stattdessen bei der Bildung von Rückstellungen zur Vermeidung von Unterdeckungen zu berücksichtigen. Hieraus kann nicht geschlossen werden, dass die Beklagte zur Finanzierung der Ausgleichszahlungen Honorarkürzungen bei "Gewinnerpraxen" vornehmen darf. Der Beklagten wird vielmehr aufgegeben, zur Finanzierung des Konvergenzverfahrens ausreichende Rückstellungen zu bilden.

Eine Ermächtigungsgrundlage für die vorgenommenen Honorarkürzungen ergibt sich auch nicht aus den übrigen Regelungen des Beschlusses. Die Bestimmungen zeigen vielmehr auf, dass auch in der Konvergenzphase die Vergütung nach RLV zu erfolgen hat. Nach Ziff. 2 des Beschlusses wird das Konvergenzverfahren "mit dem Ziel einer schrittweisen Anpassung der Steuerung der vertragsärztlichen Leistungen, insbesondere der arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen an die sich aus der Beschlussfassung des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung ergebenden Vorgaben" ausgestaltet. "Bestehende Differenzen zwischen der sich aus der jeweiligen Beschlussfassung des Erweiterten Bewertungsausschusses ergebenden Steuerung der vertragsärztlichen Leistungen insbesondere der arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen und der aus dem regionalen Verfahren nach 1. ergebenden Steuerung der vertragsärztlichen Leistungen insbesondere der arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen" sind nach Ziff. 5 des Beschlusses bis zum 31.12.2010 vollständig aufzuheben. Demnach darf zwar von Vorgaben des (Erweiterten) Bewertungsausschusses für eine Übergangszeit abgewichen werden, hinsichtlich der RLV jedoch nur insoweit, als dass eine "schrittweise Anpassung" an die normativen Vorgaben vorgenommen werden darf (vgl. BSG, Urt. v. 18.08.2010, B 6 KA 27/09 R, SozR 4-2500 § 85 Nr. 58, juris-Rd. 43). Die (faktische) Aussetzung der Vergütung nach RLV wird nicht gestattet. Lediglich von den Vorgaben zur Berechnungsweise der RLV darf abgewichen werden (vgl. Ziff. 3 und 4 des Beschlusses vom 27.02.2009), nicht aber von der ab 2009 gültigen und vom Gesetzgeber vorgegebenen Grundstruktur des Honorarverteilungssystems. Zu entsprechenden Regelungen wäre der (Erweitere) Bewertungsausschuss auch nicht ermächtigt gewesen. Ihm steht zwar ein Gestaltungspielraum bei den von ihm zu treffenden Regelungen zu (BSG, Urt. v. 17.03.2010, B 6 KA 43/08 R, BSGE 106, 56). Insoweit ist er auch berechtigt Übergangsregelungen zu erlassen, wonach aus Gründen der Kontinuität des Honorierungsumfangs und der Verwaltungspraktikabilität für eine bestimmte Zeit noch Abweichungen von den gesetzlichen Vorgaben toleriert werden (BSG, Urt. v. 17.03.2010, B 6 KA 43/08 R, a. a. O.; Urt. v. 18.08.2010, B 6 KA 27/09 R, a. a. O.). Die weitgehende Suspendierung zwingender gesetzlicher Vorgaben ist dagegen vom Gestaltungsspielraum des (Erweiterten) Bewertungsausschusses nicht umfasst (vgl. BSG, Urt. v. 14.12.2011, B 6 KA 3/11 R, veröffentlicht bislang nur im Terminbericht Nr. 65/11). Wie oben aufgezeigt, entsprach die Vorgehensweise der Beklagten faktisch einer Aussetzung der Vergütung nach RLV. Die Höhe des dem Vertragsarzt zustehenden Honorars bestimmte sich im Ergebnis nicht nach arztgruppenspezifischen RLV, sondern nach dem praxisindividuellen Honorarumsatz im Referenzquartal.

Die Beklagte kann sich zur Rechtfertigung der Honorarkürzungen auch nicht darauf berufen, dass die Ausgleichszahlungen an diejenigen Praxen, die infolge der Honorarreform Honorareinbußen hinnehmen mussten, finanziert werden mussten. Die Beklagte ist gehalten, die für einen Ausgleich benötigten Geldmittel in rechtlich zulässiger Form zu beschaffen (BSG, Urt. v. 18.08.2010, B 6 KA 27/09 R, SozR 4-2500 § 85 Nr. 58). Eine Art "Schicksalsgemeinschaft" der von den RLV besonders begünstigten und besonders belasteten Praxen besteht nicht (BSG, Urt. v. 18.08.2010, B 6 KA 27/09 R, a. a. O.). Das von der Beklagten angeführte Solidargefüge der Vertragsärzte zeichnet sich vielmehr durch eine gleichmäßige Belastung aller an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte aus. Es ist kein Grund ersichtlich, nur die sogenannten "Gewinnerpraxen" in die Pflicht zu nehmen. Dem steht sowohl das in § 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V angesprochene Gebot der leistungsproportionalen Verteilung der Gesamtvergütung als auch der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit (Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG) entgegen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die "Gewinnerpraxen" - wie vorliegend - einer pauschalen Kürzung unterzogen werden, ohne die Gründe für den Zuwachs zu berücksichtigen. Honorarzuwächse in der Aufbauphase einer Anfängerpraxis oder aufgrund einer Praxisneuausrichtung stehen in keinerlei Korrelation zu reformbedingten Honorarverlusten bei den sogenannten "Verliererpraxen". Es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass deutliche Honorarzuwächse einzelner Arztgruppen oder Praxen infolge der Honorarreform vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt waren, z. B. weil bestimmte Vergütungsanreize gesetzt werden sollten oder das bisherige Honorarniveau als unzureichend angesehen wurde (zur Honorarreform im Jahr 2005: BSG, Urt. v. 18.08.2010, B 6 KA 27/09 R, a. a. O.). Eine pauschale Inanspruchnahme aller "Gewinnerpraxen" zur Finanzierung der Ausgleichszahlungen an die "Verliererpraxen" ist deshalb nicht zulässig (zur Konvergenzregelung im HVV der KV Hessen für das Quartal IV/2005 so auch: BSG, Urt. v. 18.08.2010, B 6 KA 27/09 R, a. a. O.). Die zur Finanzierung erforderlichen Geldmittel müssen vielmehr aus der Gesamtvergütung - also zu Lasten aller Vertragsärzte - aufgebracht werden (zur Konvergenzregelung im HVV der KV Hessen für das Quartal IV/2005 so auch: BSG, Urt. v. 18.08.2010, B 6 KA 27/09 R, a. a. O.). Hierfür sind gegebenenfalls Rückstellungen zu bilden. Dementsprechend sieht Ziff. 8 des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses in seiner 10. Sitzung vom 27.02.2009 (Teil A) vor, dass bei der Bildung von Rückstellungen die Auswirkungen der Konvergenzphase zum Zwecke der Vermeidung von Unterdeckungen zu berücksichtigen sind (zur Bildung von Rückstellungen zum Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten vgl. auch: Teil G des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses in seiner 7. Sitzung vom 27. und 28.08.2008 sowie § 12 i. V. m. Anlage 3b zu Teil B des HVV).

Eine Rechtfertigung der Vorgehensweise der Beklagten ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung. Denn eine den rechtlichen Vorgaben von vornherein zuwiderlaufende Regelung kann auch nicht für eine Übergangszeit toleriert werden (BSG, Urt. v. 18.08.2010, B 6 KA 27/09 R, a. a. O.).

Der Klage war daher insoweit stattzugeben.

II. Der RLV-Zuweisungsbescheid für das Quartal I/2009 ist dagegen rechtlich nicht zu beanstanden. Der Bescheid ist nicht deshalb rechtswidrig, weil die Zuweisung nicht zum 30.11.2008 erfolgte.

Nach § 87b Abs. 5 Satz 1 SGB V obliegt die Zuweisung der RLV an den Arzt oder die Arztpraxis einschließlich der Mitteilung der Leistungen, die außerhalb der RLV vergütet werden, sowie der jeweils geltenden regionalen Preise der Kassenärztlichen Vereinigung; die Zuweisung erfolgt erstmals zum 30. November 2008 und in der Folge jeweils spätestens vier Wochen vor Beginn der Geltungsdauer des RLV. Kann ein RLV nicht rechtzeitig vor Beginn des Geltungszeitraums zugewiesen werden, gilt das bisherige dem Arzt oder der Arztpraxis zugewiesene RLV vorläufig fort (§ 87b Abs. 5 Satz 4 SGB V). Zahlungsansprüche aus einem zu einem späteren Zeitpunkt zugewiesenen höheren RLV sind rückwirkend zu erfüllen (§ 87b Abs. 5 Satz 5 SGB V).

Die Beklagte hat die Frist des § 87b Abs. 5 Satz 1, 2. Halbsatz SGB V bei der Zuweisung des RLV für das Quartal I/2009 nicht eingehalten. Die Gültigkeit des zugewiesenen RLV bleibt hiervon jedoch unberührt. Zwar sind die zeitlichen Vorgaben in § 87b Abs. 5 Satz 1 SGB V gesetzliche Fristen, die nach dem Willen des Gesetzgebers sicherstellen sollen, dass das RLV dem Arzt vorab bekanntgegeben wird, so dass er Kalkulationssicherheit erhält (BT-Drucks. 16/3100, S. 126). Die Säumnis der Frist für die erstmalige Zuweisung des RLV bleibt jedoch sanktionslos (im Ergebnis so auch: SG Berlin, Urt. v. 20.04.2011, S 71 KA 632/09, juris-Rd. 45; zur Vierwochenfrist: SG Marburg, Beschl. v. 01.09.2010, S 11 KA 604/10 ER, juris-Rd. 30f.; SG Düsseldorf, Urt. v. 06.04.2011, S 33 KA 217/09, juris-Rd. 13). Denn § 87b Abs. 5 Satz 4 SGB V ist im Fall der erstmaligen Zuweisung des RLV nicht anwendbar. Die Regelung setzt voraus, dass bereits zuvor ein RLV zugewiesen worden war. Nur dann ist dessen "Fortgeltung" möglich. Dabei kann das "bisherige RLV" nur ein solches nach § 87b Abs. 2 SGB V sein, da die RLV vor dem 01.01.2009 nach anderen Kriterien bemessen und insbesondere in Punkten ausgewiesen wurden (vgl. § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V). Eine Fortgeltung der im Jahr 2008 den Honorarabrechnungen zugrundegelegten RLV scheidet demnach schon aufgrund ihrer Unvereinbarkeit mit den ab 2009 geltenden Vergütungsbestimmungen aus. Mangels Fortgeltung eines RLV ist § 87b Abs. 5 Satz 4 SGB V somit bei erstmaliger Zuweisung des RLV nicht anwendbar. Andere Rechtsfolgen der Fristversäumnis bei erstmaliger RLV-Zuweisung, wie etwa den Ansatz des Fachgruppendurchschnitts oder die unbudgetierte Vergütung, sieht das Gesetz nicht vor. Für die Anwendung solcher Rechtsfolgen wären jedoch entsprechende Regelungen erforderlich gewesen, da damit von den Vergütungsvorgaben des § 87b Abs. 2 SGB V abgewichen würde.

Das Versäumen der Frist für die erstmalige Zuweisung des RLV bleibt mithin ohne Rechtsfolge. Da auch hinsichtlich der Höhe des zugewiesenen RLV keine Fehler ersichtlich sind, ist der Zuweisungsbescheid für das Quartal I/2009 insgesamt nicht zu beanstanden.

Die Klage war daher insoweit abzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Eine Kostenquote war nicht zu bilden, da der Anteil des klägerischen Unterliegens nicht ins Gewicht fällt. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren war notwendig.
Rechtskraft
Aus
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