L 8 AL 353/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 80 AL 1894/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 AL 353/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. September 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist ein Anspruch auf Arbeitslosengeld. Der Kläger ist 1954 geboren worden. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld, der am 22. Juli 1996 wegen versicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse ab Juli 1995 entstanden war, war mit Ablauf des 3. September 1997 erschöpft. Danach bezog der Antragsteller Arbeitslosenhilfe bis zum 31. Juli 2002. Die Leistungsbewilligung wurde ab 1. August 2002 wegen "Arbeitsaufnahme" aufgehoben. Für die Einstellung des Klägers an deren Geschäftssitz in B bewilligte die Beklagte der 2002 in Großbritannien registrierten Firma S B L. (im folgenden: SB L.) durch Bescheid vom 13. November 2002 einen Eingliederungszuschuss wegen erschwerter Vermittlung in Höhe von 2.160,- EUR monatlich (60 % des vereinbarten Monatsentgelts von 3.000,- EUR). Mit Datum des 18. August 2003 übersandte die SB L. der Beklagten eine Formular-"Erklärung zur Gewährung von Eingliederungszuschuss", in der sie mitteilte, dass das Arbeitsverhältnis mit gleichem Arbeitsentgelt fortbestehe und das Arbeitsentgelt ununterbrochen gezahlt worden sei. Außerdem beantragte sie die weitere Gewährung der Leistung. In der Vordruckzeile "Unterschrift des Arbeitnehmers" befand sich ein handschriftliches Namenskürzel. Dem Formular war ein Blatt mit der Überschrift "Gehaltsabrechnung Monat Jul 03" betreffend den Kläger beigefügt. Am 13. April 2004 stellte der Kläger eine Strafanzeige gegen den "Generalbevollmächtigten" der SB L., B A. Der Polizeipräsident in B - Landeskriminalamt - (LKA) gab dies der Beklagten mit Schreiben vom 9. Juni 2004 bekannt, dem unter anderem das Protokoll über die Vernehmung des Klägers als Zeugen vom 9. Juni 2004 beigefügt war. In der Folgezeit erhielt die Beklagte vom LKA weitere Unterlagen über die polizeilichen Ermittlungen. Durch Bescheid vom 23. Mai 2005 widerrief sie gegenüber dem "Generalbevollmächtigten" der SB L. den Bewilligungsbescheid vom 23. Mai 2005 und forderte einen Betrag von 23.760,- EUR (11 x 2.160,- EUR) zurück. Unterdessen meldete sich der Kläger mit Wirkung ab 1. Mai 2004 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Er gab an, vom 1. August 2002 bis zum 30. April 2004 bei der SB L. als technischer Leiter gearbeitet zu haben. Wegen ausgebliebener Lohnzahlungen seit Juli 2003 seien Verfahren vor dem Arbeitsgericht Berlin anhängig. Gehaltsabrechnungen habe er nicht erhalten. Seit Januar 2004 sei ihm Sozialhilfe in Höhe von 500,- EUR monatlich gewährt worden. In einer Erklärung "als vorläufiger Ersatz einer Arbeitsbescheinigung" gab der Kläger mit Datum des 12. Mai 2004 gegenüber der Beklagten an, dass die SB L. nicht mehr erreichbar sei. Das Gehalt habe monatlich gleichbleibend 3000,- EUR brutto betragen; hierzu legte er die Kopie eines am 1. August 2002 von ihm und dem "Generalbevollmächtigten" der SB L. unterzeichneten Arbeitsvertrags "für gewerbliche Arbeitnehmer" vor. Ferner reichte er unter anderem Kopien zweier vollstreckbarer Ausfertigungen von Versäumnisurteilen des Arbeitsgerichts Berlin (vom 9. Januar 2004 - 72 Ca 31678/03 - betreffend Lohnforderungen in Höhe von 18.000,- EUR brutto und vom 9. Februar 2004 - 89 Ca 687/04 betreffend die Herausgabe ausgefüllter Lohnsteuerkarten für die Jahre 2002 und 2003) und einen Versicherungsverlauf der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 14. Mai 2004 (keine vorgemerkten Versicherungszeiten nach Juli 2002 enthalten) ein. Die Beklagte erhielt von der Krankenkasse des Klägers am 6. August 2004 die Auskunft, dass keine Meldung der SB L. vorliege, obwohl sie mehrfach angemahnt worden sei. Anschreiben der Beklagten an die SB L. (unter der Anschrift ihres "Generalbevollmächtigten") wurden nicht beantwortet, ohne dass es Postrückläufer gab. Durch Bescheid vom 19. August 2004 lehnte die für die Bearbeitung des Antrags auf Arbeitslosengeld zuständige Stelle der Beklagten den Antrag ab, ohne Kenntnis von den Mitteilungen des LKA erhalten zu haben. Der Kläger habe nach dem 22. Juli 1996, als er den letzten Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben habe, nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Ein Restanspruch aus der früheren Anwartschaft bestehe nicht. Der Kläger habe auch keine Anwartschaft nach den besonderen Bestimmungen für Saisonarbeitnehmer erworben. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosenhilfe seien ebenfalls nicht erfüllt. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er 21 Monate in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Das Urteil des Arbeitsgerichts, in dem über seine Entgeltforderung rechtskräftig entschieden worden sei, binde die Beklagte. Im Übrigen könne zu Bauvorhaben, an denen er beteiligt gewesen sei, Beweis angetreten werden. Am 1. August 2002 habe er einen Mitarbeiter eingestellt und ihm im September 2002 eine fristlose Kündigung ausgesprochen. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 29. November 2004 zurück (auch im Widerspruchsverfahren waren die Unterlagen des LKA der bearbeitenden Stelle der Beklagten nicht bekannt). Der Nachweis dafür, dass der Kläger in der Zeit vom 1. August 2002 bis zum 31. Juli 2004 in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe, sei nicht erbracht. Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts reiche dazu nicht aus. Vom Arbeitsgericht sei nur zu prüfen gewesen, ob der Vortrag des Klägers schlüssig sei, da der Arbeitgeber keine Einwendungen geltend gemacht habe. Ob der Kläger Arbeitnehmer gewesen sei, sei von daher zweifelhaft, als er über einen längeren Zeitraum ohne Gehalt gearbeitet habe. Das entspreche nicht dem üblichen Verhalten eines Arbeitnehmers. Gegen seine Weisungsgebundenheit spreche auch, dass er Arbeitnehmer eingestellt und entlassen habe. Mit seiner Klage hat der Kläger sein Anliegen weiterverfolgt und zur Begründung den Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und erweitert. Ihm könne nicht angelastet werden, dass die SB L. keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt habe und keine Arbeitsbescheinigung zu erlangen sei. Die Beklagte hat sich, nachdem sie den Verwaltungsvorgang betreffend die Eingliederungshilfe ausgewertet hat, in ihrer bisherigen Auffassung bestätigt gesehen. Ein gültiges Versicherungspflichtverhältnis mit der SB L. habe offenbar nie bestanden. Der Kläger habe stets nur Abschlagszahlungen erhalten, deren Höhe er selbst nicht beziffern könne und für die er keine Nachweise habe. Trotzdem habe er der Firma noch im Mai sowie im Juli/August 2003 insgesamt 10.5000,- EUR geliehen. Das Sozialgericht hat eine schriftliche Auskunft des B A, B, eingeholt, die er mit Datum des 15. Oktober 2005 abgegeben hat. Der Kläger hat ihr entgegengehalten, dass sie Schutzbehauptungen enthalte. Durch Urteil vom 23. September 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, weil er in der vom 1. Mai 2002 bis zum 30. April 2004 laufenden Rahmenfrist nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Die Kammer habe sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Kläger gegenüber der Firma SB L. in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Typisches Merkmal eines Beschäftigungsverhältnisses sei die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers über Zeit, Dauer, Ort und Ausführung einer Tätigkeit. Demgegenüber sei die selbstständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Im vorliegenden Fall wichen die tatsächlichen Verhältnisse von den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen - die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen könnten - erheblich ab. Nach den Ausführungen des Herrn A habe der Kläger den Geschäftsbetrieb nach Art und Form bestimmen und gestalterischen Einfluss auf die Firma nehmen können. Die vom Kläger selbst eingereichten Rechnungen und Auftragsbestätigungen belegten, dass er auch nach außen den Anschein erweckt habe, für die Firma handeln zu können. Er habe ferner 2004 gegenüber dem LKA angegeben, dass er eine Firma gemeinsam mit Herrn A habe gründen wollen und dass nur er allein die Aufträge gehabt habe. Wesentlich gegen eine abhängige Beschäftigung spreche auch, dass der Kläger nach eigenen Angaben zu keinem Zeitpunkt den vertraglich vereinbarten und seit Juli 2003 gar keinen Lohn erhalten mehr habe. Kein Arbeitnehmer setze unter solchen Bedingungen das Arbeitsverhältnis weitere 10 Monate fort und gewähre der Firma außerdem noch ein Darlehen, zudem zu einer Zeit, in der sie bereits in Zahlungsschwierigkeiten gestanden habe und weder Löhne noch Subunternehmer habe bezahlen können. Der Kläger selbst beschreibe auch, immer die Hoffnung gehabt zu haben, dass Geld reinkomme, was für ein wesentliches Interesse am wirtschaftlichen Erfolg spreche. Keine plausible Erklärung als ein Eigeninteresse an der Firma gebe es schließlich dafür, dass der Kläger trotz der Lohnrückstände und des hergereichten Darlehens lediglich den guten Worten des Herrn A vertraut habe. Mit der Berufung hat der Kläger sein Anliegen weiterverfolgt. Er beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. September 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 19. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Mai 2004 Arbeitslosengeld zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die angefochtene Entscheidung und die von ihr erlassenen Bescheide für zutreffend. Der Senat hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren durch Beschluss vom 22. Juli 2009 mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten lagen dem Senat bei seiner Entscheidung vor. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.

II.

Der Senat konnte über die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Er hält sie einstimmig für unbegründet. Eine mündliche Verhandlung sieht er nicht als erforderlich an, weil der entscheidungserhebliche Sachverhalt aufgeklärt ist und die entscheidungserheblichen Rechtsvorschriften, nicht zuletzt angesichts umfangreicher Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, ohne Schwierigkeiten anzuwenden sind. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 1. Mai 2004, weil er die notwendige Anwartschaftszeit nicht erfüllte (§ 117 Abs. 1 Nr. 3 i.V. mit §§ 123, 124 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III] in der hier gemäß § 434j Abs. 3 SGB III noch anwendbaren bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung). Zwar betrug die Rahmenfrist wegen § 434j Abs. 3 SGB III, anders als es das Sozialgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, noch drei Jahre (§ 124 Abs. 1 SGB III in der Fassung bis 31. Dezember 2003). Auch in diesem Zeitraum stand der Kläger jedoch nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis (§ 123 Satz 1 Nr. 1 SGB III in der Fassung bis 31. Dezember 2003). Zutreffend ist das Sozialgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Versicherungspflichtverhältnis als Beschäftigter gegen Arbeitsentgelt (§§ 24 Abs. 1, 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III) bei der S B L. vom 1. August 2002 bis zum 30. April 2004 nicht nachgewiesen werden kann. Der Senat nimmt insoweit auf die Seiten 5 (ab dem vorletzten Absatz) bis 8 (bis zum Ende des dritten Absatzes) des angefochtenen Urteils Bezug, um Wiederholungen zu vermeiden (§ 153 Abs. 2 SGG). Die Berufung hat der Kläger nicht weiter begründet. Dem entsprechend ergibt sich auch nichts, was zu einer anderen rechtlichen Bewertung führen könnte. Nach anderen Vorschriften konnte der Kläger die Anwartschaftszeit nicht erfüllen (s. § 123 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB III in der Fassung bis 31. Dezember 2003). Aus dem 1996 entstandenen Anspruch auf Arbeitslosengeld war wiederum kein Restanspruch verblieben, er hätte wegen § 147 Abs. 2 SGB III im Jahr 2004 auch nicht mehr geltend gemacht werden können. Einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (§ 190 SGB III in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung; im folgenden ohne Zusatz zitiert) hat der Kläger nicht geltend gemacht, obwohl ihm aufgrund der Hinweisschreiben des Gerichts vom 29. April und 27. Mai 2011 bekannt war, dass diese Möglichkeit in Betracht kommt. Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass dieser Anspruch als "Minus" in einem auf Arbeitslosengeld gerichteten Leistungsbegehren in jedem Fall enthalten wäre, so scheiterte er daran, dass jedenfalls die Anspruchsvoraussetzung der Bedürftigkeit (§ 190 Abs. 1 Nr. 5 i.V. mit §§ 193, 194, 206 SGB III und der Arbeitslosenhilfe-Verordnung 2002) nicht nachgewiesen ist.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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