Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 49 AY 131/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 AY 23/11 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 2. November 2011 wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Beschwerde des Klägers gegen den ihm am 10. November 2011 zugestellten Beschluss ist zulässig. Sie ist fristgerecht innerhalb der bis zum 12. Dezember 2011 (Montag) laufenden Monatsfrist des § 173 Satz 1 SGG beim Sozialgericht eingegangen.
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe gemäß § 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) zu Recht wegen fehlender Erfolgsaussicht der Klage abgelehnt.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Verbindung mit dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, die er vorliegend im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens (§ 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X] i.V.m. § 9 Abs. 3 AsylbLG) geltend macht.
Zwar ist ein solcher Anspruch nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil höhere Leistungen für die Vergangenheit geltend gemacht werden. Denn wenn sich im Rahmen einer Überprüfung bestandskräftiger Bescheide ergibt, dass in der Vergangenheit zu Unrecht höhere Leistungen nach § 2 Abs. 1 AslybLG nicht erbracht wurden, ist ohne weiteren Nachweis von einem fortbestehenden Bedarf ausgehen, soweit die pauschalierte Regelleistung betroffen ist, wenn nicht im Nachhinein die Bedürftigkeit weggefallen ist (BSG, Urteil vom 9. Juni 2011 – B 8 AY 1/10 R, Fundstelle Juris).
Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG für Analogleistungen nach dem SGB XII sind vorliegend jedoch nicht erfüllt. Denn der Kläger hat die Dauer seines Aufenthalts rechtsmiss-bräuchlich selbst beeinflusst. Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten (nach der ab dem 28. August 2007 geltenden Fassung des § 2 Abs. 1 AsylbLG: 48 Monaten) Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Rechtsmissbrauch setzt ein unredliches, von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten voraus. Der Ausländer darf sich nicht auf einen Umstand, nämlich die Aufenthaltsdauer von 36 bzw. 48 Monaten mit Leistungsbezug nach § 3 AsylbLG, berufen, den er selbst treuwidrig herbeigeführt hat (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R, veröffentlicht bei Juris). Nach der Gesetzesbegründung zu § 2 AsylbLG (BT-Drucks 15/420, S. 121) handelt es sich etwa bei der Vernichtung des Passes und Angabe einer falschen Identität um Fallgestaltungen eines Rechtsmissbrauchs. Die Angabe eines falschen Namens und eines falschen Geburtsdatums verbunden mit der unterlassenen Vorlage von Identitätspapieren bzw. der Behinderung der Beschaffung von Ersatzpapieren hat die Beklagte vor diesem Hintergrund zu Recht als rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG angesehen.
Soweit der Kläger sich darauf beruft, selbst bei Angabe seiner richtigen Personalien würde ihm sein Heimatstaat keinen Pass ausgestellt haben, führt das nicht dazu, dass sein Verhalten die Dauer seines Aufenthalts nicht beeinflusst hätte. Für eine "Beeinflussung" ist ein Nachweis einer tatsächlichen Kausalbeziehung des missbräuchlichen Verhaltens mit der Verlängerung der Aufenthaltsdauer nicht erforderlich. Dazu hat das BSG in dem zitierten Urteil vom 17. Juni 2008 ausgeführt:
"Allerdings zeigen bereits Gesetzeswortlaut ("Beeinflussung", nicht Verlängerung) und Gesetzesbegründung, die ua in ihrer beispielhaften Aufzählung die Vernichtung eines Passes nennt, dass eine typisierende, also generell-abstrakte Betrachtungsweise hin-sichtlich des Zusammenhangs zwischen dem vorwerfbaren Verhalten und der Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes ausreicht, also kein Kausalzusammenhang im eigentlichen Sinn erforderlich ist (Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/ AsylbLG, § 2 AsylbLG RdNr 18b, Stand Oktober 2007; aA, ohne dies jedoch zu problematisieren, Hohm, AsylbLG, § 2 RdNr 77, Stand März 2007, und Herbst in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 2 AsylbLG RdNr 28, Stand August 2007). Dies bedeutet, dass jedes von der Rechtsordnung missbilligte Verhalten, das - typisierend - der vom Gesetzgeber missbilligten Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes dienen kann, ausreichend ist, um die kausale Verbindung zu bejahen. Ob etwa das Asylverfahren tatsächlich verzögert wurde (so Herbst, aaO) und eine frühere Abschiebung der Kläger erfolgt und deshalb in einem ggf "kleineren Zeitfenster" möglich gewesen wäre, bedarf im Hinblick auf die typisierende Betrach-tung keiner Entscheidung. Eine solche wäre in aller Regel auch nicht möglich, weil keine sichere Aussage über einen hypothetischen Kausalverlauf getroffen werden könnte. Wie sollte beurteilt werden, wie lange ein Asylverfahren bei anderem Verhalten des Ausländers gedauert hätte und ob der Ausländer bei einer kürzeren Verfahrensdauer ausgewiesen worden oder ausgereist wäre. Eine Ausnahme von der typisierenden Betrachtungsweise muss allerdings dann gemacht werden, wenn eine etwaige Ausreisepflicht des betroffenen Ausländers unabhängig von seinem Verhalten ohnehin in dem gesamten Zeitraum ab dem Zeitpunkt des Rechtsmissbrauchs nicht hätte vollzogen werden können (so im Ergebnis auch Herbst, aaO, RdNr 28), etwa weil die Erlasslage des zuständigen Innenministeriums eine Abschiebung ohnehin nicht zugelassen hätte. In diesen Fällen ist eine typisierende Betrachtungsweise nicht mehr zulässig; sie entsprechen nicht der oben geschilderten Typik. Lässt es sich nicht feststellen, ob eine solche Ausnahme vorliegt, geht dies zu Lasten des Ausländers."
Die Unzulässigkeit einer typisierenden Betrachtung ergibt sich vorliegend nicht aus einer langjährigen Praxis der l Botschaft, für eine Ersatzausstellung von Nationalpässen den Nachweis eines Aufenthaltsrechts oder einer Zusicherung eines Bleiberechts zu verlangen (vgl. VG Sigmaringen, Urteil vom 20. Juli 2006 - 8 K 577/04, Fundstelle Juris). Die generelle Unmöglichkeit einer Ausreise auch bei unterstellter Mitwirkung des Klägers bei der Ersatzbeschaffung von Identitätspapieren steht damit nicht fest. Die Voraussetzungen für die Ausstellung schlichter Heimreisedokumente ("laissez-passer") sind etwa nicht in gleicher Weise von einem Aufenthaltsrecht abhängig (VG Sigmaringen a. a. O.). Solche für eine freiwillige Ausreise genügenden Dokumente wurden vielmehr auf Antrag sowohl libanesischen Staatsangehörigen als auch palästinensischen Flüchtlingen aus dem Libanon erteilt, ohne dass ein deut-scher Aufenthaltstitel vorliegen oder in Aussicht gestellt werden sein musste (Auskunft der Libanesischen Botschaft im Verfahren des erkennenden Senats - L15 AY 1006/05 AY ER -, vgl. Beschluss vom 30.November 2005).
Dass der Kläger seinen Aufenthalt spätestens ab dem 30. November 2006 nicht mehr rechtsmissbräuchlich beeinflusst haben will, weil er seitdem richtige Angaben zu seiner Person gemacht hat, und dass der weitere Aufenthalt ab dem 3. Oktober 2006 nicht mehr (allein) durch das Fehlen von Identitätspapieren, sondern auch wegen der erfolgten Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen bedingt war, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Für den Ausschluss von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG kommt es nicht darauf an, dass das rechtsmissbräuchliche Verhalten aktuell noch besteht bzw. hier nach dem 3. Oktober/30. November 2006 noch bestanden hat, sondern nur darauf, ob mit dem rechtsmissbräuchlichen Verhalten die Dauer des Aufenthalts beeinflusst wurde (BSG a. a. O.). Etwas anderes könnte sich nur dann ergeben, wenn der Kläger die notwendige Bezugsdauer von Grundleistungen zurückgelegt hätte, nachdem er die Dauer seines Aufenthalts nicht mehr rechtsmissbräuchlich beeinflusst hat.
Eine hinreichende Erfolgsaussicht ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger sich auf Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der nach dem AsylbLG gewährten Leistungen im Hinblick auf das zu gewährende Existenzminimum unter Bezugnahme auf den Vorlagebeschluss des LSG NRW vom 26. Juli 2010 (L 20 AY 13/09) beruft. Durch-greifende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Grundleistungen ergeben sich für den Senat vorliegend nicht (vgl. bereits Beschlüsse des LSG Berlin-Brandenburg vom 25. März 2011 - L 15 AY 4/11 B ER – und vom 19. April 2011 - L 23 AY 7/11 B ER, Fundstelle jeweils sozialgerichtsbarkeit.de). Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Regelleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgersetzbuch (Urteil vom 9.Februar 2010 - 1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09) ist zudem abzuleiten, dass gegebenenfalls auch die Bemessung der Leistungen nach § 3 AsylbLG jedenfalls bis zum 31. Dezember 2010 anzuwenden gewesen wäre. Eine etwaige Verfassungswidrigkeit der Grundleistungen, die derzeit dem BVerfG in zwei Verfahren zur konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG (1 BvL 10/10 und 2/11) zur Prüfung vorliegen, könnte sich deshalb auf die Entscheidung im Falle des Klägers nicht auswirken (vgl. LSG NRW, Urteil vom 23. Mai 2011 - L 20 AY 139/10, Fundstelle Juris).
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Beschwerde des Klägers gegen den ihm am 10. November 2011 zugestellten Beschluss ist zulässig. Sie ist fristgerecht innerhalb der bis zum 12. Dezember 2011 (Montag) laufenden Monatsfrist des § 173 Satz 1 SGG beim Sozialgericht eingegangen.
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe gemäß § 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) zu Recht wegen fehlender Erfolgsaussicht der Klage abgelehnt.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Verbindung mit dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, die er vorliegend im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens (§ 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X] i.V.m. § 9 Abs. 3 AsylbLG) geltend macht.
Zwar ist ein solcher Anspruch nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil höhere Leistungen für die Vergangenheit geltend gemacht werden. Denn wenn sich im Rahmen einer Überprüfung bestandskräftiger Bescheide ergibt, dass in der Vergangenheit zu Unrecht höhere Leistungen nach § 2 Abs. 1 AslybLG nicht erbracht wurden, ist ohne weiteren Nachweis von einem fortbestehenden Bedarf ausgehen, soweit die pauschalierte Regelleistung betroffen ist, wenn nicht im Nachhinein die Bedürftigkeit weggefallen ist (BSG, Urteil vom 9. Juni 2011 – B 8 AY 1/10 R, Fundstelle Juris).
Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG für Analogleistungen nach dem SGB XII sind vorliegend jedoch nicht erfüllt. Denn der Kläger hat die Dauer seines Aufenthalts rechtsmiss-bräuchlich selbst beeinflusst. Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten (nach der ab dem 28. August 2007 geltenden Fassung des § 2 Abs. 1 AsylbLG: 48 Monaten) Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Rechtsmissbrauch setzt ein unredliches, von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten voraus. Der Ausländer darf sich nicht auf einen Umstand, nämlich die Aufenthaltsdauer von 36 bzw. 48 Monaten mit Leistungsbezug nach § 3 AsylbLG, berufen, den er selbst treuwidrig herbeigeführt hat (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R, veröffentlicht bei Juris). Nach der Gesetzesbegründung zu § 2 AsylbLG (BT-Drucks 15/420, S. 121) handelt es sich etwa bei der Vernichtung des Passes und Angabe einer falschen Identität um Fallgestaltungen eines Rechtsmissbrauchs. Die Angabe eines falschen Namens und eines falschen Geburtsdatums verbunden mit der unterlassenen Vorlage von Identitätspapieren bzw. der Behinderung der Beschaffung von Ersatzpapieren hat die Beklagte vor diesem Hintergrund zu Recht als rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG angesehen.
Soweit der Kläger sich darauf beruft, selbst bei Angabe seiner richtigen Personalien würde ihm sein Heimatstaat keinen Pass ausgestellt haben, führt das nicht dazu, dass sein Verhalten die Dauer seines Aufenthalts nicht beeinflusst hätte. Für eine "Beeinflussung" ist ein Nachweis einer tatsächlichen Kausalbeziehung des missbräuchlichen Verhaltens mit der Verlängerung der Aufenthaltsdauer nicht erforderlich. Dazu hat das BSG in dem zitierten Urteil vom 17. Juni 2008 ausgeführt:
"Allerdings zeigen bereits Gesetzeswortlaut ("Beeinflussung", nicht Verlängerung) und Gesetzesbegründung, die ua in ihrer beispielhaften Aufzählung die Vernichtung eines Passes nennt, dass eine typisierende, also generell-abstrakte Betrachtungsweise hin-sichtlich des Zusammenhangs zwischen dem vorwerfbaren Verhalten und der Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes ausreicht, also kein Kausalzusammenhang im eigentlichen Sinn erforderlich ist (Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/ AsylbLG, § 2 AsylbLG RdNr 18b, Stand Oktober 2007; aA, ohne dies jedoch zu problematisieren, Hohm, AsylbLG, § 2 RdNr 77, Stand März 2007, und Herbst in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 2 AsylbLG RdNr 28, Stand August 2007). Dies bedeutet, dass jedes von der Rechtsordnung missbilligte Verhalten, das - typisierend - der vom Gesetzgeber missbilligten Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes dienen kann, ausreichend ist, um die kausale Verbindung zu bejahen. Ob etwa das Asylverfahren tatsächlich verzögert wurde (so Herbst, aaO) und eine frühere Abschiebung der Kläger erfolgt und deshalb in einem ggf "kleineren Zeitfenster" möglich gewesen wäre, bedarf im Hinblick auf die typisierende Betrach-tung keiner Entscheidung. Eine solche wäre in aller Regel auch nicht möglich, weil keine sichere Aussage über einen hypothetischen Kausalverlauf getroffen werden könnte. Wie sollte beurteilt werden, wie lange ein Asylverfahren bei anderem Verhalten des Ausländers gedauert hätte und ob der Ausländer bei einer kürzeren Verfahrensdauer ausgewiesen worden oder ausgereist wäre. Eine Ausnahme von der typisierenden Betrachtungsweise muss allerdings dann gemacht werden, wenn eine etwaige Ausreisepflicht des betroffenen Ausländers unabhängig von seinem Verhalten ohnehin in dem gesamten Zeitraum ab dem Zeitpunkt des Rechtsmissbrauchs nicht hätte vollzogen werden können (so im Ergebnis auch Herbst, aaO, RdNr 28), etwa weil die Erlasslage des zuständigen Innenministeriums eine Abschiebung ohnehin nicht zugelassen hätte. In diesen Fällen ist eine typisierende Betrachtungsweise nicht mehr zulässig; sie entsprechen nicht der oben geschilderten Typik. Lässt es sich nicht feststellen, ob eine solche Ausnahme vorliegt, geht dies zu Lasten des Ausländers."
Die Unzulässigkeit einer typisierenden Betrachtung ergibt sich vorliegend nicht aus einer langjährigen Praxis der l Botschaft, für eine Ersatzausstellung von Nationalpässen den Nachweis eines Aufenthaltsrechts oder einer Zusicherung eines Bleiberechts zu verlangen (vgl. VG Sigmaringen, Urteil vom 20. Juli 2006 - 8 K 577/04, Fundstelle Juris). Die generelle Unmöglichkeit einer Ausreise auch bei unterstellter Mitwirkung des Klägers bei der Ersatzbeschaffung von Identitätspapieren steht damit nicht fest. Die Voraussetzungen für die Ausstellung schlichter Heimreisedokumente ("laissez-passer") sind etwa nicht in gleicher Weise von einem Aufenthaltsrecht abhängig (VG Sigmaringen a. a. O.). Solche für eine freiwillige Ausreise genügenden Dokumente wurden vielmehr auf Antrag sowohl libanesischen Staatsangehörigen als auch palästinensischen Flüchtlingen aus dem Libanon erteilt, ohne dass ein deut-scher Aufenthaltstitel vorliegen oder in Aussicht gestellt werden sein musste (Auskunft der Libanesischen Botschaft im Verfahren des erkennenden Senats - L15 AY 1006/05 AY ER -, vgl. Beschluss vom 30.November 2005).
Dass der Kläger seinen Aufenthalt spätestens ab dem 30. November 2006 nicht mehr rechtsmissbräuchlich beeinflusst haben will, weil er seitdem richtige Angaben zu seiner Person gemacht hat, und dass der weitere Aufenthalt ab dem 3. Oktober 2006 nicht mehr (allein) durch das Fehlen von Identitätspapieren, sondern auch wegen der erfolgten Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen bedingt war, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Für den Ausschluss von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG kommt es nicht darauf an, dass das rechtsmissbräuchliche Verhalten aktuell noch besteht bzw. hier nach dem 3. Oktober/30. November 2006 noch bestanden hat, sondern nur darauf, ob mit dem rechtsmissbräuchlichen Verhalten die Dauer des Aufenthalts beeinflusst wurde (BSG a. a. O.). Etwas anderes könnte sich nur dann ergeben, wenn der Kläger die notwendige Bezugsdauer von Grundleistungen zurückgelegt hätte, nachdem er die Dauer seines Aufenthalts nicht mehr rechtsmissbräuchlich beeinflusst hat.
Eine hinreichende Erfolgsaussicht ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger sich auf Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der nach dem AsylbLG gewährten Leistungen im Hinblick auf das zu gewährende Existenzminimum unter Bezugnahme auf den Vorlagebeschluss des LSG NRW vom 26. Juli 2010 (L 20 AY 13/09) beruft. Durch-greifende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Grundleistungen ergeben sich für den Senat vorliegend nicht (vgl. bereits Beschlüsse des LSG Berlin-Brandenburg vom 25. März 2011 - L 15 AY 4/11 B ER – und vom 19. April 2011 - L 23 AY 7/11 B ER, Fundstelle jeweils sozialgerichtsbarkeit.de). Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Regelleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgersetzbuch (Urteil vom 9.Februar 2010 - 1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09) ist zudem abzuleiten, dass gegebenenfalls auch die Bemessung der Leistungen nach § 3 AsylbLG jedenfalls bis zum 31. Dezember 2010 anzuwenden gewesen wäre. Eine etwaige Verfassungswidrigkeit der Grundleistungen, die derzeit dem BVerfG in zwei Verfahren zur konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG (1 BvL 10/10 und 2/11) zur Prüfung vorliegen, könnte sich deshalb auf die Entscheidung im Falle des Klägers nicht auswirken (vgl. LSG NRW, Urteil vom 23. Mai 2011 - L 20 AY 139/10, Fundstelle Juris).
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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