L 10 AS 654/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 116 AS 4146/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 AS 654/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
SGB 2 § 22 Abs 1 S 2 ist analog anwendbar, wenn sich die Miete eines in akzeptablen Wohnverhältnissen lebenden Leistungsberechtigten während des Leistungsbezuges dadurch erhöht, dass er mit dem Vermieter eine Modernisierungsvereinbarung schließt, nach der die Kosten auf ihn umgelegt werden
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerinnen begehren für die Zeit vom 01. September 2008 bis zum 30. Juni 2009 höhere Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) gemäß § 22 Abs 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der seit dem 01. August 2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20. Juli 2006 (FortentwicklungsG, BGBl I, S 1706; auch im Folgenden wird auf die Vorschriften des SGB II in ihrer im streitigen Zeitraum gültigen Fassung Bezug genommen).

Die 1973 geborene, erwerbsfähige Klägerin zu 1. ist die Mutter der 2004 geborenen Klägerin zu 2., die sie allein erzieht und für die sie das alleinige Sorgerecht hat. Für die Klägerin zu 1. ist seit November 2001 Frau G als Betreuerin mit dem Aufgabenbereich "Wahrnehmung der Vermögens-, Behörden-, Wohn-, Gesundheitsangelegenheiten, Aufenthaltsbestimmung für Gesundheitsangelegenheiten" bestellt; für Vermögensangelegenheiten ist ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet.

Die Klägerinnen lebten zunächst mit dem 1973 geborenen, damals ebenfalls unter Betreuung stehenden K N (N) zusammen, dem damaligen Lebensgefährten der Klägerin zu 1. und Vater der Klägerin zu 2. Ab Januar 2005 bezogen die Klägerinnen als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts Arbeitslosengeld II bzw Sozialgeld und N laufende Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Vom 01. bis zum 23. November 2007 lebten die Klägerinnen in einem Frauenhaus im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Jobcenters Lichtenberg, von dem sie für diesen Zeitraum und noch bis einschließlich Dezember 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhielten. Für die Zeit ab Dezember 2007 mietete die Klägerin zu 1. für sich und die Klägerin zu 2. eine 52,50 m² große Zwei-Zimmer-Wohnung im Haus A d K 200 in B an, für die eine Bruttowarmmiete 400,- EUR (Nettokaltmiete 261,- EUR, Betriebskosten (kalt) 92,- EUR, Heizung und Warmwasser (WW) 47,- EUR) zu zahlen war (Mietvertrag vom 12. November 2007, Bl 157 ff der Leistungsakten (LA)). Das fensterlose Badezimmer der Wohnung enthielt WC, ein Waschbecken sowie eine Badewanne und war mit Rauhfaser tapeziert. Der Fußboden war mit Linoleum belegt. Mit Bescheid vom 03. Januar 2008 bewilligte die Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden: der Beklagte) den Klägerinnen für die Zeit von Januar bis Juni 2008 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von insgesamt 915,55 EUR (als Einzelansprüche; für die Klägerin zu 1.: 472,- EUR Regelleistung (347,- EUR zzgl 125,- EUR Mehrbedarf wegen Alleinerziehung) zzgl 194,77 KdU-Leistungen (400,- EUR abzgl 10,45 EUR WW-Pauschale./. zwei Bewohner); für die Klägerin zu 2.: 54,- EUR Regelleistung (208,- EUR abzgl 154,- EUR Kindergeld) zzgl 194,78 KdU-Leistungen). Für die – hier in Streit stehende – Folgezeit erließ der Beklagte unter dem 29. Mai 2008 zwei Bewilligungsbescheide: der eine betraf den Zeitraum Juli bis Dezember 2008, der weitere den Zeitraum Januar bis Juni 2009. Es wurden den Klägerinnen jeweils insgesamt 798,38 EUR/Monat bewilligt (als Einzelansprüche; für die Klägerin zu 1.: 477,- EUR Regelleistung (351,- EUR zzgl 126,- EUR Mehrbedarf wegen Alleinerziehung) zzgl 194,69 KdU-Leistungen (400,- EUR abzgl 10,62 WW-Pauschale./. zwei Bewohner); für die Klägerin zu 2.: nur 126,69 KdU-Leistungen, da neben dem Kindergeld ein Unterhaltsvorschuss von 125,- EUR als Einkommen angerechnet wurde; über weiteres Einkommen oder berücksichtigungsfähiges Vermögen verfügten die Klägerinnen im streitigen Zeitraum nicht).

Am 17. Juli 2008 schloss die Klägerin zu 1. mit Einverständnis ihrer Betreuerin, ohne zuvor den Beklagten eingeschaltet zu haben, mit ihrer Vermieterin, der degewo Marzahner Wohnungsgesellschaft mbH, eine "Vereinbarung über Modernisierung und damit verbundener Mieterhöhung", in der es ua hieß:

"Zwischen der Vermieterin und dem Vermieter besteht Einverständnis, dass das Bad der o.g. Wohnung zwar voll gebrauchsfähig ist, aber den heutigen Wohnbedürfnissen und Anforderungen nicht mehr entsprechen. Deshalb wird vereinbart, dass folgende Modernisierungsarbeiten ausgeführt werden:

Bad-Modernisierung komplett, inkl. Fliesung

Die Vermieterin führt diese Arbeiten im Leistungsumfang entsprechend der Anlage auf Wunsch des Mieters aus.

Vereinbarung Mieterhöhung

Die Kosten entsprechend dem Leistungsumfang sind fest vereinbart und belaufen sich auf insgesamt 3192,59 EUR (gemäß Erfassungsbogen und Anlage zum Auftrag).

Im Gegenzug verlangt die Vermieterin für diese wohnwerterhöhende Maßnahme einen monatlichen Mietzuschlag in Höhe von 29,27 EUR. Dieser Zuschlag wurde in Anlehnung an § 3 Miethöhegesetz ermittelt, wobei fällige Instandsetzungsarbeiten berücksichtigt wurden.

Die neue Miete 429,27 EUR ist ab dem 1. des auf die Fertigstellung folgenden Monats zu zahlen. Diese Vereinbarung und Mietenneuberechnung ändert Ihren bestehenden Mietvertrag insoweit ab. " (Bl 231 f LA)

Diese Vereinbarung übersandte die Betreuerin der Klägerin zu 1. dem Beklagten unter dem 04. August 2008 als Mieterhöhungsmitteilung für die Zeit ab dem 01. September 2008 – ab diesem Zeitpunkt hatte sich nach durchgeführter Badmodernisierung (vgl zu deren Einzelheiten das "Kostenblatt für Badmodernisierung", Bl 14 der Gerichtsakten (GA)) die Miete auf insgesamt 429,27 EUR erhöht (vgl die Mitteilung der degewo an die Betreuerin der Klägerin zu 1. vom 07. November 2008, Bl 7 GA) – mit der Bitte um Erlass eines entsprechenden Änderungsbescheides. Mit Bescheid vom 12. August 2008 teilte der Beklagte der Klägerin zu 1. darauf mit, dem Antrag auf Übernahme der Unterkunftskosten, die infolge der Badmodernisierung zusätzlich entstanden seien, könne nicht entsprochen werden. Denn die Modernisierungsarbeiten seien freiwillig durch sie selbst (die Klägerin zu 1.) und nicht verpflichtend von Vermieterseite in Auftrag gegeben worden. Sie sei nach § 22 Abs 2 SGB II verpflichtet gewesen, vor Abschluss der Modernisierungsvereinbarung die Zusicherung des Jobcenters zur Erhöhung der Aufwendungen für die Unterkunft einzuholen.

Am 04. September 2008 legte die Klägerin zu 1. durch ihre Betreuerin Widerspruch ein, den letztere später wie folgt begründete: Es gehe aus dem Gesetz nicht hervor, dass auch zu einer Modernisierungsvereinbarung die Zustimmung des Jobcenters einzuholen sei. Die KdU der Klägerinnen lägen auch nach erfolgter Modernisierung noch im Bereich der vom Beklagten regelmäßig angewandten Angemessenheitsgrenzen. Grund für die Modernisierung sei die von der degewo bestätigte Tatsache gewesen, dass das Bad den heutigen Anforderungen nicht mehr entsprochen habe. Es sei davon auszugehen, dass inzwischen nahezu alle Wohnungen im Zuständigkeitsbereich des Beklagten mit gefliesten Bädern ausgestattet seien und die Fliesung der restlichen Bäder in den nächsten Jahren erfolgen werde. Die Wohnung der Klägerinnen sei somit nur dem ortsüblichen Niveau angeglichen worden. Zu berücksichtigen sei ferner, dass die Klägerin zu 1. als allein erziehende Mutter mit der dreijährigen Klägerin zu 2. beim Baden oder Duschen regelmäßige Feuchtigkeitseinwirkungen auf die vor der Modernisierung nicht mit Feuchtigkeitsschutz versehene Wand über der Badewanne nicht habe vermeiden können. Es sei ihr nicht zumutbar gewesen abzuwarten, den Befall der Wand mit gesundheitsgefährdendem Schimmel abzuwarten, zumal die Klägerin zu 2. für Erkrankungen der oberen Luftwege anfällig sei.

Mit Bescheid vom 13. Oktober 2008 hob der Beklagte angesichts einer Betriebskostenabrechnung vom 26. September 2008, die ein Guthaben von 30,60 EUR bezüglich kalter Betriebskosten sowie Heiz- und WW-Kosten ausgewiesen hatte, die den Klägerinnen für November 2008 bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung in entsprechender Höhe – jeweils iHv 15,30 EUR – auf. Mit Änderungsbescheid vom 08. Januar 2009 wurde die Bewilligung der Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Klägerin zu 2. für die Zeit ab Februar 2009 um monatlich 2,- EUR auf 124,69 EUR verringert, weil sich zum Jahresbeginn einerseits das Kindergeld um 10,- EUR erhöht und andererseits der Unterhaltsvorschuss um 8,- EUR verringert hatte. Der gegen diesen Bescheid wegen der fortdauernden Außerachtlassung der Mieterhöhung zum 01. September 2008 erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 25. März 2009). Dagegen haben Klägerinnen Klage erhoben, die beim Sozialgericht (SG) Berlin zunächst unter dem Az S 162 AS 12486/09 geführt worden ist.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2009 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerinnen gegen den Bescheid vom 12. August 2008 als unbegründet zurück. Zwar entspreche die neue Bruttowarmmiete von 429,27 EUR/Monat noch den allgemeinen Angemessenheitskriterien. Jedoch müssten die Leistungsberechtigten nach § 2 Abs 1 Satz 1 SGB II alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Bei einer ausreichenden Versorgung mit Wohnraum müssten sie daher dafür Sorge tragen, dass sich die Unterkunftskosten und damit der Umfang ihrer Hilfebedürftigkeit nicht erhöhten. Hier seien die Modernisierungsarbeiten während des laufenden Leistungsbezugs auf Wunsch der Klägerin zu 1. durchgeführt worden. Es könne dahinstehen, ob eine Modernisierung des Bades zwingend erforderlich gewesen sei, um zumutbare Wohnverhältnisse herzustellen. Denn in einem solchen Falle wäre es Sache des Vermieters gewesen, die unzumutbaren Verhältnisse auf eigene Kosten zu beseitigen.

Darauf haben die Klägerinnen, nunmehr anwaltlich vertreten, beim SG Berlin Klage mit dem Ziel erhoben, dass bei der Berechnung ihrer Leistungen für die Unterkunft und Heizung ab September 2008 die tatsächliche Nettokaltmiete von seitdem 290,27 EUR (261,- EUR zzgl 29,27 EUR) berücksichtigt wird; das Verfahren erhielt das Az S 116 AS 4146/09. Zur Begründung haben sie ergänzend geltend gemacht: Vor Abschluss der Modernisierungsvereinbarung habe sich durch die Feuchtigkeitsentwicklung bei normaler Badbenutzung, insbesondere durch das Kleinkind, die Tapete im Bereich über der Badewanne gelöst und es seien Stockflecken entstanden. Die Klägerin zu 1. sei wegen mit Sicherheit zu erwartender Schimmelbildung besorgt gewesen. Insofern wurde ein Attest der Kinderärztin der Klägerin zu 2. vom 20. November 2008 vorgelegt, in dem es hieß: " Das Bad der Wohnung der Fam. K war nicht saniert. Es handelte sich um alte z.T. feuchte Raufasertapete. Infekte der Kinder durch Schimmelpilze sollten dringend vermieden werden. Die Sanierung des Badezimmers und Fliesen war durchaus erforderlich." (Bl 13 GA S 162 AS 12486/09). Die Klägerin zu 1. habe sich deswegen an die Vermieterin gewandt, woraufhin die Modernisierungsvereinbarung getroffen worden sei. Diesbezüglich wurde ein Schreiben der degewo vom 07. November 2008 an die Betreuerin vorgelegt, in dem ua ausgeführt worden war, es sei nur eine Frage der Zeit, bis sukzessive alle Bäder im Hause A d K 200/202 modernisiert werden könnten. Insofern habe die Klägerin zu 1. zu den Mietern gehört, von denen die degewo die Mittel erhalten hätte, um in diesem Jahr tätig werden zu können. Die Wohnung der Klägerinnen habe zuvor nicht mehr dem heutigen Standard entsprochen, weswegen die Miete auch entsprechend niedriger berechnet worden sei (Bl 17 der GA S 162 AS 12486/09).

Mit Beschluss vom 22. September 2009 sind die Verfahren S 162 AS 12486/09 und S 116 AS 4146/09 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem letztgenannten Az verbunden worden.

Im Erörterungstermin vor dem SG am 28. Januar 2010 ist die Betreuerin der Klägerin zu 1. zu den Umständen der Wohnungsanmietung und der Modernisierung befragt worden – wegen ihrer Angaben wird auf Bl 44R GA verwiesen – und hat Frau E W, eine Mitarbeiterin der degewo, als Zeugin ausgesagt. Sie hat ua bekundet: In dem von den Klägerinnen bewohnten Haus stünden bisher keine Badmodernisierungen an. Es handele sich um ein Hochhaus mit 330 Wohnungen. Teilweise seien die Bäder dort auf eigene Kosten der Mieter modernisiert worden. Kämen Mieter mit einem Modernisierungswunsch auf die degewo zu, würden die Modernisierungskosten im Regelfall monatlich umgelegt. Ihr sei in diesem Haus kein Fall von Schimmelbildung bekannt. Würden Wohnungen durch die Hausverwaltung renoviert, werde atmungsaktive Tapete verwendet, die mit einem Schutzanstrich versehen werde. Für Modernisierungswünsche gebe es Rahmenverträge. Die Komplettsanierung eines Bades koste je nach Badform zwischen 3100,- und 3400,- EUR brutto. In der Wohnung der Klägerinnen sei eine komplette Badsanierung gemacht worden. Boden und Wände seien gefliest worden und sie hätten eine neue Sanitärkeramik erhalten, dh ein neues WC mit Spülkasten, eine neue Badewanne, ein Waschbecken, neue Mischbatterien und was dazu gehöre. Eckventile, Verteilerspinnen und Wanddurchführungen seien über die Instandhaltung gezahlt worden und im Umlagebetrag nicht enthalten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl 45 GA verwiesen.

Die Klägerinnen haben im Erörterungstermin den Antrag formuliert,

den Bescheid vom 12. August 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihnen unter Abänderung der Bescheide vom 29. Mai 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 08. Januar 2009 weitere monatliche Unterkunftskosten iHv 29,27 EUR zu gewähren.

Am Ende des Erörterungstermins haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Mit Urteil vom 18. Februar 2010 hat das SG die Klage(n) ohne mündliche Verhandlung mit folgender Begründung abgewiesen: Die Klägerinnen hätten keinen Anspruch auf Übernahme der auf der Modernisierung basierenden höheren Unterkunftskosten, da diese nicht angemessen seien. Denn die Sanierung des Bades sei nach dem Einzug der Klägerinnen allein auf ihre Veranlassung hin erfolgt, ohne dass sie für einen bestimmungsgemäßen Gebrauch der Wohnung notwendig gewesen sei. Die Badsanierung sei keine Maßnahme der Erhaltung, sondern der Verbesserung ausreichenden Wohnstandards gewesen. Ausreichend sei für Leistungsberechtigte nach dem SGB II ein einfacher, im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad, der ein menschenwürdiges Leben sicherstelle. Dazu gehöre in der Regel ein Bad, dh ein mit Badewanne oder Dusche ausgestatteter Raum innerhalb der Wohnung, und die Versorgung mit WW. Fliesung sei nicht notwendig. Bei eingeschränkter Nutzbarkeit des Bades aufgrund von Feuchtigkeitsschäden oder Schimmelbefall sei ein Bezieher von Grundsicherungsleistungen vorrangig gehalten, sich um eine Abhilfe durch den Vermieter – hier zB durch Ausbesserung der Tapete und Anstrich – zu bemühen. Es sei nicht Aufgabe der aus Steuermitteln finanzierten Transferleistungen nach dem SGB II, grundlegende Sanierungsarbeiten zu finanzieren, auch wenn sich die Miete im Ergebnis im Rahmen allgemeiner Angemessenheitsgrenzen halte. Vielmehr obliege es den Leistungsberechtigten, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen, zumindest aber die Kostenlast für die Allgemeinheit nicht zu erhöhen. Dies mache auch § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II deutlich, wonach es bei einer Kostenerhöhung infolge eines nicht erforderlichen Umzuges bei den bis dahin zu tragenden Aufwendungen verbleibe.

Mit der vom SG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung verfolgen die Klägerinnen ihr Begehren weiter.

Die Klägerinnen beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Februar 2010 und den Bescheid vom 12. August 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2009 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 29. Mai 2008 bzw des Änderungsbescheides vom 08. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2009 zu verurteilen, ihnen für die Zeit vom 01. September 2008 bis 30. Juni 2009 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung, nämlich unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen monatlichen Mietkosten von 429,27 EUR (abzüglich Warmwasserpauschale), zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er macht ergänzend bzw vertiefend geltend: Der Umstand, dass die Klägerin zu 1. mit ihrer Vermieterin eine Modernisierungsvereinbarung geschlossen habe, die zur Erhöhung der Miete geführt habe, müsse bei der Prüfung des Merkmals "Angemessenheit" in § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II Berücksichtigung finden. Für den Fall, dass dies rechtlich nicht möglich sei, müsse § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II entsprechend angewandt werden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte, die Gerichtsakten S 162 AS 12486/09 sowie die die Klägerinnen betreffenden LA des Beklagten (zwei Bände), die vorgelegen haben, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerinnen ist unbegründet.

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens, dh das von den Klägerinnen zur gerichtlichen Entscheidung gestellte Begehren, ist die Höhe der ihnen zustehenden Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01. September 2008 bis zum 30. Juni 2009. Die Beschränkung des Streitgegenstandes auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung ist insoweit zulässig, als es sich bei der Verfügung über die Unterkunfts- und Heizkosten um eine abtrennbare Verfügung (= Verwaltungsakt iS des § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)) des Gesamtbewilligungsbescheides handelt und damit das Gericht bei einem entsprechend beschränktem Antrag (der hier vorliegt) auch lediglich über diese Position des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II bzw Sozialgeld befinden muss. Eine weitere Aufspaltung des Streitgegenstandes in Leistungen einerseits für Unterkunfts- und andererseits für Heizkosten ist indes rechtlich nicht möglich (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 07. November 2006 - B 7b AS 8/06 R, juris = SozR 4 - 4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18 f zum bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Recht des SGB II).

Entsprechend sind folgende Bescheide Gegenstand dieses Rechtsstreits (iS von § 95 SGG): zunächst der Bescheid vom 12. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2009, mit dem es der Beklagte abgelehnt hat, die aufgrund der durchgeführten Modernisierung ab September 2008 erhöhten Unterkunftskosten zu übernehmen bzw als Bedarf anzuerkennen; ferner der den Bewilligungsabschnitt von Juli bis Dezember 2008 betreffende Bescheid vom 29. Mai 2008 insoweit, als er die KdU-Leistungen für die Zeit ab September 2008 bestimmt, und der weitere Bescheid selben Datums bezüglich des Bewilligungsabschnitts von Januar bis Juni 2009 (diese Bescheide regeln für den jeweiligen Bewilligungsabschnitt die laufenden, vom Beklagten zu erbringenden Leistungen für Unterkunft und Heizung und bilden deshalb mit dem Bescheid vom 12. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides eine Einheit, vgl BSG, Urteil vom 24. Februar 2011 – B 14 AS 49/10 R, juris RdNr 15); ferner der Bescheid vom 13. Oktober 2008, mit dem für November 2008 die Leistungen für Unterkunft und Heizung für beide Klägerinnen aufgrund einer Betriebskostengutschrift teilweise aufgehoben wurden; schließlich der Bescheid vom 08. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2009, mit dem die Leistungen für Unterkunft und Heizung nur für die Klägerin zu 2. für die Zeit von Februar bis Juni 2009 in geringfügigem Umfang (in Höhe von 2,- EUR) wegen erhöhten Einkommens aufgehoben wurden.

Die Klägerinnen haben für die Zeit vom 01. September 2008 bis zum 30. Juni 2009 keinen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs 1 SGB II als zuletzt (nach den soeben aufgeführten Bescheiden) bewilligt.

Sie erfüllten in dem in Rede stehenden Zeitraum die Voraussetzungen für die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, im Fall der Klägerin zu 1. in Form von Arbeitslosengeld II und im Falle der Klägerin zu 2. in Form von Sozialgeld (§ 28 SGB II). Insbesondere war die Klägerin zu 1. erwerbsfähig (vgl § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II), lebte im streitigen Zeitraum mit der noch nicht 15-jährigen und daher noch nicht als erwerbsfähig geltenden Klägerin zu 2. in Bedarfsgemeinschaft (vgl § 28 SGB II) und waren beide hilfedürftig (vgl §§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3, 28, 9 SGB II). Fehler bei der Anrechnung des der Klägerin zu 2. zurechenbaren Einkommens aus Kindergeld (dazu § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II) und Unterhaltsvorschuss sind nicht ersichtlich; bei der Klägerin zu 1. hat der Beklagte zutreffend weder Einkommen noch Vermögen berücksichtigt. Auch die nachträglichen teilweisen Aufhebungen der KdU-Leistungen für November 2008 aufgrund der Betriebskostengutschrift (beide Klägerinnen betreffend) und für die Zeit von Februar bis Juni 2009 aufgrund der Kindergelderhöhung (nur die Klägerin zu 2. betreffend) sind nicht zu beanstanden; sie sind von den Klägerinnen im Übrigen auch nicht bemängelt worden. Bei korrektem Abzug der WW-Pauschale ergibt sich allerdings für den gesamten in Streit stehenden Zeitraum eine geringfügig höhere Leistung für die Klägerin zu 2. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14/11b AS 15/07 R, juris = SozR 4-4200 § 22 Nr 5) ist bei der Berechnung der Leistungen für Unterkunft und Heizung von den einem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft nach dem Kopfteilsprinzip zurechenbaren Heizkosten eine WW-Pauschale jeweils in der Höhe in Abzug zu bringen, in der die Kosten für die Warmwasserbereitung im jeweiligen Regelsatz enthalten sind. Danach hätte bei der Klägerin zu 1. angesichts ihres Regelsatzes von 351,- EUR ein Betrag von 6,33 EUR (statt 5,31 EUR (10,62 EUR./. 2)) und bei der Klägerin zu 2. angesichts ihres Regelsatzes von 211,- EUR ein Betrag von 3,80 EUR (statt 5,31 EUR) abgezogen werden müssen (vgl zur jeweiligen Höhe der WW-Pauschale Brehm/Schifferdecker, Die Warmwasserpauschale im Regelsatz des SGB II, SGb 2010, 331 (335); die hier vom Beklagten vorgenommene Summenbildung wird dem Individualcharakter der Leistungsansprüche nach dem SGB II (dazu BSG, Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 8/06 R, juris = SozR 4-4200 § 22 Nr 1) nicht gerecht). Bringt man bei der Klägerin zu 1. folglich den höheren Betrag von 6,33 EUR in Abzug, ergibt sich ein geringerer KdU-Anspruch, was für das vorliegende, auf höhere Leistungen gerichtete Verfahren irrelevant ist. Bei der Klägerin zu 2. hätte indes monatlich ein um 1,51 EUR Betrag von den Heizkosten abgezogen werden müssen mit der Folge, dass sich ihr Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung entsprechend erhöht. Der Senat geht davon aus, dass der Beklagte der Klägerin zu 2. den Differenzbetrag für die Monate September 2008 bis Juni 2009 unabhängig vom Ausgang dieses Verfahrens nachzahlt (eine Saldierung mit den geringfügig zu hohen KdU-Leistungen für die Klägerin zu 1. ist angesichts des erwähnten Individualcharakters der SGB II-Leistungen nicht möglich).

Nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Der Begriff der Angemessenheit, der voller gerichtlicher Kontrolle unterliegt und dem Leistungsträger keinen Beurteilungsspielraum eröffnet (BSG, Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 10/06 R, juris; Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl, § 22 RdNr 40), ist in erster Linie abstrakt nach der Wohnfläche und dem Wohnstandard zu bestimmen. Maßgeblich ist das Produkt aus (abstrakt) angemessener Wohnfläche und (abstrakt) angemessenem Quadratmeterzins (so genannte Produkttheorie; grundlegend BSG, Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 18/06 R, juris RdNr 17 ff; vgl auch Berlit, aaO RdNr 52). Die konkreten Verhältnisse spielen nur insofern eine Rolle, als ggfs abschließend zu prüfen ist, ob ein Leistungsberechtigter auch tatsächlich die Möglichkeit hat, eine abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung auf dem jeweiligen Wohnungsmarkt anzumieten (BSG, aaO RdNr 22). Davon ausgehend ist der Umstand, dass die Klägerin zu 1. die zur Mieterhöhung führende Modernisierungsvereinbarung aus eigenem Antrieb abgeschlossen hat, entgegen der Ansicht des Beklagten für die inhaltliche Bestimmung der Angemessenheit nicht zu berücksichtigen. Verschuldensgesichtspunkte dürfen grundsätzlich nicht schon bei der Feststellung des Bedarfs berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 27. September 2011 – B 4 AS 202/10 R, juris RdNr 17), können vielmehr allenfalls (bei Bewilligung erhöhter Leistungen) zu einem Ersatzanspruch nach § 34 Abs 1 Satz 1 Ziff 1 SGB II führen (allerdings ist diese Vorschrift bislang nur mit Fällen – hier nicht gegebenen – gravierenden sozialwidrigen Verhaltens in Verbindung gebracht worden, vgl Schwitzky in LPK-SGB II, § 34 RdNr 17 ff). § 2 Abs 1 SGB II kann den Klägerinnen schon deshalb nicht entgegen gehalten werden, weil diese Vorschrift keinen eigenständigen Ausschlusstatbestand regelt (BSG, aaO RdNr 21).

Ausgehend von dem Rechtsschutzbegehren der Klägerinnen, ihnen höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zu bewilligen, besteht hier keine Notwendigkeit, die angemessenen KdU (am Wohnort) im Sinne ihrer Obergrenze (dh des gerade noch angemessenen Betrages) zu bestimmen. Die bis zum Abschluss bzw Wirksamwerden der Modernisierungsvereinbarung geschuldete Bruttokaltmiete wird von dem Beklagten aufgrund der entsprechenden Bewilligung in den angefochtenen Bescheiden erbracht; dies gilt auch für die tatsächlichen Heizkosten (vorbehaltlich des Abzugs der WW-Pauschale). Für die Beurteilung der Frage, ob die Bruttokaltmiete einschließlich deren Badmodernisierungskosten noch angemessen ist, bedarf es einer Konkretisierung des noch angemessenen Betrages nicht, da – dazu sogleich – diese zusätzlichen Aufwendungen bereits in entsprechender Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht zu erbringen sind. Nur für den Fall, dass dies anders beurteilt würde, ergäbe sich – jedenfalls nach Ablauf der Übergangsfrist nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II – eine Begrenzung der einschließlich der Modernisierungskosten dann die Angemessenheitsgrenze von 370,20 EUR übersteigenden Bruttokaltmiete. Dieser Betrag gibt sich in Anwendung der im Rahmen des Projekts "Einheitliche Kosten der Unterkunft in Berlin" von Richterinnen und Richtern des SG Berlin auf der Grundlage des Berliner Mietspiegels 2009 erarbeiteten Berechnungsgrundlagen (Schifferdecker/Irrgang/Silbermann, Einheitliche Kosten der Unterkunft in Berlin, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, 28, 39). Der Senat sieht unter Zugrundelegung des aktuellen Erkenntnisstandes keine wesentlichen Bedenken, diese Berechnungsweise als schlüssiges Konzept (dazu BSG, Urteile vom 18. Juni 2008 – B 14/7b AS 44/06 R, juris RdNr 16, und vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 2/10 R, juris RdNr 20) zu akzeptieren, da sie unter gewichteter Auswertung den zutreffend ausgewählten (Teil-)Wohnungsbestand, wie er im (qualifizierten) Berliner Mietspiegel erfasst ist, berücksichtigt, und anzuwenden, da die Berliner Verwaltung ein schlüssiges Konzept nicht präsentiert. Der Senat geht davon aus, dass für die Klägerinnen auf dem für sie maßgeblichen Berliner Wohnungsmarkt eine bedarfsgerechte Wohnung mit einer solchen Bruttokaltmiete auch konkret verfügbar war (so genannte konkrete Angemessenheit, dazu BSG, Urteil vom 07. November 2006 – B 7b As 10/06 R, juris RdNr 25).

Nach 22 Abs 1 Satz 2 SGB II werden die Leistungen für Unterkunft und Heizung weiterhin nur in Höhe der bisher zu tragenden Aufwendungen erbracht, wenn sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhöhen.

Eine direkte Anwendung der Norm scheidet aus, da der hier zu beurteilenden Kostensteigerung kein Umzug zugrunde liegt, und die Regelung nicht – gegen ihren Wortlaut – in dem Sinne ausgelegt werden kann, dass auch Fälle der vorliegenden Art erfasst werden. § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II ist auf den vorliegenden Sachverhalt indes analog anwendbar, da das Gesetz angesichts der erkennbaren Regelungsabsicht des Gesetzgebers insoweit "planwidrig" unvollständig ist (vgl BSG, Urteil vom 25. Juni 2009 – B 10 EG 8/08 R, juris RdNr 31 mit weiteren Nachweisen aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung und Bezugnahme auf Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl, S 191 ff).

Mit der Einfügung des (neuen) Satzes 2 in § 22 Abs 1 SGB II, die mit dem FortentwicklungsG vom 20. Juli 2006 mit Wirkung vom 01. August 2006 erfolgt ist, sollte nach der Gesetzesbegründung einer Kostensteigerung durch Ausschöpfung der jeweiligen örtlichen Angemessenheitsgrenzen ohne Umzugsnotwendigkeit entgegen gewirkt werden (BT-Drucks 16/1410, S 23; beim Umzug in eine unangemessen teure Wohnung sind ohnehin nur die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung zu übernehmen, vgl Berlit, aaO RdNr 65). Der Gesetzgeber wollte mit anderen Worten – nach Sinn und Zweck der steuerfinanzierten Leistungen nach dem SGB II nachvollziehbar – verhindern, dass Leistungsberechtigte mit akzeptablen Wohnverhältnissen ihre angemessenen KdU durch Umzug in eine Wohnung mit einer ebenfalls (gerade noch) angemessenen und daher nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II eigentlich berücksichtigungsfähigen Miete erhöhen. Die (nach dem Willen des Gesetzgebers zu verhindernde) Möglichkeit der Ausschöpfung abstrakter Angemessenheitswerte besteht indes nicht nur in der Weise, dass Leistungsberechtigte in eine Wohnung mit einer höheren, aber gleichwohl noch abstrakt angemessenen Miete umziehen. Vielmehr kann es – wie die vorliegende, keineswegs außergewöhnliche Kostellation zeigt – auch dadurch zu der vom Gesetzgeber unerwünschten Erhöhung von Leistungen für Unterkunft und Heizung kommen, dass ein mit qualitativ ausreichendem Wohnraum versorgter Leistungsberechtigter mit seinem Vermieter eine Modernisierungsvereinbarung schließt, aufgrund derer die Kosten (wie hier) im nach § 559 Bürgerliches Gesetzbuch zulässigen Umfang auf den Mieter umgelegt werden mit der Folge, dass die Erhöhung zur vertraglich geschuldeten (Kalt-)Miete und damit zu den Zahlungsverpflichtungen aus dem Mietvertrag gehört, für die gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II Leistungen zu erbringen sind, sofern sie angemessen sind (vgl BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 2/10 R, juris RdNr 15). Da kein Grund dafür ersichtlich ist, solche Sachverhalte anders als die vom Gesetzgeber allein in den Blick genommenen "Umzugsfälle" zu behandeln, sie jedoch vom Wortlaut des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht erfasst werden, liegt eine planwidrige Regelungslücke vor, die im Wege der Analogie zu schließen ist. Dass es sich bei dieser Norm um eine Ausnahmevorschrift handelt, ist unerheblich (vgl BSG, Urteil vom 25. Juni 2009 aaO; zur inzwischen herrschenden Meinung, dass auch Ausnahmevorschriften anologiefähig sind Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl, S 440 mit weiteren Nachweisen).

Dass die Klägerinnen bereits vor der Modernisierung über ein nach SGB II-Maßstäben akzeptables Bad verfügten, hat das SG im angefochtenen Urteil im Wesentlichen zutreffend dargestellt, so dass auf die dortigen Ausführungen (auf den Seiten 3 und 4) verwiesen werden kann (§ 153 Abs 2 SGG). Insbesondere ist die Fliesung von Wand und Boden eines Badezimmers nicht in der Weise verbreitet bzw zur bestimmungsgemäßen Nutzung – auch durch Kleinkinder – erforderlich, dass insofern auf Kosten des SGB II-Leistungsträgers (dh letztlich auf Kosten der Allgemeinheit) eine Modernisierung ermöglicht oder eine Umzugsnotwendigkeit bejaht werden müsste. Dass es vor der Badmodernisierung bereits zu gesundheitsgefährender Schimmelbildung gekommen wäre, haben die Klägerinnen nicht geltend gemacht. Im Übrigen hat das SG insofern zu Recht ausgeführt, dass es ihnen in einem solchen Fall vorrangig obliegen hätte, sich um Abhilfe durch ihr Vermieterin zu bemühen.

Der Senat sieht sich an einer analogen Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht dadurch gehindert, dass die Vorschrift angesichts der auf grundrechtlichen Gewährleistungen basierenden Verpflichtung der Leistungsträger des SGB II, notwendige Bedarfe der Leistungsberechtigten verschuldensunabhängig zu decken (vgl Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 09. Februar 2010 – ua 1 BvL 1/09, juris = BVerfGE 125, 175 ff), insofern als fragwürdig erscheint, als die normierte Deckelung auf die bisherigen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Wortlaut der Vorschrift unabhängig davon greift und unbeschränkt fortdauert, ob eine zumutbare kostengünstigere Alternative (die auch in der bisherigen Unterkunft bestehen kann) kurzfristig zugänglich ist (vgl Berlit, aaO RdNr 66 mit weiteren Nachweisen). Denn es ist nicht geltend gemacht oder sonst auch nur ansatzweise ersichtlich, dass die Klägerinnen, denen im Übrigen durch den Mehrbedarfszuschlag wegen Alleinerziehung Mittel zur Deckung der Differenz zwischen den tatsächlichen und den vom Beklagten bei der Leistungsberechnung zugrunde gelegten KdU zur Verfügung standen, im streitgegenständlichen Zeitraum keine akzeptable Unterkunftsalternative gehabt hätten, deren Kosten sich im Rahmen des Angemessenen iSv § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II gehalten hätten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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